Vatikan/Türkei: Papst ernennt Padovese-Nachfolger ad interim

Papst Benedikt hat am Samstag einen Interims-Nachfolger für den ermordeten Bischof Luigi Padovese ernannt. Padoveses italienischer Landsmann, Erzbischof Ruggero Franceschini, wird der neue Apostolische Administrator für Anatolien in der Türkei. Der 70-jährige Kapuziner, der in den 90-er Jahren schon einmal Apostolischer Vikar von Anatolien war, ist derzeit Erzbischof im westtürkischen Izmir. Ein Apostolischer Administrator kann vom Papst eingesetzt werden, um eine vakante Diözese bis zur Ernennung eines neuen Bischofs zu leiten.
„Die Aufgabe wird nicht leicht“, meint Franceschini im Gespräch mit uns, „denn die christliche Gemeinschaft in Anatolien ist völlig verunsichert; aber es ist eine Gemeinschaft von jungen Leuten, die diese schwierigen Momente überwinden wollen. Ich habe mit den jungen Leuten gesprochen, und die sagen, dass sich in ihre Gemeinschaft viele Moslems sozusagen infiltriert haben – vielleicht hätte man da besser aufpassen sollen… Aber wir lassen uns nicht unterkriegen, wir werden alles tun, um diese schöne, kleine Gemeinschaft wieder aufleben zu lassen.“
Padovese war am 3. Juni von seinem Fahrer, einem jungen Moslem, erstochen worden. Für Franceschini – der damit auch dem Vatikan widerspricht – deutet alles auf ein islamisches Tatmotiv hin.
„Ich war vor zwei Tagen dort und habe viel Wut erlebt, vor allem aber Tränen – die Menschen dort haben ihren geistlichen Führer verloren und sehen jetzt keine Zukunft mehr für sich.“
Die sterblichen Überreste Padoveses sind derzeit in einem Kapuzinerkloster in Mailand aufgebahrt; Tausende defilieren täglich daran vorüber. Am Montag wird der ermordete Bischof feierlich beigesetzt. Dazu werden im Mailänder Dom 40 Bischöfe aus ganz Europa erwartet; aus Deutschland kommt der frühere Münchener Erzbischof, Kardinal Friedrich Wetter. Der Heilige Stuhl schickt seinen früheren Nuntius in der Türkei (und übrigens auch in Österreich), Erzbischof Edmund Farhat. (rv)

Türkei: Gerüchteküche brodelt nach Mord an Padovese

Vor genau einer Woche starb Bischof Luigi Padovese. Joachim Kardinal Meisner sagte dazu an diesem Donnerstag:
„Das ist ein wirklicher Märtyrer, der mitten unter uns gelebt hat. Dass er ermordet wurde, das hat mich tief bewegt. Wir werden sein Vermächtnis übernehmen. Die christliche Überzeugung, dass das Blut der Märtyrer der Samen für neue Christen ist – das möge sich wirklich auch in der Türkei zeigen!"
Eine Woche liegt der tragische Mord an Bischof Padovese in der Türkei jetzt zurück. Und noch immer tappen die Ermittler im Dunkeln, was das Mordmotiv betrifft. Klar ist nur, dass der Chauffeur gestanden hat, den Bischof erstochen zu haben. Rudolf Grulich ist Kirchenhistoriker und hat sich in seinem Buch „Christen unterm Halbmond" (Sankt Ulrich Verlag 2008) mit der Rolle des Christentums in der Türkei befasst. Das Vorwort schrieb damals Bischof Padovese. Zunächst hat es geheißen, die Tat sei persönlich motiviert gewesen. Jetzt berichtet die Agentur asianews, dass der Täter während des Attentats „Allah ist groß" gerufen habe. Also doch ein religiöses Motiv?
„Momentan gibt es in Iskerun so viele Gerüchte, so viele Unklarheiten, dass man da einfach genaue Angaben abwarten muss, auch des türkischen Gerichtes, um etwas genaues zu sagen. Man weiß, dass der Täter wirklich psychisch gestört war, das ist in diesem Fall sicher keine Ausrede, denn der Bischof Padovese hat für den jungen Mann die Kosten für die Behandlungen übernommen."
Erst sollte der Täter katholisch sein, dann wurde das widerrufen. Auch war die Rede von einem weiteren unbekannten Täter. Das alles löst bei Grulich Kopfschütteln aus. Das neueste Gerücht hat er erst am Mittwoch gehört.
„Was wir seit gestern wissen ist das Gerücht, dass eventuell die Stornierung des Fluges von Padovese nach Zypern zum Papstbesuch deshalb erfolgt ist, weil der Bischof gewarnt wurde, dass der Fahrer etwas gegen den Papst in Schilde führe. Das ist ein ganz neuer Aspekt des Ganzen."
Grulich hatte in der vergangenen Woche einen Anruf auf dem Handy bekommen und von dem Unglück erfahren. Regelmäßig steht er in Kontakt mit Christen in der Türkei.
„Die Bekannten sind noch selber sehr misstrauisch gegen alle Gerüchte. Alle sind zunächst einmal schockiert, denn der Bischof war sehr beliebt. Ich habe ihn selber vor zwei Jahren erlebt. Da bin ich nachts mit ihm ohne Leibwächter durch die Stadt gelaufen. Er hatte keine Angst. Ich muss sagen, ich bin auch sehr betroffen, aber ich möchte jetzt nicht Leute verdächtigen. Ich glaube, es muss alles getan werden, notfalls auch mit Druck auf die Regierung, dass das Ganze wirklich aufgeklärt wird."
Für einen Nachfolger von Padovese kämen bei den italienischen Kapuzinern „einige gute Leute" in Frage, so Grulich. Der Türkeiexperte erinnert an die Benachteiligung der Christen in der Türkei. Auf einem Gebiet, das größer ist als die ganze Bundesrepublik, gebe es gerade einmal nur 4.000 Christen, so der Wissenschaftler:
„Eine Minderheit von 0,1 Prozent im Lande hat immer Nachteile. Auf dem Gebiet hat Bischof Padovese sehr offensiv die Lage dargestellt, er hat darauf hingewiesen, was alles im Argen liegt. Man muss sagen, dass er doch in den letzten Jahren Manches erreicht hat. Etwa die Rückgabe der Kirche der syrischen Katholiken in Iskerun, die ja ein Porno-Kino gewesen ist. Er hat voller Hoffnung geglaubt, es ginge weiter. Er hat auch gehofft, dass nach dem Paulus-Jahr sich etwas täte. Ich glaube, diese Hoffnung müssen wir auch weiter tragen und alles tun, um die wenigen Christen dort zu unterstützen und um das Vermächtnis des Bischofs zu erfüllen." (rv)

Mord an Bischof in der Türkei – Entsetzen und Fassungslosigkeit

 

Mord an Bischof Luigi Padovese in der Türkei: Der Vorsitzende der Bischofskonferenz ist am Donnerstag in Iskanderun erstochen worden. Tatverdächtiger ist sein Fahrer Murat A. Er wurde offenbar mit der Tatwaffe festgenommen. Der Fahrer, der kurdischer Herkunft und katholisch ist, arbeitete offenbar seit viereinhalb Jahren für den Bischof; er soll in psychologischer Behandlung gewesen sein. An diesem Freitag wurde Anklage gegen ihn erhoben. Nach türkischen Medienberichten gibt der 26-Jährige an, er habe aus einer „göttlichen Eingebung heraus" gehandelt. Die türkischen Behörden vermuten „persönliche Motive" hinter der Bluttat. Padovese, der aus Italien stammte, war 63 Jahre alt; er arbeitete seit 2004 als Apostolische Vikar von Anatolien in der Nähe der Ruinen von Antiochia. In dieser Stadt wurde den Anhängern Jesu in der Antike zum ersten Mal der Name „Christen" beigelegt.
Erschütterte Reaktionen
Aus aller Welt kommen erschütterte Reaktionen auf die Bluttat in der Türkei. Unterwegs nach Zypern sagte Papst Benedikt XVI. im Flugzeug: „Selbstverständlich bin ich tief erschüttert über den Mord an Monsignore Padovese. Er hatte einen großen Anteil an den Vorbereitungen der Synode gehabt. Auch in der Synode selbst sollte er eine elementare Rolle übernehmen. Wir vertrauen Gott seine Seele an… Dieser Schatten hat nichts zu tun mit den wirklichen Themen der Reise, wir dürfen diese Tat nicht der Türkei oder den Türken zuschreiben. Es ist eine Tat, über die wir noch sehr wenig wissen. Sicher ist nur, dass es kein politisches oder religiöses Attentat war, sondern es handelt sich um persönliche Motive. Wir warten das vollständige Bild ab, aber wir dürfen diese tragische Situation jetzt nicht mit dem Dialog mit dem Islam vermengen und anderen Problemen unserer Reise. Es ist ein so trauriger Vorfall, aber er darf in keiner Weise den Dialog verdunkeln, der das Thema und die Intention dieser Reise ist."
„Wir sind extrem beunruhigt und traurig über diese dramatische Nachricht", sagt der Sprecher des Papstes, Jesuitenpater Federico Lombardi. „Allerdings hinterläßt uns Bischof Padovese sehr schöne Erinnerungen: Er hat Jahrzehnte seines Lebens das Evangelium in der Türkei bezeugt und wurde von den Türken, auch von den Moslems, sehr respektiert. – Auch wir sind fast sicher, dass keine politischen oder religiösen Motive hinter dem Mord stehen und dass es keine Verbindung zu den Spannungen dieser Tage gibt. Was uns bewegt, ist, dass diese Nachricht jetzt kommt, wo der Papst uns darum bittet, an die Bischofssynode für den Nahen Osten zu denken. Man sieht, dass der Herr auch durch dieses Zeichen eine große Solidarität für diese katholischen Gemeinschaften in Nahost herbeiführen will…"
Die Deutsche Bischofskonferenz fordert eine zügige und lückenlose Aufklärung des Mordes. Der Konferenzvorsitzende Erzbischof Robert Zollitsch spricht in einem Statement von einem „brutalen und feigen Mord". Der Kölner Kardinal Joachim Meisner bewertet den Tod Padoveses als großen Verlust für die Katholiken in der Türkei. Der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) zeigt sich „zutiefst erschüttert". Auch die deutsche Bundesregierung zeigt sich bestürzt und hat Kontakt mit der türkischen Seite aufgenommen. „Wir sind überzeugt, dass die türkischen Behörden alles tun werden, um diese schreckliche Tat aufzuklären", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Die EU-Kommission äußerte sich besorgt über die Ermordung. Jeder Verlust an Menschenleben sei zu verurteilen, sagte eine Sprecherin von EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle; der Täter müsse vor Gericht gestellt werden.
Rufe nach einer Untersuchung
Schon 2007 war in der türkischen Hafenstadt Izmir der italienische Priester Andrea Santoro ermordet worden; auch damals hieß es gleich, der Täter sei ein junger Mann mit psychischen Problemen. Der am Donnerstag ermordete Bischof Padovese urteilte damals, die Tat sei Ausdruck eines „allgemein spürbaren Unbehagens". Kurz zuvor waren im ostanatolischen Malatya drei christliche Aktivisten, Mitarbeiter eines Bibelverlages, getötet worden, darunter ein Deutscher. Immer wieder kommt es im EU-Anwärterland Türkei, das eine muslimische Bevölkerungsmehrheit hat, zu Schikanen gegen Christen.
Nicht alle Kirchenleute scheinen allerdings davon überzeugt, dass die Motive für den Mord an Padovese nur persönlicher Art waren. Es sei „schon eigenartig, dass auch Santoro schon auf diese Weise ums Leben kam", sagt ein Vatikan-Mitarbeiter. Er verweist auf Äußerungen eines Kapuziner-Verantwortlichen auf der italienischen Heiligland-Homepage „terrasanta": Der Geistliche zeigt sich perplex und weist darauf hin, dass der Fahrer und seine Familie schon sehr lange für die Kapuziner in der Türkei arbeiteten; es sei wichtig, die Todesumstände Padoveses eingehend zu untersuchen. Kirchenkreise gehen davon aus, dass die sterblichen Überreste des Ermordeten in sein Heimatbistum Mailand überführt und dort beigesetzt werden.
Der Mord an Bischof Padovese ist eine „doppelte Katastrophe", meint der missio-Experte in der Türkei, Ottmar Oehring: „Es ist eine menschliche Tragödie, es ist aber auch eine Katastrophe für die Kirche und damit für die Gläubigen. Sie sind jetzt in gewisser Weise führungslos." Oehring ist fest davon überzeugt, dass die Tat persönlich motiviert war, auch wenn die äußeren Umstände zunächst auf einen antichristlichen Mord hinwiesen.
„Zunächst einmal hätte man befürchten müssen, dass es sich tatsächlich um einen politischen Akt handelt, insbesondere, weil die Situation in der Türkei vor dem Hintergrund der Ereignisse im Meer vor Israel in den letzten Tagen natürlich massiv aufgeheizt worden ist. Zunächst hat sich die Wut eines Teils der Bevölkerung gegen Israel gewandt; in der Türkei ist es oftmals so gewesen, dass eine Gruppe gemeint war und am Ende dann aber eine andere angegriffen worden ist. Und deswegen wäre es natürlich durchaus nachvollziehbar gewesen, dass jemand aus einer christlichen Kirche angegriffen wird. Es war aber tatsächlich nicht so!" Oehring beruft sich auf Quellen aus dem kirchlichen Umfeld. Genaueres werden voraussichtlich die Ermittlungen der türkischen Behörden ergeben. Die kleine türkische Bischofskonferenz ist über die Tat entsetzt. Oehring hat den Eindruck, dass die Mitglieder zurzeit auch noch nicht genau wissen, wie es weiter geht. Zum jetzigen Zeitpunkt Namen eines Nachfolgers zu nennen, sei verfrüht. Padovese hatte sich in den vergangenen Jahren auch im Dialog mit der türkischen Politik einen festen Stand erarbeitet.
„Das ist natürlich in der Türkei schon eine wichtige Sache, dass man einen starken Führer hat, der Gespräche mit den Regierungsstellen führt. Auch wenn natürlich in den letzten Jahren viele dieser Gespräche nicht zu dem erwünschten Erfolg geführt haben – man denke nur an die Auseinandersetzungen um die Kirche in Tarsus. Aber Padovese war natürlich vor dem Hintergrund seines freundlichen Wesens ein regelmäßiger Gesprächspartner auch der türkischen Behörden. Und dass diese Gespräche oftmals nichts gebracht haben, ist sicher nicht ihm anzulasten, sondern einfach den Verhältnissen in der Türkei." (rv)

Türkei: Vorsitzender der Bischofskonferenz erstochen

Erzbischof Luigi Padovese, Vorsitzender der Türkischen Bischofskonferenz, ist in seinem Haus erstochen worden. Das bestätigt die türkische Bischofskonferenz am Donnerstag. Vatikansprecher Federico Lombardi erklärt dazu: „Es handelt sich um eine schreckliche Nachricht, die uns sehr tief bewegt und natürlich sehr traurig macht.“ Der am 31. März 1947 in Mailand geborene Padovese, der dem Franziskanerorden angehörte, wurde 2004 von Papst Johannes Paul II. zum Apostolischen Vikar ernannt und empfing die Bischofsweihe. Zuvor war er Professor an der Franziskaner-Universität „Antonianum“ in Rom. Er war für die rund 4.500 Katholiken im Süden und Osten der Türkei zuständig. Padovese sollte am Freitag nach Zypern fliegen, um dort mit Papst Benedikt XVI. zusammenzutreffen. Als Vorsitzender der Türkischen Bischofskonferenz sollte er am kommenden Sonntag im Sportpalast von Nikosia aus Hand des Papstes das Arbeitspapier für die Nahost-Bischofssynode in Empfang nehmen, die im Herbst in Rom zusammentritt. In der Vergangenheit hatte es wiederholt gewaltsame Übergriffe gegen katholische Priester in der Türkei gegeben. Im Februar 2006 sorgte die Ermordung des in Trabzon tätigen römischen Priesters Andrea Santoro für breites Aufsehen.
Hintergrund noch unklar
Die halbamtliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, dass Padovese nach dem Angriff am Nachmittag ins Krankenhaus eingeliefert wurde und dort seinen Verletzungen erlag. Dem türkischen Fernsehen zufolge wurde der Bischof von seinem Chauffeur erstochen. Dieser sei flüchtig. Die Motive der Tat sind noch unklar. (rv)