Irak: Kultur-Genozid im Gang

IrakDie Christen im Irak sind Opfer eines kulturellen Genozids. Das sagt der Bischof von Erbil, Bashir Warda, im Gespräch mit Radio Vatikan. Die Gläubigen seien gezielt verfolgt, vertrieben oder getötet worden. Die Terrormiliz des „Islamischen Staates“ sei aber nicht nur aus religiösen Gründen hinter den Christen her, sondern auch aus anderen Gründen. „Da ist ein Genozid im Gange – es geht nicht allein um die Tötung von Menschenleben, sondern es geht um weit mehr“, so Bischof Warda: Das Ziel der Islamisten sei es, die Geschichte und die Traditionen der Christen im Irak zu zerstören.

„Die Erinnerung und Bewahrung unserer Tradition hängt von den tausenden Gläubigen ab, die jetzt auf der Flucht sind. Doch gleichzeitig hat sich in ihren Köpfen ein neues Bild eingeprägt – jenes der Vertreibung. Wir hoffen sehr, dass diese Erfahrung nicht die Erinnerung an die alten Traditionen verdrängt.“

In diesen Tagen wurde das traurige einjährige Gedenken an die Vertreibung der Christen aus Mosul begangen. Nichts deute darauf hin, dass die Gläubigen bald wieder zu ihren Häusern zurückkehren könnten, so Bischof Warda:

„Als ich mit einigen Flüchtlingen aus Mosul sprach, sagten sie mir, dass sie keine Hoffnung haben, überhaupt je wieder zu ihren Häusern zurückzukehren. Die irakische Regierung hat zwar versprochen, alles Mögliche zu tun, um Mosul zurückzuerobern, doch die Lage vor Ort sieht anders aus: Wir sehen keine konkreten Erfolge oder Bemühungen.“

Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ ist im Irak und Syrien trotz Luftangriffen der „Anti-Isis-Koalition“ weiter auf dem Vormarsch. So steht die Terrormiliz inzwischen vor den Toren der syrischen Ortschaft Hassake. Ob sich Syriens Präsident Baschar al-Assad überhaupt noch im Land befinde, sei unklar, melden Nachrichtenagenturen. (rv)

Vatikan: Erneuter Besuch im Irak

Kardinal SandriDer Präfekt der Ostkirchenkongregation Kardinal Leonardo Sandri wird vom 1. bis zum 5. Mai in den Irak reisen. Das gab die Ostkirchenkongregation bekannt. Der Kardinal wird die Hauptstadt Bagdad, Erbil und die Region Ankawa besuchen. In Erbil und in Bagdad werden jeweils Worte des Papstes verlesen. Es ist ein Besuch, der die leidenden Menschen ermutigen und die Solidarität der Christen zeigen soll. Geplant ist außerdem ein Gottesdienst in Bagdad.

(rv)

Papst: Solidarität für Irak; Kardinal Filoni reist an

Kardinal FiloniBeharrlich verweist Papst Franziskus wieder auf die Situation der christlichen Familien und anderen Opfer, vor allem in der Stadt Mossul und der Gegend von Niniveh. Der Papst betet für sie und wünscht, dass sie in ihr Zuhause zurückkehren und ihr alltägliches Leben wieder aufnehmen können. Vor allem jetzt, in der Osterzeit, teilen diese Familien das Schicksal Christi, die ungerechte Gewalt, durch die sie zu Opfern wurden und nehmen an den Schmerzen Christi Anteil, so Franziskus in einer vom Vatikan veröffentlichten Botschaft.

Papst schickt Kardinal Filoni wieder in den Irak

Um bei den Familien zu sein, wird ein weiteres Mal Kardinal Fernando Filoni in den Irak gesendet, als Zeichen der Nähe, der Zuneigung. Die Familien der Diözese Rom, vereint durch den Bischof der Stadt, haben zu einer Kollekte für die Flüchtlingsfamilien aufgerufen und wollen durch diese Kollekte ihre Verbundenheit und die Freude des Osterfestes zeigen. Der Papst macht außerdem auf die leidenden Familien im Norden Nigerias aufmerksam und hat auch an sie, verbunden mit der lokalen Bischofskonferenz, ein Zeichen der Solidarität geschickt.

Der langjährige päpstliche Diplomat Kardinal Filoni war im vergangenen Sommer bereits im Norden des Iraks als Sondergesandter des Vatikans unterwegs. Er informierte den Papst über die Lage der verfolgten Christen und Jesiden, die von der dschihadistischen Terrormiliz „Islamischer Staat" mit bestialischen Methoden vertrieben wurden. Er erörterte vor Ort mit verschiedenen irakischen Gesprächspartnern das Vorgehen gegen die Dschihadisten und die Möglichkeiten rascher humanitärer Hilfe. Wann Kardinal Filoni die Reise antreten wird, wurde noch nicht bekannt gegeben. (rv)

Papst trifft Bischöfe aus Syrien, Irak und Ukraine

Papst FranziskusPapst Franziskus betet für die „blutgetränkten" Krisengebiete auf der Welt. Er empfing an diesem Mittwochmorgen vor der Generalaudienz im Vatikan einige Bischöfe aus Syrien, dem Irak und der Ukraine sowie aus rund 30 weiteren Ländern. Bei der 60-köpfige Delegation handelte sich um Freunde der katholischen Fokolar-Bewegung, wie der Vatikan mitteilte. Die Gruppe tagt derzeit in Castel Gandolfo zu dem Thema „Eucharistie, das Mysterium der Kommunion". Ihnen sagte der Papst:

„Ich bedanke mich vor allem bei euch, meinen Brüdern, der blutgetränkten Erde, aus Syrien, Irak, und auch aus der Ukraine. Zur dieser Zeit des großen Leides, das eure Leute ertragen müssen, gebt ihr die Hoffnung in die Einheit der Eucharistie nicht auf und habt die Kraft voranzuschreiten, vereint im Glauben und der Hoffnung. In der täglichen Morgenmesse sind wir mit euch vereint und beten für euch. Und von dort nehmen wir auch die Kraft für die Initiativen eurer Kirchen."

In seiner Ansprache an die Bischöfe plädierte der Papst für eine „Einheit der Eucharistie". Das „Bündnis der Einheit" sei für die Mitglieder der Fokolar-Bewegung die Grundlage ihres Handelns, fuhr er fort. Dieses Bündnis werde beim Eucharistieempfang geschlossen und verdeutliche, dass Gott allein die Einheit bewirken könne. Papst Franziskus betonte, dass die Eucharistie ohne Einheit das „Göttliche" verliere und sich auf eine rein menschliche, psychologische und soziologische Dynamik reduziere.

„Der Bischof ist das Prinzip der Einheit der Kirche. Aber diese existiert nicht ohne Eucharistie: der Bischof versammelt das Volk nicht um die eigene Person oder die eigenen Vorstellungen, sondern rund um Christus." (rv)

Irak: Dominikaner als „christliche Hoffnung“

IrakSie sind ein wichtiges Zeichen der Hoffnung für die geplagte Bevölkerung im Irak: die Ordensleute, die inmitten von Chaos, Leid und Verfolgung an der Seite der Menschen ausharren. Davon berichteten auch zwei Dominikaner, die vor kurzem in Bagdad und Erbil waren, der Hauptstadt der kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak. Eingeladen hatten Dominikaner, die aufgrund des IS-Terrors um ihr Leben fürchten müssen, aber dennoch bleiben. Über hunderttausend Menschen flohen, viele Christen, vor allem aber Jesiden, als die Kämpfer der Terrormiliz des sogenannten „Islamischen Staates" Erbil im Juni vergangenen Jahres eroberten.

Pater Timothy Radcliffe ist der ehemalige Obere des Dominikanerordens. Er erzählt im Gespräch mit Radio Vatikan, warum der Westen Verantwortung übernehmen und alles tun muss, um den Konflikt zu beenden:

„Eine der Sachen, die wir sahen, als wir dort waren, war, dass das keine lokale Krise ist. Sondern das ist die Folge des Eingriffs des Westens. Ich denke auch, dass der brutale Fundamentalismus, den wir dort vorfinden, aus der schrecklichen Armut geboren wurde, aus der ständig wachsenden Ungleichheit in dieser Welt; das wirtschaftliche System produziert die Quelle der Gewalt. Die Menschen sind zerrissen. Und eine der Reaktionen ist Terrorismus."

Ein Dialog mit dem „Islamischen Staat" sei derzeit nicht vorstellbar, unterstreicht Radcliffe. Aber es gebe viele Muslime in Bagdad, die sich einen konstruktiven Dialog und eine Auseinandersetzung mit dem Westen wünschen. Die Dominikaner gründeten in Bagdad eine Akademie, die genau diesem Dialog Raum geben würde. Die Akademie der Humanwissenschaften hat 5.000 Studenten, 4.000 davon seien Muslime. Dennoch sieht er eine große Gefahr daran, dass eine der ältesten christlichen Gemeinschaften dort einfach untergeht.

„Wenn die Leute aus diesem Land fliehen, dann können wir das nur verstehen und wir müssen sie willkommen heißen. Aber wir können zeitgleich nur hoffen und beten, dass die Gemeinschaft auch eine Möglichkeit findet, dort zu bleiben, auch in sehr reduzierten Lebensumstände. Einige Christen hoffen, dass sie im Zentrum von Kurdistan bleiben können. Dort eine Siedlung aufbauen können. Das wird derzeit diskutiert. Ob das möglich ist oder nicht, werden wir sehen." (rv)

Irak: Ruf nach US-Bodentruppen

Patriarch SakoOhne Bodentruppen und internationale Unterstützung ist der Irak nicht zu retten. Das sagt der lateinische Patriarch von Bagdad, Luis Raphael Sako im Interview mit Radio Vatikan. Sako hält sich derzeit zu einer Konferenz im Vatikan auf. Er betont, dass die Zukunft des Landes und der Sieg über die Truppen des so genannten ‚Islamischen Staates’ vor allem an der Stärke der USA hänge.

„Das reine Bombardieren ist keine Lösung, das ist nur ein Teil. Die USA müssen Soldaten schicken, um diese Leute zu vertreiben und die Dörfer der Christen und all der anderen zu befreien, so dass diese Vertriebenen nach Hause gehen können.“

Mittlerweile gebe es aber auch schon eine „andere Art IS“, so Sako. Das seien Milizen, die in Bagdad Menschen entführten und aus Häusern vertrieben. Das sei nicht Teil einer militärischen Kampagne, sondern als eine Art Guerilla. Hat der Irak überhaupt noch eine Zukunft? Ja – so Patriarch Sako, unter einer Bedingung:

„Wenn es jemanden gibt, der sie beschützt und eine Garantie übernimmt. Die Menschen haben das Vertrauen verloren, sogar in ihre Nachbarn. Sie brauchen internationalen Schutz.“

Und Sako fügt an: Nur gemeinsam mit dem nicht fundamentalistischen Islam könne man den IS besiegen. (rv)

Irak: Bischof fordert Befreiung der Niniveebene

IrakDie Ninive-Ebene muss schleunigst befreit werden, sonst ist der Exodus der Christen aus dem Irak nicht mehr aufzuhalten. Das fordert Shlemon Warduni, Weihbischof von Bagdad, im Gespräch mit Radio Vatikan. In der Ninive-Ebene hatten sich zuletzt viele Christen angesiedelt, manche forderten in der Vergangenheit sogar eine Art „Christen-Enkave“. Mittlerweile ist das Gebiet vom Islamischen Staat überrannt worden. Warduni bestätigte auch, dass Hab und Gut von Christen in Mossul zu Gunsten des Islamischen Staats verkauft worden ist. Dies war Thema eines Treffens aller irakischen Bischöfe, das in den vergangenen Tagen in Erbil im kurdischen Teil Iraks stattfand:

„Das Treffen fand vor allem statt, um die Lage der Christen zu untersuchen und zu klären, wie wir ihnen helfen können. Wir haben vor allem darauf gedrängt, dass die Ninive-Ebene befreit wird. Denn wenn das nicht geschieht, werden die Menschen weiterhin auswandern.“

Die Lage sei schwierig, so der auch für die Caritas in dem Land zuständig chaldäische Weihbischof.

„Es gibt über 120.000 christliche Flüchtlinge, vor allem mit Kindern und Jugendlichen, die noch nicht zur Schule gehen können; deswegen ist ihre Situation katastrophal. Und wir leiden mit ihnen, denn wir schauen zu und können nichts tun. Deswegen haben wir unseren Leuten versprochen, alles zu tun, um etwas an ihrer prekären Lage zu ändern. Die Kirche hat nie aufgehört, sich für die Menschen einzusetzen, und die Leute erwarten das von uns, aber wir fühlen uns machtlos.“

Warduni mahnt an, dass die Ankündigungen zur Zusammenarbeit zwischen Zentralregierung und der kurdischen Autonomiegebiete folgenlos geblieben seien.

„Wir haben nicht nur ein Eingreifen der Zentralregierung in Bagdad gefordert und der Kurden, sondern auch der internationalen Gemeinschaft, und wir haben den Papst um Hilfe gebeten, er möge uns moralisch helfen, denn seine Autorität ist wirklich groß. Wir danken Gott für den Beistand der Hilfswerke: Wir haben sie gebeten, Druck auf die internationale Gemeinschaft auszuüben, damit etwas geschieht.“

Angeblich sollen in Mossul Hab und Gut von Christen verscherbelt und der Erlös an den Islamischen Staat abgeführt worden sein

„Ja es gibt dieses Problem: Es muss etwas getan werden. Viele Menschen nutzen die Abwesenheit der Flüchtlinge aus und begehen Ungerechtigkeiten: Sie verkaufen Häuser ohne Erlaubnis des Besitzers. Das ist bereits geschehen und ist eine furchtbar bösartige Weise, die Menschen aus ihrer Heimat zu vertreiben. Es sind die Nachbarn: Mit was für einem schwarzen Gewissen leben diese Personen eigentlich? Es muss gehandelt werden.“ (rv)

Kardinal über IS: „Teuflische Dinge“

Kardinal Filoni„Das sind wirklich teuflische Dinge.“ So kommentiert Vatikan-Kardinal Fernando Filoni die Enthauptungen westlicher Geiseln durch Terroristen des „Islamischen Staats“ im Irak. „Niemand darf im Namen Gottes so etwas tun“, sagte Filoni im Gespräch mit CNN. Allerdings wollte sich der Präfekt der vatikanischen Missions-Kongregation, der früher Nuntius im Irak war, nicht darauf einlassen, dass man jetzt „Krieg“ gegen den „Islamischen Staat“ führen müsse: „Der Heilige Vater hat oft Nein zum Krieg gesagt“, so Filoni wörtlich. „Wir reden hier nicht über Krieg, sondern über etwas anderes.“ Es gehe um die „Verteidigung von Menschen, die in Not sind“. Gut ausgerüstete Terroristen seien im Irak über unbewaffnete, „einfache Bauern, Familien und Dorfbewohner“ hergefallen: „Da ist es unsere erste Pflicht, diese Menschen zu verteidigen, aus menschenrechtlichen Gründen, um des Heils der Menschheit willen.“

Filoni hat kürzlich als Sondergesandter von Papst Franziskus Flüchtlinge im Nordirak besucht. Kurdenführer hätten ihm gegenüber angegeben, sie bräuchten lediglich Ausrüstung, nicht etwa ausländische Soldaten, um sich selbst zu verteidigen. Kardinal Filoni wörtlich: „Natürlich hat als erstes die irakische Regierung die Pflicht, sie zu verteidigen. Aber wenn sie dazu nicht imstande ist und sie sich selbst nicht verteidigen können, dann muss jemand anderes diese Aufgabe übernehmen.“ (rv)

Kardinal Rodriguez Maradiaga: „Größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“

Kardinal Rodriguez MaradiagaDie Weltgemeinschaft ist derzeit „mit der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“ konfrontiert. So hat der Präsident von Caritas Internationalis, Kardinal Oscar Andrés Rodriguez Maradiaga, die aktuellen Konfliktherde im Nahen Osten und ihre fatalen Auswirkungen beschrieben. In seiner Eröffnungsrede zur internationalen Koordinierungssitzung der Caritas-Hilfswerke in Rom äußerte sich der Präsident des Hilfsnetzwerkes besorgt über die Militärallianz westlicher Länder, die im Irak und in Syrien unter US-Führung gegen den Islamischen Staat intervenieren wollen: „Weitere Gewalt ist nie die Antwort. Sie wird nur zu mehr ,sinnlosem Schlachten‘ führen“, zitierte der Kardinal Benedikt XVI., der so den Ersten Weltkrieg umschrieben hatte. (rv)

Vatikan-Kardinal: Ursachen für Krieg liegen in der Politik

Kardinal TurksonIn ihrem jüngsten Wirtschaftsbericht hat die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) den Industrienationen einen Rüffel verpasst: Vor allem ihre Politik habe bei der Krise von 2008 zu einer finanziellen Notlage geführt, heißt es darin. Im Fall einer weiteren Krise wären vor allem ärmere Schichten und Länder beeinträchtigt.

Dass Armut und Benachteiligung zu blutigen Konflikten führen können, zeigt der unerbittliche Kampf um Ressourcen in den ärmeren Ländern der Welt. Dabei ist es aber häufig kein Rohstoffmangel, der Krieg verursacht, sondern die Politik. Darauf weist Kardinal Peter Turkson hin, der Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Radio Vatikan sprach mit ihm am Rande der Präsentation des UN-Wirtschaftsberichtes in Rom. Der aus Ghana stammende Kurienkardinal sagte uns:

„Es sind Eigeninteressen, die Ressourcen in einen Grund für Konflikte verwandeln. Das passiert im Kongo, in der Region der Großen Seen. Durch die Bewegung von Kapital hat die Globalisierung zweifelsohne Entwicklung begünstigt. Innerhalb der Länder aber haben wir oft Situationen der Ungleichheit. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: Es gibt Korruption und Vetternwirtschaft und eben auch schlechte Politik.“

Turkson spielt hier auf die Ausbeutung des rohstoffreichen Kongo an: Vom Verdienst aus dem Export an Holz und Bodenschätzen sieht die Bevölkerung des Landes kaum etwas, den Löwenanteil nehmen sich ausländische Firmen, die lukrative Geschäfte mit der Regierung machen. Kein Einzelfall, sondern eher die Regel für Afrika, so Kardinal Turkson:

„Ich kenne jemanden, der ein Buch darüber geschrieben hat, warum Afrika immer noch arm ist. Weil es eine gewählte Armut ist, ist seine Antwort. Seltsam, nicht wahr? Eine gewählte Armut heißt, dass die Regierungen Politiken anwenden, die in Wirklichkeit das Wachstum der Armut begünstigen. Es hängt also viel von den Regierungen ab: Man braucht eine gute Regierung, um Entwicklungsstrategien umzusetzen.“

Skeptisch äußert sich der Kardinal über Forderungen an Länder, „investorenfreundlich“ zu sein. Für die armen Länder der Welt bedeute dies in letzter Konsequenz nicht selten gnadenlose Ausbeutung, so Turkson:

„Das bedeutet, dass die Firmen, die in ein Land kommen, Handelsfreiheit und reduzierte Zölle erhalten. Das wird dann als ,investorenfreundliche Bedingungen‘ präsentiert. Ich denke aber, dass die Regierungen an dieser Stelle etwas Reife zeigen müssten: Wenn das Land danach arm zurückbleibt, ist das doch nicht ,investorenfreundlich‘. (…) In einigen Fällen haben wir es auch mit Verträgen zu tun, die vor langer Zeit geschlossen wurden und die immer noch gelten, obwohl die Lage heute anders ist.“

Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit führen unter extremen Bedingungen zu Zwist und Krieg – so liege der Schlüssel für den Frieden auch in der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung auf allen Ebenen, betont der Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, der hier Papst Franziskus‘ Vorgänger Benedikt zitiert:

„Um Entwicklung zu erleichtern, müssen wir der Logik des Gebens, einer Art Unentgeltlichkeit, folgen. Man kann keinen dauerhaften Frieden ohne Entwicklung verwirklichen. Man muss all das mit Ethik betrachten: Ethik nicht nur des Gemeinwohls der Völker, eine Ethik auch des Friedens für diese Länder, ohne nur an unseren Vorteil zu denken. Die Einladung von Benedikt XVI. zu einer Logik der Unentgeltlichkeit ist wirklich essentiell: sie lädt uns ein, auf das Wohl der anderen zu schauen, die von diesen Ressourcen abhängen, um zu überleben.“ (rv)