Kinderschutz ist auf den meisten Titelseiten der internationalen Zeitungen heute schon kein Thema mehr. Der Vatikan sieht dagegen weiter Klärungsbedarf: In einer Erklärung von diesem Freitag reagiert Vatikansprecher Pater Federico Lombardi auf den Bericht des UN-Kinderrechtskomitees, das dem Heiligen Stuhl in dieser Woche ein schlechtes Zeugnis in punkto Kinderschutz ausstellte. Auch geht er auf die überbordende Medienberichterstattung zum Thema ein. In der knapp dreiseitigen Erklärung stellt der Sprecher weiter Grundsätzliches zum Verhältnis zwischen UNO und dem Vatikan klar.
„Keine Konfrontation“
Beim aktuellen Bericht des UN-Kinderschutzkomitees und der Reaktion darauf könne von „keiner Konfrontation“ zwischen den Vereinten Nationen und dem Vatikan die Rede sein, stellt Lombardi zunächst klar. In der Presse, darunter im deutschen Magazin „Der Spiegel“, war suggeriert worden, die UNO „attackiere“ den Vatikan wegen der Verschleierung von Kindesmissbrauch. Die mediale Berichterstattung über den Fall sei unberechtigt und „schädlich“ für den Vatikan. Der Heilige Stuhl habe die Vereinten Nationen in ihrer friedensstiftenden und völkerverständigenden Rolle stets stark moralisch unterstützt, hält Lombardi grundsätzlich fest. Umgekehrt sei sich die Spitze der UNO durchaus um die Bedeutung der Rolle des Heiligen Stuhls für die Entwicklung der Völkergemeinschaft bewusst. Dafür sprächen nicht nur die zahlreichen Beiträge des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen als auch die Reden der Päpste vor der UNO-Vollversammlung – Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. hatten auf Einladung dort gesprochen.
Bericht „vorher schon fertig“
Mit Blick auf den am Mittwoch veröffentlichen Bericht des Kinderschutzkomitees zur Kinderschutzarbeit des Heiligen Stuhls spricht Lombardi von „schwerwiegenden Mängeln“. Das Gremium habe „die schriftlichen und mündlichen Beiträge der Vatikanvertreter nicht adäquat berücksichtigt“, so Lombardi: „Wer diese Antworten gelesen und gehört hat, findet im Dokument des Komitees keine proportionalen Entsprechungen.“ Das lasse vermuten, dass der Bericht schon vor der Anhörung der Vatikandelegation am 16. Januar geschrieben und abgeschlossen worden sei.
Natur des Heiligen Stuhls „nicht verstanden“
Als besonders schwerwiegend wertet Lombardi das „Unwissen um die besondere Natur des Heiligen Stuhls“, den man nicht ohne Weiteres mit anderen Staaten vergleichen könne. Diese besonderen Merkmale seien seit der Ratifizierung der Kinderrechtskonvention durch den Heiligen Stuhl (1990) „viele Male detailliert“ erklärt worden, insbesondere in den jüngsten Antworten des Vatikans an die Kommission, so der Vatikansprecher: „Kann man hier nicht verstehen oder will man hier nicht verstehen? In beiden Fällen hat man das Recht sich zu wundern“, merkt er an.
Überschreitung eigener Kompetenzen
Als „vielleicht am folgenschwersten“ ordnet Lombardi die Stellungnahmen des Komitees zu Fragen der Sexualerziehung und Sexualität ein. Hier „scheinen die Beobachtungen des Komitees in verschiedenen Richtungen über die eigenen Kompetenzen hinauszugehen“, so der Jesuit. So würden in Fragen der Verhütung, der Abtreibung, der Erziehung in der Familie oder der Sicht auf die menschliche Sexualität Weisungen eigener ideologischer und moralischer Prägung gegeben, bemängelt der Sprecher, der dies als Einmischung in die Lehrmeinung und Morallehre der katholischen Kirche wertet. Der Vatikan hatte diesen Punkt bereits in seiner ersten offiziellen Stellungnahme zum Bericht vom Mittwoch angedeutet: Darin waren einige Empfehlungen des Komitees als Eingriff in Lehre und Religionsfreiheit beschrieben worden.
Das Kinderschutzkomitee hatte in seinem Bericht eine Revision kirchlicher Positionen zu Homosexualität, künstlicher Empfängnisverhütung, Abtreibung und Sexualerziehung empfohlen. Die bisherige kirchliche Haltung stellt aus Sicht des Komitees einen Verstoß gegen die Kinderrechtskonvention dar.
Kinderschutz schon immer Grundanliegen des Heiligen Stuhls
Die Ratifizierung der Kinderschutzkonvention durch den Vatikan sei durch den „historischen Einsatz der universellen Kirche und des Heiligen Stuhls für das Wohl der Kinder“ motiviert, hält Lombardi in seiner Erklärung fest. Die Kirche habe in diesem Bereich auf vielfältige Weise „enorme Arbeit“ geleistet und tue dies bis heute. Man werde sich weiter um eine Umsetzung der Konvention bemühen und einen „offenen, konstruktiven und engagierten Dialog“ mit den entsprechenden verantwortlichen Organen führen. Die „vorgesehenen Prozeduren“ würden eingehalten, man sei offen gegenüber „konstruktiver Kritik“. Zugleich werde der Heilige Stuhl „mutig“ und „entschieden“ seine Positionen vertreten.
Mit dem Bericht habe sich auch das UN-Kinderrechtskomitee „schwere und berechtigte Kritik“ zugezogen, so Lombardi abschließend. Das Kinderrechtskomitee habe der vorurteilsbeladenen Sicht einiger kirchenkritischer Verbände mehr Aufmerksamkeit geschenkt als den Positionen des Heiligen Stuhls, bemängelt er. Die Beratungen und die Veröffentlichung des Berichtes seien darüber hinaus – im Vergleich zu der bei anderen Ländern gängigen Praxis – „absolut anomal“ verlaufen.
Mit den „negativen Folgen“ des aktuellen Falls müssten die Vereinten Nationen nun umgehen, wenn sie auch im Ganzen nicht für die Arbeitsweise eines einzelnen Komitees verantwortlich gemacht werden könnten. Überhaupt seien die Empfehlungen dieses Komitees „häufig ziemlich fleischlos und von relativem Gewicht“, urteilt der Vatikanprecher. (rv)
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