Kindesmissbrauch durch Kirchenleute, Vertuschung durch Bischöfe – so oder ähnlich sahen in den letzten Jahren die Schlagzeilen aus, wenn es um die Kirche in Irland ging. Die Missbrauchsskandale haben eine einst stolze Ortskirche in die Knie gezwungen. Ab diesem Sonntag hoffen die Katholiken auf der Grünen Insel wieder auf bessere Presse und, vor allem, auf eine innere Erneuerung: Dann startet in Dublin der 50. Eucharistische Weltkongress. Vertreter des Papstes auf dem Kongress ist der kanadische Kurienkardinal Marc Ouellet. Er sagte im Gespräch mit Radio Vatikan:
„Das letzte Jahrzehnt war wirklich schwierig für die irische Kirche, vor allem durch die Missbrauchsskandale, aber auch wegen der Wirtschaftskrise im Land. Darum gibt es jetzt ein echtes Bedürfnis nach Versöhnung, Vergebung und einem neuen Gespräch der Iren untereinander, der Bischöfe und Laien, der Priester und Ordensleute. Zeit für einen neuen Dialog. Wir müssen eine neue Seite aufschlagen – natürlich ohne die alte zu vergessen – und Gott darum bitten, er möge uns in seiner Barmherzigkeit erneuern."
Zum Eucharistischen Weltkongress werden auch viele Besucher aus anderen Ländern in der irischen Hauptstadt erwartet. Darauf setzt Kardinal Ouellet einige Hoffnung: Die irischen Katholiken könnten daran sehen, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine stehen, und das sei eine Chance, „ein außerordentlicher Moment für Irlands Kirche".
Neue Kraft
Mit Eucharistischen Weltkongressen kennt der Kanadier sich aus: Vor vier Jahren war er selbst der Gastgeber, damals als Erzbischof von Quebec, noch vor seinem Wechsel nach Rom. Nach „mehreren Jahrzehnten der Säkularisierung" in Quebec habe das Großereignis der Ortskirche neue Kraft gegeben, übrigens auch gute neue Kontakte in die Weltkirche hinein.
„Konkret konnten wir hinterher zwei Priesterseminare einrichten, um die aufblühenden Priesterberufungen aufzunehmen – das war eine Frucht des Kongresses, und das ist der Grund, weshalb ich denke: Sowas kann ein Wendepunkt sein. Bis dahin hatten wir irgendwie den Eindruck gehabt, der christliche Glaube und seine zentrale Aussage wären in der Gesellschaft mittlerweile überholt. Stattdessen erwies er sich als immer noch am Leben und vielversprechend für die Zukunft."
Natürlich hat Kardinal Ouellet, der die Vatikankongregation für die Bischöfe leitet, in den letzten Tagen die Berichterstattung über das Katholische Weltfamilientreffen von Mailand verfolgt. Eine Konkurrenz zum Eucharistischen Weltkongress sieht er in diesen Familienkongressen, die alle drei Jahre stattfinden, nicht.
„Wir sollten diese Weltkongresse als untereinander komplementär ansehen. Der Eucharistische Kongress ist inzwischen seit über einem Jahrhundert ein prophetisches Zeugnis der Kirche, und er hat seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil neue Züge angenommen. Wir haben nicht nur die Eucharistische Anbetung gestärkt, sondern auch die Verbindung zwischen der Eucharistiefeier und der Kirche als geschwisterliche Gemeinschaft hervorgehoben. Die neue Entwicklung des Eucharistischen Kongresses nach dem Konzil ist sehr positiv. Er rührt an das innere Geheimnis, das spirituelle Geheimnis der Kirche, während die Weltjugendtage und die Weltfamilientage mehr in den Bereich Evangelisierung gehören. Zusammengesehen haben die drei Arten von kirchlichen Weltkongressen dieselbe Botschaft: Die Anwesenheit des auferstandenen Herrn in der Eucharistie drängt uns, die Jugendlichen zur Nachfolge Christi zu rufen und die Familien zu ermuntern, Hauskirche zu sein für das Leben Gottes in der Welt."
Gemeinschaft und Ökumene
Der irische Kongress fällt in ein Jahr, in dem die katholische Kirche auch den 50. Jahrestag der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils feiert. Das Konzil hat sich vor einem halben Jahrhundert für eine Ekklesiologie (also eine Sicht der Kirche) als Gemeinschaft („communio") eingesetzt – und zu diesem Thema findet vor Beginn des Eucharistischen Weltkongresses eine theologische Konferenz in Maynooth statt, auf der Ouellet Hauptredner ist. Der Kardinal ist tatsächlich der Auffassung, die Kirche habe in den letzten fünf Jahrzehnten als Gemeinschaft große Fortschritte gemacht.
„Wir sehen mehr Kollegialität der Bischöfe, etwa bei der Weiterentwicklung der Bischofssynoden. Auf dem Niveau der Ortskirchen sehen wir das Herausbilden von Strukturen der Teilhabe, die Entwicklung von Priesterräten, von Laienräten auch in den Pfarreien. Diese Strukturen im Leben der Kirche sind Ausdruck der Ekklesiologie der Gemeinschaft. Uns ist auch bewußter geworden, wie sehr es für die Kirche auf die Ehepaare und Familien ankommt, das gehört ebenfalls dazu. Es bleiben aber noch einige Fragen offen: ein Nachdenken über die Taufe mit den kirchlichen Gemeinschaften, die aus der Reformation stammen, ein Nachdenken über eucharistische Kirchenlehre mit den Orthodoxen. Wir haben aber auch seit mittlerweile vierzig Jahren einen ökumenischen Dialog, der uns neue Ideen, neue Akzente, neue Perspektiven gegeben hat für eine bessere Zusammenarbeit zwischen der römischen Kurie und den Ortskirchen, den Bischofskonferenzen usw."
Kardinal Ouellet war schon zweimal in Irland: 2001 und 2002, für ökumenische Gesprächsgruppen. Interessiert hat ihn damals vor allem, wie der Friedensprozess zwischen Nordirland und Republik Irland voranging.
„Aber ich habe auch bemerkt, dass das Fortschreiten der Säkularisierung nicht so stark war, wie ich es in meinem eigenen Land erfahren habe. Das war für mich eine gute Nachricht. Die Zahlen der Gottesdienstbesucher lagen höher als in Kanada, es gab immer noch Berufungen, darum kam ich mit einem guten Eindruck zurück. Ich habe auch entdeckt, dass die irische Kirche eine glorreiche Geschichte hat und viel zur missionarischen Arbeit der Kirche in aller Welt beigetragen hat. Es ist eine außerordentliche Geschichte – sie sollten stolz auf diese Vergangenheit sein, die immer noch Wirkung in der Gegenwart zeigt. Das gehört zum Erbe, auf das sich bauen ließe, wenn mann jetzt nach neuen Energien sucht für eine Erneuerung der heutigen irischen Kirche!" (rv)
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