Vatikan: Vereinigung der päpstl. Kommission für Kulturgüter mit dem päpstl. Rat für Kultur

Die päpstliche Kommission für Kulturgüter wird Anfang November mit dem päpstlichen Rat für Kultur vereint. Das sagte der Leiter des Rates, Kardinal Gianfranco Ravasi, in einem Interview mit dem „Osservatore Romano". Die Kommission hatte bisher die Aufgabe des Erhaltes von Kulturgütern, der päpstliche Rat widmet sich dem Dialog mit der Kultur. Beide haben auch bisher schon eng zusammen gearbeitet. (rv)

Menschen in der Zeit: Kardinal Gianfranco Ravasi

Zum 70. Geburtstag. Eine Sendung von Aldo Parmeggiani
(Ausstahlung in den Sendungen am 14. und 21. Oktober 2012)

Herr Kardinal, Sie haben mit elf Jahren begonnen – auf eigene Faust – Griechisch zu lernen. Das kommt nicht sehr oft vor. Heute beherrschen Sie eine Vielzahl von Sprachen. Ist Ihnen dies alles in die Wiege gelegt worden?

„Ohne Zweifel gibt es dieses Geschenk, diese Gnade – nicht nur in der Theologie, sondern auch auf dem Gebiet der Kunst, der Kultur. Das wird auch Sonderbegabung genannt und ist ganz einfach als ein Geschenk zu betrachten, ein Geschenk, das allerdings immer auch weiter gepflegt werden muss. Ich bin kein Genie, aber ich habe sicherlich ein Erbe aus der typisch klassischen Kultur mitgeschenkt bekommen, ein Erbe, das den Namen Neugierde mitträgt. Das heißt, ich hatte immer den Wunsch, den Dingen auf den Grund zu gehen, Deshalb habe ich in den verschiedensten Kulturbereichen der Menschheit meinen Weg gesucht."

Sie wollten Professor für Griechisch und Latein werden. Haben aber nach dem Gymmnasium den Entschluss gefasst, Priester zu werden. Was war da geschehen? Gab es da ein Damaskuserlebnis?

„Wenn ich über meine Berufung etwas beichten darf, muss ich auf ein Datum hinweisen, das bei unseren Hörern sicher auf Verwunderung stoßen wird: ich war nämlich erst vier Jahre alt, als ich eine Erfahrung machte, die ich bis heute im Innersten meines Herzens trage, auch wenn ich deren Bedeutung erst später erkannte. Damals lebte noch mein Großvater, mit dem ich sehr eng verbunden war.
Ich erinnere mich noch ganz genau an die wunderbare Abendstimmung, die Hügellandschaft und die Talebene, durch die gerade pfeifend ein Zug fuhr. Ich weiß nicht warum – ich kannte ja noch nicht die Erzählung Pirandello’s vom ‚Pfiff des Zuges’ (Il fischio del treno) – aber plötzlich überfiel mich ein tiefes Gefühl der ….Unzulänglichkeit, der Melancholie, die in mir spontan den Wunsch aufkommen ließ, mich an etwas zu klammern, an etwas mir noch Unbekanntes, das über allen Dingen zu schweben schien. Als Kind suchte ich wahrscheinlich die Zuwendung eines Mitmenschen, eine Sicherheit. Letzten Endes aber war es die Sehnsucht nach der Unendlichkeit. Also diese Episode erachte ich als den Augenblick meiner Berufung."

In der Folge weist Ihr ‚curriculum vitae’ in der kirchlichen Laufbahn einen ständigen und steilen Weg nach oben auf: bis zum Kardinalshut. Hätten Sie sich dies als einfacher Priester jemals vorstellen können?

„Da dieses Gespräch ein sehr persönliches zu werden scheint – sagen wir eine Art öffentliche Beichte vor einem Publikum, das ich sehr schätze, ich bin nämlich ein leidenschaftlicher Verehrer auch der deutschen Kultur – will ich ganz offen sprechen und auf einen Aspekt hinweisen, der nicht meine Tugendhaftigkeit unterstreichen soll, sondern der ganz einfach auf Tatsachen beruht: ich habe nie an meine Karriere gedacht oder sie herbeigewünscht. Ich habe nie meinen Lebenslauf, der sich erst in der letzten Phase meines Daseins so erstaunlich entwickelt hat, auf diese Weise angestrebt.
Mein Traum war immer – außer dem Unterrichten – in der Forschung auf wissenschaftlichem Gebiet tätig zu sein. Und in der Tat konnte ich dies auch lange Zeit ausführen. Den Weg nach Rom – die große Stadt der Berufungen – hatte ich nicht geplant, obwohl mich dann meine Forschungsarbeit dorthin geführt hat. Diese letzte Phase in meinem Leben – das muss ich zugeben – ist für mich wirklich eine Überraschung im wahrsten Sinne des Wortes."

Als hervorragender Bibelkenner und Exeget haben Sie Ihre Wissenschaft immer auf Fakten aufgebaut. Ihr wichtigstes biblisches Anliegen scheint – mit Hilfe der Psychologie, Soziologie, Anthropologie, Archäologie und Theologie – darauf ausgerichtet zu sein, zu beweisen, dass der wahre Jesus mehr als der historische Jesus ist ?

„Im Rahmen meiner Tätigkeit als Dozent für Exegese habe ich vor allem zwei Linien herausgearbeitet: einerseits natürlich jene Linie des biblischen Glaubenstextes – eine Art Fanal auf dem Lebensweg des Gläubigen – und zweitens habe ich mich sehr eingesetzt für eine geschichtliche Interpretation des biblischen Textes und dessen Inkarnation, in der Tat: schlagen wir irgend eine Seite der Bibel auf, dann ist es nicht schwer, eine Stelle über den Krieg oder eine klagende Gestalt zu finden, wir stoßen auf den Schrei Hiobs, irgendwie auf die Leere des Kohelet, ja auf Jesus Christus selbst, der in der Sprache für einen beschränkten Kulturraum spricht. Seine 35 Gleichnisse sind mit Sicherheit eine Art Spiegel eines Horizonts, in dem er selbst eingebunden war.
Die Bibel muss also unter dem Aspekt ihrer sozialen, exitentiellen, archäologischen, geografischen und historischen Koordinaten betrachtet werden, die die Inkarnation betreffen. Das heißt, sie gehören zu dem Wort, das Fleisch geworden ist. Unter anderem befindet sich in Goethes Faust eine diesbezügliche außerordentliche Analyse mit einem wunderbarem Wortspiel. Wir müssen also anerkennen, dass Christus als Fixpunkt der Heiligen Schrift sicherlich auf der einen Seite der geschichtliche Jesus, gleichzeitig aber auch das Wort, der logos, ist. Er ist das transzendente Wort, aber er ist auch Jesus von Nazareth. Deshalb die Notwendigkeit, im realen Jesus – wie Benedikt XVI. sagt – sowohl den logos, das Fleisch, die Zerbrechlichkeit, die Göttlichkeit, als auch die konkrete Wirklichkeit, das Absolute, das Ewige, die Geschichte, die Unendlichkeit und den Raum zu sehen."

Würden Sie uns den eben benannten Passus über Goethes Faust noch einmal kurz erklären?

„Goethe präsentiert den Faust im ersten Abschnitt, einem der schönsten Texte der westlichen Kultur überhaupt: Am Anfang war das Wort. Dann aber fügt er noch etwas hinzu und übersetzt: Am Anfang war der Sinn, die Bedeutung, der Sinn des Daseins, des Seins. Und fügt vielleicht noch eine Steigerung hinzu, denn es ist ein Wort, das etwas kreiert, es ist ein Wort, das die Geschichte prägt: nämlich das Wort ist die Kraft. Und schließlich fasst er zusammen; am Anfang war die Tat. Goethe beurteilt dies aber negativ. Was also ist das Wort Gottes? Es ist gleichzeitig Wort, Bedeutung, Macht, Tat."

Wie kann man einem modernen Menschen erklären, dass es die ‚Vorsehung’ wirklich gibt?

„Dem modernen Menschen kann man vor allem zeigen, dass jene obskure Realität, das Böse, in Wirklickeit eine außerordentliche Wachstums-Komponente der Menschheit ist. Ich möchte das so erklären: wenn wir nicht das Böse hätten, die Begrenzung, die Vergänglichkeit, die Unglückseligkeit, gäbe es vielleicht 80 Prozent weniger Weltliteratur. Wir hätten keinen Dostojewski, wir hätten keinen Goethe, wir hätten keinen Dante. Vergessen wir nicht, dass auch im Bösen ein Sinn enthalten ist.
Das Buch Hiob zeigt genau auf, dass, auch wenn Gott scheinbar deine von Rationalität gezeichneten Probleme nicht unmittelbar löst, diese dennoch Teil eines meta-rationalen und nicht irrationalen Planes sind. In diesem Licht muss, glaube ich, die Vorsehung betrachtet werden. Manchmal hilft die Vorsehung ja auch, konkrete Probleme zu lösen, aber sie vermittelt immer ein transzendentes Gefühl, in dem wir allerdings nicht immer den Sinn erkennen."

Ist die Theologie demnach eine Wissenschaft?

„Wir wissen, dass Johannes Paul II. eine Enzyklika geschrieben hat, die nicht nur für Theologen wichtig ist: ‚Fides et Ratio’. Sie enthält das berühmte Bild der Erkenntnis. Die Erkenntnis braucht, um in das Geheimnis eintreten zu können, zwei Flügel. Den Flügel der überlieferten Wahrheit und den Flügel jener Wahrheit, die durch die Vernunft errungen wurde. Aus diesem Grund müssen wir immer anerkennen, dass es eine wissenschaftliche Methotologie der Theologie gibt.
Sicher, der Glaube stellt einen Schritt weiter dar. Der Heilige Augustinus drückt das mit einem Satz aus, der uns skandalös erscheinen mag, in Wirklichkeit jedoch blitzgescheit ist: ‚Wenn der Glaube nicht gedacht ist, dann ist es kein Glaube!’. Also muss der Mensch dieses große Mittel des Denkens benützen, und dieses Mittel trägt ihn vor das Tor des Lichtes, hinter dem dann der Weg des Glaubens erst beginnt. Die Logik dieses Glaubens ist dann nicht mehr die Logik der Vernunft. Deshalb ist die Theologie eine Wissenschaft auf zwei Ebenen: zuerst kommt die Fundamentaltheologie, dann folgt der Weg der Mystik, der jedoch nicht extatisch, also sinnlos, sondern ein Weg der höheren Logik ist: mehr oder weniger ist dies auch der Weg der Erfahrung der Liebe und der Erfahrung der Ästhetik."

Wissenschaft und Theologie sind nicht immer einer Meinung: Wo ist die Grenze zwischen der Wissenschaft und dem Glauben? Wo hingegen treffen sie sich?

„Wir tragen auf unseren Schultern eine Erfahrung, die oft als kontrastreiche Erfahrung zwischen dem Glauben und der Wissenschaft bezeichnet wird. Immer wieder hieß es im 19. Jahrhundert aus dem Lager der Positivisten: die einzigen Wahrheiten sind jene, die bewiesen werden können.
Offensichtlich wurden damit alle theologischen und im engeren Sinne auch philosophischen Überlegungen ad acta gelegt.
Heute wird diese positivistische Haltung auch von nichtglaubenden Wissenschaftlern nicht mehr vertreten. Vielmehr gibt es nach ihrer Ansicht mindestens zwei verschiedene Erkenntnisebenen: der Mensch besitzt auch eine Erkenntnisebene zum Beispiel auf dem Gebiet der Poesie, der Kunst, des Verliebtseins, was auch in der Theologie, der Philosophie, im Glauben, der Fall ist. Ein großer amerikanischer Wissenschaftler, Steven Gould, jüdischer Abstammung und Atheist, er ist 2002 gestorben, hat eine Formel geprägt: zwischen der Theologie und der Wissenschaft laufen paralell zwei verschiedene Strömungen, die nicht miteinander verbunden werden können. Sie können also untereinander nicht in Konflikt kommen. Da sie zwei verschiedene Wege gehen.
Das ist bereits die Anerkennung und Würdigung einer Wissenschaft, die außerhalb des Bereiches der Physik liegt. Heute liegt der Schwerpunkt immer mehr auf dem Gebiet des Dialogs. Denken wir an Einstein, der ausdrücklich unterstrich, dass er bei der Ausarbeitung seiner Relativitätstheorie die Philosophie in Anspruch nehmen mußte. Die Versuchs-Wissenschaft über das Konzept von Zeit und Raum reichte nicht mehr aus. Wir müssen also anerkennen, dass Wissenschaft und Glauben gegenseitig ihre Autonomie respektieren müssen, gleichzeitig aber auch einen Dialog führen können, da sowohl das Subjekt als auch das Objekt ihrer Forschung einzigartig sind."

Herr Kardinal, was ist dieser ‚Vorhof der Völker’, den der Papst sich gewünscht und Ihnen anvertraut hat? Welches Ziel strebt diese neue Einrichtung an? Ist es ein Ort, an dem Nichtglaubende bekehrt werden sollen?

„Der Vorhof der Völker war einst ein offener Raum vor dem Tempel von Jerusalem, zu dem auch die Heiden Zutritt hatten. Gegenüber befand sich der Hof der Israeliten. Und so konnten sich die beiden verschiedenen Gemeinschaften gegenseitig in die Augen schauen.
Im Jahre 2010 hatte Papst Benedikt den Wunsch geäußert, diesen Raum im Bereich unserer Kirchen wieder einzuführen. Es ist ein offener Raum, in dem der Wind der Gedanken, der Wind des Geistes, der Religion und der Forschung weht. Wir haben inzwischen Dutzende von Begegnungen in aller Welt in diesen ‚Vorhöfen der Völker’ veranstaltet und hier glaubende und nichtglaubende Persönlichkeiten versammelt, die sich mit den großen Fragen der Menschheit befassen. Ein großer Philosoph des 19. Jahrhunderts, Søren Kierkegaard, sagte: ‚Wir befinden uns wie auf einem Schiff, das mittlerweile von einem Koch gesteuert wird. Das, was der Kapitän durch den Lautsprecher bekannt gibt, ist nicht mehr die Route, sondern das, was wir morgen essen werden’. In einer Welt, in der nur mehr die Mode, das Essen, der Sex und nichts anderes mehr eine Rolle spielen, muss es Stimmen geben, die dir einen Sinn vermitteln. Das ist der Grundgedanke des ‚Vorhofs der Völker’."

Sie sind ein bedeutender Kommunikator des Sakralen, ein hervorragender Biblist. Sie suchen das Gespräch mit der säkularisierten Welt, mit den Atheisten, den Agnostikern. Sie haben in den vergangenen zwei Jahren bereits in Paris, Bologna, Bukarest, Florenz, Rom, Assisi, Tirana, Mexikostadt, Palermo und demnächst in Berlin dieses universale Gesprächsforum mit Menschen verschiedener Kulturen, Sprachen und Religionen inszeniert. Gibt es dazu einen roten Faden?

„Ich denke das rechte Stichwort dazu lautet ‚Dialog’. Was bedeutet Dialog auf griechisch? Es bedeutet: dia -zwei, Logos – Gespräche, Gespräche die sich kreuzen, sich begegnen. Es bedeutet auf griechisch aber ebenso: das Gespräch vertiefen.Und darüber muss ernsthaft nachgedacht werden. Pascal sagte einmal: ‚Das Prinzip der Moral heißt in korrekter Weise denken zu lernen.’
Lernen also auch wir – wenn auch in verschiedener Weise und unter verschiedenen Gesichtspunkten – aber in ernsthafter Absicht über ernsthafte Themen nachzudenken, sodass wir über die Gleichgültigkeit hinauswachsen. Denn die Gleichgültigkeit, die Oberflächlichkeit die Banalität, die sind der wahre Atheismus. Das ist – würde ich sagen – das große Ziel des Dialogs.
Und in diesem Zusammenhang möchte ich hervorheben, dass bereits zwei hohe Persönlichkeiten aus Berlin, dieser stark säkularisierten Großstadt – nämlich die Oberbürgermeister Klaus Wowereit und der Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki – beide ihren Wunsch geäußert haben, Berlin möge Zeuge dieses Willens zum Dialog werden."

Was schätzen Sie an einem Agnostiker, was missfällt Ihnen bei einem Christen?

„In dem Agnostiker schätze ich – und ich würde mir wünschen, dass dies auch bei den Gläubigen der Fall ist – seinen Wunsch nach der Suche des Ursprungs. Da er sein Ziel noch nicht kennt, stellt er sich Fragen. Mir fällt hier ein Ausspruch von Platon ein, den er Sokrates in den Mund legt: ‚Ein Leben ohne Suche verdient nicht gelebt zu werden.’
Die Suche ist eine fundamentale Komponente, die auch uns Glaubenden gelehrt werden muss. Wie der Psalm sagt: Licht im Lichte, wir werden in deinem Licht ein anderes Licht erkennen. Was den Christen betrifft, würde ich mir wünschen, dass dieser dem Nichtglaubenden mit dem Ausdruck der Gelassenheit, der Freude, der Hoffnung begegnet. Und nicht mit dem Gesicht der Negativität.
Wie oft wird die Religion als Kampf gegen die Sünde dargestellt. Religion ist vor allem eine Gnade! Sie ist vor allem der Eintritt Gottes in die Geschichte, sie ist Begegnung der Menschen. Deshalb wünschte ich mir, dass der Gläubige mehr diesen Aspekt erkennt, den Aspekt des Lichts, der Gelassenheit, der Hoffnung. Die Hoffnung ist die kleinste Tugend, aber sie führt die beiden anderen an der Hand: den Glauben und die Barmherzigkeit."

Die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, ein berühmter Satz in Goethes Faust.

„Sie treffen mit Ihrer Bemerkung einen wichtigen Punkt: den Punkt der Kommunikation innerhalb der Kirche heute. Es werden viel zu wenig Fragen zu den verschiedensten Themen gestellt. Man ist immer noch davon überzeugt, mit der traditionellen Art von Kommunikation voranzukommen. Ich, zum Beispiel, bediene mich der Form des Twitterns. Jeden Tag am Morgen sende ich eine biblische Botschaft bestehend aus 140 Buchstaben und am Abend einen Beitrag mit kulturellem Inhalt, oder auch einen Blog. Ich schreibe in den Zeitungen und spreche im Fernsehen. All dies tue ich, weil ich felsenfest davon überzeugt bin, dass ein Mensch, wenn er sich seiner eigenen Werte bewußt ist – das sage ich auch zu den nichtglaubenden Hörern, die auch ihre Ideen haben und an ihre Werte glauben – auch daran erinnert werden muss, dass man die Fähigkeit, die Frische, die Intensität, die Überzeugungskraft, die Schönheit der Kommunikation beherrschen muss.
Denken wir an Christus und seine Gleichnisse. Wenn wir am Sonntag in die Kirche gehen und der Priester ein Gleichnis vorliest, wissen die Leute schon am Anfang, wie dieses Gleichnis enden wird. Aber die Menschen hören dennoch aufmerksam zu, denn seine Parabeln strahlen immer wieder eine neue Faszination aus. Wir müssen auch in den heutigen Kommunikationsmitteln diese Ausstrahlung wiederentdecken. Mit unseren heutigen neuen digitalen Möglichkeiten arbeiten."

Das wäre sozusagen die moderne Kanzel der Kirche?

„Es ist wirklich ein neuer Aeropag der Kirche – um ein biblisches Beispiel zu nennen: als der hl. Paulus den Entschluss fasst, auch öffentlich aufzutreten – meist tat er das in griechischer Sprache, die das heutige Englisch wäre – wählt er die Wege, die ihn am schnellsten zum jeweiligen Ort seiner Auftritte führen: die römischen Konsularstraßen. Aber auch Athen, die Heimat der Kultur. Hier zitiert er in einer Ansprache Arates – ein griechischen Dichter – und einen weiteren Dichter, Kleantes, der auch Philosoph war, um die Rede spannender und eindrucksvoller zu gestalten. Sicher, manchmal blieb der Erfolg aus, aber viele folgten – wie die Apostelgeschichte schreibt – seinen Worten. Und auf diese Weise folgen auch heute viele der Botschaft."

Sprechen wir jetzt über Schönheit, die Kunst: Spiritualität und Schönheit sind zwei untrennbare Begriffe: so hieß es am Ende des ‚Vorhofs der Vôlker’ in Barcelona. Was ist Schönheit?

„Es gibt viele Definitionen der Schönheit und also auch der Kunst. Ich möchte hier zunächst einen tief antichristlichen Autor nennen, und dann einen deutschen Künstler. Ein überzeugter antchristlicher Autor war Henry Miller. Der Autor des ‚Wendekreis des Krebses’ und des ‚Steinbocks’ schreibt in einem seiner weniger bekannten Werke folgende Worte über die Kunst und die Religion: ,Die Kunst und die Religion sind wertlos, es sei denn sie bezeugen den Sinn des Lebens.‘ Das ist nicht wenig, würde ich sagen.
Der Andere hingegen heißt Hermann Hesse. In seiner Erzählung ,Klein und Wagner ‘ definiert auch er die Kunst. Und zwar in tief religiöser Weise, würde ich sagen: ,Kunst bedeutet, in jedem Ding Gott aufzeigen.‘ Nicht alle Künstler sind religiös, aber alle Künstler sind sich von Natur aus einig, in der Kunst nicht nur das Sichtbare aufzuzeigen. Paul Klee sagte: ‚Die Kunst, die Schönheit stellt nicht das Sichtbare dar, sondern das Unsichtbare, das im Sichtbaren enthalten ist.’ Und dies ist der fundamentale Zweck der Kunst.
Als Lucio Fontana, dieser berühmte italienische Künstler, eine Leinwand durchschneidet, antwortete er den fragenden Journalisten: ‚Seht ihr denn nicht, dass dies ein Schimmer ins Absolute ist? Ein Schritt über die Öberfläche hinaus? Dies also, glaube ich, ist Schönheit: den letzten Sinn erfassen, der in der Alltäglichkeit verborgen ist."

Kann man sagen, dass die Kunst eine universale Sprache spricht? Dass Glaube und Musik, Glaube und Malerei, Glaube und Kunst Geschwister sind?

„Wir wissen, dass beide das Absolute, das Ewige suchen. Ein Naiv-Künstler zum Beispiel stellt seine Werke in sehr einfacher Art und Weise dar, in Wirklichkeit jedoch will er beweisen, dass diese einen tieferen Sinn haben. Deshalb sind Kunst und Glaube notwendigerweise Geschwister. Sie wollen nicht kleinliche Informationen vermitteln, sondern letzte Horizonte aufzeigen.
Deshalb möchte ich im Jahre 2013 auf der Biennale von Venedig – eine globale, internationale Kunstschau ersten Ranges, die sicherlich auch degenerierte Werke zur Schau stellt – letztes Jahr zum Beispiel war der Papillon der Bundesrepublik sicher großartig aber in gewisser Weise streifte er sogar die Blasphemie – will ich also in Vertretung des Heiligen Stuhls auch dabei sein. Dabei sein an einem Ort, wo sich die Kunst mit der Krise in der Gesellschaft konfrontiert.
Ich habe Künstler verschiedener Ausrichtung und verschiedener Konfessionen engagiert, denen ich ein Thema vorgegeben habe: nämlich die ersten elf Kapitel der Genesis. Dort wo sich die Schöpfung, wo die Auflösung der Schöpfung, wo die Öffnung, wo sich der Weg Abrahams zeigt. Auf der einen Seite also der Mensch, denken wir an Michelangelo und an seine Sixtina, die gemeinsame Liebe, auf der anderen die Sünde, die Gewalt des Kain und Abel, die Sintflut, der Turm zu Babel, die Auflösung der Schöpfung, und zum Schluss Abraham auf seinem Weg. Ich möchte, dass diese Künstler in einem Rahmen, wie ihn nur Venedig hat, der ganzen Welt zeigen können, was diese Themen bedeuten. Auch für jene Menschen, die nie eine Kunstausstellung besuchen, sondern ihren üblichen Alltag leben."

Eminenz, ich möchte dieses Gespräch mit Ihnen mit Goethe abschließen, dessen Namen im Laufe dieser Sendung immer wieder gefallen ist: Goethe hat gesagt, die Muttersprache Europas ist das Christentum. Ist sie es auch heute noch?

„Ich glaube, Goethe ist einer der großen geliebten Menschen der Universalität, der Menschheit, der Kultur. Goethe hat mit seinem Hauptwerk, seinen Reflexionen, seinen Dialogen uns allen vieles gelehrt. Ich glaube, diese tief empfundene und wahre Einschätzung hat für die gesamte Geschichte Gültigkeit. Wir leben heute in einer von Vergesslichkeit gezeichneten Welt, die sich an dieses große Patrimonium nicht mehr erinnern will: an die Muttersprache. Denken wir daran, welche Bedeutung das Christentum allein für die Kunstgeschichte hat! Denken wir, was es für das Ethos bedeutet. Wir tun der Ethik jeden Tag Gewalt an. Aber Europa, seine zehn Sterne, gibt es dennoch immer. Wir müssen alles tun, dass diese so vergessliche und oberflächliche Welt sich wieder dieses schönes lateinischen Spruches entsinnt : ,erinnern heißt, recordare cordis. Ins Herz einschließen.‘ Schließen wir also im Herzen die großen Symbole der Schönheit, der Wahrheit, des Lichts mit ein. Das sage ich nicht als Kardinal, auch nicht als Priester oder Glaubender, sondern als Mann der Kultur. Denn, wer keine Erinnerung hat, lebt nicht."

Hintergrund
Kardinal Gianfranco Ravasi wurde am 18. Oktober 1942 in Merate in der Lombardei geboren. Sein Vater war Steuerberater, seine Mutter Lehrerin. Seine klerikale Karriere begann Ravasi relativ spät, aber dann umso steiler. Die Etappen lauten: Professor für Exegese des Alten Testaments in Mailand, Leitung der Biblioteca Ambrosiana, 2007 Bischofsweihe und 2010 Kardinalsernennung, beides durch Papst Benedikt XVI. Schließlich wurde ihm die Leitung der päpstlichen Einrichtung ‘Vorhof der Völker’ übertragen. Der Präsident des Päpstlichen Rates für die Kultur gilt als einer der einflussreichsten Brückenbauer zwischen Kirche, Wissenschaft und Kunst. (rv)

Kardinal Ravasi: „Schönheit ist eine Universalsprache“

Spiritualität und Schönheit gehören zusammen. Das ist das Fazit der jüngsten Neuauflage des „Vorhofs der Völker", eines Treffens, das der Päpstliche Kulturrat organisiert. Am Wochenende trafen sich diesmal neben Theologen und den üblichen Gästen des „Vorhofs" vor allem Kunstschaffende. Treffpunkt war nämlich die Sagrada Familia im spanischen Barcelona. Es ging um „Kunst, Schönheit und Transzendenz", wie der Hauptorganisator des Treffens, Kardinal Gianfranco Ravasi im Gespräch mit uns sagt.

„Das Thema „Schönheit" haben wir anhand der Musik erlebbar gemacht. Das Hauptziel des Vorhofs der Völker besteht gerade darin, die verschiedenen Stimmen in Einklang zu bringen und damit eine gemeinsame Botschaft zu vermitteln. Das führt dann unweigerlich dazu, dass man dadurch das Echo des Unendlichen hört. Für uns Gläubige heißt das natürlich, die Stimme Gottes zu hören. Für andere hingegen kann das einfach eine wunderbare Erfahrung sein."

Schönheit sei eine Universalsprache. Es gebe zwar verschiedene Schönheitsmerkmale und jede Kultur habe andere Maßstäbe, doch alle Menschen hätten ein Schönheitsideal. Dies sei eben ein Zeichen des Transzendenten, so Kardinal Ravasi.

„Im Mittelalter gab es in Europa Kathedralen, die anhand eines „musikalischen Alphabets" erschaffen wurden. Die Richtlinie war die damalige Kirchenmusik. Schon damals versuchte man das Sinnliche – also das Unsichtbare – mit dem Fühlenden – also Sichtbaren – zu vermischen. Die Resultate sieht man heute noch, und sie ziehen weiterhin viele Menschen, auch Nicht-Christen, an."

Der „Vorhof der Völker" wolle keine Elite-Veranstaltung sein, so Ravasi weiter. Deshalb stünden die Zusammenkünfte einem breiten Publikum offen.

„Wir hoffen sehr, dass unser Blick nach Gott, den wir beim „Vorhof der Völker" herstellen, auch dazu verleitet, unsere Mitmenschen genauer zu betrachten. Dass wir nach Barcelona gekommen sind, möchte auch ein besonderes Zeichen sein. Diese Stadt gilt als sehr säkular, doch auch eine solche Metropole verdient es, genauer betrachtet zu werden, um auch dort die Schönheit des Schöpfers sehen zu können." (rv)

Vatikan/Italien: Die Mafia im Vorhof der Völker

Papst Benedikt, der Denker, hat ihn angeregt. Kardinal Ravasi, der „Macher", hat ihn umgesetzt: den „Vorhof der Völker", jene wandernde Begegnungsstätte zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden, die der päpstliche Kulturrat seit genau einem Jahr in verschiedenen Metropolen Europas und außerhalb veranstaltet. Es sind große Debattenforen über verschiedene Themen, die das Zusammenleben zwischen weltanschaulich heterogenen Gruppen betreffen, Foren für Intellektuelle, gewiss, die sich punktuell aber auch Jugendlichen und allen anderen Interessierten öffnen. Der nächste „Vorhof der Völker" findet Ende März in Palermo statt, und er wird im Zeichen der Mafia stehen. Kardinal Gianfranco Ravasi erklärt im Gespräch mit uns:

„Palermo ist bedeutsam und auch originell wegen der beiden Stränge, die sich im Titel unserer Begegnung verflechten: Kultur der Legalität und multireligiöse Gesellschaft. Einerseits also das soziale Profil, die Legalität, die ununterbrochen von der Welt der Laien, Zivil, Politik, dekliniert wird. Die Legalität geht aber auch die spirituelle und religiöse Welt etwas an. Denken wir an die Märtyrer der Mafia, für die Palermo geradezu ein Sinnbild ist. Andererseits war Sizilien, wie seine Baudenkmäler zeigen, immer ein Kreuzungspunkt der Kulturen. Es ist in sich ein Zeugnis der Multireligiosität, des interreligiösen Dialogs."

Die Wahl des Ortes Palermo für den nächsten Vorhof der Völker zeigt den Willen der Kirche, ihren Einsatz gegen illegales Verhalten und „jede Degeneration des Rechts" wieder zu beleben, erklärte Ravasi. Er erinnerte daran, dass die Mafia längst eine sehr vielgestaltige Realität ist.

„Wenn man von der Mafia spricht, weiß man doch, dass das heute eine Definition von Phänomenen der Kriminalität, der Verletzung von Legalität und Recht ist, die Dimensionen weit jenseits der sizilianischen Mafia hat. Denken wir an die japanische Mafia. Wir müssen aber auch sagen, dass in der Stadt Palermo eine bestimmte Betriebsamkeit, ein Ferment da ist, da können wir von Institutionen wie der Antimafia reden, aber auch von pastoralen Zeugnissen. Viele solcher Einrichtungen werden übrigens am letzten Abend, der den Jugendlichen offen steht, anwesend sein. Sie zeigen, wie grundlegend die kirchliche moralische religiöse Dimension für den Schutz des Rechtes ist. Besonders weil der Schutz des Rechtes über das Gewissen des Einzelnen läuft. Und so lang man nicht ein neues Volk gebiert, besonders über den Weg der Bildung und der Jugendarbeit, kann man nicht wirklich sagen, dass sich eine neues Zeitalter einer besseren Zivilisation als die heutige auftut."

Der Vorhof der Völker startete im März 2011 in Paris und gastierte seither unter anderem in Bukarest, Tirana und Rom. (rv)

Vatikan/Italien: Tagung „Kultur der Rechtschaffenheit und multireligiöse Gesellschaft“

Im Zeichen der Mafia steht die nächste Gesprächsrunde des Vatikan mit Atheisten und Bekenntnislosen. Die Tagung soll in Palermo auf Sizilien stattfinden und trägt den Titel „Kultur der Rechtschaffenheit und multireligiöse Gesellschaft". Dies kündigte der Präsident des päpstlichen Kulturrates, Kardinal Gianfranco Ravasi, am Wochenende in einem Interview mit Radio Vatikan an. Die Wahl des Ortes zeige den Willen der katholischen Kirche, ihre Bemühungen gegen illegales Verhalten und „jedwede Degeneration des Rechts" wieder zu beleben, so Ravasi. Die religiöse und moralische Ebene sei im Kampf gegen die Mafia von großer Bedeutung, betonte der Kardinal. Die Tagung ist für den 29. bis 30. März vorgesehen. Veranstalter ist der am Kulturrat angesiedelte „Vorhof der Völker". Diese Einrichtung wurde im vergangenen Jahr speziell für den Dialog zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden ins Leben gerufen. Ähnliche Veranstaltungen der im März 2011 in Paris gegründeten vatikanischen Initiative fanden bislang in Bukarest, Rom und Tirana statt. (rv)

Vatikan: Neue Stiftung zum Dialog Glauben – Wissenschaft

Dem Dialog zwischen der Welt des Glaubens und der Wissenschaft widmet sich die neue Vatikanstiftung „Wissenschaft und Glauben – STOQ". Die Stiftung wurde auf Initiative von Kardinal Gianfranco Ravasi, dem Präsidenten des Päpstlichen Kulturrates, gegründet. Sie gibt dem bereits bestehenden Austausch der Päpstlichen Universitäten mit dem Päpstlichen Kulturrat einen offiziellen Rahmen: Unter dem Projekttitel „STOQ", das für „Science, Theology and the Ontological Quest" steht, finden schon seit 2003 Studien-, Forschungs- und Kulturinitiativen statt, in die theologische, philosophische und naturwissenschaftliche Fakultäten involviert sind. Die „STOQ"-Stiftung mit Sitz im Vatikan sei „die erste ihrer Art im Vatikan", heißt es in der Presseaussendung des Heiligen Stuhles. Die offizielle Anerkennung der Stiftungseinrichtung war bereits am 10. Januar durch Papst Benedikt XVI. erfolgt. Involviert sind folgende Universitäten: Die Lateranuniversität (PUL) und die Gregoriana (PUG) sowie die Universitäten Regina Apostolorum (APRA), San Tommaso (PUST), Salesiana (UPS), Santa Croce (PUSC) und Urbaniana (PUU). (rv)

Verzerrende Berichte über Vatikan: Sind immer die Medien schuld?

„Angriff auf Ratzinger" – so heißt ein Buch in Italien, das eine richtiggehende Medienkampagne gegen den Papst am Werk sieht. Dass es immer wieder in den Medien tendenziöse, entstellende Berichte über Benedikt XVI. und ganz allgemein über die katholische Kirche gibt, läßt sich kaum bestreiten. Mit einem Studientag hat sich der Vatikan in der vergangenen Woche mit dem Phänomen beschäftigt. Titel: „Unverständnis – die katholische Kirche und die Medien". Kardinal Gianfranco Ravasi vom Päpstlichen Kulturrat hat versucht, aus der Veranstaltung seine Schlüsse zu ziehen:

„Wir müssen eben sehen, dass es in unserer Zeit eine große Revolution im Medienbereich gegeben hat: Wir stehen nicht mehr nur der Presse gegenüber, wie wir sie etwa zu Zeiten von „Humanae Vitae" oder dem Konzil hatten. Jetzt leben wir in einer virtuellen Welt, einer Welt extrem schneller Information, des Fernsehens und des Bildes."

Die Medienlandschaft hat sich viel schneller geändert als die Kirche, so Kardinal Ravasi. Und ihm sind zwei Schlussfolgerungen wichtig.

„Erstens dürfen wir nie vergessen, dass die christliche Botschaft sich an die Welt wendet, also gar keine Missverständnisse vermeiden kann. Wir müssen dabei außerdem bedenken, dass unsere Sprache oft völlig unverständlich und selbstbezogen ist. Unsere Botschaft muss also für präzise Kommunikationskanäle formuliert werden."

Die zweite Schlussfolgerung: Die Botschaft des Christentums dürfe nun aber auch nicht von der Kirche selbst entleert und „passend gemacht" werden, einfach damit sie medial leichter herüberkommt.

„Die christliche Botschaft hat nämlich von Natur aus eine skandalöse, eine provozierende Seite. So dass diese Medaille zwei Seiten hat: auf der einen Seite unsere notwendige Öffnung und Sensibilität für das Kommunizieren, auf der anderen das Bewahren der Botschaft in ihrer Anstößigkeit. Übrigens ist das nicht erst seit neuestem unser Problem: Schon in den Paulusbriefen findet man eine Fülle von Problemen, auf die Paulus beim Verbreiten seiner Botschaft trifft."

Ravasi ist von Haus aus Bibelwissenschaftler; nach seinem Eindruck stand der Völkerapostel Paulus in den ersten Jahrzehnten des Christentums vor „fast analogen Problemen" wie die Kirche heute.

„Auch die damalige griechische Welt war eine Welt im Wandel und im Übergang, so wie unsere heutige Informationsgesellschaft. Wenn man versucht, da hineinzusprechen so wie Paulus, dann stößt man unvermeidlich auf solche Probleme. Die gehören zur Bewegung, zum Leben selbst – aber man muss sie eben ordentlich angehen und durchstehen." (rv)

Vatikan: Konferenz über Medien-Missverständnisse

Kirchenleute und Journalisten haben sich am Donnerstag bei einer Konferenz im Vatikan mit Medien-Missverständnissen über die Kirche beschäftigt. Unter den Zuhörern war zeitweise auch Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der nicht immer die beste Presse hat. Der vatikanische „Kulturminister", Kardinal Gianfranco Ravasi, meinte zum Abschluss des Studientages, die meisten journalistischen „Übel", die zur Sprache gekommen seien, ließen sich auch ins Positive drehen: „Die Vereinfachung kann in Beschränkung aufs Wesentliche verwandelt werden; das Suchen nach grellen Effekten erinnert daran, dass auch Jesus immer vom Konkreten ausging; die Versuchung des Skandalösen ist eine Herausforderung an die Kirche, auch ihre Botschaft zuzuspitzen; und die Verzerrungen und Entstellungen werfen ein Licht darauf, dass die Kirche ihre Botschaft erklären muss." Eine Nachrichtenagentur nannte Ravasis Worte eine Fast-Absolution für Journalisten. (rv)

Stammzellforschung im Vatikan

Der Heilige Stuhl ermuntert zur – ethisch unbedenklichen – Forschung an adulten Stammzellen. Zu diesem Zweck debattieren ab diesem Mittwoch Ärzte, Theologen, Politiker, Unternehmer und auch Patienten im Vatikan über die Perspektiven dieses Forschungszweiges. Das sehr breite Spektrum an Teilnehmern ist Absicht, erklärt Kardinal Gianfranco Ravasi, der Präsident des päpstlichen Kulturrates, an dem auch eine Abteilung „Forschung und Glaube" beheimatet ist.

„Wenn wir über medizinische Phänomene reden, handelt es sich in Wirklichkeit nie um bloß medizinische, bloß biologische, bloß technische Fragen. Es handelt sich vielmehr um symbolische Fragen, die über die einfache Physiologie weit hinausgehen. Die Notwendigkeit einer umfassenderen kulturellen Sichtweise liegt in der Natur der Sache selbst. Die große Wissenschaft schreitet heute voran, indem sie mehrere Stimmen einbezieht und sich nicht auf die Technik beschränkt."

Stammzellforschung gibt es heute in zwei großen Strängen. Die Untersuchungen an embryonalen Stammzellen sind aus kirchlicher Sicht ethisch bedenklich, weil dabei der Embryo als beginnendes menschliches Leben zerstört wird. Anders bei adulten Stammzellen: Diese stammen beispielsweise aus Nabelschnurblut, die Untersuchung an ihnen ist also nicht „verbrauchend", wie es heißt. Überdies
scheinen die Ergebnisse an Forschungen an adulten Stammzellen vielversprechender als jene an embryonalen Stammzellen. Allerdings wird die Studienlage immer komplexer. Der Kongress im Vatikan will nicht zur Vertiefung und Verwirrung beitragen, sondern hat im Gegenteil zum Ziel, die verschiedenen Disziplinen miteinander ins Gespräch zu bringen, sagt Tomasz Trafny, der Verantwortliche für „Forschung und Glaube" am päpstlichen Kulturrat:

„Der Kongress ist ein Versuch, eine derart komplexe Wissenschaft einem Publikum zugänglich zu machen, das den engen Kreis der Fachleute übersteigt. Das ist ein schwieriges Unterfangen. Ziel ist es, einen Kommunikationskanal zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Fachkreisen und dem großen Publikum zu öffnen."

Als Mitveranstalter hat sich der Vatikan die Unterstützung eines US-amerikanischen biopharmazeutischen Konzerns gesichert, NeoStem. Geschäftsführerin ist Robin Smith, sie sagte bei der Vorstellung des Kongresses:

„Heute gibt es mehr als zwölf Millionen Krebskranke auf der Welt, 346 Millionen Diabetiker und 583 Millionen Menschen mit Immunschwächen. Hinter diesen Statistiken sind reale Menschen und viele Hoffnungen. In einer nicht zu fernen Zukunft werden wir dazu in der Lage sein, mit adulten Stammzellen menschliche Gewebe herzustellen, um beschädigte Organe zu reparieren. Und das, ohne einen Embryo zu zerstören."

Dass der Vatikan für den Kongress mit einem kommerziellen Unternehmen zusammenarbeitet, erläuterte Trafny mit dem Hinweis, dass beide Seiten an der ethisch einwandfreien adulten Stammzellenforschung interessiert sind. Die meisten Universitäten und Institute schieden als Kooperationspartner aus, weil sie auch mit embryonalen Stammzellen arbeiten, hieß es. (rv)

Vatikan: Weltfriedenstreffen in Assisi Ende Oktober

Am Weltfriedenstreffen in Assisi Ende Oktober soll als Atheist auch der frühere Vorsitzende der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ), Walter Baier, teilnehmen. Das teilte der Präsident des Päpstlichen Kulturrates, Kardinal Gianfranco Ravasi, am Freitag vor Journalisten im Vatikan mit. Als weitere Nichtglaubende reisen nach Ravasis Angaben die aus Bulgarien stammende und in Paris lebende Psychoanalytikerin Julia Kristeva sowie die Philosophen Anthony Garling aus Großbritannien, Guillermo Hurtado aus Mexiko und Remo Bodei aus Italien in die umbrische Franziskus-Stadt. (rv)