Die Schweizer und ihre Haltung zu Nicht-Schweizern im Land: Seit den 70er-Jahren gab es mehrere Abstimmungen darüber, ob und wie man den Ausländeranteil in der Eidgenossenschaft senken könnte. Auch wenn bei Umfragen eine Mehrheit sich gegen Ausländer aussprach, waren die Ergebnisse der Abstimmungen fast immer „ausländerfreundlich“. Am Sonntag könnte es aber anders sein, so zumindest die Berechnungen der Politologen. Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) will mit ihrer sogenannten „Masseneinwanderungsinitiative“ möglichst viel der zukünftigen Immigration im Land verhindern. Darüber stimmt die Schweiz am Wochenende ab. Die katholische Kirche hat sich dazu klar geäußert: Sie lehnt die Initiative ab. Weshalb, sagt uns der Präsident ad interim der bischöflichen Kommission „Justitia et Pax“, Thomas Wallimann:
„Auf den ersten Blick sieht es bei dieser Abstimmung danach aus, als ob es sich um eine wirtschaftliche Frage geht. Wenn man aber genauer hinschaut, dann merkt man aber, worum es eigentlich geht: es sind Menschen, die in die Schweiz arbeiten kommen. Sie werden aber nur unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Nutzens betrachtet. Man kann also sagen, dass der Blick der Initiative – und derer Befürworter – sieht in den Ausländer nur Arbeiter, aber keine Menschen. Deswegen wollen die Befürworter auch nicht, dass die Familien der Ausländer mitkommen. Das alles widerspricht einer christlichen Grundhaltung, bei der der Mensch als Mensch gesehen werden muss mit all seinen Beziehungen und nicht nur als Arbeitender.“
Ausländer seien keine Ware, so das Hauptargument von „Justitia et Pax“ gegen die SVP-Initiative. Dass es aber fremdenfeindliche Haltungen in der Schweiz gibt, hänge damit zusammen, dass viele durch die großen sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen verunsichert seien.
„Nicht zuletzt auch wegen hoher Arbeitsbelastungen entsteht ein Zeitdruck bei vielen, um sich überhaupt mit Wertfragen auseinanderzusetzen, die hinter den Veränderungen stecken. Dann würde man merken, dass diese Ängste nur ein Symptom sind für eine fehlende Identitätsfrage. Wir Schweizer sind auch anfällig für ,Bauchentscheidungen´, vor allem wenn die Angstebene angesprochen wird.“
Die katholische Kirche in der Schweiz hat eine Vorbildfunktion, so Wallimann von „Justitia et Pax“. Der Anteil an Ausländern, die im kirchlichen Bereich arbeiten oder aktiv seien, sei höher als in anderen Bereichen der Schweizer Gesellschaft.
„Ich denke, wir können als Kirche zeigen, dass wir miteinander sehr gut zusammenarbeiten können und dass wir die Stärken und Schwächen ausländischer Kulturen im Rahmen der Religion und des Pfarreilebens integrieren können. Wir sehen also auch, wo die Schwierigkeiten liegen: das ist vor allem, wie man miteinander spricht und einander versteht. Beispielsweise werden viele Kirchenmänner nur auf das Priestersein reduziert. Das gilt auch bei ausländischen Seelsorgern. Wenn man also miteinander arbeitet und spricht, dann kann etwas Fruchtbares entstehen.“
Abstimmungen wie jene am Sonntag zeigen nicht nur das Verhältnis der Schweizer zu Ausländern auf. Es gehe auch um die eigene Identitätsfrage, sagt Wallimann.
„Ich denke, wir Schweizerinnen und Schweizer haben gerade weil wir nie eine Kolonialmacht waren ein anderes Verhältnis zu alle dem, was außerhalb unseres Landes geschieht. Wir sind sehr heimatlich-gemütlich orientiert. Wir nehmen zwar Menschen von außen gerne auf, sind dann aber enttäuscht, wenn diese Menschen dann doch ihre eigene Herkunft hervorheben. Das kann ich heute sehr gut feststellen, wenn ich an junge Männer denken, die aus dem ehemaligen Jugoslawien kommen. Viele spielen dann für die kroatische oder serbische Nationalmannschaft, obwohl sie hier in der Schweiz aufgewachsen sind. Schweizer sind dann enttäuscht und können das nicht verstehen. Aus dieser Enttäuschung heraus entsteht eine Form von Abwehr. Heute stellt sich uns Schweizern jedoch die Herausforderung, angesichts der vielen Ausländer, was unsere Eigenart ist.“ (rv)
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