Unser Buchtipp: Die Arche Petrinser Buchtipp: Die Arche Petri

Die Arche PetriDass der Kleinstaat Vatikan mit seinen Gärten reich an Blumen und Pflanzen ist, sollte nicht überraschen. Weniger bekannt ist die Präsenz von Tieren rund um den Petersdom. Der deutsche Historiker Ulrich Nersinger hat sich umgeschaut und ein Buch über die Fauna hinter den Mauern geschrieben: „Die Arche Petri: Von großen und kleinen Tieren im Vatikan“. Unsere Frage an den Autor: Gibt es auch Haustiere im Vatikan? „Haustiere gibt es wenige, aber es gibt doch einige Besonderheiten, so zum Beispiel die Vogelwelt. Der frühere Laienverantwortliche im Vatikan, Marchese Sacchetti, war ein großer Vogelliebhaber und konnte feststellen, dass in keinem römischen Park so viele Vogelarten vorhanden waren, wie in den vatikanischen Gärten. Haustiere haben wir eigentlich relativ wenig. Ich glaube, im Governatorat werden eigentlich die Hunde verzeichnet, das ist also minimal, fast zu vernachlässigen: Katzen werden nicht so oft registriert, sind aber auch vorhanden und es gibt natürlich vor allem eines: was die Päpste an sich vermutlich gerne mochten, das waren Zierfische, auch in ihrer Wohnung.“

Aber auch größere Zootiere haben den Vatikan bisher bewohnt. Bekannt ist der Elefant Hanno. Das war um 1514. „Das war ein Geschenk von der iberischen Halbinsel für den Papst, denn der Papst [Alexander VI.] hatte in dieser Zeit ja in Südamerika die Grenzlinie festgelegt, zwischen dem Einflussbereich Spaniens und dem Portugals. Der Papst hatte eine richtige kleine Liebesbeziehung zu diesem Elefanten und man hat gesagt, als der Elefant dann doch nach relativ kurzer Zeit starb, der Papst sei in eine richtige Trauer, ja fast in eine Depression gefallen.“

Aber nicht nur positive Geschichten mit Tieren gibt es zu verzeichnen: ein kleiner Käfer sorgte vor wenigen Jahren für einiges Aufsehen im Vatikan. „Als der Besuch des US-Präsident George W. Bush in dem Vatikan anstand, hatte Benedikt XVI. gesagt: ,Ich empfange den US-amerikanischen Präsidenten nicht im Apostolischen Palast, sondern in den vatikanischen Gärten.´ Und natürlich war es üblich, dass bei solchen Gelegenheiten dann der US-amerikanische Geheimdienst, der Secret Service, die Wege alle sichert und vorher sich genau anschaut. Auf einmal wurden die Secret Service-Agenten sehr nervös, weil sie an manchen Bäumen etwas blinken sahen und informierten auch ihre Oberen, bis ihnen dann die vatikanische Gendarmerie erklären konnte, dass dieses Blinkende, was sie sahen, Radiofrequenzchips waren, die gemeinsam mit Duftfallen eben den größten Feind des Vatikans und der päpstlichen Gärten, den Rüsselkäfer, abhalten sollen.“

Ulrich Nersinger: Die Arche Petri Von großen und kleinen Tieren im Vatikan. Erschienen im August 2015 beim Petra Verlag. Preis 8,90 Euro. (rv)

Vatikan: Die Gendarmen des Papstes

Gendarmerie SCVMillionen von Menschen zieht es Jahr für Jahr in die Ewige Stadt. Wenn sich Touristen und Pilger auf den Petersplatz begeben und damit den Vatikan betreten, wissen viele nicht, dass sie italienisches Hoheitsgebiet verlassen haben und sich nun in einem eigenständigen Land, dem souveränen „Staat der Vatikanstadt", befinden. Ebenso sind sie zumeist nicht darüber informiert, dass dieser kleinste Staat der Erde neben der weltberühmten Päpstlichen Schweizergarde auch über eine eigene Polizeitruppe verfügt: den Corpo della Gendarmeria dello Stato della Città del Vaticano, das Gendarmeriekorps des Vatikanstaates. Von Ulrich Nersinger.

Knapp und präzise erklärt der Einsatzleiter ein letztes Mal seinen Männern das Vorgehen. Die vermummten Gestalten, geschützt durch kugelsichere Westen, nicken. Dann klappen sie die Visiere ihrer Sturmhauben herunter und beginnen mit der Erstürmung. Eine gut 20 Kilogramm schwere Metallramme lässt das Türschloss zersplittern. Sekundenschnell dringen die Männer in die Räume ein; nur wenige Augenblicke vergehen, dann sind die Attentäter gestellt – ohne dass ein einziger Schuss gefallen ist oder Sprengsätze gezündet werden konnten. Das Kommando, das hier sein Können unter Beweis stellte, hat einen ungewöhnlichen Dienstherrn.

Auf dem linken Ärmel ihrer Uniform tragen die unbekannten Einsatzkräfte die Tiara mit den gekreuzten Schlüsseln Petri; das Abzeichen auf dem rechten Ärmel zeigt das Wappen des Vatikanstaates, unterlegt mit einem Schwert und dem Spruch Semper parati („Immer bereit"). Die Männer gehören zur „Schnellen Eingreiftruppe" der vatikanischen Gendarmerie. Nachdem die Elite-Polizisten die Räume gesichert haben, rückt eine zweite Sondereinheit der päpstlichen Polizei an. Die „Anti-Terror-Einheit" kümmert sich um die rasche Entschärfung der sichergestellten Sprengsätze.

Die Übung der Special Forces des vatikanischen Gendarmeriekorps spiegelt die Antwort auf außergewöhnliche Bedrohungen wieder, vor denen man heute auch im Vatikan nicht sicher sein kann. Denn vor Attentaten und Terrorismus können auch die hohen Mauern des Kirchenstaates keinen unangefochtenen Schutz bieten. Im Alltag sind die Anforderungen an die Gendarmen des Papstes aber anderer Natur. „Die vatikanische Gendarmerie hat eine ganze Reihe von Aufgaben; sie ist im kleinsten Staat der Erde Verkehrs-, Kriminal-, Justiz- und Grenzpolizei", betont Domenico Giani, der Kommandant des Korps. „Die wichtigste Aufgabe aber ist der Schutz des Heiligen Vaters und der Personen, die ihn hier im Vatikan besuchen", fügt er an.

An Arbeit mangelt es den päpstlichen Ordnungshütern nicht. Alljährlich besuchen gut 19 Millionen Pilger und Touristen den Petersdom und die Vatikanischen Museen, und das bei einer Sollstärke des Korps von 198 Mann. Für die Gendarmen sind die gewaltigen Menschenmassen eine enorme Herausforderung. Zudem müssen sie in den Basiliken S. Maria Maggiore, St. Paul vor den Mauern, dem Lateran, in der Sommerresidenz des Papstes in Castel Gandolfo und all den Gebäuden präsent sein, die als exterritorial gelten. „Bei soviel Besuchern darf es daher niemand wundern, dass wir als der Staat mit der höchsten Verbrechensrate der Erde gelten", gibt die Gendarmerie zu bedenken, wobei natürlich angemerkt werden muss, dass sich diese aus dem Verhältnis der Straftaten – fast ausschließlich der Raub von Handtaschen und Geldbörsen – zur Einwohnerzahl des Landes ergibt.

Wer die Vatikanstadt beim Sant’Anna-Tor betritt, kann sich, nachdem er eine Erstkontrolle durch die Päpstliche Schweizergarde erfahren hat, von den Arbeitsanforderungen an die polizeiliche Ordnungsmacht des Kirchenstaates überzeugen. Hier regeln Gendarmen den Autoverkehr, wobei sie ihr Auge nicht nur auf die Einhaltung der Strassenverkehrsordnung zu werfen haben, sondern auch die Ausweise der Fahrer gewissenhaft kontrollieren müssen. Auch ihren Kollegen, die sich den Fußgängern zu widmen haben, ergeht es arbeitsmäßig nicht besser. Immer wieder müssen sie die Besucher auffordern, ihre Zugangsberechtigung vorzuweisen, und den, der keine besitzt, in das nahegelegene Passierscheinbüro lotsen. Der Postenkommandant im Wachthäuschen hat ein Multitasking-Talent zu sein; er nimmt ununterbrochen Telefonanrufe entgegen, lauscht den Durchsagen des Sprechfunks, läßt die Kontrollmonitore der Videoüberwachung nicht aus dem Blick – und findet dennoch ein freundliches Wort für den, der sich hilfesuchend an ihn wendet.

Die Überwachung der Vatikanstadt wird von der „Sala operativa" aus, die sich beim St. Anna-Tor in der Kaserne der Gendarmerie befindet, koordiniert. Auf über fünfzig Monitoren können die Beamten in fast jeden Winkel des Kirchenstaates blicken. An die fünfhundert Videokameras erfassen alle Personen, die den Vatikanstaat betreten oder verlassen. Die Anlage ist fähig, Verdächtige in Echtzeit zu scannen und mit Fotografien in Datenbanken abzugleichen. Aber das Kontrollzentrum dient nicht nur der polizeilichen Überwachung des Vatikans, sondern soll auch Notsituationen erkennen. So verhinderte es, dass sich ein Lebensmüder von der Kuppel des Petersdoms in die Tiefe hinabstürzte. In den heißen Sommermonaten kommt es auf der Wendeltreppe, die zur Kuppel hinaufführt, bei Besuchern oft zu Schwächeanfällen. Die zahlreichen Kameras lassen dann den Betreffenden schnelle Hilfe zukommen.

Mit der pittoresken Tracht und der eindruckvollen mittelalterlichen Bewaffnung der Schweizergarde kann die Gendarmerie nicht mithalten. Doch auch ihre Uniform beeindruckt die Besucher des Kirchenstaates. Die Ordnungshüter der Vatikanstadt tragen eine dunkelblaue Uniform, dazu eine Schirmmütze/Kepì gleicher Farbe, auf der das päpstliche Emblem und die Farben des Vatikanstaates angebracht sind; Als Waffe verfügen sie über eine Pistole, eine „Beretta automatica" vom Kaliber 7,65. Ein junger Mann, der in das Gendarmeriekorps des Vatikanstaates eintreten möchte, muss männlich sein, sich zwischen dem 21. und 25. Lebensjahr befinden und von gesunder und robuster Konstitution sein; seine Körpergröße darf 178 cm nicht unterschreiten. Er hat ledig zu sein, muss das Diplom eine Scuola media superiore oder einen gleichwertigen Abschluss vorweisen, den katholischen Glauben praktizieren und das Empfehlungsschreiben eines Priesters vorlegen.

Gelebtes Christentum und Engagement im Glauben sind für einen Kandidaten, der sich dann einer zweijährigen Probezeit unterzieht, unabdingbare Voraussetzungen. Für den stellvertretenden Gendarmeriechef Davide Giulietti steht fest: „Wenn du hier arbeitest und nicht ein Minimum an Glauben hast, für wen arbeitest du dann? Wenn du im Dienste des Papstes stehst, glaubst du an seine Person. Wer daran nicht glaubt, hat meines Erachtens den falschen Job". Wie bei kaum einer anderen Polizeitruppe sind die Vorgesetzten dabei ihren Untergebenen Vorbild. Der Kommandant der Gendarmerie, sein Stellvertreter und der Führungsstab sind sich nicht zu schade, gemeinsam mit den Offizieren der Schweizergarde bei den Generalaudienzen auf dem Petersplatz und den öffentlichen Auftritten des Papstes neben dem päpstlichen Wagen zu gehen oder zu laufen.

Die Päpste wissen, dass ihr Schutz und der des Vatikans bei der Gendarmerie in guten Händen liegt. Das große Vertrauen des regierenden Pontifex in seine weltlichen Schutzengel zeigt sich darin, dass sich Papst Franziskus seit Beginn des Pontifikates für seine Fahrten aus der Vatikanstadt der Autos der Gendarmerie bedient. Und schon der Vorgänger des Heiligen Vaters, Benedikt XVI, selbst Sohn eines Gendarmen, hatte den Ordnungshütern für das gedankt, „was ihr zusammen mit der Schweizergarde jeden Tag voll Hochherzigkeit und Treue tut, um dem Papst und seinen Mitarbeitern zu dienen, um Frieden und Ordnung in der Vatikanstadt zu gewährleisten und die Pilger zu empfangen, die die Gräber der Apostel besuchen oder dem Nachfolger Petri begegnen wollen … Ihr leistet eine schwierige und höchst notwendige Arbeit, die Hingabe, Umsicht und große Hilfsbereitschaft erfordert". (rv)

Buchtipp: Ulrich Nersinger, Der unbekannte Vatikan

Der unbekannte Vatikan Ulrich Nersinger, Der unbekannte Vatikan. Eine Besprechung von Gudrun Sailer.

Der deutsche Historiker und Journalist Ulrich Nersinger hat ein neues Buch über den kleinsten Staat der Welt vorgelegt: „Der unbekannte Vatikan“ heißt es, und wie nur wenigen anderen Autoren wurde Nersinger die Ehre zuteil, sein Werk dem Papst persönlich überreichen zu dürfen. Am vergangenen Mittwoch nach der Generalaudienz war es soweit. „Wird gelesen!“, antwortete der Papst auf Deutsch dem hocherfreuten Autor, der danach in unsere Redaktion kam und über sein neuestes Werk sprach.

„Es tauchen ja immer wieder Fragen zum Vatikan auf, aber oft sind die Antworten nicht befriedigend, weil sie mit Fachwörtern versehen sind, die man nicht kennt. Das Buch will versuchen, den Vatikan verständlich darzulegen.“

In 13 Kapiteln geht Ulrich Nersinger dem Innenleben des Vatikanstaates und des Heiligen Stuhles nach. Er schreibt über die historischen Anfänge, das Petrusgrab, über den diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhles, die Kardinäle, die Liturgien und Zeremonien der Päpste, das Audienzwesen bis hin zur Feuerwehr, der Schweizergarde und den vatikanischen Münzen und Briefmarken. Als Historiker ist dem aus Eschweiler bei Aachen stammenden Nersinger besonders an den Längsschnitten durch die Zeit gelegen.

„Die Geschichte ist der Lehrmeister, der uns nahebringt, was die Substanz dieser Dinge ist. Das wird heute zu wenig gesehen – man muss einen Blick zurückwerfen und bekommt dann die Antworten für die Zukunft.“

So manche Geste und Entscheidung von Papst Franziskus erstaunt den Historiker schon deshalb nicht, weil er Ähnliches aus der Geschichte bereits kennt. Dass Franziskus darauf verzichtet hat, im Apostolischen Palast zu leben, und stattdessen im vatikanischen Gästehaus Santa Marta dauerhaft Quartier bezogen hat, ist sogar eine vergleichsweise unbedeutende Meldeangelegenheit, bedenkt man, wo überall Päpste in den vergangenen 2000 Jahren schon residierten.

„In den ersten Jahrhunderten war die Residenz, die Wohnung des Papstes, beim Lateran, bei der Bischofskirche der Päpste. Dann war sie für die sogenannte Babylonische Gefangenschaft in Avignon in Südfrankreich, und auch danach ist man zwar in den Vatikan gezogen, hat aber dennoch manchmal außerhalb gewohnt, in Viterbo und anderen Städten rings um Rom herum. Auch als der Hauptwohnsitz der Vatikan war: Man hat im Sommer etwa im Quirinalspalast (in Rom) gewohnt, manche Päpste haben auch im Palazzo Venezia ihre Residenz gehabt. Andere haben kleine Residenzen im Vatikan selbst vorgezogen, die berühmte Casina Pius IV. in den Vatikanischen Gärten etwa. Leo XIII. hat sich einen kleinen Turm erbauen lassen in den Gärten. Und Castelgandolfo war die Sommerresidenz der Päpste, die manche bevorzugt haben, manche aber auch nicht.“

Allgemein gilt: „Mit Franziskus sind Fragen neu aufgetaucht“, sagt der 56-jährige Vatikan-Beobachter.

„Und manche Entscheidungen des Heiligen Vaters bedürfen einer Erklärung, auch einer historischen Besinnung.“

Dabei könne das Buch ein wenig helfen. Als Beispiel nennt der Autor das Almosenamt des Papstes.

„Das Almosenamt des Papstes war für lange Zeit eine Ehreneinrichtung. Zwar gab es dieses Amt immer und auch die Gelder, die dafür eingesetzt wurden. Der jetzige Heilige Vater hat wirklich einen Fokus darauf gerichtet und dieses uralte Amt neu belegt, und ganz aktiv belebt. So dass der päpstliche Almosengeber nicht nur in Rom tätig ist: Er fährt nach Lampedusa und an andere Orte und schaut nach, wo schnelle Hilfe geleistet werden kann.“

Ulrich Nersinger ist bereits mit mehreren Büchern über den Vatikan hervorgetreten, die sich alle durch breite Kenntnis und solide historische Recherche auch in entlegenen Quellen auszeichnen. Darüber, dass er sein neuestes Werk Franziskus persönlich überreichen durfte, freute er sich besonders.

„Ich fand es sehr schön, dass er dann ganz plötzlich ins Deutsche wechselte. Ich habe ihm das Buch versucht, auf Italienisch zu erklären, dann hat er selber gesagt, ah, der unbekannte Vatikan. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass in dem Buch auch die neuen Initiativen, die er setzen möchte, enthalten sind, und dann kam er darauf, dass er hoffe, das könne auch realisiert werden!“

Ulrich Nersinger: „Der unbekannte Vatikan. Media Maria Verlag, Preis: rund 19 Euro. (rv)

Unser Buchtipp: Tatort Konklave

Buch Tatort KonklaveZur Überraschung der ganzen Welt hat Papst Benedikt XVI. vor fast einem Jahr seinen Rücktritt vom Papstamt bekannt gegeben. 29 Tage später folgte das Konklave. Von der sagenumwobenen Papstwahl handelt das Buch, dass wir Ihnen heute vorstellen möchten: „Tatort Konklave“, eine Besprechung von Marion Sendker.

„Komm, Schöpfer Geist“, singen die Kardinäle, wenn sie ins Konklave einziehen. Bei manchem Konklave der Kirchengeschichte sucht man den Heiligen Geist allerdings vergebens. „In einer Schenke, einer Wechselstube, in einem Bordell wird über Petrus entschieden“ (S. 47), so steht es wörtlich auf einem Flugblatt vor jener Wahl im Jahr 1522, aus dem letztendlich der strenge und integre Hadrian VI. aus Utrecht als Papst hervorging.

Als wäre er selbst live dabei gewesen, gewährt der Vatikan-Kenner Ulrich Nersinger in seinem Buch „Tatort Konklave“ einen Einblick in die Vorgänge rund um die Papstwahl. Dem Autor gelingt ein lebendiger Streifzug durch die Geschichte des Vatikans. Wie ein unsichtbarer Beobachter ist Nersinger dabei, wenn in „der Sixtina die Nerven blank“ liegen, weil sich die Kardinäle ihre Mägen verdorben haben und um einen Giftanschlag auf das Kolleg fürchten oder wenn das Kardinalskolleg auf einmal weibliche Unterstützung im Konklave bekommt.

20 ausgewählte Konklaveveranstaltungen ab dem Jahr 1241 werden unter die Lupe genommen. Das letzte Kapitel widmet sich der Papstwahl „mit Vorankündigung“, dem jüngsten Konklave der Kirchengeschichte. 30 Tage nach Benedikt´s Rücktritt haben die Kardinäle im fünften Wahlgang einen Argentinier auf den Stuhl Petri gewählt. Wie in der apostolischen Konstitution vorgeschrieben, hat auch er, Jorge Mario Bergoglio, damals noch als Erzbischof von Buenos Aires, zu Beginn des Konklaves einen Eid abgelegt. Hierdurch verpflichtet er sich zur strengsten Geheimhaltung.

Und ich, Mario Kardinal Bergoglio, verspreche, verpflichte mich und schwöre es, so wahr mir Gott helfe und diese heiligen Evangelien, die ich mit meiner Hand berühre.

Dass jedes Konklave unbedingt auch von den politischen Bedingungen der Zeit geprägt ist, belegt Nersinger eindrucksvoll. Er berichtet aus Tagebüchern von Zeitzeugen, zitiert aus Zeitungsartikeln, Fernsehschlagzeilen und Interviews mit Kardinälen und Journalisten. Der unterhaltsame Schreibstil sorgt dazu für detailreiches Kopfkino. Ernüchternd dagegen erscheint die lediglich zweiseitige Auswahl von Literaturquellen am Ende des Buches. Fußnoten mit konkreten Quellenangaben hätten die Ernsthaftigkeit der zum Teil reißerisch dargestellten Situationen eindrucksvoll belegen können.

Dank einer kurzen, aber inhaltsstarken Einführung in die wichtigsten Standards rund um die Nachfolge Petri ist der Leser aber bestens gewappnet, um verschiedene Tatorte von Papstwahlen kennenzulernen. Das Buch ist ein Konklave-Crashkurs für Anfänger und ein kompaktes Mini-Lexikon für Fortgeschrittene, die ihr Wissen schnell wieder auffrischen wollen oder eine Zusammenfassung mit den wichtigsten Infos suchen.

Ulrich Nersinger ist Journalist, Historiker und ausgewiesener Kenner des Vatikans, der Kurie und der Kirchengeschichte. Sein Werk „Tatort Konklave“ ist ein erzählendes Sachbuch mit Krimi-Elementen, was der Sprache wie auch dem Thema zu danken ist. Die Masse an Information ist fast so beeindruckend, wie der präzise und an manchen Stellen auch brisante Schreibstil, der Lust auf mehr macht.

Die Angaben zum Buch:
Tatort Konklave, ein Buch von Ulrich Nersinger, erschienen im Verlag Petra Kehl, ca. 17 Euro. (rv)

Buchtipp zur Neuerscheinung: Ulrich Nersinger – Tatort Konklave

Buch Tatort KonklaveStrengste Geheimhaltung und verschlossene Türen. Das Konklave gibt sich mehr denn je als ein geheimnisumwittertes Geschehen.

Nichts reizt die Fantasie mehr als das Geheimnisvolle. Das macht das Konklave, mit dem in der katholischen Kirche ein neues Oberhaupt bestimmt wird, selbst für Nicht-Katholiken interessant. Dementsprechend häufig wird es Thema in Romanen und Spielfilmen. Thriller wie Jörgs Kastners „Der Engelspapst" und Mario Giordanos „Apocalypsis" finden reißenden Absatz. Dan Browns „Angels and Demons" kam 2009 als Blockbuster auf die Leinwand und spielte Unsummen an Geldern ein. Doch nicht nur in der Fiktion geht es hinter den verschlossenen Türen spannend zu. Die Wahl eines Papstes wurde in der Geschichte immer wieder begleitet von Gewalttaten, Bestechung und Einflussnahme politischer Mächte. In jüngster Zeit hatte sich die Kirche dann eher der Mittel der technischen Überwachung und der sensationsgierigen Medien zu erwehren. Und trotz aller menschlichen Schwächen, Fehler und Manipulationsversuche gab es mehr als einmal unerwartete, ja erstaunliche Ergebnisse.
Tatort Konklave möchte einen kleinen Einblick in die spannende Welt der Papstwahlen geben und das eine oder andere verschlossene Fenster dem interessierten Leser öffnen. Der Streifzug durch die Historie des Konklave will nichts beschönigen, aber auch keine chronique scandaleuse sein. Er ist ein Stück Kirchengeschichte, die ihre Höhen und Tiefen hat. Und letztendlich aufzeigt, dass Gott der Herr allen Geschehens ist und es vermag, wie es Paul Claudel anmerkt, auf krummen Zeilen gerade zu schreiben.

Zum Autor:
Ulrich Nersinger ist Journalist, Buchautor und ausgewiesener Kenner des Vatikans, der Kurie und der Kirchengeschichte. Der 56-jährige schreibt für verschiedene katholische Zeitschriften, namentlich den Osservatore Romano, den Schweizergardist und die Tagespost. Ulrich Nersinger studierte Philosophie und Theologie in Bonn, St. Augustin, Wien und Rom mit ergänzenden Studien am Päpstlichen Institut für Christliche Archäologie und der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse. Neben seiner schriftstellerischen und journalistischen Tätigkeit ist er in Selig- und Heiligsprechungsverfahren als Postulator und Untersuchungsrichter zugelassen und Mitglied der Pontificia Accademia Cultorum Martyrum. Im Sommer 2013 wurde er zum Ehrenmitglied der Vereinigung ehemaliger päpstlicher Schweizergardisten ernannt. Ulrich Nersinger lebt in Eschweiler, Deutschland.

Buchtipp
Ulrich Nersinger: Tatort Konklave, Gebunden, 160 Seiten, Verlag Petra Kehl – Rhönstraße 3 – 36093 Künzell, ISBN 978-3-930883-60-8, Preis 16.90 EUR  (vh)

Vatikan: Der „Monsignore-Stopp“ in historischer Brechung

MonsignorePapst Franziskus hat in seiner gut sechs Monate währenden Amtszeit einige vatikanische Bräuche ausgesetzt, die bisher gang und gäbe waren. Wir beschäftigen uns heute mit den päpstlichen Ehrentiteln. Franziskus hat nämlich die Verleihung solcher Ehrentitel scheinbar vorerst auf Eis gelegt, vielleicht auch mit Blick auf Vorschläge der acht Kardinäle. Ist das das Aus für die „Monsignori" – so die Anrede für die derart ausgezeichneten Prälaten? Jedenfalls: Der Papst wünscht in der Frage der Ehrentitel für Priester möglicherweise eine Neuorientierung, analysiert der Kirchenhistoriker Ulrich Nersinger:

„Es ist mit der Zeit ein gewisser Automatismus eingetreten. Wer vier oder fünf Jahre an der Kurie gearbeitet hatte, erhielt einen solchen Titel: Zunächst den Kaplan seiner Heiligkeit, dann den Ehrenprälaten, und wenn er sich besonders ausgezeichnet hat, den überzähligen Apostolischen Protonotar. Da ist ein Automatismus eingetreten, der ungut war. Solche Titel sollte man mehr nach den Verdiensten verleihen, vielleicht auch stärker an Leute außerhalb der Kurie, die wirklich etwas Außergewöhnliches geleistet haben."

Allein in den Ländern deutscher Sprache gibt es viele hundert „Ehrenprälaten seiner Heiligkeit", die korrekt mit „Monsignore" angesprochen werden. Bis zur Kurienreform unter Paul VI. bestand der Brauch, päpstliche Ehrentitel quasi mit Ablaufdatum zu versehen.

„Einen Großteil der Titel hat man nur für die Dauer des Pontifikates verliehen. Wer unter Papst Benedikt Monsignore wurde, oder besser gesagt Kaplan Seiner Heiligkeit oder Ehrenprälat, denn Monsignore ist kein Titel, sondern die Anrede, der bekam diesen Titel nur für dieses Pontifikat, und mit dem Tod des jeweiligen Papstes erlosch der Titel. Es bestand die Möglichkeit ein Ansuchen zu stellen, dass im nächsten Pontifikat der Titel bekräftigt wird, aber das war im Belieben des neuen Papstes oder besser gesagt des Staatssekretariats gestellt. Das war vernünftiger als die Handhabung dieser Sache in den vergangenen Jahrzehnten."

Der vorläufige „Monsignore-Stopp" hat keine lauten Reaktionen unter Priestern hervorgerufen. Ein Murmeln aber doch.

„Es wird sich niemand großartig dazu äußern, aber es gibt eine Anzahl von Leuten, denen das Probleme macht. Ich glaube schon, dass das ein großer Gesprächsstoff innerhalb der Kurie ist und dass das auch dem Papst vermutlich Schwierigkeiten bereiten könnte in der Ausübung seines Pontifikates. Es ist zwar alles sekundär, aber doch etwas, was das Persönliche eines Mannes, der im Vatikan arbeitet, betrifft."

Man kann das durchaus verstehen: Auszeichnungen, wie Orden oder Titel, sind überall sonst mindestens so gebräuchlich wie in der katholischen Kirche, etwa im Militär und im Staatsdienst, erinnert Ulrich Nersinger.

„Ich denke nur an Österreich: es gibt immer noch den Hofrat und den wirklichen Hofrat, den vortragenden Hofrat, obwohl wir schon seit langem keine Monarchie mehr in Österreich haben. Das liegt vielleicht in der menschlichen Natur, dass man für seine Arbeit eine gewisse Bestätigung braucht. Und das muss auch nicht schlecht sein. Man darf nicht generell solche Titel abschaffen oder im großen Bausch verurteilen, man muss sie vernünftig handhaben. Und dann kann ich mir vorstellen, dass sie für eine Person auch ein Ansporn sein können, noch besser zu arbeiten als bisher." (rv)

Ulrich Nersinger: Die Gendarmen des Papstes

Nersinger_Gendarmen des PapstesSie tragen keine farbenprächtige Uniform, für ein Touristen-Foto taugen die Männer kaum. So wundert es nicht, dass die vatikanische Gendarmerie in der Öffentlichkeit lange im Schatten der Schweizergarde stand – bis zur Vatileaks-Affäre. Ein neues Buch des Vatikan-Kenners Ulrich Nersinger erzählt nun erstmals die Geschichte der Gendarmerie von den Ursprüngen im 14. Jahrhundert bis zum Pontifikat von Franziskus. Ins Rampenlicht der Öffentlichkeit trat die vatikanische Gendarmerie erst mit der Vatileaks-Affäre. Vatikanische Gendarmen verhafteten im Mai 2012 den päpstlichen Kammerdiener Paolo Gabriele. Hätten sie den Dokumentklau nicht verhindern können? Nersinger verneint dies. Die Gendarmen könnten nicht wie ihre deutschen Kollegen den Koffer eines kirchlichen Würdenträgers durchsuchen. (rv)

Historiker Nersinger: Inbesitznahme der Lateranbasilika früher und heute

Laterano_TafelPapst Franziskus wird an diesem Sonntag die Inbesitznahme der Lateranbasilika vornehmen. Im Mittelalter war diese Feier eine Besonderheit für die Stadt Rom, denn damals war es ein Triumphzug des neugewählten Papstes, der unmittelbar im Anschluss an die Krönungsmesse von Sankt Peter dorthin ging. Mario Galgano hat mit Ulrich Nersinger über die Inbesitznahme der Lateranbasilika durch die Päpste gesprochen. Nersinger ist Historiker und Spezialist für Geschichte der Päpste und des Vatikanstaates.

Die Lateranbasilika gehört zu den vier großen Päpstlichen Basiliken Roms. Bis zum Pontifikat Benedikt XVI. nannte man diese vier Kirchen auch Patriarchalbasiliken. Früher war es in der Tat so, dass die neuen Päpste vom Vatikan Richtung Lateran auch die jüdische Gemeinde sowie beim Kapitol den römischen „Statthalter" – also den weltlichen Herrscher der Stadt – trafen. Die Feier mit Papst Franziskus wird an diesem Sonntag anders ablaufen: im Grunde genommen ist die Inbesitznahme heutzutage ein Gottesdienst, bei dem der römische Kardinalvikar auf die Bedeutung der Lateranbasilika hinweisen wird. (rv)

Sedisvakanz: Riten und Historie

Die Sedisvakanz – die Zeit, in der der Stuhl Petri unbesetzt ist – ist eine Zeit, um viel über die Zukunft der Kirche nachzudenken. Wir haben hier auch den gegenteiligen Weg eingeschlagen und uns mit dem Historiker, Theologen und Journalisten Ulrich Nersinger über die Vergangenheit und die alten und neueren Riten der Sedisvakanz unterhalten.

Die eigentlichen Verwalter der Kirche sind in der Sedisvakanz die Kardinäle. Das ist im Prinzip der Ältestenrat des Papstes. Was können die Kardinäle in der Zeit der Sedisvakanz, und was können sie nicht?

Die Kardinäle dürfen eigentlich recht wenig machen. Sie sind laut der Papstwahlverordnung daran gehalten, nichts an den geltenden Gesetzen zu ändern. Sie müssen sich voll und ganz an die bis zu diesem Zeitpunkt gültige Gesetzordnung halten. Sie dürfen auch die bestehenden Gesetze nicht großzügig interpretieren. Das ist auch sinnvoll, weil wir sonst in eine chaotische Lage kämen.

Die Kardinäle treffen sich in der Sedisvakanz zu Generalkongregationen; dort machen sie sich ein Bild über den Zustand der Weltkirche und das Profil des zukünftigen Papstes. Wie sind diese Kardinalsversammlungen gestaltet?

In diesen Generalkongregationen wir viel behandelt, auch der Ablauf ist nicht statisch. Es können auch die über 80-jährigen Kardinäle daran teilnehmen, sie müssen aber nicht. Die Kardinäle sollen Fragen stellen und sich informieren. In erster Linie wird das Prozedere der Wahl besprochen, wann und wie sie stattfindet und ob man vielleicht etwas modifizieren muss. Es kann sich jeder zu Wort melden, und die Anliegen werden ernst genommen.

Die Sonderkongregationen sind hingegen jene Kardinalsversammlungen, die die weniger wichtigen, die technischen Dinge klären. Welche etwa?

Das sind Dinge, die ad hoc besprochen werden müssen. Woraus bestehen die Sonderkongregationen: Der Kardinalkämmerer mit drei Kardinälen aus den verschiedenen Rängen, also der Kardinalbischöfe, der Kardinalpriester und der Kardinaldiakone. Diese drei Kardinäle werden alle drei Tage neu gewählt, sodass ein ständiger Wechsel da ist. Sie behandeln so Kleinigkeiten wie: Was muss noch gedruckt werden, oder wann soll das und das gemacht werden, etwa mit den Briefmarken und Münzen der Sedisvakanz, eher ranguntergeordnete Angelegenheiten.

In welcher Form darf in der Sedisvakanz so etwas wie „Wahlwerbung“ stattfinden?

Wahlwerbung soll nicht stattfinden, sie ist eigentlich ausdrücklich verboten. Die Rechtsnormen sprechen davon, dass die Kardinäle sich untereinander informieren sollen. Aber das darf nicht ausarten in eine Werbekampagne und, was noch schlimmer wäre, in so genannte Wahlkapitulationen, also Wahlversprechen: Für den Fall, dass ich gewählt werde, erhältst du das und das. So etwas ist verboten und mit hohen Kirchenstrafen belegt. Aber es ist schwierig, die Grauzone zwischen Beratungen und einer gewissen Werbung und dem Eintreten für einen Kandidaten zu definieren.

Hauptfigur der Sedisvakanz ist der Kardinalkämmerer, diesmal Kardinal Tarcisio Bertone. Was sind die wichtigsten Aufgaben des Kardinalkämmerers?

Das wichtigste ist die Wahrung der zeitlichen Rechte und Belange der Kirche. Das betrifft das Finanzielle, den Schutz der Liegenschaften der Kirche. Das wird sehr deutlich in einem der ersten Akte, die der Kardinalkämmerer in seinem Amt setzt, indem er etwa vom apostolischen Palast im Vatikan und von den Palästen im Lateran und in Castelgandolfo Besitz ergreift. Das heißt, er nimmt diese Liegenschaften in Besitz, um sie zu schützen vor – was heute natürlich weniger passieren wird – vor Beschlagnahme oder Missbrauch. Auch hat er die Aufgabe der Versiegelung der Liegenschaften.

In früheren Jahrhunderten kam es offenbar manchmal zu tumultartigen Szenen nach dem Tod eines Papstes. Damit waren Plünderungen verbunden, gelegentlich auch durch Vatikanbedienstete…

Ja, das geht hin bis zu den höchsten Chargen und engsten Vertrauten. Es gibt ein berühmtes Beispiel. Als 1495 Papst Alexander VI., Rodrigo Borgia, starb, war einer der ersten, der sich noch am Totenbett des Papstes bediente, sein Zeremonienmeister, der einige Gewandstücke für sich reklamierte. Die Zustände nach Alexander VI. und nicht nur nach seinem Tod müssen gravierende gewesen sein. Der Leichnam des Papstes wurde derart beraubt, dass der Papst mehr oder weniger nackt auf der Totenbahre lag.

Ging es da wirklich um Bereicherung?

Nein, das ist natürlich wirklich ein mittelalterliches Verständnis, dass man der Meinung war, dass ein Toter kein Recht mehr auf seinen Besitz hatte. Es bediente sich so gut wie jeder, das reichte vom einfachen Soldaten bis hin zum Mitglied des Kardinalskollegiums.

Das zu verhindern, ist der Kardinalkämmerer da. Aber wer sorgte und sorgt denn physisch für die Sicherung der Sedisvakanz?

Wir haben sehr früh eine besondere militärische Charge, die das übernahm. Mit der Einführung des Konklave taucht eine Person auf, die man Konklavemarschall nannte, offizieller Titel: Marschall der Heiligen Römischen Kirche und Kustode des Konklaves. Das war ein Mitglied des römischen Adels, der diese Funktion nur in der Zeit der Sedisvakanz ausübte. Er konnte eigene Truppen ausheben, das waren bis zu 500 Mann starke Einheiten, die den Apostolischen Palast schützten und die auch über eine berittene schnelle Eingreiftruppe verfügten, um bei der Wahl des Papstes, wenn sein Name bekannt war, das Gebäude zu schützen, in dem der gewählte Kardinal residierte. Weil dann das Volk sofort auf den Palast zustürmte und alles an sich riss, was nicht niet- und nagelfest war. Wir kennen aus der Geschichte viele Beispiele, dass dann Gerüchte aus dem Konklave drangen, und dass eine ganze Reihe von Kardinälen große Einbußen an ihrem Besitz zu verzeichnen hatten. Es gab auch eindrucksvolle Szenen, zum Beispiel die Zugänge zum Vatikan waren stark gesichert. Die Brücken über den Tiber besaßen eigene Gitter, man kam praktisch nur über Sicherheitsschranken in die Nähe des Vatikans.

Vor dem Konklave gibt es alle möglichen Eide, die verschiedene Personengruppen ablegen müssen. Wer schwört wann welchen Eid auf Geheimhaltung aller Informationen, die das Konklave betreffen?

Wir haben zwei Abschnitte von Eiden: jene, die vor dem Eintritt ins Konklave, und jene, die zu Beginn der Wahlhandlung geleistet werden. Wir haben vor dem Konklave sofort wenn die Kardinäle zusammenkommen einen Eid, den die Kardinäle leisten müssen, indem sie sich verpflichten, die Rechtsnormen, besonders die Konstitution Universi Dominici Gregis zu beachten, und noch einige andere Versprechungen ablegen: der Geheimhaltung, dass sie sich nicht beeinflussen lassen von einer fremden Macht oder von Kreisen innerhalb der Kirche. Daneben gibt es eine Gruppe von Personen, die ins Konklave eintreten werden, die Geistlichen, die dort das Amt der Zeremoniare versehen oder der Beichtväter, das ganze Personal, jene, die die Sakristei betreuen, die für das leibliche Wohle sorgen wie Essen und medizinische Versorgung. Auch diese Personen leisten einen Eid. Dabei hat Papst Benedikt ganz am Ende seines Pontifikates durch ein Motu Proprio die Bestimmungen etwas verschärft: Wenn dieser Eid gebrochen wird, tritt die Tatstrafe der Exkommunikation ein. Sie braucht nicht einmal festgestellt zu werden, sondern sie tritt mit diesem Vergehen automatisch ein. Dann leisten die Kardinäle, wenn sie in die Sixtinische Kapelle eingezogen sind, einen weiteren Eid, indem sie alles nochmals bekräftigen und schwören, dass sie den wählen werden, den sie für würdig halten. Einen Teil dieses Eides werden sie noch jedes Mal bei der Stimmabgabe sprechen. Auch da rufen sie Christus noch einmal als Zeugen an, dass sie nur den wählen, von dem sie glauben, dass Gott ihn dazu berufen hat.

Die Tatstrafe der Exkommunikation, die Benedikt XVI. verfügt hat, trifft – bei Geheimnisverrat aus dem Konklave – ausschließlich das Personal, nicht die Kardinäle, ist das richtig?

Ja, denn beim Kardinal haben wir das Problem, dass man nicht weiß, wie seine Stimme zu zählen wäre, sollte er aufgrund dieses gebrochenen Eides sich selbst exkommuniziert haben. Man wollte diese Problematik draußen halten und hat diese Strafe auf die anderen Teilnehmer ausgerichtet. Das hat rein praktische Gründe, glaube ich, weil man nicht riskieren will, dass ein Mitglied der Wahlversammlung von einer schweren kanonischen Strafe betroffen ist und es heftige Debatten geben könnte, wenn etwa seine Stimme für die Wahl ausschlaggebend sein könnte.

Welche Strafen würden denn einen Kardinal treffen, der ein Wahlgeheimnis ausplaudert?

Das liegt im Ermessen des neuen Papstes. Er kann Strafen so verhängen, wie er es für richtig hält.

Bis hin zur Exkommunikation?

Das ist durchaus denkbar.

Nur ganz wenige Kurienchefs bleiben während der Sedisvakanz im Amt: Neben dem Kardinalkämmerer sind das die Stellvertreter des Papstes für das Bistum Rom und für den Petersdom, sowie der Leiter des Gnadengerichtshofes, der Apostolischen Pönitentiarie. Warum gerade diese?

Es sind vor allem die Ämter, die eine seelsorgerliche oder karitative Aufgabe haben. Auch der Almosengeber des Papstes bleibt im Amt. Es soll in der Zeit der Sedisvakanz den Gläubigen weder in der geistlichen noch materiellen Versorgung an irgendetwas fehlen.

Das Wappen des Heiligen Stuhles ändert sich in der Sedisvakanz. Da ist ein altmodischer Schirm zu sehen, etwa auch auf der Webseite des Heiligen Stuhles. Wofür steht dieser Schirm über den gekreuzten Schlüsseln?

Dieser Schirm ist ein uraltes Symbol, das auf vorchristliche Zeit zurückgeht und rund 2700 Jahre alt ist. Das war ein Würdezeichen der damaligen Potentaten vor allem im Bereich Mesopotamien, also im Zweistromland, das dem jeweiligen Herrscher vorangetragen oder über ihn gehalten wurde. Es ist eine verkleinerte Form des Baldachins. Über diesen Gebrauch ist er nach Ägypten zu den Pharaonen gekommen und dann nach Rom zu den Caesaren. Nach der konstantinischen Wende, also zu Beginn des 4. Jahrhunderts, übernahmen die Päpste ja viele kaiserliche Symbole, auch diesen Schirm. Er wurde als relativ weltliches Symbol verstanden, aber sehr früh auch jüdisch-christlich gedeutet. Im Judentum wurde es als die „Bundeshütte“ gedeutet. In den christlichen Texten als die Kirche – das Zelt Gottes unter den Menschen. Das wurde gemischt mit dem Herrschersymbol. Ein altes und sehr schönes Zeichen, dadurch, dass dieses schützende, aber auch bestimmte Rechte beanspruchende Symbol über den gekreuzten Schlüsseln Petri zu sehen ist. (rv)

Die Tagespost: Bericht über Vatican-History

Die katholische Zeitung "Die Tagespost" informiert am 20.11.2010  in ihrer Ausgabe Nr. 138 über den Internetauftritt von Vaticanhistory. Der bekannte Autor Ulrich Nersinger berichtet unter der Überschrift "Wissenswertes über die Purpurträger – Mit viel Engagement erklären zwei Internetseiten das Berater- und Wahlgremium des Papstes" neben der US-Seite "The Cardinals of the Holy Roman Church" von Salvatore Miranda auch über Vaticanhistory.

Ulrich Nersinger schreibt regelmäßig Beiträge in der Vatikanzeitung „L`Osservatore Romano“ und ist bekannt als Buchautor. (vh)