Papst und Ökumene: Die Herausforderungen des Dialogs mit den Evangelikalen

Papst Franziskus Mit seinem Besuch bei italienischen evangelikalen Christen in Süditalien hat Papst Franziskus ein neues Kapitel der Ökumenebemühungen der katholischen Kirche aufgeschlagen, mit seiner Vergebungsbitte dort auch gleich persönlich und als Papst einen großen Schritt getan. Die Reaktionen blieben nicht aus, die meisten aus der evangelikalen und pfingstlerischen Tradition kommenden Kirchen begrüßen den Schritt des Papstes.

Aber wem ist der Papst da eigentlich genau begegnet? Da fangen die Probleme mit dieser Ökumene an, denn so einfach zu beschreiben ist das nicht, was genau wir unter „evangelikal“ verstehen. Das sagt Burkhard Neumann, Direktor am Johann Adam Möhler Institut für Ökumene in Paderborn. Man könne damit Gemeinschaften in Kirchen bezeichnen, Frömmigkeitsformen oder bestimmte Gemeinschaften.

„Es ist sozusagen eine Sammlung von ganz unterschiedlichen Gruppierungen, die sich durch ein paar Grundelemente – bei allen Unterschiedlichkeiten – miteinander verwandt oder verbunden fühlen. Das sine Elemente, bei denen es besonders um die persönliche Erweckung geht, die persönliche Umkehr, dann natürlich die Anerkennung der absoluten Autorität der Bibel für den Glauben und eine ganz starke Akzentuierung des Missionsauftrages.“

Klassische Fragen des Dialoges zur sichtbaren Einheit der Kirche treten da eher zurück, sagt Neumann, das sei für viele Evangelikale – nicht alle – eher nicht so wichtig. Dazu kommen dann noch einmal die Kirchen aus der pfingstlerischen Tradition. Dort könne man gut beobachten, dass es auf der einen Seite institutionalisierte Gruppen gibt wie etwa in den Freikirchen organisierte, auf der anderen Seite aber auch Bewegungen, die keine Strukturen entwickeln.

„Die Frage des organisiert-Kirche-Seins tritt an dieser Stelle zurück, es ist eine sehr erfahrungsbetonte Form von Christentum, wo man auch ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass die Gaben des Heiligen Geistes, von denen im Neuen Testament berichtet wird, auch heute noch präsent sind. Das kann das Sprechen in Zungen sein, das kann das Abwehren böser Geister und Dämonen sein, das können Heilungswunder sein. In vielen Pfingstbewegungen geht man davon aus, dass so wie der Geist damals gewirkt hat so wirkt er heute auch.“

Diese Form des Glaubens ist im Zuge der Wahl Jorge Mario Bergoglios zum Papst vor allem in Lateinamerika verortet worden, riesige Tempelbauten in Brasilien oder wachsende Gemeinden in Argentinien sind immer wieder Thema, aber auch die Saddleback-Churches in den USA, Großgemeinden in dieser Tradition, sind ein bekanntes Phänomen. Auch in Asien und Teilen Afrikas gibt es diese Form des Glaubens.

„Hier in Deutschland stand man der Pfingstbewegung relativ schnell von Seiten der Kirchen und auch der Freikirchen abwehrend gegenüber. Deswegen ist bei uns diese Form des Christentums längst nicht so verbreitet wie in Lateinamerika oder in Asien.“

In den Gemeinden von Migranten dagegen komme diese Form des Glaubens aber durchaus auch bei uns vor, so Neumann. Eine andere Form sei, dass die etablierten Kirchen diese Formen selber aufgenommen hätten, etwa in der Form der charismatischen Erneuerungsbewegung.

Was die Ökumene mit Gemeinschaften dieser Tradition angeht, stellen sich ganz andere Fragen als in der traditionellen Ökumene, so Neumann. So hat es zwar in den 70er und 80er Jahren einen Dialog zwischen römisch-katholischer und evangelikalen Kirchen gegeben, in dem man sich über Mission und Glaubenserfahrung ausgetauscht habe.

„Es gibt auch einen Dialog mit Vertretern der Pfingstkirchen – nicht mit Den Pfingstkirchen, weil sie nicht weltweit organisiert sind – der mittlerweile auch schon fünf Phasen hinter sich gebracht hat und Erfahrungen aus der Pfingstbewegungen und deren theologische Reflexion einbringt in das Gespräch mit römisch katholischer Theologie.
Eine Herausforderung dabei ist natürlich die Erfahrungsdimension des Glaubens, wo wie aus der Tradition der Mystik mit einer gewissen kritischen Unterscheidungsgabe daran herangehen und sehr genau hinschauen, wo tatsächlich eine Gabe des Geistes als solche Erkennbar ist. Das ist das klassische Prinzip der Unterscheidung der Geister, das sich durch die ganze Spiritualitätsgeschichte zieht. Da ist die Frage nach der Beziehung von Erfahrung und Glaube und danach, wie ich den Glauben erfahren kann und ich diese Erfahrung unterscheiden kann von Illusionen und selbst gemachten Erfahrungen sicherlich ein ganz wichtiger Punkt.“

In Institutionen wie dem World Christian Forum und anderen würde man an Kontakten und Gesprächen arbeiten, die in der klassischen Ökumene, wie es sie etwa im Weltkirchenrat gäbe, nicht vorkämen.

„Und da muss man erst einmal abwarten, was daraus wächst. Ich denke, dass wie in allen anderen Bereichen auch das Wichtigste die persönlichen Beziehungen und Erfahrungen sind. Das merkt man jetzt ja auch an diesen Initiativen von Papst Franziskus, die aus solchen Erfahrungen kommen. Das hilft, Vorurteile erst einmal abzubauen und dann den anderen als Menschen, als Glaubenden und als Christ wahr zu nehmen und ernst zu nehmen.“ (rv)

Pater Lombardi: Treffen von großer ökumenischer Bedeutung

Pater Lombardi PressekonferenzDer Wert der Märtyrer für die Ökumene, dies war eines der Themen, die Papst Franziskus und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, an diesem Montagmorgen erörtert haben. Dies berichtete der Pressesprecher des Heiligen Stuhls, Pater Federico Lombardi, im Anschluss an das Treffen. Beide Kirchen, so referierte Lombardi aus dem Gespräch des Papstes und des Präses, hätten die schreckliche Erfahrung des Martyriums machen müssen, die evangelische vor allem während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Wie Lombardi weiter ausführte, habe Schneider dem Papst seine Glückwünsche für den von Enthusiasmus geprägten Beginn seines Pontifikates ausgesprochen – aber auch für die Wahl seines Namens, der von großer Bedeutung für die gesamte Christenheit sei. Der EKD-Ratsvorsitzende Schneider habe den Papst nochmals auf die Bedeutung des Reformationsgedenkens 2017 für die deutschen Protestanten hingewiesen. Der Papst habe seinerseits die Gelegenheit genutzt, an die Reden zu erinnern, die Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch in Erfurt gehalten hatte und die besonders bedeutsam für die Ökumene und die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und den Protestanten in Deutschland seien. Der ökumenische Charakter des Treffens, so schloss Lombardi, sei von großer Bedeutung für die Ökumene gewesen, die auch der aktuelle Papst ohne Zögern voranbringen wolle.

Vor dem Treffen mit Nikolaus Schneider, an dem auch Schneiders Frau sowie einige Begleiter teilgenommen hatten, hatte sich Franziskus um 12 Uhr mit dem Apostolischen Nuntius von Kenia, Erzbischof Charles Daniel Balvo getroffen; danach empfing er den Erzbischof von La Plata (Argentinien), Erzbischof Héctor Ruben Aguer. (rv)

Kard. Koch: „Franziskus wird sicherlich auch Ökumene fördern“

Kardinal KochEr nahm erstmals an einem Konklave teil: für den Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch war die Papstwahl „ein tiefgründiger Moment des Gebets“. Im Gespräch mit unserem Kollegen Mario Galgano geht Kardinal Koch, der bisher für die Ökumene zuständig war, auf die Wahl des neuen Papstes ein. Koch erwarte, dass Franziskus wie Benedikt XVI. den bisherigen Kurs bei den ökumenischen Gesprächen fortsetzen werde. Es sei eine Besonderheit, dass ein Jesuit als Papst nicht Ignatius, sondern den Namen Franziskus ausgewählt habe, so Koch weiter. (rv)

Kardinal Koch: „Die Ökumene braucht ein gemeinsames Ziel“

Eine Ökumene ohne ein klares und gemeinsames Ziel ist zum Scheitern verurteilt. Daran hat Kurienkardinal Kurt Koch jetzt in Rom erinnert. Das postmoderne Ideal des Pluralismus habe auch Spuren im Ökumenismus hinterlassen, führte der Präsident des päpstlichen Einheitsrates am Montagabend in einer Grundsatzrede über Bedingungen eines erfolgreichen Ökumenismus an der päpstlichen Lateranuniversität aus. Das Streben nach Einheit werde in der postmodernen Logik, in der religiöser Pluralismus und kirchliche Vielfalt zum guten Ton gehörten, skeptisch beäugt, so Koch. Die Suche nach Einheit sei jedoch für das Christentum wesentlich – ohne diese Suche würde sich der Glauben selbst verleugnen, so der Kardinal.

Dies werde deutlich in Jesu Hohepriesterlichen Gebet für die Einheit der Christenheit, in dem der Gottessohn auch die ökumenische Zukunft der Kirche mit eingeschlossen habe. Die „volle" und „sichtbare" Einheit der Christenheit müsse so immer Zielpunkt jedes ökumenischen Bemühens sein, unterstrich Koch der sich mehrfach auf den Papst bezog. Er würdigte Papst Benedikt XVI. als „großen Ökumeniker unserer Zeit": Seine Interpretation des Hohepriesterlichen Gebetes Jesu beim Letzten Abendmahl im zweiten Jesusbuch könne als „Synthese" des ökumenischen Werkes des Papstes gelesen werden, so Koch. Der Papst biete darin eine christologische Vision des Ökumenismus an, die das Potential habe, zu einer größeren Einheit der Christenheit zu führen. Der Titel der Grundsatzrede von Kardinal Koch lautete „Einheit: Illusion oder Versprechen? Ökumenische Aspekte im Jahr des Glaubens".

Ein klares und gemeinsames Ziel

Wie übersetzt sich die Forderung nach „voller, sichtbarer Einheit" im ökumenischen Gespräch etwa mit den Protestanten? Das wollte Anne Preckel von Kurt Koch nach seinem Vortrag wissen.
„Das ist heute die große Frage, weil: Das ursprüngliche der ökumenischen Suche nach der Einheit ist nicht mehr so klar und ist verschiedenartig geworden. Nicht wenige Kirchen und kirchliche Gemeinschaften, die von der Reformation her kommen, haben dieses Ziel der sichtbaren Einheit eigentlich aufgegeben und ersetzt durch das Konzept der gegenseitigen Anerkennung aller Realitäten der Kirche, die wir haben – als Teile der einen Kirche. Und das ist natürlich eine Vorstellung, die für uns Katholiken, aber auch für die Orthodoxen eine schwierige Vorstellung ist. Und deshalb müssen wir, das ist eine große Herausforderung, ein gemeinsames Gespräch haben über das Ziel der Ökumene, denn wenn wir kein klares Ziel mehr haben, dann könnten wir in verschiedene Richtungen gehen und am Ende feststellen müssen, dass wir noch weiter entfernt sind als bisher oder, wie der Wiener Komiker Qualtinger einmal gesagt hat: ,Ich weiß zwar nicht wohin, aber dafür bin ich umso schneller dort’ – das kann keine sinnvolle Vorstellung für die Ökumene sein. Deshalb ist es eine große Herausforderung, im Gespräch vor allem auch mit den Protestanten ein gemeinsames Ziel der ökumenischen Bemühungen wieder zu finden."

Viel wird auf evangelischer wie katholischer Seite bereits über das Reformationsjubiläum 2017 gesprochen. Ihnen wäre es lieber, wenn man hinsichtlich des Ereignisses von „Reformationsgedenken" sprechen und ein beiderseitiges Schuldbekenntnis einplanen würde – was wünschen Sie sich da konkret?

„In 2017 stehen zwei Wirklichkeiten im Mittelpunkt. Auf der einen Seite das Anliegen Martin Luthers, die Wiederentdeckung der Heiligen Schrift, vor allem auch die Wiederentdeckung der Rechtfertigungsbotschaft. Das sind großartige Dinge. Auf der anderen Seite können wir nicht darüber hinwegsehen, dass Martin Luther keine neue Kirche gründen wollte, er wollte keine Spaltung, sondern er wollte die Erneuerung der Kirche. Das ist damals nicht gelungen, es sind neue Kirchen entstanden, es ist zu einer Kirchenspaltung gekommen, es ist zu grausamen Konfessionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts, vor allem des 30-jährigen Krieges gekommen, die dann auch Konsequenzen gehabt haben für die Säkularisierung, die teilweise vom Christentum selber verschuldet ist. Und nun diese beiden Seiten unter das Dach des Feierns und des Jubiläums zu setzen, ist einfach sehr schwierig, wenn man die ganze Geschichte betrachtet. Und deshalb, denke ich, werden wir die Einladung annehmen, dieses Reformationsgedenken ökumenisch zu begehen, aber es kann für uns nicht eine Jubiläumsfeier sein, sondern es kann nur ein Gedenken sein, bei dem auch ein gewisser Bußakt, ein Schuldbekenntnis auf beiden Seiten – dass es nicht zu einer Kirchenerneuerung, sondern zu einer Kirchenspaltung mit diesen furchtbaren Konsequenzen gekommen ist – das sollte meines Erachtens Platz haben."

Gibt es denn dafür schon konkrete Pläne und Gespräche darüber?

„Ich bringe diesen Vorschlag immer wieder ein, ich habe ja auch teilgenommen an der Synode der Vereinigten Evangelischen Kirche im Norden Deutschlands, dort haben wir einen ganzen Tag über dieses Thema gesprochen, und ich habe den Eindruck, dass viele nachdenklich geworden sind und diese Situation sehen. Andere möchten einfach feiern, aber ich glaube, wenn sie uns dabeihaben wollen, dürfen sie erwarten, dass wir auch unsere Vorstellungen einbringen."

Sie haben in Ihrem Vortrag als eine Dimension des Ökumenismus die Märtyrer angesprochen. Inwiefern können die Märtyrer uns auf den Grund des gemeinsamen Glaubens hinweisen?

„Das ist eine Vorstellung und eine Perspektive, die vor allem Papst Johannes Paul II. sehr am Herzen lag, weil er gesagt hat: Alle christlichen Kirchen und alle christlichen Gemeinschaften haben heute ihre Märtyrer. Und alle Märtyrer haben ja Zeugnis abgelegt für den gemeinsamen Glauben an Christus. Und deshalb sind die Märtyrer in ihrem gemeinsamen Zeugnis, in ihrer gemeinsamen Hingabe des Lebens der Einheit viel näher gekommen als wir das sind. Sie können, wenn wir uns in das Zeugnis ihres Lebens vertiefen, eine große Hilfe sein, die Einheit im Glauben wiederzufinden, das heißt, den Ökumenismus spirituell-theologisch zu vertiefen."

Gehen wir von der Mitte zum rechten Rand der Kirche. Auch wenn Sie selbst nicht direkt in die Gespräche mit der Piusbruderschaft involviert sind – wie würden Sie die Beziehungen zwischen Vatikan und Piusbruderschaft aktuell beschreiben?

„Bei der Piusbruderschaft hoffe ich immer noch, dass sie zur Kirche gehört und zur Kirche zurückkommen. Ich hoffe, dass es zu dieser Einheit kommt, aber es kann nicht eine Einheit um jeden Preis sein. Es ist nicht denkbar, dass man ein Konzil ablehnt, denn wer das Zweite Vatikanische Konzil ablehnt, wenigstens in großen Teilen, der lehnt ja auch das Lehramt des heutigen Papstes Benedikt XVI., der ganz auf dem Boden des Fundamentes des Zweiten vatikanischen Konzils steht. Von diesem Punkt kann man nicht abgehen!" (rv)

Kardinal Meisner warnt vor „ökumenischem Holzweg“

Nicht ohne Skepsis reagiert der Kölner Kardinal Joachim Meisner auf den Appell „Ökumene jetzt: ein Gott, ein Glaube, eine Kirche", den Politiker und Prominente am Mittwoch lanciert haben. „Grundsätzlich ist natürlich das zu begrüßen, was der Ökumene dienen soll, aber es wäre sachlich richtiger, wenn damit eine Problemanzeige gegeben würde." Das sagte der Kölner Erzbischof dem Domradio. „Wenn es aber die Feststellung sein soll, die Kirchenleitungen bedürften nur eines herzhaften Entschlusses, die Einheit im Glauben herzustellen und so wäre alles geregelt, dann wäre das eine große Ignoranz." Meisner weist darauf hin, dass die katholische Kirche eine Weltkirche von 1,3 Milliarden Menschen sei: „Fragen katholischer Glaubensüberzeugung und der Übereinstimmung mit anderen Konfessionen sind daher im nationalen Raum zwar zu fördern, nicht aber verbindlich zu entscheiden."

Ökumene betreiben könne „nur der, der den jeweiligen Partner ernst nimmt", so der Kardinal. „Die traditionelle Formel, „dass katholische und evangelische Christen viel mehr verbindet als unterscheidet", reicht dazu nicht aus." Zum einen könne Ökumene in Europa „nicht auf die beiden großen Konfessionen beschränkt sein": „Wir dürfen nicht übersehen, dass in Deutschland und Westeuropa Millionen von orthodoxen Christen leben und diese namentlich in Osteuropa ein beträchtliches theologisches Gewicht haben. Ihre Theologie und ihr Amtsverständnis einfach auszuschließen, führt auf einen neuen ökumenischen Holzweg." Und ebenso hätten auch die zahlreichen Freikirchen in Deutschland und Westeuropa „einiges zum Thema Ökumene beizutragen", erinnert Meisner.

„Um es nochmals zu sagen: Die Autoren des Appells zur Ökumene erwecken den Eindruck, als bedürfe es nur eines herzhaften Entschlusses, die Einheit im Glauben herzustellen. Das wirkt für die mit der Ökumene Beauftragten sehr ernüchternd, um nicht zu sagen deprimierend."

In der Zeit nach dem II. Vatikanischen Konzil habe es auf dem Gebiet der Ökumene zwar „große Fortschritte gegeben"; man müsse aber auch einräumen, dass sich in jüngster Zeit einige konfessionelle Gegensätze „sogar verstärkt" hätten, etwa im Bereich der Ethik. Katholische und evangelische Kirche hatten sich in den letzten Jahren nicht auf eine gemeinsame Haltung zu Stammzellforschung und PID einigen können. „Seit nunmehr fast fünfzig Jahren bemühen sich die Kirchenleitungen trotz allem weiter darum, die tatsächlichen Entwicklungen in den Gemeinden vor Ort so zu begleiten, dass die Ökumene die Trennung unserer Kirchen überwindet und nicht neue Risse entstehen lässt." Er hoffe, so Kardinal Meisner, „dass der genannte Appell dieser Vertreter der Öffentlichkeit nicht zu der irrigen Einschätzung führt, die Einheit sei bereits erreicht und müsse nur noch vollzogen werden". „Ein Läufer, der vor dem Ziel stehenbleibt und jubelt, verliert bekanntlich den Lauf."

Hintergrund

Eine Initiative prominenter evangelischer und katholischer Christen hatte am Mittwoch in Berlin die Erklärung „Ökumene jetzt – ein Gott, ein Glaube, eine Kirche" vorgestellt. Unter Bezug auf zwei kirchengeschichtliche Jubiläen, den 50. Jahrestag des Beginns des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) sowie das 500. Gedenken an den Beginn der Wittenberger Reformation mit dem Thesenanschlag Luthers am 31. Oktober 1517, wolle sie „einen Beitrag zur Überwindung der Kirchentrennung" leisten. Die Unterzeichner der Initiative sind davon überzeugt, „dass katholische und evangelische Christen viel mehr verbindet als unterscheidet". Zwar gebe es unterschiedliche Positionen im Verständnis von Abendmahl, Amt und Kirche, doch diese Unterschiede könnten die Aufrechterhaltung der Trennung nicht rechtfertigen. In beiden Kirchen sei die Sehnsucht nach Einheit gross. Deshalb werde an die Kirchenleitungen appelliert, „die Trennung unserer Kirchen" zu überwinden.

Zu den Erstunterzeichnern des Aufrufes gehören mit dem im Ruhestand befindlichen Leipziger Pfarrer Christian Führer, dem emeritierten Theologieprofessor Günter Brakelmann und der ehemaligen Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer drei evangelische, mit Bundesministerin Annette Schavan und dem emeritierten Professor Otto Hermann Pesch zwei katholische Theologen. Andere Personen haben leitende Ämter in ihren Kirchen inne gehabt wie die ehemaligen Präsidenten des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Bundespräsident a.D. Richard von Weizsäcker und der Mediziner Eckhard Nagel, der frühere Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Staatsminister a.D. Hans Maier, und dessen ehemaliger Generalsekretär Friedrich Kronenberg. Norbert Lammert als Bundestagspräsident, Frank-Walter Steinmeier, Gerda Hasselfeldt und Wolfgang Thierse stehen in aktueller politischer Verantwortung. Thomas Bach als Präsident und Michael Vesper als Generaldirektor dienen dem Deutschen Olympischen Sportbund. Mit Andreas Felger, Günther Jauch und Arnold Stadler sind Künstler, Medienschaffende und Schriftsteller vertreten. Der Text des Aufrufes ist im Internet unter oekumene-jetzt.de zu finden. (rv)

Vatikan: Neuevangelisierung und Ökumene

Die Neuevangelisierung wird auch der Ökumene gut tun. Das sagt Vatikansprecher Federico Lombardi in seinem wöchentlichen Editorial für Radio Vatikan an diesem Samstag. Der Jesuitenpater fügte an, dass der Papst mit der Förderung der Neuevangelisierung auch die Einheit aller Christen unterstützen wolle. Das von Benedikt XVI. einberufene „Glaubensjahr" sei ebenfalls ein starkes ökumenisches Zeichen, so Lombardi weiter. (rv)

Kardinal Koch über die Herausforderungen der Ökumene

Eine Flugreise mit dem Heiligen Geist als Pilot, bei der man hofft, dass das Flugzeug sicher landet: So bezeichnet Kardinal Kurt Koch den ökumenischen Dialog. Der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates hielt am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung in Rom einen Vortrag über die Arbeit seines Rates. Der Schweizer Kurienkardinal sieht in den letzten Jahren viele Veränderungen und Herausforderungen in der Ökumene.

„Wir haben beispielsweise in verschiedenen Kirchen eine neue Rückbesinnung auf ihre eigene konfessionelle Identität. Das kann ein großer Vorteil sein, weil man eine klare Identität haben muss, um im Dialog zu sein. Es kann aber auch sein, dass man sich von der Ökumene ein bisschen entfernt. Eine zweite Herausforderung ist, dass das eigentliche Ziel der Ökumene immer undeutlicher wird. Wir haben verschiedene Konzeptionen von der Einheit, aber wie haben kein gemeinsames Ziel. Und das macht es schwierig. Wir können ja nicht nach dem Motto des Wiener Komikers Qualtinger handeln ‚Ich weiß zwar nicht wohin ich will, aber dafür bin ich schneller dort’, sondern wir müssen neu suchen, was das eigentliche Ziel ist. Und der Grund, weshalb wir kein gemeinsames Ziel haben, ist eigentlich weil jede Kirche ihre eigene Vorstellung von der Einheit ihrer Kirche hat und darum ist ein notwendig, dass wir uns darauf besinnen, was eigentlich das Wesen der Kirche ist."

Eine dritte Herausforderung seien die neuen Gesprächspartner der katholischen Kirche in der Ökumene, so Kardinal Koch.

„Wir haben ein ganz starkes Anwachsen von pentekostalischen Bewegungen. Das ist eine neue Realität in der ganzen Welt, die fast die zweitgrößte Bewegung nach der katholischen Kirche ist. Man muss eigentlich von einer Pentekostalisierung der Ökumene reden. Und das sind ganz neue Herausforderungen. Und eine vierte Veränderung ist, dass heute zwischen den Kirchen vor allem ethische Fragen kontrovers sind und dass man auch den Dialog über diese ethischen Fragen stellen muss. Und ich denke, die meisten ethischen Fragen haben es mit dem Menschenbild zu tun, sodass wir vor der Herausforderung stehen, eine gemeinsame ökumenische Anthropologie, also eine Lehre vom Menschen zu entwickeln."

Ökumenische Gespräche auf nationaler Ebene, wie beim jüngsten Besuch einer Delegation der Deutschen Bischofskonferenz in Moskau betrachtet Kardinal Koch positiv:

„Die sind sicher sehr gut, weil wir vom Einheitsrat nur Weltebene handeln können. Viele Fragen stellen sich aber regional und da ist es ganz gut, wenn Bischofskonferenzen oder Delegationen in intensiven Kontakt mit einzelnen anderen Kirchen stehen. Ich kann das nur begrüßen und befürworten."

Ebenso haben nach Ansicht des Schweizer Kardinals gemeinsame christliche Feiertage, wie das anstehende Weihnachtsfest, große Bedeutung für die Ökumene:

„Die Ökumene steht und fällt damit, dass wir und auf das Kerngeheimnis zurückbesinnen, das uns ja gemeinsam ist und das vertiefen. Und Weihnachten, die Menschwerdung Gottes, ist dieses Kerngeheimnis des christlichen Glaubens. Und je näher wir in der Mitte des Glaubens zusammenrücken und uns zusammenfinden, umso näher werden wir auch gemeinsam zu einander kommen." (rv)

Kardinal Kasper: Die Synode hat ein Bewußtsein geweckt

Kardinal Walter Kasper war von Anfang an mit der Vorbereitung der Synode befasst, er hat an ihr auch teilgenommen. Ihn haben wir gefragt, ob die Synode ein Erfolg war:
 „Es ist vor allem sehr wichtig gewesen, dass man alle Patriarchen und Bischöfe des mittleren Orients beieinander hat – sie kommen ja normalerweise nicht zusammen – damit sie eine Möglichkeit hatten, ihre Probleme vor dem Papst und vor den anderen Bischöfen auszusprechen. Diese Kirchen brauchen unsere Hilfe und brauchen vor allem auch unsere moralische Unterstützung, unsere Unterstützung durch das Gebet. Ich denke, da hat die Synode schon ein Bewußt sein bei uns und in der Kirche geweckt."
In den deutschsprachigen Ländern begegnet vielfach der Meinung, die Kirche und vor allem Rom wende viel mehr Energie für die Ökumene mit den Ostkirchen auf als für die mit den Lutheranern und Reformierten. Stimmt das?
„Das ist eine Wahrnehmung, die mir in Deutschland sehr oft begegnet, sie trifft aber nicht zu. Als der Papst meinen Nachfolger ausgewählt hat, hat er mir ausdrücklich gesagt, er wolle jemanden, der deutschsprachig ist und der die Kirchen der Reformation kennt. Hier denkt man eher von der Weltkirche her, da kommen ganz andere Aspekte in den Blick, die man in Deutschland so nicht hat. Im Übrigen sind der Nahe und der Mittlere Osten ein Weltproblem und die Mutter sehr vieler anderen Konflikte, damit ist es auch ein enormes deutsches Problem." (rv)

Frankreich: Zollitsch lobt Ökumene in Taizé

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat die Bedeutung Taizés für den ökumenischen Dialog gewürdigt. Zolltisch besuchte am Wochenende die seit 70 Jahren bestehende ökumenische Gemeinschaft in Burgund. Gegenüber Radio Vatikan sagte er am Sonntag:
 „Ich glaube, die Einheit, die hier in Taizé gelebt wird, ist ein ständiger Impuls zu schauen, dass die Einheit unter den Christen ein Auftrag Jesu Christi ist. Je offener wir dafür sind, je mehr wir aufeinander zugehen und uns verstehen, je mehr wir darum beten, desto schneller kann auch Gott diese Einheit uns schenken. Er muss sie uns schenken, wir allein können sie nicht machen."
Gerade Jugendliche, die so zahlreich nach Taizé pilgern, glaubten an die Kraft des Gebets, so Zollitsch, und dass Gott Wunder wirken könne:
„Es war ja schön, kurz bevor die Mauer gefallen ist, war das Jugendtreffen in Pécs. Und in Pécs waren damals viele Jugendlichen aus der damaligen DDR, aber auch von der Bundesrepublik Deutschland. Als sie sich verabschiedeten, fragten sie ‚Wer weiß, ob wir uns wieder sehen?’ Und dreiviertel Jahr später ist die Mauer gefallen. Wir hatten selber das nicht zu hoffen gewagt. Aber man sieht: Gott hat Wege, die wir nicht kennen. Ich gehöre zu denen, die offen sind für ein Wunder, das Gott wirkt."
Das im Süden Burgunds gelegene Dorf gilt als Symbol der ökumenischen Bewegung. Der Bruderschaft, die der evangelische Pfarrer frère Roger gegründet hatte, gehören rund 100 Brüder aus mehr als 25 Ländern an, die aus verschiedenen evangelischen Kirchen und aus der katholischen Kirche stammen. (rv)

Kardinal Kasper: Die Tugenden der Ökumene – Geduld und Ungeduld

An diesem Donnerstag hat Papst Benedikt XVI. den Rücktritt von Kardinal Walter Kasper vom Amt des Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen angenommen. Bereits einige Tage vor diesem Ereignis zog Kardinal Kasper vor der Presse Bilanz.

Hier lesen Sie Auszüge aus Kardinal Kaspers Rückblick auf seine Dienstjahre:

Ein Resümee vorab
„Den Dialog kann man nicht planen, es sind freie Partner in diesem Prozess. Vielleicht geht es schneller, als ich gedacht habe, was ich natürlich hoffe. Aber man muss auch realistisch bleiben, geduldig und ungeduldig zugleich."
„Ich bin am Ende meines Dienstes in der Kurie und im Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen angekommen. Meine Gefühle sind gespalten: Auf der einen Seite ist es etwas ganz Normales, mit 77 Jahren emeritiert zu werden, das ist keine Politik oder Strategie, es ist sogar eine Befreiung. Auf der anderen Seite gebe ich eine Arbeit auf, die ich mit Enthusiasmus gemacht habe, die ich stets als Baustelle für die Zukunft der Kirche angesehen habe."
Über die Bedeutung der Ökumene
„Ökumene ist für die Kirche kein Luxusgut, sondern ein konstituierendes Element. Das Zweite Vatikanische Konzil spricht in der Tat von der Ökumene als einem Hauptziel. Das Gleiche gilt für die religiösen Beziehungen zum Judentum, die auch zu meinem Aufgabenbereich gehörten. Ich bin Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. sehr dankbar für das Vertrauen, das sie mir für diese wichtige Aufgabe entgegengebracht haben. Ich habe immer versucht, sie in Loyalität und Treue – zwei für mich unverzichtbaren Prinzipien – zu erfüllen. Ökumene war für mich kein privates Interesse, sondern ein Dienst in der Kirche, an der Kirche und für die Kirche."
„Ökumene wird nicht am Schreibtisch oder in akademischen Reden gemacht, Dialog ist Leben, Dialog ist fester Bestandteil des kirchlichen Lebens."
Geistliche Ökumene
„Mittelpunkt und Seele einer so lebendigen Ökumene ist die geistliche Ökumene. Die Einheit der Kirche kann nicht geplant oder produziert werden. Einer der Pioniere der ökumenischen Bewegung, sprach symbolhaft von einem „unsichtbaren Kloster". In einem sichtbaren Kloster lebt und betet man gemeinsam, im unsichtbaren ökumenischen Kloster lebt und betet man über alle Welt verstreut – aber vereint im Glauben. Ist das nicht schon eine intensive und tiefe kirchliche Einheit?"
Über die Ökumene mit den orthodoxen östlichen Kirchen
„Als meine Arbeit vor elf Jahren begann, gab es keinen Dialog mit diesen Kirchen mehr. Das erste Treffen mit dem Patriarchen war extrem schwierig, nicht nur aufgrund theologischer Differenzen, sondern auch aufgrund kultureller, sprachlicher und persönlicher Differenzen. Die sprachliche Kommunikation ist nicht einfach und die kulturellen Unterschiede sind enorm. Und trotzdem: Seit 2003 haben wir uns innerhalb von fünf Jahren wieder angenähert und es ist eine richtige Freundschaft entstanden. Gemeinsam haben wir ein Schreiben ausgearbeitet, das zeigt, wie wir trotz 1.500 Jahren der Trennung das selbe Verständnis vom Geheimnis des Sakramentes, der Amtsstruktur und der Mission der Kirche aufrechterhalten haben. Für mich war das fast ein Wunder des Geistes."
„Mit den orthodoxen Kirchen gab es am Anfang eine ähnliche Situation. Das erste Treffen in Baltimore im Jahr 2000 war ein Misserfolg, es war die schlimmste ökumenische Erfahrung, die ich je gemacht habe. Fünf Jahre des geduldigen Verhandelns sind für einen Neuanfang vergangen, der erst in Belgrad und dann in Ravenna stattfand. Das Dokument aus Ravenna hat tatsächlich eine große und unerhoffte Wende gebracht. So war auch der Eindruck des Papstes, als er dieses Dokument gelesen hat – er war überrascht, das so etwas möglich ist."
Über die Rolle des Bischofs von Rom
„Aktuell dreht sich der Dialog mit den Orthodoxen um die Rolle des Bischofs von Rom. Das sollte den Weg bereiten für die Diskussion um die heikle Frage nach dem Primat und zugleich eine Antwort geben auf die Einladung Papst Johannes Paul II. (die zweimal von Papst Benedikt XVI. wiederholt wurde), eine Möglichkeit zu finden, die Aufgabe des Petrus auszuüben, die für beide Seiten akzeptabel ist. Wer weiß, wie heikel die Frage nach dem Primat ist, wird nicht enttäuscht sein, wenn wir es nicht schaffen, schon zu Ende der nächsten Vollversammlung im September in Wien ein Dokument vorzustellen. Wir wollen die Dinge nicht forcieren, sondern reifen lassen."
Über die Ökumene mit Russland
„Anfangs war ich zwei Jahre lang nicht willkommen in Moskau, auch die ersten Treffen waren schwierig. Ganz im Gegenteil das letzte Treffen sechs Monate vor dem Tod des Patriarchen, das sehr herzlich und brüderlich war. Leider gibt es noch kein Treffen zwischen dem neuen Patriarchen Kyrill I. und dem Heiligen Vater, auch wenn beide sich schon dazu bereit erklärt haben. Auch das ist ein weiteres Zeichen dafür, dass der Weg hin zur vollständigen Einheit, wenigstens nach menschlichen Maßstäben, noch lang und beschwerlich sein wird. Wir haben große Schritte gemacht, doch der Weg vor uns bleibt noch lang."
Über die Ökumene mit den Kirchen der Reformation
„Auch im Dialog mit den reformierten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sind Fortschritte gemacht worden, auch auf theologischer Ebene. Wir haben viele Missverständnisse und Vorurteile der Vergangenheit überwunden. Wir erkennen uns als Christen an und versuchen, uns als solche gegenüberzutreten. Vor allem auf lokaler Ebene gibt es größere Kooperation und freundschaftliches Zusammenleben. Seit 2000 [seit der Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre, Anm. d. Red.] verändert sich die Situation sehr schnell und entspricht nicht mehr den enthusiastischen Jahren nach dem Zweiten Vatikanum. Fehler, oder besser Unvorsichtigkeiten, in der Art, wie man die Wahrheit vermittelt, sind von beiden Seiten begangen worden – auch von uns aus."
Über den Wandel innerhalb der Kirchen der Reformation
„Die protestantischen Gemeinden erleben eine Fragmentierung, wie man es auch bei den Anglikanern erlebt. Aber nicht nur das, wir erleben auch eine zunehmende Liberalisierung in ethischen Fragen. So haben die Schwierigkeiten zugenommen. Trotz des Willens, den Dialog nicht zu unterbrechen, die Beziehungen zu fördern und zusammenzuarbeiten, braucht es wieder mehr Zeit zur gegenseitigen Annäherung. Es wird Aufgabe meines Nachfolgers sein, die angedachten Vorschläge und Projekte umzusetzen."
Über die neue Herausforderung durch die ‚neuen Kirchen’
„Eine neue Herausforderung sind die Pfingstkirchen und die neocharismatischen Gemeinden und Sekten, die eine enorme Verbreitung vor allem in Lateinamerika, Asien, Afrika und auch in Europa finden. Die ökumenische Landkarte ist bunter geworden, und leider auch unübersichtlicher. Auf der einen Seite wollen diese Gruppen manchmal den Dialog nicht, und fördern so einen wilden Proselytismus. Auf der anderen Seiten können sie oft gar keinen Dialog führen, weil es lokale oder regionale Gemeinden ohne internationale Strukturen sind."
Über die Irritationen im Zusammenhang mit ‚Dominus Iesus’
„Das ist leider nicht vorbei und ich wiederhole das, was ich schon viele Male gesagt habe: Das Dokument Dominus Iesus steht für die katholische Doktrin und damit stimme ich überein. Aber man könnte diese Dinge auch in einer besser verständlichen Weise sagen. Tatsächlich ist es in dieser Art kränkend für andere Kirchen geworden. Nicht, weil es falsch ist, sondern weil man es in einer besser verständlichen Weise hätte sagen können. Das haben wir nicht geschafft.
Im Grunde bedeutet es aber, dass wir keinen Konsens über das Konzept Kirche haben. Die Protestanten nennen sich Kirche, und haben das Recht, sich so zu nennen. Aber sie haben ein anderes Kirchenkonzept, als wir es haben. Und deswegen muss man differenzieren und diese Unterschiede deutlich machen, die wir bis jetzt noch nicht komplett überwunden haben. Es kann keine Kränkung sein, es ist auch eine Herausforderung, den Dialog an dieser Stelle fortzuführen. Das ist der entscheidende Punkt in diesem Dokument.
Die Form war nicht sehr verständlich für die anderen. Zugleich könnte man auch andere Dokumente von ihnen aufzählen, die für uns wiederum nicht leicht verdaulich waren. Aber man muss nicht immer auf so etwas zurückschauen, sondern in die Zukunft blicken und den Dialog fortführen."
Über den Dialog mit den Anglikanern und den Vorwurf, Anglikaner abwerben zu wollen
„Das habe ich in der Zeitung gelesen, dass das Abwerben eine neue Ökumene sei, aber das ist falsch. Wer das Dokument ‚Unitatis Redintegratio’ des Zweiten Vatikanischen Konzils kennt, macht den Unterschied zwischen Ökumene und dem Dialog mit den anderen Kirchen einerseits und dem Übertritt andererseits. Das sind verschiedene Dinge.
Mit den Anglikanern war es so, dass einige Priester und Bischöfe zu uns gekommen sind. Ich habe ihnen gesagt, dass das nicht in meiner Verantwortung liegt. Das sei keine Frage der Ökumene, sie müssen zur Glaubenskongregation gehen. Daraufhin hat der Papst auf ihre Anfrage geantwortet. Das ist wichtig: Es war kein Proselytismus, kein Fischen im See der anderen. Es war eine Antwort auf Anfragen und es wird sich zeigen, wer auf diese Antwort des Papstes reagieren wird. Bis jetzt sind es nicht viele. Aber es ist keine neue Form der Ökumene."
Über den Dialog mit dem Judentum
„Zuerst hatte ich als Deutscher Angst, diese Aufgabe anzunehmen, mit der Last der ganzen Geschichte zwischen Deutschland und dem jüdischen Volk auf den Schultern. Aber unsere Partner haben niemals diese Tatsache vorgebracht.
Ich habe nicht nur Partner gefunden, sondern Freunde. Und so glaube ich, sind wir in der Lage gewesen, dieses Netz an persönlichen Kontakten zu schaffen. Wir haben von Anfang an viel gemacht, wir haben von der Vergangenheit und dem Holocaust gesprochen, das ist selbstverständlich. Dann sind meine jüdischen Freunde zu mir gekommen und haben gesagt: Wir haben viel von der Vergangenheit gesprochen. Aber Vergangenheit ist Vergangenheit, es ist wichtig, sich an diese Dinge zu erinnern, aber jetzt sprechen wir von der Zukunft – für unsere Kinder und Kindeskinder, für eine bessere Zukunft, in der es nicht mehr solche schrecklichen Dinge wie die Shoah gibt.
Es ist klar: Nach einer so komplizierten und leidvollen Geschichte, wie der zwischen Kirche und Judentum, gab es in diesen zehn Jahren manchmal Konflikte, Probleme, Missverständnisse. Da waren z.B. die Fürbitte für die Juden am Karfreitag, die Frage der Mission, der Proselytismus, der Fall Williamson und andere Dinge. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich normalerweise innerhalb von drei Wochen diese Wogen glätten konnte. Ich habe telefoniert, Briefe geschrieben, wir haben uns getroffen. In den Medien gingen die Probleme weiter, aber unter uns waren die Dinge sehr schnell geklärt.
Auch die Juden haben mir jetzt am Ende gesagt, dass ich erreicht habe, ‚Nostra Aetate’ [Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils über die nichtchristlichen Religionen, Anm. d. Red] mit Leben zu füllen."
Über Enttäuschungen
„Meine größte Enttäuschung? Ich konnte nicht die vollständige Gemeinschaft mit den anderen Kirchen herstellen (lacht). Ich komme aus Deutschland, für uns ist der Dialog mit den Protestanten grundlegend, wir sind das Ursprungsland der Reformation im 16. Jahrhundert. Aber jetzt gibt es eine interne Entwicklung in den protestantischen Kirchen, die den Dialog nicht einfacher gemacht hat.
Anfangs hatten wir riesengroße Erwartungen und Hoffnungen an die Anglikaner, jetzt ist das komplizierter geworden. Ich würde nicht sagen, dass es deren Schuld ist, allein es gab erschwerende Entwicklungen, genau wie mit anderen protestantischen Kirchen. Das ist schade, aber es ist eine Tatsache, die man akzeptieren muss, wie sie ist. Aber wir sind entschieden, keinen Dialog zu unterbrechen. Das ist unsere Politik. Die Alternative zum Dialog ist der Konflikt – und wer will das schon?"
Über Zukunftspläne
„Ich werde nicht arbeitslos sein, und einfach in Pension gehen. Erst mache ich eine Pause, dann kehre ich zu meinem Metier, der Theologie, zurück. Das ist etwas, was mir große Freude bereitet. Vielleicht engagiere ich mich auch in der Priesterausbildung, zunächst in Rom, aber es ist auch einfach für mich, in Deutschland zu arbeiten. Aber ich bleibe hier in Rom." (rv)