Ein Besuch ohne Pathos und große Polemik, ein Anknüpfen an Bestehendes und ein Einschwören auf den gemeinsamen Einsatz für Frieden und Dialog – das war Franziskus‘ Besuch in der Türkei. Und diese Botschaft richtete der Papst sowohl an die türkische Politik und den Islam als auch an die orthodoxe Kirche, der diese Visite vorrangig galt.
Positives Fazit zur Ökumene
Franziskus‘ Würdigung des heiligen Andreas als Gründers der Kirche von Konstantinopel zeigt den Willen des Papstes, entschieden auf seinen orthodoxen Bruder zuzugehen. Papst und Patriarch verpflichteten sich selbst zu weiteren Schritten auf dem Weg zur Kircheneinheit und besiegelten die Übereinkunft mit ihrer Unterschrift auf einer weiteren, gemeinsamen ökumenischen Erklärung. Die Besuchs-Ökumene, die beide seit Franziskus‘ Amtsantritt pflegen, prägten beide in Istanbul ein weiteres Mal mit brüderlichen, ja freundschaftlichen Gesten. Franziskus war gerade aus dem Flugzeug ausgestiegen, schon plauderten Papst und Patriarch ohne Unterlass. Herzliche Umarmungen und die Bitte des Papstes um Bartholomaios‘ Segen vervollständigten dieses Bild.
Dass dabei beiden eine tätige Ökumene am Herzen liegt, zeigt die gemeinsame Sorge um die Lage der Christen im Nahen Osten. Dogmatische Unterschiede dürften angesichts dieser Wunde zwar nicht vergessen werden, aber doch in den Hintergrund treten. Im Willen zum katholisch-orthodoxen Dialog sind Franziskus und Bartholomaios Avantgarde – wenn auch fraglich bleibt, ob das ihre Kirchen in allen Punkten genauso sehen. Dass es dem Papst keinesfalls um eine falsche, nur vordergründige Harmonie in der Christenheit geht, zeigt seine Ansprache vor der katholischen Gemeinde Istanbuls: Mit einem Appell zur Einheit in der Vielfalt warnte Franziskus vor Spaltung, aber zugleich auch vor künstlicher Einheit. Unterschiede aushalten, den Dialog nicht unterbrechen, welche bessere Botschaft könnte man in Istanbul vorbringen.
Um einen respektvollen Dialog geht es dem Papst auch mit der Politik, wie er vor der politischen Führung des Landes in Ankara betonte. Franziskus weiß um die wichtige Position der Türkei, geografisch und kulturell. Das muslimische Land ist eine „Brücke“ zwischen Kontinenten und ein Ort, an dem sich Völker und Religionen begegnen, gestern wie heute. Angesichts der blutigen Konflikte in Syrien und im Irak rief der Papst von Ankara aus zum Handeln auf: Die Gewalt dürfe nicht gleichgültig lassen, die Türkei brauche Unterstützung bei Bewältigung der Flüchtlingsflut, und ein militärisches Handeln allein verfehle das Ziel.
Deutliche Papst-Botschaft an den Islam
Eine deutliche Botschaft richtete der Papst an den Weltislam: Religionen haben „die Pflicht“, religiös motivierte Gewalt nicht nur auf Schärfste zu verurteilen, sondern hier gemeinsam vorzubeugen, schärfte der Papst im türkischen Religionsamt ein. Der Heilige Stuhl hätte sich eine beherztere Verurteilung des Islamischen Staates durch Islamvertreter weltweit gewünscht, war damit vielleicht auch gemeint. An die Türkei dürfte er dabei aber weniger gedacht haben. Der laizistische Staat hält extremistische Tendenzen halbwegs im Zaum, ist eine Art Puffer in einem explosiven geopolitischen Kontext. Das ist ein Verdienst seiner Religionspolitik.
Einer freilich nicht unumstrittenen Religionspolitik: So forderte der Papst in der Türkei auch „gleiche Rechte und Pflichten“ für nicht-muslimische Staatsbürger ein und stärkte der christlichen Minderheit den Rücken. Die in der Verfassung festgeschriebene Religionsfreiheit darf nicht nur auf dem Papier existieren. Es geht dabei nicht zuletzt um praktische Fragen wie Besitzungen, Ausbildungsstätten und den fehlenden amtlichen Status von Religionsgemeinschaften. Umgekehrt will der Papst dem Land vielleicht auch sagen: Gute Türken sind nicht nur Muslime! Dieser Gedanke ist in der Türkei, wo Religion und nationale Zugehörigkeit eine Einheit scheinen, nicht selbstverständlich. Ebenso die Meinungsfreiheit – auch sie erwähnte Franziskus.
Das Auftreten des Papstes bei seiner Türkeireise war im muslimischen Kontext zurückhaltend, aber keinesfalls stumm. In der Blauen Moschee in Istanbul schwieg Franziskus zwar fast vier Minuten lang, aber er faltete die Hände: „Wir müssen nicht nur beten, sondern auch anbeten“, sagte er danach seinem Begleiter, dem Istanbuler Mufti Rahmi Yaran. Es war der dritte Besuch eines Papstes und Papst Franziskus‘ erster Besuch in einer Moschee als Papst: „Es wird normal, dass ein Papst in eine Moschee kommt“, kommentierte Vatikansprecher Federico Lombardi. In der Hagia Sofia, der früheren Hauptkirche des byzantinischen Reiches, staunte der Papst und hörte zu, von einem Hinknien wie bei seinem Vorgänger Paul VI. war dort nichts zu sehen. (rv)
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