Die Aufgaben des neuen vatikanischen Wirtschaftssekretariates sind nach Einschätzung eines deutschen Finanzexperten noch nicht ganz klar. Papst Franziskus hatte die neue Verwaltungseinheit vergangene Woche ins Leben gerufen. Ist sie eine Art Finanzministerium, eine Zentralbank, ein Rechnungshof? Die beiden diesbezüglichen Vatikan-Verlautbarungen widersprechen einander bezüglich der Aufgaben, sagte im Gespräch mit uns der in Aachen lehrende Politologe und Fachmann für Finanzverwaltung Ralph Rotte.
„Eigentlich würde man von der Konzeption her erwarten, dass es ein Finanzministerium ist. Wenn Sie sich die Presseerklärung ansehen, mit der das Motu proprio angekündigt wurde, dann sieht man, dass da die Kompetenz für die Haushaltslegung drin sein sollte, es sollte Bilanzierung drin sein, die Kompetenz für Personalwesen und Beschaffung, also klassische finanzministerielle Aufgaben. Wenn Sie sich dann aber das Motu proprio ansehen, sieht man, dass es doch eher so eine Art Rechnungshof ist, weil das Wirtschaftssekretariat – auch das Sekretariat – mehr oder weniger nur Überwachungsfunktion haben und keine direkte Kompetenz. Es steht drin, dass alle bestehenden Einrichtungen in ihren Kompetenzen respektiert werden. Das heißt, Durchgriffsmöglichkeiten im Sinn eines echten Finanzministeriums gibt es nicht. So wie es im Augenblick aussieht, ist es eine Institution mehr, die vielleicht nicht unbedingt dazu beiträgt, das päpstliche Finanzwesen stromlinienförmiger zu organisieren.“
Um zu verstehen, wie weitreichend die Kompetenzen des neuen vatikanischen Organs wirklich sind, muss nach Ralph Rotte das Statut abgewartet werden. Doch selbst wenn das neue Wirtschaftssekretariat die weitreichenden Befugnisse eines Finanzministeriums erhalten sollte, ist nach Einschätzung des Fachmanns die Strukturreform für finanzielle Angelegenheiten des Heiligen Stuhles und des Vatikans noch nicht abgeschlossen.
„Wenn man den zentralen Schritt geht und sagt, wir machen mit diesem Wirtschaftsrat und dem Wirtschaftssekretariat eine Art Finanzministerium auf, stellt sich immer noch die Frage, was mit den Dutzenden anderen [vatikanischen] Institutionen geschehen soll, die mit Geld, Vermögen und Finanzen zu tun haben. Wir haben dann immer noch den Päpstlichen Rat für die Wirtschaftsfragen, wir haben die Präfektur für Wirtschaftliche Angelegenheit, die päpstlichen Kommissionen für die allgemeinen Organisationsfragen, wir haben die – aus Vermögenssicht relativ wichtigen – Kongregationen bzw. die Güterverwaltung APSA, wir haben immer noch das IOR, die Finanzaufsicht durch das AIF, wir haben – neu – einen Rechnungsprüfer, dann haben wir noch alle Institutionen des Vatikanstaates dazu, das heißt also, es ist alles sehr unübersichtlich und man würde sich wünschen, dass aus diesem Wirtschafsrat ein echtes Finanzministerium wird, was gleichzeitig bedeuten würde, dass einige andere dieser Institutionen entweder abgeschafft werden – wer braucht dann noch die Präfektur für wirtschaftliche Angelegenheiten – oder letztlich ihr Vermögen, ihre Kompetenzen an dieses Wirtschaftsministerium angegliedert werden. Aber das bedeutet einen großen Schritt, weil man sich in einer so alten etablierten Struktur schwer tut, Institutionen, Organisationsteile abzuschaffen.“
Andererseits hat Papst Franziskus im ersten Jahr seines Pontifikates gerade mit Blick auf die Finanzarchitekturen im Vatikan einiges in die Wege geleitet. Ein Reformwille ist klar erkennbar. Halten Sie es für denkbar, dass Franziskus Tabula Rasa macht und ganz klare und schlanke Strukturen schafft?
„Einerseits gibt es sich der große Fortschritte und Zeichen, dass man die Probleme erkannt hat und sie beseitigen will. Es gibt ja auch große Fortschritte in Bezug auf die Transparenz. Man hat immer das generelle Problem, dass es beim Heiligen Stuhl an Personal mangelt, sowohl quantitativ, in diesem Bereich wohl auch qualitativ. Man hat immer das Problem, dass bestehende Strukturen reformresistent sind, das ist das allgemeine Erscheinungsbild einer Hierarchie, einer Bürokratie. Deshalb ist es wohl relativ schwierig. Ich glaube schon, dass Papst Franziskus das Problem erkannt hat und effizientere Strukturen einführen könnte.“ (rv)
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