Vatikan: „Jetzt Kurs halten“

Von neuem hat sich der Vatikan zum Thema Missbrauch zu Wort gemeldet: In einer langen Erklärung geht Papstsprecher Federico Lombardi an diesem Freitag auf Vorwürfe gegen den Papst und die Kirche ein. Der Jesuitenpater betont im Auftrag Benedikts XVI., dass „Wahrheit und Frieden für die Opfer“ jetzt die Priorität der Kirche sind. Wir dokumentieren hier die Erklärung Lombardis in vollem Wortlaut in unserer eigenen Übersetzung.

„Die Debatte über sexuellen Missbrauch (nicht nur) durch Kleriker geht weiter, mit Nachrichten und Kommmentaren unterschiedlichen Tenors. Wie kann man in diesen aufgewühlten Wassern dennoch klaren Kurs halten, nach der Maßgabe des Evangeliums „Duc in altum – Fahr weit hinaus“?

Vor allem, indem man sich weiterhin um Wahrheit und Frieden für die Opfer bemüht. Etwas, was uns stark berührt, ist, dass heute soviele innere Wunden ans Licht kommen, die teilweise vor vielen Jahren geschlagen wurden – manchmal vor Jahrzehnten – und die doch immer noch offen sind. Viele Opfer wollen keine Entschädigung, sondern innere Hilfe, ein Urteil in ihrer schmerzlichen, persönlichen Angelegenheit. Das ist etwas, was wirklich noch verstanden werden muss. Vielleicht müssen wir Geschehnisse, die so negativ auf das Leben von Personen, der Kirche und der Gesellschaft gewirkt haben, noch tiefer begreifen. Dafür sind auf kollektiver Ebene der Hass und die Gewalt der Konflikte zwischen Völkern ein Beispiel: Auch hier sehen wir, wie schwer es ist, sie zu überwinden und zu wahrer Versöhnung zu kommen. Die Missbräuche schlagen tief im Innern der Persönlichkeit Wunden; darum haben die Bischofskonferenzen richtig gehandelt, die den Opfern mutig Wege und Orte geschaffen haben, bei denen sie sich frei äußern können und wo man ihnen zuhört – ohne dass man jetzt glauben könnte, das Problem wäre schon angegangen und erledigt durch die Gesprächsmöglichkeiten, die es schon seit einiger Zeit gibt… Auch die Bistümer und einzelnen Bischöfe haben richtig gehandelt, die den Opfern auf väterliche Art geistliche, liturgische und menschliche Hilfe leisten. Es scheint deutlich, dass die Zahl neuer Anzeigen wegen Missbrauchs sinkt, wie wir es in den USA erleben; aber für viele beginnt der Weg der tiefen inneren Heilung erst jetzt, und für andere hat er noch gar nicht begonnen. Was die Hilfe für Opfer betrifft, hat der Papst schriftlich seine Bereitschaft zu weiteren Begegnungen mit ihnen gezeigt und sich zum Weg der ganzen kirchlichen Gemeinschaft bekannt. Aber das ist ein Weg, der noch mehr Respekt vor den Personen und noch mehr Suche nach Frieden verlangt, wenn er wirklich tiefe Wirkungen zeitigen soll.

Abgesehen von der Hilfe für die Opfer gilt es außerdem, weiter mit Entschiedenheit und Aufrichtigkeit die korrekten Prozeduren der kanonischen Verurteilung der Täter und der Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden – soweit es in ihre Justiz- und Strafkompetenz fällt – anzuwenden. Dabei muss man natürlich die Besonderheiten der Normen und Situationen in den verschiedenen Ländern beachten. Nur so kann man hoffen, wirklich ein Klima der Gerechtigkeit und des vollen Vertrauens in die kirchliche Institution wiederherzustellen. Es hat Fälle gegeben, in denen Verantwortliche der Gemeinschaft oder von Einrichtungen – aus Unerfahrenheit oder mangelhafter Ausbildung – nicht die Kriterien präsent hatten, die ihnen helfen können, mit Entschlossenheit auch dann einzugreifen, wenn das für sie sehr schwierig oder schmerzlich sein kann. Aber während das bürgerliche Recht mit allgemeinen Normen vorgeht, muss das kanonische immer berücksichtigen, wie sehr ein Vertrauensbruch durch Personen mit Verantwortung in der kirchlichen Gemeinschaft doch moralisch schwerwiegend ist und welch flagranter Widerspruch doch zu der Lebensweise besteht, die sie eigentlich haben müssten. In diesem Sinne sind Transparenz und Strenge dringend notwendig, um von einer weisen und gerechten Führung der Kirche zu zeugen.

In diesem Zusammenhang ist die Ausbildung und Auswahl der Priesteramtskandidaten und, allgemeiner noch, des Personals an Schul- und Seelsorgseinrichtungen die Voraussetzung für eine effiziente Prävention von möglichen Missbrauchsfällen. Zu einer gesunden Reife der Persönlichkeit zu kommen, auch in sexueller Hinsicht, war immer schon eine schwierige Herausforderung; aber heute ist sie es noch mehr, auch wenn bessere psychologische und medizinische Kenntnisse eine große Hilfe bei der geistlichen und moralischen Ausbildung bedeuten. Jemand hat darauf hingewiesen, dass in der heißesten Periode der „sexuellen Revolution“ in den letzten Jahrzehnten die Frequenz von Missbrauchsfällen größer war. Bei der Ausbildung muss man auch diesen Kontext berücksichtigen und den noch weiteren Kontext der Säkularisierung. Im wesentlichen geht es darum, Sinn und Bedeutung der Sexualität, der Keuschheit und der affektiven Beziehungen in der Welt von heute in sehr konkreter Form, nicht nur indirekt oder abstrakt, wiederzuentdecken und neu zu betonen. Welche Quelle der Unordnung und des Leids kann doch seine Verletzung oder Unterschätzung bedeuten! Wie der Papst an die Iren schreibt, kann ein christliches und priesterliches Leben heute nur dann dem Anspruch seiner Berufung Genüge tun, wenn er sich wirklich an den Quellen des Glaubens und der Freundschaft mit Christus nährt.

Wer die Wahrheit und die objektive Einschätzung der Probleme will, wird sich Informationen für ein umfassenderes Verständnis des Problems der Pädophilie und des Missbrauchs an Minderjährigen in unserer Zeit und in einzelnen Ländern zu verschaffen wissen und dabei auch Ausmass und Verbreitung des Phänomens verstehen. Er wird dann auch besser verstehen, dass die katholische Kirche mit diesem Problem keineswegs allein dasteht, dass es aber für sie etwas besonders Schwerwiegendes bedeutet und spezifische Lösungsansätze verlangt – und dass die Erfahrung, die die Kirche auf diesem Gebiet derzeit macht, auch für andere Einrichtungen oder für die ganze Gesellschaft nützlich werden kann. In dieser Hinsicht scheint es uns doch so, als hätten die Medien noch nicht genug gearbeitet, vor allem in den Ländern, in denen die Präsenz der Kirche größere Relevanz hat und in denen sich daher leichter die Kritik auf sie fokussiert. Aber Dokumente wie der US-Bericht über Kindesmisshandlung würden doch verdienen, stärker verbreitet zu werden, damit sich begreifen lässt, auf welchen sozialen Gebieten dringend eingegriffen werden sollte und was die Proportionen der Probleme sind. Allein 2008 wurden in den USA über 62.000 Täter von Missbrauch an Minderjährigen bekannt; der Anteil katholischer Priester daran ist so gering, dass er noch nicht einmal als solcher in dem Bericht ausgewiesen wird.

Das Engagement für den Schutz von Kindern und Jugendlichen ist also ein weites und unerschöpfliches Feld, weit über das Problem hinaus, das einige Mitglieder des Klerus betrifft. Wer seine Kräfte hier mit Sensibilität, Großzügigkeit und Aufmerksamkeit einsetzt, verdient Dankbarkeit, Respekt und Ermutigung von allen, vor allem von den kirchlichen und zivilen Autoritäten. Ihr Beitrag ist essentiell für die Glaubwürdigkeit ihrer Schul- und Erziehungsarbeit von Jugendlichen, in der Kirche und außerhalb. Mit Recht hat der Papst für sie in seinem Brief nach Irland Worte großer Wertschätzung gefunden, wobei er natürlich an einen viel breiteren Horizont gedacht hat.

Benedikt XVI. ist ein kohärenter Führer auf dem Weg der Strenge und der Wahrhaftigkeit – er verdient allen Respekt und alle Unterstützung, die er derzeit aus allen Teilen der Kirche erfährt. Dieser Hirte ist dazu imstande, mit Geradheit und Sicherheit diese schwierige Zeit durchzustehen, in der es nicht an Kritik und unbegründeten Gerüchten fehlt. Man muss vorurteilsfrei sagen, dass dieser Papst oft von der Wahrheit Gottes und vom Respekt der Wahrheit gesprochen hat und dafür ein glaubwürdiger Zeuge geworden ist. Wir begleiten ihn und lernen von ihm die ständige Notwendigkeit, in der Wahrheit und in der Transparenz zu wachsen und den Blick für die schweren Probleme in der Welt offenzuhalten. Auf Teilwahrheiten oder angebliche Enthüllungen, die versuchen, seine Glaubwürdigkeit oder die anderer Einrichtungen und Personen der Kirche zu untergraben, antworten wir mit Geduld. In der Kirche, in der Gesellschaft, in der wir leben, im Reden und Denken brauchen wir diese geduldige und unbeirrte Liebe zur Wahrheit, wenn wir unseren Zeitgenossen dienen wollen, statt sie zu verwirren.“ (rv)

Norwegen: Missbrauchsfall „ordnungsgemäß“ bearbeitet

Der Vatikan hat die Missbrauchsvorwürfe gegen den ehemaligen Bischof von Trondheim bestätigt. Der aus Deutschland stammende Georg Müller war wegen des Missbrauchs an einem minderjährigen Ministranten bereits im vergangenen Jahr zurückgetreten. Der Missbrauch habe sich Anfang der neunziger Jahre ereignet und sei der Kirche im Januar 2009 bekannt geworden, schreibt Vatikansprecher Federico Lombardi in einem Kommuniqué, das an diesem Mittwoch veröffentlicht wurde. Der Fall sei im Auftrag der Glaubenskongregation von der Nuntiatur in Stockholm schnell aufgenommen und untersucht worden, so Lombardi weiter. Im Anschluss an die Entpflichtung von seinen Ämtern im Juni 2009 habe sich Müller einer Therapie unterzogen und sei nicht mehr pastoral tätig gewesen. – Nach norwegischem Strafrecht ist der Fall verjährt. Das heute volljährige Opfer wollte bisher anonym bleiben. Es handelt sich um den ersten bekannten Missbrauchsfall in der katholischen Kirche in Norwegen. (rv)

Vatikan: „Stern“-Vorwürfe gegen Papst „lächerlich“

Der Vatikan weist die Behauptung des deutschen Magazins „Stern“ zurück, Papst Benedikt habe in seiner Zeit als Kardinal eine Untersuchung wegen Missbrauchs ad acta gelegt. Die Behauptung bezieht sich auf Vorwürfe gegen den verstorbenen Gründer der Ordensgemeinschaft „Legionäre Christi“, Pater Marcial Maciel Degollado, der unter anderem des Missbrauchs von Seminaristen beschuldigt worden war. Der Vorwurf, der heutige Papst habe die Untersuchung des Falls als Kardinal vertuscht, sei „paradox und für informierte Personen lächerlich“, so Vatikansprecher Federico Lombardi an diesem Mittwoch auf Anfrage. Schließlich habe Kardinal Joseph Ratzinger, heute Papst Benedikt, die kanonische Untersuchung des Falls Marcial Maciel ja gerade angeregt und seine Schuld bestätigt. (rv)

Norwegen: Bischof missbrauchte Messdiener

Der Vatikan hat die Missbrauchsvorwürfe gegen den ehemaligen Bischof von Trondheim bestätigt. Der aus Deutschland stammende Georg Müller war wegen des Missbrauchs an einem minderjährigen Ministranten im letzten Jahr zurückgetreten. Der Missbrauch habe sich Anfang der neunziger Jahre ereignet und sei der Kirche im Januar 2009 bekannt geworden, schreibt Vatikansprecher Federico Lombardi in einem Kommuniqué von diesem Mittwoch. Der Fall sei im Auftrag der Glaubenskongregation von der Nuntiatur in Stockholm schnell aufgenommen und untersucht worden, so Lombardi weiter. Nach der raschen Entpflichtung von seinen Ämtern im Juni 2009 habe sich Müller einer Therapie unterzogen und sei nicht mehr pastoral tätig gewesen. – Nach norwegischem Strafrecht ist der Fall verjährt. Das heute volljährige Opfer wollte bisher anonym bleiben. Es handelt sich um den ersten bekannten Missbrauchsfall in der katholischen Kirche in Norwegen. (rv)

Lombardi: Aufarbeitung im Fall Teta sauber und eindeutig

Vatikansprecher Federico Lombardi hat die Berichterstattung zum so genannten „Fall Teta“ als irreführend und abwegig bezeichnet. In einem an diesem Samstag veröffentlichten Statement widerspricht der Papstsprecher Behauptungen, die Kongregation für die Glaubenslehre habe die schwerwiegenden Sexualvergehen des US-amerikanischen Priesters während der 70er Jahre in der Diözese Tuscon zurückliegend nicht ausreichend aufgearbeitet und geahndet. Im Umgang mit den Vergehen, die 1990 bekannt geworden waren, habe man sich von Beginn an entschlossen um Klarheit bemüht, so Lombardi. 1990 sei Teta umgehend von seinem priesterlichen Dienst suspendiert worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die Zuständigkeit bei der Diözese gelegen, stellt der Vatikansprecher klar. Nach einer Änderung des kanonischen Rechts sei die Glaubenskongregation von 2001 an mit dem Fall betraut gewesen und habe ihn aufgearbeitet. Die Protokolle der zuständigen Mitarbeiter der Kongregation belegten dies ebenso wie die jüngste Stellungnahme des Bischofs von Tuscon, die auch entsprechende Schreiben der Glaubenskongregation dokumentiere. (rv)

Papstsprecher: „Weg für innere Reinigung ist bereitet“

 

Der Vatikan sieht die einzelnen Länder und Bischofskonferenzen in Sachen Aufarbeitung der Missbrauchsfälle auf einem guten Weg. In seinem Kommentar für Radio Vatikan anlässlich des Beginns der Karwoche äußert sich Papstsprecher Pater Frederico Lombardi zuversichtlich, dass die vom Papst in seinem Hirtenbrief an die Katholiken in Irland intendierten Werke der „Heilung und Erneuerung" Früchte tragen werden.

Es sei kein Wunder, dass die Missbrauchsfälle in den letzten Wochen und Monaten in den Medien eine solch gewaltige Aufmerksamkeit erfahren hätten, so Lombardi. Er unterstreicht, dass es nun an der Kirche sei, Buße zu tun und gegenüber den Opfern Abbitte zu leisten. Nur so könne wirkliche Gerechtigkeit entstehen und die dringend nötige innere Reinigung stattfinden.

Gleichzeitig lobt Lombardi die Aufklärungsbemühungen in den einzelnen Ländern. Die vielfach erneuerten Richtlinien, unter anderem in Deutschland und Österreich, seien positive Zeichen. Auch die Kirche in den USA habe eine gute Richtung eingeschlagen – nicht erst seit der dort verabschiedeten ‚Charta zum Schutz von Kindern und jungen Menschen’. Die meisten der neu gemeldeten Missbrauchsfälle würden mittlerweile Geschehnisse vor über dreißig Jahren betreffen.

Dieses Faktum unterstreicht Lombardi ausdrücklich, gerade im Angesicht gegenteiliger Medienberichterstattung in den letzten Wochen. Den Brief von Benedikt XVI. an die irischen Katholiken wertet er als einen entschlossenen Schritt, der den Aufklärungswillen des Papstes bezeuge. Benedikt habe mit dem Schreiben seine Autorität in dieser Angelegenheit gestärkt und den Weg für eine zukünftige Linie vorgegeben, die sich an den Parametern „Heilung, Erneuerung und Wiedergutmachung" orientiere. (rv)

Vatikan: Hirtenbrief zeigt die Anteilnahme des Papstes

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Der Pressesprecher des Heiligen Stuhls, Pater Federico Lombardi, führt in den Hirtenbriefes des Papstes ein:„Der Brief des Papstes an die Katholiken Irlands über die Krise, in die die Kirche des Landes über den sexuellen Missbrauch gestürzt ist, ist ein eindrucksvolles Dokument. Es zeigt seinen Schmerz und seine persönliche Anteilnahme am Bemühen um Wiedergutmachung, Heilung und Erneuerung.
Seine Worte wenden sich zunächst an die Opfer und zeigen eine tiefe Anteilnahme an ihrem Leiden. Er versteht ihre Enttäuschung, weil das Vertrauen, das sie in die Vertreter der Kirche gesetzt hatten, verraten wurde. Der Papst, der bereits in der Vergangenheit Missbrauchsopfer getroffen hat, in den USA, in Australien und auch hier in Rom, ist bereit, das in der Zukunft wieder zu tun. Die Worte, die sich an die Schuldigen richten, sind sehr schwerwiegend. Der Papst betont, dass sie ihre Sünde und ihre Verbrechen vor Gott und vor den zuständigen Gerichten verantworten müssen. Aber auch, wenn sie sich der Rechtsprechung unterwerfen müssen, erinnert er sie daran, dass sie nicht an der Güte Gottes zweifeln dürfen und Buße tun müssen. Andere Worte des Papstes sind eine Ermutigung und eine Einladung zur Verantwortung. Sie richten sich an die Eltern, die Jugend, an die Priester und an alle Gläubigen. In seinen Worten an die Bischöfe richtet er an sie eine ernste Ermahnung, die Fehler in der Leitung ihnen anvertrauter Menschen wahrzunehmen. Der Papst besteht darauf, dass sie streng die Strafvorschriften der Kirche in Missbrauchsfällen umsetzen und mit den staatlichen Justizbehörden und Institutionen zum Kinderschutz kooperieren.
Der Papst schlägt auch konkrete geistliche und pastorale Initiativen der Buße und der geistlichen Erneuerung vor. Wie sein Besuch in den Vereinigten Staaten der Ortskirche geholfen hat, sich aus einer ähnlichen Krise zu erheben und sich mit erneuertem Vertrauen auf den Weg zu machen, so soll auch dieser Brief an die Gläubigen Irlands den Anfang eines neuen Weges aufzeigen.“ (rv)

Papst-Sprecher: „Klarer Kurs auch bei Wellengang“

 

Der Pressesprecher von Papst Benedikt, Federico Lombardi, nimmt an diesem Samstag ausführlich Stellung zu den Missbrauchsskandalen in Deutschland. Lombardi nimmt dabei Papst Benedikt XVI. vor Verdächtigungen im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in der deutschen Kirche in Schutz. In den vergangenen Tagen hätten einige „mit einer gewissen Verbissenheit" Anhaltspunkte gesucht, um den Papst persönlich in Missbrauchsfälle zu verwickeln. „Für jeden objektiven Beobachter ist klar, dass diese Bemühungen gescheitert sind", erklärte Lombardi in einem Beitrag für Radio Vatikan am Samstag.
Der Sprecher verwies auf die Stellungnahme des Erzbistums München von Freitag zu einem pädophilen Priester aus Essen. Der Geistliche war Anfang 1980 unter dem Münchener Erzbischof Joseph Ratzinger in den Diözesanklerus aufgenommen und später durch eine Verfügung des damaligen Generalvikars Gerhard Gruber in der Seelsorge eingesetzt worden. Nach 1982, dem Jahr des Wechsels Ratzingers nach Rom, wurde der Geistliche erneut sexuell straffällig.
Lombardi betonte dazu, aus der Erklärung des Erzbistums gehe hervor, dass Ratzinger absolut nichts mit den betreffenden Personalentscheidungen zu tun habe, „in deren Folge es später zu den Missbräuchen kommen konnte". „Trotz des Sturms" sehe die Kirche gut den Weg, den sie gehen müsse, so Lombardi. Sie stehe „unter der sicheren und konsequenten Führung des Heiligen Vaters".
Wir dokumentieren auf unserer Homepage die Note des Jesuitenpaters, der den Vatikanischen Pressesaal und Radio Vatikan leitet, in voller Länge.
„Klarer Kurs auch bei hohem Wellengang"
An diesem Wochenende, an dem sich die Aufmerksamkeit eines Großteils der europäischen Presse auf die Frage des sexuellen Mißbrauchs richtet, welcher von Personen und in Einrichtungen der katholischen Kirche verübt wurde, seien mir drei Bemerkungen erlaubt.
Vor allem hat sich gezeigt, dass die Linie der Deutschen Bischofskonferenz der richtige Weg ist, um das Problem in seinen verschiedenen Aspekten anzugehen. Die Erklärungen des Präsidenten der Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, nach seiner Begegnung mit dem Heiligen Vater greifen die Linie auf, die bei der jüngsten Vollversammlung der Bischofskonferenz festgelegt wurde, und betont die für die Umsetzung wesentlichen Punkte: die Wahrheit anerkennen und den Opfern helfen, die Prävention verstärken und konstruktiv mit den Behörden – auch mit den staatlichen Justizbehörden – zusammenarbeiten für das Wohl der Gesellschaft. Erzbischof Zollitsch hat auch ohne Wenn und Aber die Meinung der Experten betont, wonach die Frage des Zölibats in keiner Weise mit der der Pädophilie vermengt werden darf. Der Heilige Vater hat die deutschen Bischöfe in ihrer Linie bestärkt, die – obwohl sie natürlich Eigenheiten mit Blick auf ihr Land aufweist – doch als ein sehr nützliches und inspirierendes Modell für andere Bischofskonferenzen angesehen werden kann, wenn diese sich mit vergleichbaren Problemen konfrontiert sehen.
Zweitens zeigt das wichtige und ausführliche Interview des „Anwalts der Gerechtigkeit" der Glaubenskongregation, Mons. Charles Scicluna, en détail die Bedeutung der spezifischen kanonischen Normen auf, die von der Kirche in den letzten Jahren festgelegt wurden, um die äußerst schwerwiegenden Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch Kirchenleute zu beurteilen. Es wird vollkommen deutlich, dass diese Normen in keiner Weise ein Vertuschen solcher Vergehen beabsichtigt oder gefördert haben, sondern dass sie ganz im Gegenteil eine intensive Aktivität ausgelöst haben, um diese Vergehen im Rahmen des Kirchenrechts anzugehen, zu beurteilen und zu bestrafen. Man darf daran erinnern, dass all das durchgesetzt und auf den Weg gebracht wurde, als Kardinal Ratzinger Präfekt der Kongregation war. Seine Linie war immer schon die der Härte und Kohärenz im Umgang auch mit den schwierigsten Situationen.
Drittens hat das Erzbistum München mit einem ausführlichen und detaillierten Statement auf die Fragen geantwortet, die der Fall eines Priesters aufwarf, welcher zur Zeit, als Kard. Ratzinger Erzbischof der Stadt war, von Essen kommend nach München umzog – ein Priester, der sich später des Missbrauchs schuldig machte. Das Statement arbeitet heraus, dass der Erzbischof nichts zu tun hatte mit den Entscheidungen, nach denen es später dann zu den Missbräuchen kommen konnte. Vielmehr wird deutlich, dass es in den letzten Tagen einige gab, die mit einer gewissen Verbissenheit in Regensburg und München nach Elementen gesucht haben, um den Heiligen Vater persönlich in die Missbrauchs-Fragen mit hineinzuziehen. Für jeden objektiven Beobachter ist klar, dass diese Versuche gescheitert sind.
Trotz des Sturms hat die Kirche deutlich den Weg, den sie gehen soll, vor Augen – unter der sicheren und strengen Führung des Heiligen Vaters. Wie wir schon einmal gesagt haben: Hoffen wir, dass diese Turbulenz letztendlich eine Hilfe für die Gesellschaft insgesamt sein kann, um im Schutz und der Ausbildung von Kindern und Jugendlichen immer besser zu werden." (rv)

Der Missbrauchskandal weitet sich aus – Vatikan unterstützt deutsche Bischöfe

Auch aus dem Vatikan kommt grünes Licht für einen Runden Tisch gegen Kindesmißbrauch in Deutschland, an dem alle großen gesellschaftlichen Kräfte vertreten sind. Die Vatikanzeitung „Osservatore Romano" lobt die deutsche Bildungsministerin Annette Schavan dafür, dass sie „Null Toleranz" für Mißbrauch an Schulen und Internaten fordert. Es sei richtig, jetzt „soviel Klarheit zu schaffen wie möglich" – und zwar an allen Schulen und Bildungseinrichtungen, denn – so das Vatikanblatt – „diese schmerzhafte Frage betrifft ja nicht nur die katholischen Einrichtungen". „Vielleicht" – so sagt es an diesem Dienstag Vatikansprecher Federico Lombardi – „kann die schmerzhafte Erfahrung der Kirche eine nützliche Lehre auch für andere sein." In einer Erklärung stellt sich der Jesuit, der den Vatikanischen Pressesaal leitet, hinter die Initiative zu einem umfassenden Runden Tisch in Deutschland und lobt die Entschlossenheit der deutschen Bischöfe zur Aufklärung des Geschehenen. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Recht, wenn sie die „Ernsthaftigkeit und den Einsatz der deutschen Kirche" für Aufklärung würdige.

Natürlich, so Lombardi weiter, seien „Fehler von kirchlichen Einrichtungen und Verantwortlichzen besonders abscheulich, weil die Kirche ja eine besondere erzieherische und moralische Verantwortung hat". Doch müsse man die Frage auch „viel weiter stellen" und die Anklagen nicht nur „auf die Kirche konzentrieren". Lombardi verweist auf offizielle Zahlen aus Österreich: In einem bestimmten Zeitraum habe es dort 17 Missbrauchsfälle an kirchlichen, aber 510 an nicht-kirchlichen Einrichtungen gegeben. „Es ist durchaus angezeigt, sich auch um letztere Gedanken zu machen", so der Papst-Sprecher.

Deutschland: Debatte über Verjährungsfristen

Die deutsche Familienministerin Kristina Schröder hat am Montag einen umfassenden Runden Tisch zum Thema Missbrauch angekündigt – für den 23. April. Die Kirchen werden da mit am Tisch sitzen, zusammen mit anderen wichtigen Vertretern gesellschaftlicher Gruppen: Familienverbänden, Schulträgern, der freien Wohlfahrtspflege, der Ärzteschaft und der Politik. Das Gremium soll Selbstverpflichtungen und Verhaltensregeln erarbeiten. Schröders Zielvorgabe heißt: „Was ist zu tun, wenn Übergriffe geschehen sind, welche Faktoren fördern Übergriff auf Kinder, und wie können diese vermindert werden? Das sind die Fragen, die an diesem Runden Tisch erörtert werden sollen."

Mit ihrer Initiative stellt sich die CDU-Ministerin Schröder gegen ihre Kabinettskollegin von der FDP, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die Justizministerin fordert weiter einen Runden Tisch speziell mit der Kirche – und zwar, damit diese Entschädigungen an Opfer zahlt. In diesem Punkt springt ihr auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles bei. Skeptisch ist Leutheuser-Schnarrenberger hingegen, was die derzeitige Debatte in der Politik um Gesetzesänderungen betrifft.

„Verjährungsfristen zu verlängern, bringt für die Opfer, an denen Mißbrauch begangen wurde und wo diese Taten längst verjährt sind, nichts – weil es rückwirkend keine Verlängerung der Verjährungsfrist mit der Möglichkeit der Strafverfolgung gibt."

Ähnlich sieht das der Strafrechtler Stefan König– er sagte dem ZDF: „Verjährungsfristen haben ja viele gute Gründe. Einer davon ist, dass natürlich die Aufklärung eines Vorwurfs umso schwieriger wird – besonders dann, wenn man Zeugen dafür braucht –, je mehr Zeit seit der angeblichen Tat verstrichen ist." Für Kriminologen wie Christian Pfeiffer hingegen hätten längere Verjährungsfristen den Vorteil, dass Täter auch nach längerer Zeit noch zu Schadenersatz verpflichtet werden könnten: „Im Prinzip ist das richtig, weil gerade die Opfer aus einer Zeit, die Jahrzehnte zurückliegt und die jetzt fünfzig oder sechzig sind, endlich die Freiheit haben, darüber zu reden: Früher konnten sie das beim besten Willen nicht. Denen sollten wir entgegenkommen und die Möglichkeit verschaffen, dass sie zum Beispiel die Kosten für eine Therapie, die sie jetzt machen, vom Täter ersetzt bekommen!"

Justizministerin kritisiert Kirche und Vatikan

Nachdem der Runde Tisch nun beschlossene Sache ist, verlagert sich die Debatte in Deutschland immer mehr zum Thema Entschädigungen. Die Justizministerin nennt solche Entschädigungen, die die Kirche an Opfer aus früheren Jahrzehnten leisten solle, „ein Stück Gerechtigkeit gegenüber den Opfern, auch wenn sich das erlittene Unrecht materiell nicht aufwiegen lässt". Die Ministerin übte erneut Kritik an der katholischen Kirche und insbesondere am Vatikan. Sie kritisierte, es gebe, insbesondere bei katholischen Schulen, eine Schweigemauer, die Missbrauch und Misshandlungen verdeckt habe. Verantwortlich dafür sei auch eine Direktive der vatikanischen Glaubenskongregation von 2001, nach der auch schwere Missbrauchsfälle zuallererst der päpstlichen Geheimhaltung unterlägen. Ein Ministeriumssprecher fügte hinzu, die Justizministerin halte den Willen der Kirche zur Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden für weiterhin nicht ausreichend.

Der Regensburger katholische Bischof Gerhard Ludwig Müller hat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger scharf kritisiert. Die Behauptung der Ministerin, die katholische Kirche in Deutschland behindere in Fällen sexuellen Missbrauchs die Aufklärung von Straftaten, sei „unwahr und ehrenrührig", erklärte Müller am Dienstag. Der Bischof forderte die Ministerin auf, Beweise für ihre Anschuldigungen vorzulegen oder andernfalls „ihre Amtsautorität nicht für derartige Übergriffe zu instrumentalisieren". Müller wies insbesondere Leutheusser-Schnarrenbergers Behauptung zurück, dass es an katholischen Schulen eine Schweigemauer gebe, die die Aufklärung von Straftaten erschwere oder gar verhindere. In allen deutschen Diözesen werde nach den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz „jeder Hinweis auf eine Missbrauchsstraftat umgehend und genauestens geprüft", betonte der Bischof. Erhärte sich der Verdacht, werde der mutmaßliche Täter zur Selbstanzeige aufgefordert, im Falle einer Verweigerung die Staatsanwaltschaft informiert.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) befürwortet unterdessen eine „breite und intensive Diskussion" in Sachen Kindesmissbrauch. Vor einer Gesetzesinitiative würden aber zunächst Experten in den Ministerien über ein geeignetes Vorgehen beraten, sagte ihr Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

Dt. Bischöfe: Wir arbeiten mit Justiz zusammen

„Die Kirche unterstützt die staatlichen Strafverfolgungsbehörden bei der Verfolgung sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Geistliche vorbehaltlos." Darauf weist die Deutsche Bischofskonferenz an diesem Dienstag hin. Die Kirche „fordert Geistliche zu einer Selbstanzeige auf, wenn Anhaltspunkte für eine Tat vorliegen, und informiert von sich aus die Strafverfolgungsbehörden", so der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp. Auf die Anzeige und die Information der Justiz werde „nur unter außerordentlichen Umständen verzichtet, etwa wenn es dem ausdrücklichen Wunsch des Opfers entspricht". Auch der staatliche Gesetzgeber respektiere den Wunsch des Opfers und habe unter anderem deshalb „darauf verzichtet, bei den entsprechenden Straftaten eine Anzeigepflicht einzuführen". „Unabhängig von dem staatlichen Verfahren gibt es ein eigenes kirchliches Strafverfahren, das vom Kirchenrecht geregelt wird", erklärt Kopp weiter. „Der sexuelle Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche ist nach kirchlichem Recht eine besonders schwere Straftat." Die Einzelheiten des Verfahrens lege ein Rundschreiben der vatikanischen Kongregation für die Glaubenslehre von 2001 fest. Die Akten der kirchlichen Verfahren würden in Rom geführt und würden vertraulich behandelt – aber: „Die kirchliche Unterstützung der staatlichen Strafverfolgungsbehörden bleibt davon unberührt."

Der Bischofssprecher bedauert, dass „die Zuordnung von staatlichem und kirchlichem Strafverfahren immer wieder falsch dargestellt wird". Er stellt darum noch einmal klar: „Im Fall des Verdachts sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch einen Geistlichen gibt es ein staatliches und ein kirchliches Strafverfahren. Sie betreffen verschiedene Rechtskreise und sind voneinander völlig getrennt und unabhängig. Das kirchliche Verfahren ist selbstverständlich dem staatlichen Verfahren nicht vorgeordnet. Der Ausgang des kirchlichen Verfahrens hat weder Einfluss auf das staatliche Verfahren noch auf die kirchliche Unterstützung der staatlichen Strafverfolgungsbehörden."

Runder Tisch: Pro und Contra

Die FDP-Bundestagsfraktion hat die geplante personelle Besetzung des Runden Tisches gegen Kindesmissbrauch durch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder deutlich kritisiert. Dass Schröder Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nicht eingeladen habe, „brüskiert nicht nur die Bundesjustizministerin, sondern auch die Opfer sexuellen Missbrauchs": Das erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, in Berlin. Den Opfern sei „mit der offensichtlich mit heißer Nadel gestrickten Konzeption des Runden Tisches nicht geholfen", so der FDP-Politiker.

Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx hingegen hat den Runden Tisch begrüßt. Es sei gut, Vertreter aller relevanten Gruppen dazu einzuladen, sagte Marx dem „Münchner Merkur". Dem Skandal des Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen müsse auf breiter Front entgegengetreten werden. Auf die Frage, warum die Bischöfe so lange gebraucht hätten, um Stellung zu beziehen, verwies Marx auf eine Absprache unter den Bischöfen. Auf der Bischofskonferenz hätten alle noch einmal ausgiebig mit Fachleuten darüber reden wollen. Danach sollte eine gemeinsame Erklärung abgegeben werden. „Im Nachhinein weiß ich nicht, ob das richtig war", räumt der Erzbischof ein.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken begrüßt die Initiative der Bundesregierung zu einem Runden Tisch gegen Kindesmissbrauch. Der Vorstoß sei „absolut notwendig und richtig", erklärte Verbandspräsident Alois Glück am Dienstag in einem Radiointerview. Neben der Aufklärung der Fälle und der Hilfe für die Opfer sei die zentrale Frage, wie man die Vorbeugung verstärken könne. Das betreffe alle, die mit Jugendlichen arbeiten, so der CSU-Politiker. Der ZdK-Präsident forderte die katholische Kirche zugleich zur entschiedenen Aufarbeitung der jetzt bekanntgewordenen Missbrauchsfälle auf. Der erste Ansatz dürfe nicht sein, die Kirche zu schonen.

Ratzinger: Wenn ich gewusst hätte…

Der Bamberger katholische Erzbischof Ludwig Schick hat sich für eine Verschärfung des Strafrechts bei Fällen von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen ausgesprochen. Die Verjährungsfristen sollten auf mindestens 30 Jahre verlängert werden, forderte Schick am Dienstag in Bamberg. Da Missbrauchsdelikte erst später als andere offenbar würden, sei ein solcher Schritt nötig. Die Gerichte würden somit wieder in die Lage versetzt, Straftaten wegen Missbrauchs aufzuklären. Weiter plädierte der Erzbischof dafür, bei jedem begründeten Verdacht sofort die Staatsanwaltschaft zu verständigen. Schick wörtlich: „Das Wichtigste sind die Opfer. Ihnen muss die Justiz Gerechtigkeit zukommen lassen."

Der frühere Regensburger Domkapellmeister Georg Ratzinger hat eingeräumt, von den früheren Prügel-Praktiken in der Internatsvorschule der „Regensburger Domspatzen" gewusst zu haben. Der Bruder von Papst Benedikt XVI. sagte der „Passauer Neuen Presse" mit Blick auf den Internatsleiter: „Wenn ich gewusst hätte, mit welch übertriebener Heftigkeit er vorging, dann hätte ich schon damals etwas gesagt." Er verurteile das Geschehene und bitte die Opfer um Verzeihung.

Neue und alte Fälle

Das Bistum Limburg klärt die Missbrauchsvorwürfe in der Diözese weiter auf. Benno Grimm, der Missbrauchsbeauftragte des Bistums, untersucht derzeit Verdachtsfälle gegen fünf weitere Priester und kirchliche Mitarbeiter. Auch bei den neuen Fällen hat die Diözese alle Informationen an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Die aktuell bekannt gewordenen Vorwürfe reichen weit zurück: Sie sollen sich in den 50-er, 60-er und 70-er Jahren ereignet haben. Einige der Beschuldigten sind mittlerweile verstorben. Strafrechtlich sind die Taten bereits verjährt. Die Diözese setzt nach eigenen Angaben trotzdem alles daran, jeden Verdachtsfall rigoros aufzuklären. Im Zuge der Untersuchungen ist zudem ein weiterer Fall in den Blick geraten: In den 70-er Jahren gab es ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Leiter des Musischen Internates in Hadamar. Der frühere Leiter der Limburger Domsingknaben ist im Jahr 2002 gestorben.  Er wurde nicht strafrechtlich verurteilt.

Am Bonner Jesuitengymnasium sollen zwischen 1946 und 2005 sechs Jesuitenpatres Schüler sexuell missbraucht haben. Das teilte der kommissarische Rektor, Pater Ulrich Rabe, am Dienstag in Bonn mit. Er bezieht sich auf einen Zwischenbericht, der am Montag dem Kollegium, Elternvertretern und der Missbrauchs-Beauftragten der Jesuiten, Ursula Raue, vorgelegt worden war. Den Zwischenbericht erstellt hatte nach den Angaben eine interne Arbeitsgruppe mit Repräsentanten von Eltern, Lehrern, Schul- und Internatsleitung und Mitgliedern der Jesuitenkommunität. Laut Rabe wurden bislang Aussagen von 30 verschiedene Personen gesammelt, „die in der Schilderung der Erheblichkeit der Übergriffe sehr unterschiedlich sind". Die Spannweite der Beschuldigungen reiche von Aussagen über den allgemeinen Erziehungsstil bis hin zu Berichten über heftigen und wiederholten sexuellen Missbrauch. Die drastischsten Schilderungen bezögen sich auf die 50-er und 60-er Jahre. Die Autoren des Berichts fordern laut Rabe den Provinzial der Deutschen Jesuiten auf, eine externe Stelle zur Überprüfung früherer Entscheidungsträger einzurichten. Sie solle klären, inwieweit Bereichsleiter, Rektoren oder Provinziale ihrer Leitungs- und Aufsichtsfunktion im Umgang mit Vorwürfen oder eventuellen Kenntnissen sexueller Übergriffe gerecht geworden seien. Der Anfang Februar zurückgetretene Rektor, Pater Theo Schneider, solle sich sobald wie möglich zu seiner Verantwortung in seiner Leitungs- und Aufsichtsfunktion öffentlich äußern. Weiter verlangt die Arbeitsgruppe die Benennung externer Fachleute als Ombudsleute, an die sich künftige Opfer sexueller Gewalt wenden können.

Debatte reißt nicht ab

Angesichts immer neuer Fälle von Gewalt und sexuellem Missbrauch an Schulen – und nicht mehr nur kirchlichen – drängen Politik und Verbände auf rückhaltlose Aufklärung. Schon in den nächsten Tagen wollen die Länderminister mit Bundesbildungsministerin Annette Schavan über die Frage des Kindesmissbrauchs sprechen. Der Deutsche Lehrerverband fordert die Ernennung von Sonderbeauftragten durch alle Kultusminister, um Hinweisen in Zusammenarbeit mit der örtlichen Schulaufsicht zügig nachzugehen.

Der Vorsitzende des neu gegründeten katholischen Arbeitskreises in der CSU, Thomas Goppel, verlangt, dass die Kirche bei der Aufklärung der Missbrauchsfälle jetzt nachlegt. Das sagte er im Gespräch mit dem Münchener Kirchenradio. Andererseits dürfe das Fehlverhalten einiger weniger in der Kirche nicht zur Verteufelung der ganzen Institution führen. Das hätten vor allem die Schüler und Eltern in Kloster Ettal klar gemacht, wofür er noch dankbarer sei als für den Aufklärungswillen von Erzbischof Marx. Der Gesprächskreis „ChristSoziale Katholiken in der CSU" ist am Montag offiziell gegründet worden. Er will sich dafür einsetzen, dass katholische Positionen in der Gesellschaft nicht verloren gehen. (rv)

Vatikan: Besorgt über Christenverfolgungen

Die internationale Gemeinschaft muss entschieden die Rechte der Christen im Irak einfordern. Das hat der Pressechef des Vatikans, Pater Frederico Lombardi, in seinem wöchentlichen Editorial für Radio Vatikan unterstrichen. Dabei sieht er einen Zusammenhang zu Tendenzen, die das Christentum auch aus der westlichen Welt vertreiben wollten. Verfolgt zu werden sei für Christen zwar nichts Erstaunliches, wenn man auf Jesus von Nazareth blicke, so Lombardi weiter. Gleichzeitig aber müssten allgemeine Gerechtigkeit und Recht auch für Christen gelten. Genau auf dieser Linie lägen die Verfolgungen im Irak. Sie richteten sich nicht gegen den Westen, sondern explizit gegen die Christen. (rv)