Ein Geschenk an Italienreisende – die Gärten der päpstlichen Sommerresidenz Castelgandolfo in den Albaner Bergen stehen neuerdings für Gäste offen. Das hat Papst Franziskus so verfügt. Der Pontifex, der aus der Ferne kam, nutzt – anders als seine Vorgänger – die Residenz am Albanersee nicht, und so nahm er gerne den Vorschlag an, die prachtvollen päpstlichen Gärten für Jedermann zu öffnen. Gudrun Sailer machte sich auf den Weg in das Papst-Städtchen südlich von Rom.
Castelgandolfo lockt mit übereinander gestaffelten Reizen: Die biscuitgelbe päpstliche Villa Barberini, die den Päpsten bis vor einem Jahr als Sommerresidenz diente, thront auf einem Hügel, überragt von den beiden aufklappbaren Metallkuppeln der vatikanischen Sternwarte, die hier seit 1936 angesiedelt war. Zu Füßen der Anlage ruht ein dunkelblauer Vulkansee. Kastanien- und Eichenwälder auf den umliegenden Bergen fächeln selbst an den heißesten Augusttagen gute Luft nach Castelgandolfo, und der Wein, der hier wächst, zählt zu den besten der Gegend. Kurz: Der Barberini-Papst Urban VIII. wusste, was er tat, als er hier ab 1624 seine Sommervilla errichtete, die Villa Barberini.
Freilich war er nicht der erste, dem es dieser köstliche Flecken Erde angetan hatte. Anderthalb Jahrtausende zuvor hatte der römische Kaiser Domitian über dem Albaner See einen Palast bauen lassen, von dem noch heute so manches zu sehen ist. Unsere kundige Führerin, Mara, erzählt:
„Kaiser Domitian – er ist im Jahr 51 nach Christus geboren und 81 Kaiser geworden – hatte bereits andere Villen, etwa auf dem Palatin, aber dies hier sollte seine Residenz werden. Eine großartige Residenz, sie reichte von Castelgandolfo bis nach Albano und war sehr luxuriös. Es gab drei Ebenen. Auf der obersten waren Zisternen und die Räume der Diener. Auf mittlerer Ebene der Palast und das Theater, und unten sehen wir einen monumentalen Kryptoportikus, einen Bogengang, der 300 Meter lang war. Heute sind in den Gärten noch 120 Meter davon erhalten.“
Domitian war ein schwieriger Kaiser, misstrauisch gegenüber dem Senat, autoritär. In seiner Residenz suchte er Ruhe und Zerstreuung. Auf einem eigens angelegten künstlichen See fuhr er mit Booten. Und er ließ ein Amphitheater anlegen.
„Hier also bewundern wir die Reste des antiken Theaters. Ungefähr 100 Zuschauer hatten in diesem Halbrund Platz. Ein handverlesener Kreis. Der römische Kaiser begeisterte sich für die alten Griechen, man erzählt sich, er habe Homer aus dem Gedächtnis zitiert. Er spielte auch selber Theater und trug dabei griechische Gewänder.“
Manch Renaissance-Papst hatte eine ausgesprochene Schwäche für solch weltlichen Zeitvertreib der römischen Kaiser – oder zumindest für ihre archäologische Nutzbarkeit. Urban VIII. rief seinen bevorzugten Architekten, Carlo Maderno – jener, der gleichzeitig in Rom die Fassade des Petersdoms baute. Er sollte den antiken Kaiserpalast, der lange Jahrhunderte vornehmlich als Steinbruch gedient hatte, nicht vollends zerstören, sondern mit neuem Leben füllen. Ein Auftrag, der geradezu die heutige Denkmalschutzidee vorwegnimmt. Paul V. unternahm es, die alten Aquädukte wieder instand zu setzen. Der größte päpstliche Fan Castelgandolfos war Alexander VII., der 1655 starb.
„Alexander VII. organisierte wegen seiner Begeisterung für die Antike viele Ausgrabungen hier, dabei wurde das Theater wieder entdeckt, und er ließ auf dem See eine Naumachia veranstalten, eine inszenierte Seeschlacht. Am Ende gab es ein Feuerwerk. Hier wurde Schönheit gefeiert!“
Unter den späteren Päpsten allerdings fiel Castelgandolfo im 18. und 19. Jahrhundert in einen Dornröschenschlaf.
„Für lange Zeit waren die Gärten unbenutzt – ziemlich lange, drei Jahrhunderte. Und man muss auf die Lateranverträge warten, um diese Wiederaneignung zu sehen. Das war 1929. Zunächst gab es verschiedene Pläne für Castelgandolfo: ein Alterssitz für Bischöfe oder ein Heim für Waisenkinder. Dann wurde entschieden, hier den Sommersitz des Papstes her zu verlegen und die Villa auch für Audienzen zu nutzen. Und von da an kommt neues Leben. Straßen zum Beispiel. Große Werke des Herrichtens!“
Sogar einen Bauernhof ließ Papst Pius XI. in Castelgandolfo einrichten, kaum dass die Lateranverträge unterschrieben waren. Mit diesen Verträgen sicherte Italien dem Heiligen Stuhl bestimmte ausgewählte Territorien und somit Unabhängigkeit zu. 44 Hektar Vatikanhügel und 55 Hektar Castelgandolfo waren dabei. Das Areal umfasst drei Paläste, Villa Barberini, Villa Moro und Villa Cybo, die Gärten selbst sind größer als der Vatikanstaat, zu dem sie als exterritoriales Gebiet gehören. Pius schwebte eine Art Selbstversorgerstaat vor, daher der Bauernhof. Der Hühnerstall der Päpste in Castelgandolfo ist anmutig im Jugendstil gehalten, und nebenan liefern glückliche Kühe im Überschuss Milch für die päpstliche Tafel. Was übrig bleibt, wandert in die Regale des Vatikan-Supermarktes.
Antike und Landleben führen eine harmonische Nachbarschaft im Anwesen der Päpste. Die Päpste bis einschließlich Benedikt XVI. hielten sich rund drei Monate im Jahr, von Juni bis September, in Castelgandolfo auf; Benedikt zum letzten Mal 2013 unmittelbar nach seinem Amtsverzicht. Franziskus macht es anders, erklärt der vom argentinischen Papst eingesetzte neue Verwalter von Castelgandolfo Osvaldo Gianoli.
„Ja, die Gärten waren immer die Sommerresidenz der Päpste, einige kamen öfter, einige weniger oft. Sie brauchten es auf gewisse Weise, sich hier sich aufzuhalten. Papst Franziskus hingegen hat mit einem mutigen Akt die Öffnung dieser Gärten verfügt. Er wollte diese Pracht hier mit den Menschen teilen, diesen Frieden, diese Stille, dieses einmalige Erbe.“
55 Angestellte beschäftigt der Papst in Castelgandolfo: Gärtner, Bauern, Techniker; extra ist die Sternwarte, die von Jesuitenpatres betreut wird. Gianoli deutet an, für seine Leute sei die Öffnung der Gärten für auswärtige Besucher etwas wie die Rettung gewesen.
„Das hier in Schuss zu halten, ist unsere Aufgabe. Deshalb haben wir die Umwidmung der Nutzung der Villa gern akzeptiert. Als ich meine Leute bat, die Gärten für die Touristen vorzubereiten, war es so, als würde am nächsten Tag der Papst kommen.“
55 Hektar Grün, mit prachtvollen alten Bäumen, Rosen, Rabatten, Zitrusfrüchte-Garten, antiken Statuen und Aussicht bis zum Meer. Das sind die Gärten, die bisher als Privatbesitz der Päpste gewissermaßen geheim waren und seit März 2014 zahlenden Gästen offenstehen. Eine Besichtigung kann über die Webseite der Vatikanischen Museen gebucht werden, die Führung ist verpflichtend. (rv)
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