Israel: Katholiken verurteilen Vandalismus jüdischer Extremisten

Im Heiligen Land sorgt ein Akt des Vandalismus am Trappistenkloster Latrun für Empörung. Unbekannte Täter haben in der Nacht auf Dienstag das Eingangstor angezündet. Außerdem hinterließen sie auf den Mauern des Klosters antichristliche Schmierereien auf hebräisch. Jüdische Extremisten sollen für die Tat verantwortlich sein. Der israelische Premier Benjamin Nethanyahu hat den Vorfall umgehend scharf verurteilt. Auch der Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal, drückt gegenüber Radio Vatikan seine Bestürzung aus und erinnert die Regierung an ihre Verantwortung:

„Die Regierung hat diesen Extremisten zu viel Spielraum und Freiheiten gelassen. Deshalb fühlen sie sich jetzt befugt, alles zu tun. Es ist zwar richtig, dass alle diese Taten verurteilen. Aber eine Verurteilung ist nicht genug! Ich will, dass die Ursachen dafür, dass einige Verrückte diese Akte des Vandalismus ausführen, beseitigt werden. Es ist notwendig, die Erziehung und Schulbildung mit einzubeziehen: Wo und wie haben diese Menschen gelernt, dass sie ihren Nächsten und die Heiligen Stätten nicht zu respektieren haben? Das ist meine Frage!"

Dabei hofft der Patriarch, die Christen können weiterhin als Brückenbauer des Dialogs im Heiligen Land auftreten, denn:

„Die Sorge ist allgemein und hin und wieder kommt es zu einem Vorfall dieser Art, der auch alle guten Absichten unseres Dialogs mit den anderen und das konkrete Alltagsleben unterminiert. Die Taten dieser Verrückten sind eine Sache, und der Dialog mit den Rabbinern und den Imamen ist eine andere. Hoffen wir, dass das vorüber geht, und dass die Regierung die notwendigen und auch drastischen Schritte unternimmt, um diesen Vandalismus einzudämmen. Es ist nicht genug, diese Taten anzuzeigen! Ich bin nicht glücklich, wenn ich eine schlichte moralische Verurteilung höre, denn das ist einfach nicht genug!"

Die Katholischen Ordinarien des Heiligen Landes haben unterdessen eine Pressemitteilung veröffentlicht in der sie sich die Frage stellen: „Was passiert in der israelischen Gesellschaft, dass die Christen zum Sündenbock und Ziel derartiger Gewalt werden?" Für die Behörden sei es an der Zeit, endlich etwas zu unternehmen, um dieser sinnlosen Gewalt ein Ende zu setzen und an den Schulen zu gewährleisten, dass Respekt gegenüber allen Bewohnern dieses Landes gelehrt wird. Die Mitteilung ist von nahezu allen Autoritäten der katholischen und lateinischen Kirchen im Heiligen Land unterzeichnet, unter ihnen neben dem Patriarchen von Jerusalem auch der Apostolische Nuntius in Jordanien, Giorgio Lingua, und der Kustos im Heiligen Land, Pater Pierbattista Pizzaballa. (rv)

Israel: Ultraorthodoxe Juden müssen Wehrdienst leisten

Ab diesem Mittwoch sind ultraorthodoxe Juden nicht länger vom Wehrdienst ausgenommen. Damit setzt die Regierung von Benjamin Netanjahu eine Vorgabe des Obersten Gerichts um. Dieses hatte im Februar geurteilt, es sei nicht mit der Verfassung zu vereinbaren, wenn die Schüler an Tora- und Rabbiner-Schulen von der allgemeinen Wehrpflicht ausgenommen würden. Ein Gesetz von 2002, das eine solche Ausnahme festgeschrieben hatte, lief in der Nacht auf Mittwoch aus. Die Sonderbehandlung von strenggläubigen Juden ist in der israelischen Gesellschaft seit Jahrzehnten umstritten. Verteidigungsminister Ehud Barak hat den Streitkräften einen Monat Zeit gegeben, um „praktische Vorschläge" für den Wehrdienst von Ultraorthodoxen zu erstellen. Seit 1949 verpflichtet ein Gesetz alle israelischen Bürger, mit 18 Jahren Wehrdienst zu leisten. (rv)

Israel: „Welle der Fremdenfeindlichkeit“

Sie kommen aus dem Südsudan, oder aus Eritrea. Irgendwie haben sie es nach Israel geschafft: Jetzt fühlen sie sich sicher. Aber sie täuschen sich: Immer wieder werden Menschen ohne legalen Status aus Afrika Opfer rassistischer Angriffe. Erst in Tel Aviv, dann in Jerusalem. Vor drei Tagen steckten Unbekannte in der Heiligen Stadt ein Haus in Brand, in dem eritreische Immigranten wohnen. Tötungsabsicht, sagt die Polizei. „Eine Welle von Fremdenfeindlichkeit", sagt David Neuhaus. Der Priester ist Arbeiter-Beauftragter der katholischen Kirche in Israel.

„Hier leben 60.000 Afrikaner, arme Leute, die Asyl suchen. Ihr Leben in Israel ist unglaublich hart: Sie wohnen in Tel Aviv in Stadtvierteln, wo es schon viele einheimische Arme gibt, die fühlen sich dann bedroht, und die Spannung explodiert, weil es keine klare Linie der Regierung gibt und keine Aufklärung der Israelis, die sich ja immer bedroht fühlen. Am letzten 23. Mai haben wir in Tel Aviv eine Demonstration erlebt, bei der die Teilnehmer auf jeden Afrikaner losgingen, der gerade vorbeikam. Presseberichte über Vergewaltigungen durch Afrikaner hatten die Stimmung angeheizt. Eher überraschend war dann das Feuer in Jerusalem: Hier gibt es noch nicht viele afrikanische Asylbewerber. Dass Rassisten ein Wohnhaus von afrikanischen Einwanderern in Brand setzen, ist darum sehr, sehr schwerwiegend."

Vor der Demo von Tel Aviv, also vor den ersten rassistischen Ausschreitungen, hatten Premierminister Benjamin Netanjahu und Innenminister Eli Yishai von der Shas-Partei „sehr aggressive Dinge gesagt", so Pater Neuhaus. Aber danach hätten „einige dann doch mildere Töne angeschlagen, an die Verantwortung appelliert". Israels neue Rassisten seien Mittelständler, die den sozialen Absturz fürchteten, und Leute, die denken, dass Nichtjuden in Israel nichts zu suchen hätten.

„Das kommt beides zusammen und wird von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten noch verstärkt. Politiker stacheln arme Israelis auf, da geht`s zunächst um finanzielle Sorgen, und das Klima der Fremdenangst schürt dann das Feuer des Rassismus."

Die Knesset hat erst vor kurzem ein Gesetz gegen illegale Einwanderer verabschiedet, das Pater Neuhaus „ausgesprochen hart" findet:

„Wer illegal nach Israel einreist, riskiert jetzt drei Jahre Gefängnis. Damit will Israel vor allem das Einsickern von Einwanderern über die ägyptische Grenze stoppen, die man hier „Infiltrationen" nennt. Zusätzlich baut Israel dort aus dem gleichen Grund auch eine Mauer. Nicht nur das Gesetz, auch die Worte sind hart. Diese Menschen werden nie als Personen angesprochen, die vor dem Tod oder dem Hunger fliehen – stattdessen herrscht die Vorstellung vor, dass das illegale Infiltrierte sind, also Kriminelle, die ins Gefängnis gehören."

Pater Neuhaus arbeitet mit einigen israelischen Verbänden zusammen, die sich gegen Rassismus und für die Rechte von Einwanderern einsetzen. Für ihn gehört das zur „Berufung des Heiligen Landes". Auch mit einigen Ministern und Verantwortlichen bei den Behörden sei das Lateinische Patriarchat von Jerusalem in Kontakt, „um diesen armen Menschen zu helfen". Aber er gibt zu bedenken:

„Die Kirche ist sehr schwach, wir sind ja nur einige wenige, aber darum müssen wir eben versuchen, besonders klar zu reden. Wir haben auch eine Erklärung zu den Vorgängen des 23. Mai veröffentlicht – es ist sehr wichtig, Klartext zu reden, zu zeigen dass man die Problematik versteht, dass man aber Gewalt als Lösung nicht akzeptiert. Die Berufung der Kirche ist eindeutig, und wir haben eine immense Arbeit zu leisten. Zu unserer Kommission gehören Personen, die aus diesen Ländern kommen, etwa eine Ordensfrau aus Eritrea, die mit Landsleuten arbeitet; andere, die mit Sudanesen, Philippinos und mit Indern arbeiten." (rv)

Israel: Kardinal Meisner weiht im Heiligen Land ein Kloster

Kardinal Joachim Meisner hat ein neues deutsches Benediktinerkloster im Heiligen Land eingeweiht. Das Leben der Mönche müsse Maß nehmen am Leben Jesu, sagte der Kardinal in seiner Predigt. Jesu Spuren seien nirgends so greifbar wie im Heiligen Land, fügte der Kölner Erzbischof an, der Vorsitzender des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande ist. Neben dem Generalsekretär des Vereins vom Heiligen Lande, Heinz Thiel, und mehreren Diözesanvertretern waren acht Bischöfe und Äbte angereist, darunter Alt-Patriarch Michel Sabah. Das neue Kloster liegt in Tabgha am See Genezareth, unweit der Ruinen von Kafarnaum. (rv)

„Substantielle Fortschritte“ bei Gesprächen Israel-Vatikan

Wo stehen die schon seit 1993 anhaltenden Verhandlungen zwischen Israel und dem Vatikan? In Statements ist regelmäßig und schmallippig von „herzlichen Gesprächen" die Rede, ohne dass ein Abschluss in Sicht rückt. Dabei geht es für die Katholiken um nichts weniger als ihr Standing im Heiligen Land. Am Freitag gab es wieder so eine Verhandlungsrunde, diesmal in Jerusalem. Überraschend optimistisch äußert sich danach der Päpstliche Nuntius, Erzbischof Antonio Franco:

„Es gab wirklich substantielle Fortschritte, die uns hoffen lassen, dass in einem vernünftigen, kurzen Zeitraum ein Abkommen geschlossen werden kann über alle praktischen Aspekte des Lebens und Wirkens der Kirche in Israel: also über Steuern und Heilige Stätten. Es bleiben nur noch sehr wenige Fragen übrig, die wir noch etwas bearbeiten müssen, aber in diesem Geist des Antwortens auf konkrete Problematiken."

1993 hatte der Heilige Stuhl einen Grundlagenvertrag mit Israel geschlossen: Das brachte dem jüdischen Staat die diplomatische Anerkennung, die ihm der Vatikan jahrzehntelang verweigert hatte. Für den damaligen Papst Johannes Paul II. sprang damit das Tor zu einem historischen Besuch im Heiligen Land auf. Was seit damals noch aussteht, sind klare Abmachungen über den juridischen Status katholischer Gemeinschaften in Israel und über ihre Steuerbefreiung.

„Ich glaube, dass der Fortschritt bei den Gesprächen damit zusammenhängt, dass diese langen Jahre des Verhandelns beide Seiten zu einer besseren Kenntnis der jeweils anderen Seite geführt haben und auch zu mehr Vertrauen. Die Arbeit war konstruktiv, die Atmosphäre positiv; wir haben nach Monaten der Vorarbeit unsere Erwartungen klar formuliert, die Fragen, die uns am Herzen liegen und die lebenswichtig für die Kirche sind. Wir haben sie vorgestellt, unsere Gründe dargelegt, und wir sind auf – sagen wir mal – Verständnis gestoßen, was die Notwendigkeit einer Antwort darauf betrifft. Also haben wir substantielle Fortschritte gemacht!"

Aber auch der Nuntius weiß, dass mit einem Wirtschafts- und Steuerabkommen zwischen Rom und Tel Aviv noch nicht viel gewonnen wäre für die kleine katholische Herde in Israel. Die Katholiken in der Heimat Jesu sind wenige, haben keine Lobby, sind in lauter kleine Grüppchen, Riten, Sprachgruppen zersplittert.

„Unsere Sorge und Hauptschwierigkeit ist, dass noch kein Frieden in Sicht ist. Sowohl Palästinenser wie Israelis leiden unter der Abwesenheit von Frieden. Und wenn man dann nur eine Minderheit ist an Orten, wo es schon andere große Schwierigkeiten gibt, dann steht man als Minderheit auch vor noch größeren Problemen: Problemen, was Wohnungen, Bewegungsfreiheit, Einfügen ins soziale Leben betrifft. Das sind die Schwierigkeiten aller, aber für die Christen als Minderheit sind diese Probleme noch einmal größer."

Gespräche auch mit Palästinensern

Derweil wurde an diesem Sonntag bekannt, dass der Heilige Stuhl sich auch mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO weiter um ein bilaterales Abkommen bemüht. Ein Statement aus dem Vatikan spricht von einem Treffen beider Seiten in Ramallah an diesem Samstag. Wichtigster Vatikan-Unterhändler sei der Untersekretär im Staatssekretariat für die Beziehungen zu den Staaten gewesen; Monsignore Ettore Balestrero hatte auch unlängst die Gesprächsrunde mit Israel von Vatikan-Seite aus geleitet. Die Palästinenser hätten dem Heiligen Stuhl ihre Antwort auf einen Abkommens-Entwurf überreicht, und die Gespräche seien positiv verlaufen, so das Statement vom Sonntag. „Techniker-Teams" sollen sich nun mit den Einzelheiten des Entwurfs beschäftigen, und im Vatikan werde dann „in naher Zukunft" eine Vollversammlung beider Delegationen stattfinden. (rv)

Israel: Geschlechtertrennung würde gegen Verfassung und Tora verstoßen“

Die Forderung einer Gruppe ultraorthodoxer Juden nach Geschlechtertrennung im öffentlichen Leben erhitzt in Israel die Gemüter. Eine strenggläubige jüdische Gruppe hatte Frauen unter anderem dazu aufgefordert, vor den Synagogen auf die andere Straßenseite zu wechseln, in Bussen und Straßenbahnen hinten zu sitzen, sich im Supermarkt in getrennte Schlangen an der Kasse zu stellen sowie bei Wahlen eigene Wahlurnen zu benutzen. Die Forderung geht von einer ultraradikalen Minderheit aus, die bereits in der Vergangenheit durch ähnliche Aktionen auf sich aufmerksam gemacht hat, erklärt Petra Heldt, Dozentin an der Hebräischen Universität in Jerusalem und Direktorin der ökumenischen theologischen Forschungsgemeinschaft in Israel. Frauenrechte seien durch deren Forderungen aber nicht ernsthaft gefährdet – das ließen israelische Gläubige, Bürger und Politiker mitnichten zu, gibt Heldt im Interview mit Radio Vatikan Entwarnung.

„Das ist eine superkleine, extreme Gruppe. Die gesamte Knesset, also das gesamte religiöse Management in Israel, ist dagegen. Der Leiter der großen Schas-Partei hat sich zum Beispiel völlig gegen diese Forderungen gestellt. Bei den Demonstrationen gegen die Diskriminierungen sind auch sehr viele andere orthodoxe Juden zu sehen gewesen – es gibt wirklich eine landesweite Empörung gegen diese Gruppe."

Am Dienstag vor Weihnachten waren Tausende Menschen in Israel gegen religiösen Extremismus und Diskirminierung von Frauen auf die Straße gegangen. Daraufhin hatten am vergangenen Samstagabend etwa 1.000 ultraorthodoxe Haridim-Juden mit einer Gegendemonstration auf angebliche „Verfolgung durch die nichtreligiöse Mehrheit" reagiert. Einige von ihnen trugen dabei gelbe Judensterne und Sträflingskleidung. Dass die Gruppe den Gegenwind in Israel in Bezug zum Holocaust setzt, sei als medienwirksame Propanganda zu verstehen, so Heldt. Diese gehöre in den Kontext eines schon seit den 50er Jahren andauernden „ideologischen Kampfes" der Gruppe gegen den Staat Israel. Heldt:

„Sie sind bekannt dafür, dass sie die Nazi-Elemente als ihre Argumente bringen. Das ruft in Israel nur Abscheu hervor. Ich habe heute Morgen im Radio ein Interview mit einem Israeli gehört, dessen Mutter den Holocaust überlebt hat, als nahezu Einzige der Familie. Und der Mann sagte, dass die Aktion der Haridim-Juden eine Verunglimpung des Gedenkens der sechs Millionen ermordeten Juden sei."

Mit Empörung auf die Aktion reagierte auch der Leiter der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Avner Schalev. Er sagte dem israelischen Rundfunk am Sonntag, der Missbrauch des Holocaust sei inakzeptabel und verstoße gegen grundlegende jüdische Werte. Die Gemeinschaft der ultraorthoxen Juden in Israel wächst, auch weil sie kinderreiche Familien bilden: So stammt inzwischen jeder vierte Schulanfänger aus dieser Gruppe. Dass damit aber auch Ansichten zunehmen, die Menschenrechte einschränken, glaubt Heldt nicht.

„Insgesamt stimmt es, dass die Orthodoxen in Israel wachsen. Aber die meisten von ihnen sind ja in Israel völlig integriert – vom Kindergarten bis in die Verwaltung und Forschung, überall. Abgesehen von solchen ultraorthodoxen Gruppen, die den Staat Israel nicht anerkennen, anerkennen alle anderen Orthodoxen Israel ohne Wenn und Aber."

Auslöser für den Konflikt um die Geschlechtertrennung war eine Reihe von Übergriffen radikaler frommer Juden gegen Mädchen und Frauen gewesen. So war eine Soldatin von einem ultraorthodoxen Juden als "Hure" geschimpft worden, als sie sich weigerte, auf seine Anweisung hin im hinteren Teil eines öffentlichen Busses Platz zu nehmen. Weiter war eine achtjährige Schülerin von mehreren erwachsenen Männern beschimpft und sogar angespuckt worden, weil sie ihren Vorstellungen von keuscher Bekleidung nicht entsprach. Der Übergriff auf das Kind hatte zu den ersten massiven Protesten in der israelischen Bevölkerung geführt. (rv)

Papst trifft Religionsführer aus Israel: Hintergründe

Es ist nicht das erste Mal, dass Religionsführer aus Israel in dieser Zusammensetzung mit Benedikt XVI. zusammenkommen. Die Premiere gab es im Mai 2009, erklärt Pater Norbert Hofmann, der im Päpstlichen Einheitsrat verantwortlich zeichnet für das Gespräch mit dem Judentum.

„Man muss sehen, dass der Papst bei seinem Besuch in Nazareth diese Gruppe schon einmal getroffen hat, und das ist gleichsam der Rückbesuch in den Vatikan. Diese Gruppe möchte zeigen, dass Religion nicht Teil des Konflikts in Palästina-Israel ist, sondern Teil der Lösung dort sein soll. Die Religionen und die christlichen Konfessionen wollen beweisen, dass sie friedlich zusammenleben können, um so ein Modell, ein Beispiel abzugeben."

Hier werde „Friedfertigkeit vorexerziert", ergänzt Israels Vatikanbotschafter Mordechai Lewy – und kann sich eine Spitze nicht verkneifen: „Das müsste man auch in den Nachbarregionen nachmachen!" In einem Statement fordern die Religionsführer den ungehinderten Zugang zu Heiligen Stätten im Heiligen Land, ein Punkt, über den sich Pater Hofmann freut:

„Es ist immer Massgabe des Heiligen Stuhls gewesen, die Heiligen Stätten besuchen zu können: Die Freiheit zu diesen Heiligen Stätten ist ein ganz wesentlicher Punkt, den wir immer wieder gefordert haben. Und wie jetzt herauskommt, ist das eigentlich allen Religionen wichtig, dass diese Heiligen Stätten besucht werden können; da wollen sie zusammenarbeiten."

Einer aus der Gruppe der Religionsführer stellte sich den Journalisten nach der Begegnung mit Benedikt als „Widersprüchlichkeit auf zwei Beinen" vor: Elias Chacour ist Palästinenser, aber Christ, aber israelischer Staatsbürger. Und deutsch kann der katholisch-melkitische Erzbischof von Nazareth und Galiläa auch. Er sagte uns:

„Normalerweise kommen die Juden allein, die Moslems allein, die Christen allein zum Heiligen Vater, und jeder sagt, was er will. Wir haben entschieden, alle zusammen zum Heiligen Vater zu kommen, um alle öffentlich in Anwesenheit des Heiligen Vaters unseren Glauben an Frieden und Gerechtigkeit auszudrücken."

Schön und gut – aber kann das dann auch Rückwirkungen auf die jüdisch-muslimisch-christliche Gemengelage in Israel und Palästina selbst haben?

„Warum nicht? Israel ist nicht bloß ein Land – das sind Menschen! Die haben gelitten, und die haben Angst heute, genau wie die Palästinenser. Beide Seiten hoffen auf Frieden und Menschenwürdigkeit. Die Juden sind Menschen wie Sie und ich, die brauchen das, wie wir Palästinenser das brauchen!"

Man könne heute nicht mehr pauschal sagen: Diese Seite ist gut und die andere besteht aus Terroristen, so wie viele das vor siebzig Jahren behauptet hätten:

„Juden waren schmutzige Juden – aber das war nicht wahr, das war falsch! Heute werden die Palästinenser als ein Volk der Terroristen dargestellt… nicht als ein terrorisiertes Volk. Dabei wäre das die Wahrheit."

„Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um im Heiligen Land für eine gerechtere Gesellschaft zusammenzuarbeiten", verspricht das Statement der Religionsführer von diesem Donnerstag. (rv)

Italien/Israel: P. Cubbe wird „Gerechter unter den Völkern“

Israel ehrt den italienischen Jesuitenpater Raffaele de Ghantuz Cubbe (1904-1983) posthum mit der Medaille „Gerechter unter den Völkern": An diesem Dienstag überreichte der israelische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Mordechay Lewy, in Rom dem Neffen des Jesuiten die Medaille. Pater Cubbe starb vor 27 Jahren. Mario Galgano war für uns bei der Verleihung der Auszeichnung, die an Menschen verliehen wird, die Juden vor Verfolgung retteten.
 P. Raffaele de Ghantuz Cubbe war in den 40er-Jahren Rektor einer Schule in Frascati in der Nähe Roms. Während des faschistischen Regimes rettete er mehrere jüdische Familien vor der antisemitischen Verfolgung. Doch auch Jahre danach erzählte er niemandem von seiner Tat. Sein Neffe Francesco de Ghantuz Cubbe erfuhr erst viele Jahre nach dem Tod seines Onkels davon.
„Wir erlebten unseren Onkel zu seinen Lebzeiten als eine fröhliche Person. Erst vor kurzem und nach dem Tod meines Onkels nahmen Überlebende mit mir Kontakt auf. Und so lernte ich eine neue Seite meines Onkels kennen. Ebenfalls erstaunlich ist für mich, dass ich noch nie etwas Negatives über ihn erfahren habe."
Eine Figur wie Pater Cubbe ist auch für den interreligiösen Dialog wichtig, sagt der Botschafter Israels beim Heiligen Stuhl, Mordechay Lewy.
„Jeder Einzelfall einer Rettung ist für uns bedeutend. Man muss ja bedenken, dass diese Retter selber unter großer Gefahr gelebt haben. Daher müssen solche Fälle besonders gewürdigt werden. Auch ist zu betonen, dass es unter den Priestern und Ordensleute sehr viele gegeben hat, die Juden gerettet haben. Das bedeutet aber nicht, dass sie alleine aktiv waren. Ich gehe davon aus, dass einige ihnen geholfen haben. Den menschlichen Instinkt soll man auch nicht schmälern. Deswegen sind wir froh, unsere Dankbarkeit zu zeigen."
Figuren wie P. Cubbe können auch die Beziehung zwischen dem Vatikan und Israel stärken, glaubt Botschafter Lewy.
„Ich bin sicher, dass diese Auszeichnung ein positiver Beitrag in dieser Richtung ist. Es gab sehr viele Missverständnisse. Vielleicht wird es noch einige davon geben, weil diese Zeit der Not und Unmenschlichkeit unter den Nazis – also die Shoah – sehr viele Unstimmigkeiten hervorgerufen hat, die nicht so leicht bereinigt werden können."
Es stecke sehr viel Aufarbeitung hinter der Ehrung P. Cubbes, fügt Botschafter Lewy an.
„Es hat mich sehr gefreut, dass der Prozess, der zu seiner Ehrung geführt hat, eine gemeinsame Handlung der Familien der Nachkommen des Jesuitenpaters und der Überlebenden ist. Dieser Zusammenschluss lässt mich für die Zukunft sehr hoffen."
Hintergrund
Seit 1963 ist eine öffentliche Kommission unter der Schirmherrschaft von Yad Vashem dafür zuständig, vorgeschlagene Personen nach bestimmten Kriterien zu prüfen und gegebenenfalls als „Gerechte aus den Völkern" anzuerkennen. Sie besteht aus in Israel bekannten Persönlichkeiten, die oft selbst Holocaustüberlebende sind und staatliche oder politische Ämter bekleiden oder bekleideten. Vorsitzender ist ein Richter am Obersten Gerichtshof Israels.
P. Rafaelle Ghantuz Cubbe war von 1942 bis 1947 Rektor bei der Schule Nobile Collegio di Mondragone bei Frascati. Danach ernannte ihn Papst Pius XII. zum Vizepräsidenten des Päpstlichen Hilfswerkes POA, die sich um die Überlebenden des Zweiten Weltkriegs kümmerten. Als Rektor der Schule in Frascati rettete P. Cubbe drei jüdische Kinder, ohne sie zum Katholizismus konvertieren zu wollen: Marco Pavoncello, Graziano und Mario Sonnino. (rv)

Vatikan/Israel: Kritik an Wortmeldungen, aber nicht am Vatikan

Auch wenn Israel mit einzelnen Wortmeldungen bei der Nahost-Bischofssynode nicht einverstanden ist: Die Beziehungen zwischen Israel und dem Vatikan werden sich deshalb nicht verschlechtern. Das meint Mordechay Lewy, Israels Botschafter beim Heiligen Stuhl, im Gespräch mit uns.
 „Nein, ich glaube nicht, dass sich die Beziehungen verschlechtern. Es hängt auch davon ab, inwieweit der Vatikan den Weg finden wird, sich von den Worten von Bischof Bustros zu distanzieren. Ich bin sicher, dass er hier einen Weg finden wird.“
Der aus dem Libanon stammende Bischof Cyrille Salim Bustros hatte nach der Vorstellung der Schlussbotschaft mündlich auf Fragen geantwortet und dabei sinngemäß gesagt, dass sich der Staat Israel mit einer Rückkehr aller palästinensischen Christen auf demografische Weise erledigen würde. Botschafter Lewy sieht darin eine Wiedergabe „bekannter arabischer Standpunkte“ und betont,
„dass die katholischen Ostkirchen die Tatsache, dass Israel 1948 gegründet wurde, nie begrüßt haben. Sie haben sogar dagegen gearbeitet, lange bevor man von irgendeiner Verwaltung und Kontrolle Israels von gewissen Teilen der Westbank sprechen konnte, als das noch jordanisch war, waren sie schon dagegen. Die Ostkirchen waren auch gegen die Konzilserklärung Nostra Aetate in den 60er Jahren im II. Vatikanischen Konzil, das ist belegt. Sie waren gegen eine Annäherung zwischen Israel und dem Heiligem Stuhl und gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen in den 90er Jahren.“
Die Nahost-Synode sei trotz anders lautender Vorsätze „politisch“ gewesen, so Lewy. Das sei aber keine Kritik an den Positionen des Heiligen Stuhls.
„Meine Worte und meine Kritik ist gegen die Botschaft der Synode an die Welt und gegen das, was der Wortführer des Entwurfskomitees – Bustros – daraus gemacht hat. Meine Kritikpunkte beziehen sich nicht auf die Haltung des Vatikans.“
Einige wenige Passagen der Synodendokumente seien aus israelischer Sicht immerhin relativ mild ausgefallen, etwa der Punkt 5 der Propositiones, wo „eine milde Formulierung über die Gründe der Emigration vorgebracht wurde“. Doch im Allgemeinen spiegelten die Synodendokumente, so Lewy, eine dezidiert arabische Sicht.
„ Das ist wie ein UN-Forum gewesen, und im UN-Forum gibt es immer eine automatische Mehrheit für die arabische Sicht. Das gab es auch hier in der Synode, und das kann ich nicht gut heißen.“
Kurz vor Beginn der Synode hatte die israelische Botschaft beim Heiligen Stuhl eine Mitteilung verbreitet, die auf die wachsende Zahl von Christen von Christen in Israel hinwies. „Bei uns gibt es wieder Verfolgung noch Exodus von Christen“, betonte Lewy.
„Ich halte die Lage der Christen und Katholiken, soweit sie der israelischen Jurisdiktion unterstehen, für besser als in allen arabischen Staaten, wo Christen unter muslimischer oder anderer Regierung leben müssen. Das wurde in der Synode nicht gewürdigt, weil man es ja viel leichter hat, Israel zu kritisieren, als seine Existenz zu riskieren, wenn man zurückfährt in sein arabisch-muslimisches Land. Das muss gesagt werden, denn in der Synode wurde das nicht gewürdigt. (rv)

Vatikan/Nahost: „Widersinniger Verlust von Menschenleben“

Von einem „widersinnigen Verlust von Menschenleben“ spricht der Vatikan im Zuge der jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten. Die Attacke habe im Heiligen Stuhl „schmerzhaftes Bedauern“ ausgelöst, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi am Mittag gegenüber Journalisten. Ein israelisches Elitekommando hatte am frühen Montagmorgen Schiffe einer „Solidaritätsflotte“ für den Gaza-Streifen attackiert. Bei der Militäraktion wurden ersten Berichten zu folge bis zu 16 Menschen getötet und bis zu 50 Menschen teilweise schwer verletzt. Nach dem Gaza-Krieg im Jahr 2009 hat Israel keine einzige Hilfsflotte mehr durch die Blockade gelassen. Das berichtet unsere Jerusalemkorrespondentin Gabi Fröhlich. Neben der angegriffenen Flotte seien zwar weitere Hilfsschiffe unterwegs, die attackierte Flotte sei aber die größte gewesen:
„Diese 700 Aktivisten waren wohl auch sehr entschieden, ihre Hilfsgüter durch die Blockade hindurch nach Gaza zu bringen – die Israelis wiederum waren sehr entschlossen, sie daran zu hindern. Und offenbar ist die Situation nach dem, was man bis zu diesem Zeitpunkt hört und auf Bildern sieht, schlicht und einfach eskaliert. Es hat wohl, auch das sagen die Bilder, ebenso Angriffe seitens der Aktivisten auf die eindringenden Soldaten gegeben. Und die Soldaten hatten möglicherweise die Order, darauf hart zu reagieren. De facto kam es zu diesem sehr bedauerlichen und schlimmen Blutvergießen.“
Der israelische Industrie- und Handelsminister Benjamin Ben-Eliezer bedauerte unterdessen gegenüber örtlichen Medien den blutigen Ausgang der Aktion. Die Soldaten hätten auf eine „enorme Provokation“ reagiert. Dem widersprach „Freies Gaza“-Sprecherin Audrey Bomse: Die Besatzung der unter türkischer Flagge fahrenden „Mavi Marmara“ habe der Übernahme durch das israelische Militär ausschließlich gewaltfreien, „passiven“ Widerstand entgegengesetzt, unterstrich sie in einer ersten Stellungnahme. Auf Seiten der Kirche herrsche große Bestürzung über die jüngste Eskalation, so Fröhlich im Gespräch mit uns:
„Weihbischof Shomali, der Kanzler des lateinischen Patriarchats von Jerusalem, hat gesagt, er sei sehr traurig und die Armee hätte unter allen Umständen versuchen müssen, das Blutvergießen zu verhindern. Zu konkreten Einzelheiten äußern sich die Kirchenführer nicht. Denn alles ist ja noch ein bisschen unklar. Vage ist, was genau passiert ist. Aber allgemein ist man der Ansicht, dass so etwas nicht hätte passieren dürfen.“
Altpatriarch Michel Sabbah äußerte die Meinung, dass bereits die Erstürmung der Flotte, die mit humanitären Gütern nach Gaza unterwegs war, ein Vergehen sei. Die Kirche, meint unsere Korrespondentin, sehe die Blockade als grundsätzliches Problem. Und daran hätten auch die Aktivisten erinnern wollen.
„Sabbah unterstreicht, man könne nicht 1,5 Millionen Menschen mit einer Kollektivstrafe belegen, weil man in einem Konflikt mit ihrer Regierung liegt. Und die Abriegelung, so sagt das der einstige Patriarch, beraubt die Menschen im Gaza-Streifen so grundlegender Rechte wie Freiheit, Möglichkeiten der Selbstversorgung, usw. Also geht es nicht so sehr darum, dass Menschen im Gaza-Streifen Hunger leiden und dass man ihnen überlebensnotwendige Hilfsgüter bringen müsste. Sondern es geht um eine Krise der Menschenwürde, um grassierende Arbeitslosigkeit. Darum, eingesperrt und einer fremden Willkür ausgeliefert zu sein. Also um ein Leben wie im Gefängnis, ohne persönliche Schuld, für die meisten der Menschen im Gaza-Streifen.“
Das prangerten die einheimischen Kirchenvertreter schon lange an, so Fröhlich, und auch der Solidaritätsflotte sei es darum gegangen, den Blick der Öffentlichkeit auf den Gaza-Streifen zu lenken – der nicht nur unter einheimischen palästinensischen Christen als großes Unrecht empfunden wird. Taten, die den Lippenbekenntnissen der internationalen Politik folgten, seien überfällig:
„Es ist immer wieder so, dass schlechte Neuigkeiten den Blick der Weltöffentlichkeit auf diese Region lenken. Und die Hoffnungen, dass sich die westliche Welt und das Ausland den Nahen Osten mehr zu Herzen nehmen als bisher, bestehen. Es bleibt also die Hoffnung, dass aus so negativen Nachrichten wie der heutigen doch noch etwas Positives entstehen kann.“ (rv)