Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der Präfekt der vatikanischen Kongregation für die Glaubenslehre, hat US-amerikanische Ordensfrauen zu mehr Glaubenstreue aufgerufen. In klaren Worten verurteilte Müller das theologische Konzept der „Bewussten Evolution“, das die Ordensfrauen verteidigten, und erklärte bereits getroffenen Maßnahmen gegen ihre Vereinigung für gerechtfertigt. Wie heute bekannt wurde, empfing Müller am vergangenen 30. April im Vatikan die Präsidentinnen der „Leadership Conference of Women Religious“, kurz LCWR. Dieser vom Heiligen Stuhl anerkannte Zusammenschluss katholischer Ordensoberinnen in den USA steht seit 2012 unter Beobachtung durch die Glaubenskongregation. Müller sagte, er wünsche „bedeutendere Zeichen der Kollaboration“ von Seiten der Ordensfrauen.
Zunächst würdigte der Kardinal die Fortschritte bei der Reform des Ordensoberinnen-Verbandes. Er sei sich aber bewusst, dass es bei den Schwestern von Anfang an Widerstände gegeben habe. Einige Sprecherinnen hätten von „unbegründeten Anschuldigungen“ gesprochen und die eingeleiteten Maßnahmen für „übertrieben“ gehalten. Die Glaubenskongregation sei aber zum gegenteiligen Schluss gekommen, hielt Kardinal Müller fest.
2012, noch unter Papst Benedikt, hatte der Heilige Stuhl eine Untersuchung des Verbandes eingeleitet. Die Vorwürfe gegen die dort vertretenen Ordensfrauen sind schwerwiegend. Sie sollen in Fragen wie Homosexualität, Frauenweihe, Abtreibung und Verhütung Positionen vertreten haben, die vom katholischen Lehramt deutlich abweichen. Die Reform des kirchlich anerkannten Verbandes leitet im Auftrag des Heiligen Stuhles der Erzbischof von Seattle, James Peter Sartain.
Müller sprach von Widerständen bei den Ordensfrauen, die an Sabotage grenzen. Als Beispiel nannte er das Gebot, dass der Verband Sprecherinnen bei Versammlungen nur noch mit dem Einverständnis des Delegaten Sartain aufstellen dürfe. Erst kürzlich hätten die Ordensfrauen aber an Sartain vorbei eine Theologin öffentlich gewürdigt, deren Schriften nach Ansicht der US-Bischöfe schwere Glaubensirrtümer enthielten. Diese Maßnahme werde „wohl eher als offene Provokation gegen den Heiligen Stuhl“ wahrgenommen, sagte Müller den Oberinnen. Die Glaubenskongregation erwarte ab sofort von den Ordensfrauen, dass sie Erzbischof Sartain „eine aktive Rolle“ bei der Entscheidungsfindung über Sprecherinnen und Geehrte einräumten.
Daneben äußerte Kardinal Müller scharfe Kritik an dem theologischen Konzept der „Bewussten Evolution“, das die Theologin Barbara Marx Hubbard entwickelte. Mit Sorge sehe die Glaubenskongregation, dass der Ordensfrauenverband dieser Theologie immer mehr Aufmerksamkeit widme. Deren grundlegenden Thesen stünden „im Widerspruch zur Christlichen Offenbarung“, sagte Müller. Er frage sich, ob die Ordensfrauen überhaupt noch den Unterschied solcher Lehren von der christlichen Glaubenswahrheit „hören“. Und er sorge sich, ob mit der unkritischen Übernahme einer solchen Theorie nicht bereits eine „de facto Bewegung jenseits der Kirche und des soliden christlichen Glaubens“ entstanden sei. Immer wieder entschuldigte Müller sich für seine Direktheit – aber das, was er zu sagen habe, sei zu wichtig, um es in eine „verblümte Sprache“ zu verpacken.
Die „futuristischen Ideen“ der „Bewussten Evolution“ seien keineswegs neu, so der Dogmatiker Müller, sondern sie erinnerten an die Gnostik. Müller bezweifelte auch ihrer Attraktivität für junge Menschen. „Bewusste Evolution zeigt nicht den unermesslichen Schatz, für den Generationen junger Frauen alles aufgeben und Christus nachfolgen.“ Das Evangelium und der selbstlose Dienst an den Armen im Namen Jesu Christi zeige diesen Schatz sehr wohl. In dieser Optik seien auch die Ausführungen von Papst Franziskus vor Ordensoberinnen vom Mai 2013 zu lesen.
Hintergrund
Nach eigenen Angaben vertreten die im LCWR zusammen geschlossenen Ordensoberinnen 80 Prozent der Ordensfrauen in den USA, die Leadership Conference of Women Religious selbst habe 1.400 Mitglieder.
„Conscious Evolution“ nennt sich eine Lehre in den USA, die davon ausgeht, dass der Mensch an einem Punkt in der Geschichte seiner Entwicklung angekommen sei, an dem er selber seine Schicksale in die Hände nehmen und bewusst die Zukunft entscheiden und „mit-schöpfen“ könne, wie es auf der Webseite von Barbara Marx Hubbard heißt. Der Mensch habe nun die Fähigkeiten erreicht, die in der Vergangenheit den Göttern zugeschrieben wurden. Man habe jetzt die Werkzeuge, sich selbst zu verwandeln und sich über das rein Menschliche hinaus zu gestalten, „auf eine neue Spezies zu, eine universale Menscheit.“ (rv)
Du musst angemeldet sein, um kommentieren zu können.