Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ist am Dienstag zum neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands gewählt worden. Im Wocheninterview von Radio Vatikan spricht er von seinem Fokus auf digitale Medien, worin er die Herausforderungen der Kirche sieht und was er sich unter Ökumene vorstellt:
„Für mich ist die Ökumene eine ganz zentrale Dimension des christlichen Glaubens und eben auch der Kirche. Paulus fragt im ersten Korintherbrief: ‚Ist Christus etwa zerteilt?‘ Und die Antwort auf diese Frag ist ganz klar. Nein, Christus ist nicht zerteilt! Deswegen ist für uns als Kirche natürlich auch immer der Horizont so, dass wir die eine Kirche Jesu Christu auch sichtbar machen sollen. Davon sind wir jetzt noch entfernt, und diese Wunde muss uns schmerzen. Deswegen ist Engagement für die Kirche auch immer Engagement für die Ökumene. Was heißt Ökumene? Für mich ist Ökumene geprägt von der Vorstellung der ‚versöhnten Verschiedenheit‘. Wir können als Kirchen unterschiedliche Profile haben, solange wir von dem einen Herren Jesus Christus geprägt werden. Deswegen muss nicht alles gleich sein. Wir müssen nicht eine Einheitskirche haben. Aber wir müssen klar um Christus herum geprägt sein. Das ist mein Kern! Ich freue mich sehr, dass der Papst in einigen Aussagen der jüngeren Vergangenheit auch selbst diese Vorstellung von der versöhnten Verschiedenheit erwähnt hat. Das macht mir Hoffnung, dass wir da vielleicht auch in der konkreten Umsetzung der Ökumene weiterkommen werden.“
Heißt das, Sie wollen die Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Konfessionen sehen und nicht die Unterschiede?
„Ich glaube in der Tat, dass es nicht darum gehen kann, dass wir den Konfessionalismus verstärken, dass wir die Profilierung so verstehen, dass sie auf Kosten der anderen gehen muss, also eine Identität durch Abgrenzung gewinnen. Sondern Identität kommt immer von der Quelle der Identität, und die ist glasklar, die Quelle der Identität ist Christus – und Christus ist die Quelle der Identität aller Konfessionen! Wenn wir also wirklich auf Christus hören, dann wird uns das zusammenführen, davon bin ich fest überzeugt. Und in der konkreten Umsetzung heißt es, dass wir überlegen müssen: Wie verstehen wir die jeweiligen Dinge, und warum verstehen wir sie unterschiedlich? Und vor allem auch: Ist das, was uns da an unterschiedlichem Verständnis mitprägt, etwas Kirchentrennendes oder eben nicht? Ein Beispiel dafür, wie wir da wirklich vorangekommen sind, ist die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999. Das war ein Riesenschritt, denn wir haben als Lutherischer Weltbund und als Vatikan erklären können, dass die unterschiedlichen Verständnisse der Rechtfertigungslehre nicht mehr kirchentrennend sind. Und wir haben die Taufe wechselseitig anerkannt! Also, wir sind da schon wichtige Schritte gegangen, und insofern ist meine Hoffnung, dass wir auf diesem Weg weitergehen können. Natürlich ist meine große Hoffnung, dass wir am Tisch des Herren zusammen Abendmahl feiern können.“
Wenn wir in die Zukunft sehen, dann sehen wir das Reformationsjubiläumsjahr 2017. Wie wollen Sie nun die Katholiken von dieser Feierlichkeit überzeugen?
„Für mich ist das ein wunderbares Fest, das große Reformationsjubiläum 2017. 500 Jahre Reformation: ein weltgeschichtliches Ereignis, das man nur einmal im Leben erlebt. Wir wollen es als großes Glaubensfest, als großes Christusfest feiern. Und wenn ich es so einführe, dann ist damit schon ganz klargestellt, dass wir das in einem ökumenischen Horizont feiern wollen. Nicht als lutherisches Heldengedenken oder als protestantische Selbstbeweihräucherung, sondern als großes Christusfest – und der Grund dafür, warum ich davon überzeugt bin, dass wir es auf diese Weise am besten feiern können, ist Martin Luther selbst. Denn Martin Luther wollte mit seiner Reformation neu auf Christus hinweisen, um nichts anderes ist es ihm gegangen! Und wenn Katholiken lieber von Reformationsgedenken sprechen, habe ich kein Problem damit. Denn es ist beides. Es ist ein Jubiläum, um eine Tradition zu feiern, die nicht nur den Evangelischen viel neuen Schwung gebracht hat, sondern auch die katholische Kirche verändert hat. Aber gleichzeitig ist es natürlich auch verbunden mit Konfessionskriegen, die auf beiden Seiten ungeheure Opfer gefordert haben und die barbarische Gewalt haben walten lassen, und da müssen wir auch Buße tun, als unterschiedliche Konfessionen, und müssen ausdrücklich auch die Kraft der Versöhnung sprechen lassen. Und das wollen wir auch mit einem entsprechenden Gottesdienst tun.“
Sie haben auch schon in einem Statement angekündigt, dass Sie sich vor allem dem Schwerpunkthema „Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft“ widmen wollen. Wie stellen Sie sich diese Kommunikation konkret vor?
„Natürlich ist das nur einer der vielen Punkten, die wichtig sind, wenn wir darüber nachdenken, wie wir das Evangelium kraftvoll zur Geltung bringen können. Aber ich denke schon, dass es ein wichtiger Punkt ist. Die Lebenswelt hat sich verändert. Immer mehr Menschen verbringen mehr Zeit im Internet, in der digitalen Welt. Ich möchte, dass wir als Kirche dort dabei sind. Ich möchte, dass wir in der Lebenswelt der Menschen präsent sind, und da gibt es praktische Mittel. Wir können uns in den sozialen Medien beteiligen. Das ist so ein Punkt, den ich persönlich auch eingegangen bin. Also Facebook, Twitter – wo die Menschen im Internet miteinander in Kontakt kommen.“
Welche Aufgabe ist die größte Herausforderung der Kirche, welche Hindernisse muss sie überwinden?
„Ich glaube, die größte Herausforderung ist die junge Generation. Wir haben gerade eine große Kirchenmitgliedschaft-Umfrage gemacht, und was mich am meisten alarmiert hat, war der Befund, dass das Glaubenswissen nur noch zu einem recht geringen Teil weitergegeben wird. Die Frage ist: Wie können wir es schaffen, junge Leute für das Evangelium zu begeistern? Ich bin überzeugt davon, dass das Potenzial groß ist, weil junge Leute solche Fragen haben. Das kann man im Religionsunterricht tun, in der Trägerschaft für Kindertagesstätten oder eben auch in den Medien, die junge Menschen am meisten nutzen. Das ist eben auch ein Grund, warum ich selbst als Landesbischof auf Facebook bin.“ (rv)
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