Patriarch: Amerikaner sollten nicht nur Erbil schützen

Patriarch Sako Der irakische katholische Patriarch äußert sich zum ersten Mal umfassend zu den Lufteinsätzen der USA im Nordirak. In einem Offenen Brief von diesem Sonntag zeigt sich Erzbischof Louis Raphaël Sako enttäuscht darüber, dass sich die Aktionen der Amerikaner auf den Schutz von Erbil beschränken. Erbil ist Hauptstadt der autonomen Provinz Kurdistan im Nordirak.

Natürlich freue er sich darüber, dass die nach Erbil geflüchteten Christen und Angehörige anderer Minderheiten dank der US-Luftschläge jetzt in Sicherheit seien. Doch allein im Vorort Ankawa müssten die 25.000 Christen, die dort lebten, jetzt für 70.000 Flüchtlinge sorgen. Von diesen Flüchtlingen schliefen nicht wenige „auf der Straße oder in den Parks“. In der nahegelegenen Stadt Dohuk hat die Zahl der Christen nach Angaben des chaldäischen Patriarchen von Babylon die 60.000er-Marke überschritten; die Lage in Dohuk sei „schlimmer“ als in Erbil. Außerdem seien viele Christen und Angehörige anderer Minderheiten nach Kirkuk und Sulaymaniyah geflohen, ja sogar bis in die weit entfernte Hauptstadt Bagdad. Man dürfe sich also nicht nur um Erbil kümmern, so Sako.

Der Patriarch weist auf einen wachsenden humanitären Notstand hin. In ganz Irakisch-Kurdistan herrsche dramatischer Mangel an humanitärer Hilfe: Unterkünfte, Nahrung, Wasser, Medizin würden gebraucht. „Tod und Krankheit treffen die Kinder und die älteren Leute unter den Tausenden von Flüchtlingsfamilien“, so Sako. Niemand koordiniere die Hilfen, die jetzt einliefen, das bremse ihre Wirksamkeit.

„Obamas Haltung ist enttäuschend“

In den christlichen Dörfern zwischen Mossul – das in der Hand der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ ist – und Kurdistan seien die Kirchen jetzt „leer und entweiht“; fünf Bischöfe könnten nicht mehr an ihren Bischofssitz zurückkehren, Priester und Ordensleute hätten fliehen und Missionsstationen, Krankenhäuser oder Schulen zurücklassen müssen. Nicht nur für die Kirche, sondern für alle Geflüchteten sei „das Desaster extrem“. Wörtlich fährt der Patriarch dann fort: „Die Haltung von US-Präsident Obama, nur Erbil militärisch zu schützen, ist enttäuschend“. Die Debatten über eine mögliche Teilung des Irak hält er für „erschreckend“: „Die Amerikaner wollen nicht die Stellungen des ‚Islamischen Staats’ in Mossul und der Ninive-Ebene angreifen – also fassen sie keine schnelle Lösung ins Auge, die Hoffnung geben könnte.“ Es sei „deprimierend“, darauf warten zu müssen, dass irakische Armee und kurdische Peschmerga-Kämpfer etwas gegen die islamistischen Gotteskrieger ausrichten – oder darauf, dass sich die streitenden Politiker in Bagdad endlich auf eine neue Regierung einigen.

Der Patriarch von Babylon vermisst eine „Strategie, um die Quelle der Macht und der Ressourcen der islamistischen Terroristen auszutrocknen“. Er sieht die Gefahr, dass sich die IS-Krieger dauerhaft in Teilen des Irak und Syriens einrichten. Vor welcher Wahl stünden denn jetzt die Flüchtlinge aus den Kalifats-Gebieten, fragt sich Sako. Emigrieren könnten doch nur die, die Papiere und Geld dafür hätten. Also bleiben? „In den Flüchtlingslagern darauf warten, dass der Winter kommt? Werden denn überhaupt Schulen wieder öffnen? Wird man die Kinder der Flüchtlinge in den Schulen des Kurdengebiets aufnehmen? Was wird aus dem Eigentum und der Arbeit dieser Tausenden von Unschuldigen, die Hals über Kopf aus ihren Dörfern flüchten mussten?“ Diese Fragen sollten, so Patriarch Sako, „auf dem Gewissen jedes Einzelnen und jeder Organisation lasten, damit etwas für diese Menschen getan wird.“ (rv)

Vatikan-Diplomat sieht langsames Erwachen des Westens in der Causa Irak

UNO-Fahne Einen militärischen Eingriff im Nordirak, sofortige humanitäre Hilfe und einen Stopp für Waffenlieferungen an Islamisten: das hält Erzbischof Silvano Maria Tomasi für die geeignete Strategie, um die blutige Krise des „Islamischen Staates“ einzudämmen. Erzbischof Tomasi ist ständiger Beobachter des Heiligen Stuhles bei der UNO in Genf. Er sagte uns:

„Die Notwendigkeit, die Christen im Nordirak auch physisch zu schützen, ist evident. Man muss humanitäre Hilfe leisten, Wasser und Nahrung liefern, denn Kinder und Alte sterben dort bereits aus Mangel an Nahrung. Sie mussten gehen ohne irgendetwas, nur in ihrer Kleidung. Man muss sofort helfen, ehe es zu spät ist. Eine Militäraktion ist vielleicht in diesem Moment nötig, es scheint mir aber auch dringend, dass alle jene, die Fundamentalisten mit Geld und Waffen versorgen – einschließlich der Länder, die sie stillschweigend unterstützen – aus der Deckung kommen und diese Unterstützung einstellen, denn sie ist weder für Christen noch für Muslime gut.“

Tomasi sprach von einer „neuen Tragödie im Mittleren Osten“: die grundlegendsten Menschenrechte Zehntausender Menschen und ganzer Gemeinschaften seien verletzt. Die Tatsache, dass es sich bei vielen Opfern um Christen handle, mache die Sache in der westlichen Öffentlichkeit ambivalent.

„Wir stehen vor einer komplizierten Lage. Einerseits sind da die Fundamentalisten, die im Namen eines Kalifates, das sie errichten wollen, zerstören und erbarmungslos morden. Auf der anderen Seite sehen wir eine gewisse Gleichgültigkeit der westlichen Welt. Wenn es Christen sind, deren Rechte es zu verteidigen gilt, gibt es da eine falsche Scham. Es ist ein Moment, in dem die Stimme des Gewissens klar und laut sprechen muss.“

Tomasi beobachtet aber auch eine langsam einsetzende Haltungsänderung bei der internationalen Gemeinschaft. Der Generalsekretär der UNO habe endlich von „inakzeptablen Verbrechen“ durch den „Islamischen Staat“ gesprochen und ausdrücklich als Opfer die Christen benannt. Auch der UN-Sicherheitsrat habe über die Minderheiten im Mittleren Osten gesprochen, besonders die christlichen.

„Neu scheint mir zu sein, dass einige Muslime – etwa der Generalsekretär der Organisation für Islamische Zusammenarbeit – sich ziemlich deutlich ausgedrückt haben, als sie die Christenverfolgung im Irak verurteilten. So wurde von islamischer Seite nicht nur das Recht der Christen auf Leben verteidigt, sondern auch ihr Recht, zu Hause zu leben wie alle anderen Bürger des Irak oder etwa Syriens. Ein Mittlerer Osten ohne Christen wäre eine Verarmung nicht nur für die Kirche, sondern auch für den Islam, dem dann ein Antrieb für Demokratie und ein Sinn für den Dialog mit dem Rest der Welt fehlen würde.“ (rv)

Vatikan/Irak: Mehrere diplomatische Initiativen laufen an

Kardinal Filoni Mit ungewöhnlicher Offenheit setzt der Vatikan seine diplomatische Aktion für den Irak fort. Am Freitag wurde bekannt, dass Franziskus Kardinal Fernando Filoni ins Zweistromland schickt; der Sondergesandte soll sich ein Bild von der Lage der Christenverfolgung durch die IS-Terrormilizen machen. Doch damit nicht genug. Franziskus plant auch, die Nuntien des Irak und der umgebenden Regionen zu einem Krisengespräch nach Rom zu rufen. Das hat Vatikansprecher Federico Lombardi über Radio Vatikan bekannt gegeben.

„Es geht darum, die Lage zu untersuchen, sich über mögliche Initiativen auszutauschen, Ideen zu sammeln und auch auf diese Weise die Nähe des Papstes und der Weltkirche zu diesem Krisengebiet zu bekunden. Dieses Treffen wird wahrscheinlich im September stattfinden.“

Einstweilen hat das vatikanische Staatssekretariat die Nuntien der Region dazu angehalten, den Irak-Appell des Papstes vom vergangenen Donnerstag mit besonderem Nachdruck den Regierungen der jeweiligen Länder vorzulegen. Auch den kirchlichen Autoritäten sollen die Nuntien den Friedensappell von Papst Franziskus weiterleiten,

„damit eine Bewegung des Gebets und der Solidarität entsteht. Sie soll der dramatischen Lage unserer Brüder und Schwestern und aller von dieser Tragödie betroffenen Bevölkerungen entgegenkommen.“

„Von ihren Wurzeln abgeschnitten“

Die Entsendung von Kardinal Filoni als Sondergesandtem in den Irak wertet dieser selbst
als Zeichen der besonderen Sorge des Papstes für die Christen im Zweistromland. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte Filoni:

„Diese Fürsorge des Papstes gilt den leidenden Christen dort. Sie haben ihre Häuser verlassen und sehen sich vom ihren Wurzeln abgeschnitten, sie wurden gedemütigt, sie mussten alles zurücklassen und flüchten. Ich hoffe, den Bedürfnissen so vieler Menschen entgegenkommen zu können. So werde ich gemeinsam mit dem Patriarchen überlegen, was wir als Weltkirche unternehmen können.“

Er bereite seine Reise bereits vor, sagte Kardinal Filoni. Den Irak zu erreichen, sei derzeit nicht einfach, man brauche sich aber „auch nicht mehr als nötig abschrecken zu lassen“.

„Ich werde vor allen Dingen versuchen, die Solidarität und Nähe im Gebet mitzubringen, auch in den Taten. Und ich bin überzeugt, dass der Heilige Vater mir vor meiner Abreise genauer sagen wird, was er dieser Bevölkerung vergegenwärtigen möchte, die ihm sehr am Herzen liegt.“

Dass der chaldäische Patriarch Sako derzeit von der Gefahr eines Völkermordes an den irakischen Minderheiten, allen voran den Christen, spricht, kann Filoni durchaus nachvollziehen.

„Patriarch Sako ist vor Ort und kennt von daher gut alle Aspekte, die unsereinem leider entgehen können. Die christliche Bevölkerung jenes Gebiets wird leider nicht zum ersten Mal in die Emigration gezwungen und zu unsäglichem Leid verurteilt. Das begann bereits vor fast einem Jahrhundert und hat sich seither in der neunzigjährigen Geschichte des Irak mehrmals wiederholt, als das Territorium aus dem Osmanischen Reich ausgegliedert und ein unabhängiger Staat wurde wie alle anderen Länder der Region. Es ist also eine Bevölkerung, die in sich noch viel Leiden trägt, und so verstehe ich den Ausdruck des Patriarchen gut.“

Kardinal Filoni ist Präfekt der vatikanischen Missionskongregation und ein erfahrener Diplomat, dem große Fähigkeit zur Deeskalation bescheinigt wird. Den Irak kennt er gut: Von 2001 bis 2006 wirkte er als Nuntius in Bagdad, erinnert Vatikansprecher Lombardi.

„Kardinal Filoni war sechs Jahre im Irak, in der Schlussphase des Regimes von Saddam Hussein, während des Krieges und in den ersten Folgejahren. Während des Krieges blieb er [auf ausdrücklichen Wunsch von Papst Johannes Paul II.] treu und mutig in Bagdad, trotz der Bombardierungen; er war praktisch der einzige ausländische Diplomat, der in dieser Lage ausharrte. Ein Mann, der seine Liebe zur Bevölkerung des Irak und seiner Region wirklich mit Hingabe bewiesen hat.“ (rv)

Ukraine, Gaza, Irak: „Gegengewalt wird uns aus den Konflikten nicht heraus führen“

Bernd Hagenkord Aus den vielen ernsten Konflikten in diesen Tagen kommt man nicht heraus, wenn man nur versucht, die Schuldfrage zu klären. Weder in der Ukraine, noch in Gaza oder im Irak kommt man damit weiter, darin sind sich die meisten internationalen Beobachter einige. Was aber wäre ein Ausweg?

Michael Reder ist Professor für Sozial- und Religionsphilosophie an der katholischen Hochschule für Philosophie in München und betreut dort das Projekt „Völkerverständigung“. Pater Bernd Hagenkord hat ihn gefragt, wie man sich vorstellen kann, dass die Konfliktparteien, die bislang nur gegenseitige Schuldzuweisungen kennen, aus der Konfrontation wieder heraus kommen.
„Zuerst ist es wichtig zu verstehen, was den gegenwärtigen Konflikten zu Grunde liegt. Bei aller Unterschiedlichkeit der Konflikte in der Ukaine, in Isarel/Palästina oder im Irak scheint es so zu sein, dass es in allen Konflikten um die Frage von kollektiven Identitäten geht. Da heißt, es gilt erst einmal anzuschauen, wie genau die Situation in diesen Ländern ist und welche Gruppierungen sich ausgeschlossen und diskriminiert gefühlt haben. Nur so kann man deren Reaktionen verstehen, die dann zu Gewalt eskalieren.

Eine solche Analyse fehlt heute teilweise. Es geht eher darum, Schuldige zu suchen und weniger darum danach zu fragen, welche grundlegenden Dynamiken diesen Konflikten zu Grunde liegen. Das wäre meiner Ansicht nach ein erster Weg, damit auch politisch umzugehen. Da geht es im Irak um den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten, in der Ukraine geht es um die Frage der Identität von russischen Minderheiten und im Israel-Palästina-Konflikt um die Selbstständigkeit der Palästinenser. In allen drei Konflikten wurden diese Identitäten unterdrückt, diskriminiert, ausgeschlossen, was dann in eine Gewaltspirale führen kann, aus der man dann schwer wieder heraus kommt.“

Hieße das nicht auch, denen nachzugeben, die den Konflikt schüren? Müsste man nicht eigentlich konfrontativer aus dem Westen heraus dem Konflikt begegnen?

„Es ist zweierlei. Es ist wichtig, dass deutlich gemacht wird, dass Gewalt keine Lösung für Konflikte ist. Der Ruf nach Militarisierung und nach einem verstärkten Einsatz militärischer Gegenmacht wird uns nicht aus den Konflikten herausführen. Auf der anderen Seite geht es darum, zu versuchen sich vorzustellen, wie politische Landschaften in diesen Regionen aussehen können und wie Zugeständnisse gemacht und die Identitäten ernst genommen werden können.

Wir haben das in der Ukraine gesehen, wo es zu Beginn des Konfliktes ganz stark darum ging, ob Russisch als Sprache anerkannt wird oder nicht. Um so ganz fundamentale Fragen geht es in solchen Konflikten, die selber ein Auffangen dieser Gewalt bedeuten.“

Plädoyer für Außenpolitik

Der normale Nachrichtenkonsument reagiert eher mit einer Mischung aus Unverständnis und Ungeduld. Sie sagen, dass es Zeit und Information braucht und dass man auf die Leute zugehen müsste, um aus dem Konflikt wieder heraus zu kommen. Das ist aber auch eine Überforderung für die Menschen hier im Westen, die wir schnellerer Lösungen wollen, wie die Opfer sicherlich auch.

„Es ist eine verständliche Reaktion zu wünschen, dass die Konflikte schnell gelöst werden. Aber Konflikte, die sich über Jahrzehnte hinweg hochgeschaukelt haben und in Gewalt eskaliert sind werden wir nicht von heute auf morgen lösen können.

Ein großes Problem des Westens ist es, dass wir Außenpolitik oft ein wenig Stiefmütterlich betrachten. Man sieht das beispielsweise in Wahlkämpfen, auch in Deutschland, da spielt Außenpolitik immer nur eine sehr untergeordnete Rolle. Es geht da meistens um innenpolitische Fragen, allerhöchstens noch um Europafragen.

In einer globalisierten Welt, in der wir heute leben, geht es darum, dass wir Außenpolitik stärker aufwerten. Da geht es darum, Personal zu investieren und Geld in die Hand zu nehmen, auch mehr wissenschaftliche Forschung zu betreiben. Damit machen wir dann unsere Außenpolitik stärker, um differenzierter auf die Konflikte reagieren zu können.

Man sieht das deutlich, wenn wir auf die arabische Politik schauen, da hat die deutsche Außenpolitik oft sehr holzschnittartig mit Simplifizierungen reagiert; wer ist Islamist? wer ist Fundamentalist? Damit wird nicht differenziert genug auf die jeweiligen Regionen geschaut. Das führt dann dazu, dass wir den Einfluss, den wir in den Konflikten geltend machen können, nicht voll ausgeschöpft haben.“ (rv)

D: „Bei Christenverfolgung geht es uns zu sehr um uns“

Erzbischof Schick Ob Irak, Pakistan, Nigeria oder andere Länder: Die Christenverfolgung steht nicht im Brennpunkt der Aufmerksamkeit. Andere Krisen bekommen in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit, auch unter Christen ist das so. Initiativen, mehr Interesse und Einsatz bei Christen in Mitteleuropa für die bedrängten und verfolgten Christen im Nahen und Mittleren Osten zu wecken, haben aber bislang nur mäßigen Erfolg. Das beklagt der Weltkirchenbeauftragte der deutschen Bischofskonferenz, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, gegenüber Radio Vatikan. Er nennt es einen Deutschen und zentraleuropäischen „Egozentrismus“, die Christen seien zu sehr auf sich selbst konzentriert.

„Das Problembewusstsein ist nicht groß genug, zum Beispiel wenn Flüchtlingsströme kommen und der Heilige Vater uns mit seinem Besuch in Süditalien darauf aufmerksam macht, dann spüren wir Bedrohung bei uns. Es geht uns zu sehr um uns. Als Christen müssten wir eigentlich wirklich ‚katholisch‘ sein, gerade was Menschenrechte und die Situation der Christen angeht mehr tun.“

Das war einmal anders, in den 70er und 80er Jahren war es völlig normal, sich als Christen für Latein- und Mittelamerika einzusetzen. Was hat sich da geändert?

„Damals war der Horizont weiter als er heute ist. Das ist eigentlich sehr schade, gerade wir Deutschen haben mit unserem Außenhandelsvolumen eine gute Position in der Welt, wir könnten da viel mehr bewirken. Aber wissen Sie, wenn ich Deutschland betrachte und dann die anderen europäischen Staaten und die EU, dann sage ich, dass in Deutschland noch mehr für verfolgte und bedrängte Christen und für Menschen in Notsituationen in Afrika, Asien, im Nahen und Fernen Osten getan als in anderen Staaten. Das darf uns aber nicht nachlässig machen; wir müssen da mehr fordern und wir müssen uns mehr einsetzen.“

Wir hören Nachrichten, dass Klöster, die es seit 1.700 Jahren gibt, von Islamisten besetzt werden und dass Christen aus Mossul vertrieben werden, wo es seit dem Beginn des Christentums Christen gegeben hat, diese Geschichte ist zu Ende. Aber es scheint, dass es irgendwie nicht unsere Geschichte ist und dass wir nicht wirklich beteiligt sind.

„Das ist auch unser verkürzter Geschichtsverstand, dass wir Iran und Irak auch als christliche Mutterländer sehen, das ist bei uns zu weit entrückt. Wir müssten hier viel mehr für die Bildung tun, damit junge Menschen bei uns diese langen christlichen Zusammenhänge besser kennen lernen. Denn ohne ein gesundes Traditionsbewusstsein gibt es auch kein Zukunftsbewusstsein und damit auch kein Einsatz für die Zukunft.
Wichtig wäre aber auch, dass einmal von namhaften Vertretern des Islam für die Christen gekämpft würde. Ich frage mich immer mal, warum es keine Fatwa, die sagt, dass es nicht sein kann, unschuldige Menschen und Christen zu verfolgen und zu töten. Es gibt ja auch Suren im Koran, die das eigentlich verbieten. Da wünsche ich mir auch von islamischer Seite mehr.“

Papst Franziskus hat von der „Ökumene des Leidens“ gesprochen als Fundament für das gemeinsame Eintreten gegen die Christenverfolgung, was müssen wir tun, um diese „Ökumene des Leidens“ auch bei uns ankommen zu lassen?

„Leiden heißt im griechischen ja ‚sympathein‘; wir müssten als erstes Interesse für diese Christen im Irak, im Gazastreifen, in Palästina und Israel finden. Auch in Indonesien und Pakistan ist die Situation ja ähnlich, oder im Sudan oder in Nigeria. Erstens also wirklich das Interesse. Das zweite ist dann, dass man wirklich innerlich mitleidet und das dritte ist dann, dass man intensiv betet. Und dazu gehört für Christen natürlich auch, dass man alle politischen Möglichkeiten, die wir haben, einsetzt damit man Verantwortliche, die etwas dagegen tun können, auch zum Handeln bringt. Es muss auch einen größeren Druck auf die Staaten geben, auf den Irak, auf die Staaten in Afrika, auf Israel und Palästina, dass sie die Christen mehr schützen.“ (rv)

Irak: „Christen und Muslime wurden getäuscht“

IrakDie letzten noch verbliebenen Christen in Mossul sind den Kämpfern des „Islamischen Staates“ regelrecht in die Falle gegangen. Das berichtete gegenüber Radio Vatikan der syrisch-katholische Erzbischof der irakischen Stadt, Yohanna Petros Mouché auf Anfrage. Am Donnerstagabend seien den Christen bei einer Versammlung die Bedingungen mitgeteilt worden, zu denen sie in der Stadt bleiben dürften: Entweder sie treten zum Islam über, oder sie bezahlen eine besondere, im islamischen Recht vorgesehene Steuer für Nichtmuslime. Als dritte Option wurde den Christen das Verlassen der Stadt unter Zurücklassung jedes Eigentums genannt, so der Erzbischof. Die wenigen verbliebenen Familien rüsteten sich jetzt zum Aufbruch. Erzbischof Mouché zufolge haben die Islamisten ihre Taktik gegenüber der Bevölkerung im Vergleich zur Anfangsphase radikal verändert. Sie hätten inzwischen damit begonnen, das Eigentum der Christen zu plündern. In den vergangenen Tagen wurden die Häuser der Christen – und der sunnitischen Muslime – mit Zeichen markiert. „Die Muslime ebenso wie die Christen haben sich geirrt und sind den Terroristen in die Falle gegangen“, schrieb Erzbischof Mouché in seiner Mitteilung. „Was in diesen Tagen geschieht, haben wir noch nie erlebt.“  (rv)
 

Irakischer Patriarch: Schockiert vom Nichtstun des Westens

Erzbischof Louis Sako Der chaldäische Patriarch von Babylon, Louis Raphaël Sako, sieht im Irak einen Bürgerkrieg heraufziehen. Das sagte er am Mittwochnachmittag in einem Interview mit Radio Vatikan. Erzbischof Sako leitet die derzeit am stärksten gefährdete christliche Gemeinschaft des Nahen Ostens; er residiert in Bagdad.

„Das Land erlebt einen chaotischen Moment, es stolpert auf die Teilung zu. Kurdistan ist längst autonom, die sunnitischen Gebiete werden nicht mehr von der Zentralregierung kontrolliert, nur der Süden ist ruhig, weil er im wesentlichen von Schiiten bewohnt wird. Und wir Christen? Wir wissen nicht mehr, wo wir hingehören. Wir haben Angst, und alles ist zerbrechlich geworden, alles wartet auf den großen Knall. Das Risiko eines Bürgerkriegs ist hoch, vielleicht zwischen Sunniten und Schiiten und anderen, und am Schluss kann dann als einzige Lösung der Zerfall des Landes in drei Kantone stehen.“

Er sei nicht der einzige, der mittlerweile fest mit einem Bürgerkrieg rechne, so der Patriarch.

„Auch wenn Sie am Euphratufer irgendeinen Passanten fragen, wird er Ihnen dassselbe sagen.“

Mächtige Staaten – das zielt auf die USA, Russland und den Iran – sollten doch bitte mit nicht-militärischen Mitteln auf die Politiker im Irak einwirken, damit sie zu einer einvernehmlichen Lösung kommen. Dem Patriarchen ist es schon fast gleichgültig, ob diese Lösung in einem einheitlichen oder aber in einem geteilten Irak besteht.

„Falls es einen globalen Plan für eine Teilung des Landes gibt, dann soll man das eben machen – mit einer Übereinkunft! Mit dem Dialog, und nicht durch Krieg!“

Kalifat? „Das ist nichts – nur Propaganda“

Patriarch Sako erinnert daran, dass die islamische Welt jetzt den Fastenmonat Ramadan begehe. Da sollten sich doch die streitenden Muslime im Irak auf einen Waffenstillstand verständigen und um Frieden im Land beten. Die USA hat aus seiner Sicht die „moralische Pflicht, die Streithähne an einen Tisch zu bringen“. Sako ist schockiert über das – aus seiner Sicht – Nichtstun des Westens.

„Die internationale Gemeinschaft ist nur damit beschäftigt, ihre eigenen Interessen zu sichern. Und die Leute interessieren sich mehr für die Fußball-Weltmeisterschaften als für den Krieg im Irak oder anderswo…“

Allerdings hat die Ankündigung der Terrorgruppe Isis, in Teilen Syriens und des Iraks ein islamisches Kalifat wiedereinzurichten, im Westen viel Besorgnis hervorgerufen. Mehr Besorgnis als beim chaldäischen Patriarchen.

„Ach nein, das ist nichts. Das ist nur Propaganda. Isis ist zwar stark, aber nur dank der Allianz mit den Stämmen. Sie haben ein gemeinsames Ziel.“ (rv)

Irak: Weihnachten wird nationaler Feiertag

Patriarch SakoDie Regierung in Bagdad hat den Wunsch des chaldäischen Patriarchats erfüllt und den 25. Dezember zum offiziellen nationalen Feiertag erklärt. Das berichtet die Nachrichtenagentur Asianews. Dies sei ein wichtiger Beitrag für den Frieden und die Anerkennung der christlichen Minderheit, sagt gegenüber Radio Vatikan der chaldäische Patriarch Louis Raphael I. Sako. Die Regierung von Nouri al-Maliki hat als Zeichen des Respekts einen fünf Meter hohen Christbaum aufstellen lassen. Damit wolle die Regierung betonen, dass die Christen zum Irak gehören und sie sich für deren Verbleib im Zweistromland einsetze.

„Die Anerkennung von Weihnachten als nationaler Feiertag ist ein sehr positives Zeichen, das uns Christen im Irak gut tut. Die Christmetten finden hier bei uns jeweils am Abend und nicht nachts statt. Das hat auch dazu geführt, dass wir viele Anfragen von Muslimen bekommen haben, die gerne an der Messe teilnehmen und den Christen Glückwünsche zu Weihnachten aussprechen wollen. Das sind Zeichen der Solidarität, die uns viel Hoffnung schenken.“

Weihnachten sei das Fest des Friedens und der Versöhnung schlechthin, so Patriarch Sako.

„Ich hoffe und wünsche mir vom diesjährigen Weihnachten, dass für alle Menschen im Nahen Osten endlich der Friede herrsche. Mögen der Friede und die Ruhe kommen, damit alle Völker hier in Eintracht miteinander leben. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Weihnachten das Fest des Lebens ist und nicht des Todes und der Zerstörung.“ (rv)

Irak: Patriarch vermutet Absicht hinter Vertreibung der Chris

Es könnte einen Plan geben, die christlichen Familien aus dem Irak zu vertreiben. Das befürchtet der chaldäische Patriarch Louis Sako im Gespräch mit Radio Vatikan. Während es derzeit keine aktuellen Verfolgungen von Christen gäbe, risse der Strom der Flüchtenden nicht ab, er könne nicht verstehen, warum das so sei. „Ja, es gibt Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten, aber im Augenblick ist keine Aggression gegen Christen gerichtet," so Sako.

„Wenn alle Christen gehen, was bleibt dann noch übrig? Es bleiben nur einzelne Familien, die nichts mehr tun können, das wäre sehr fragil. Es hat in unserer Geschichte immer Probleme gegeben, auch Verfolgungen, aber unsere Vorväter haben das Land nicht verlassen. Es braucht das christliche Zeugnis, das ist auch eine Aufgabe für uns. Wir sind schließlich auch Verkünder des Evangeliums."

Es gebe eine vermehrte und zunehmend freie Vergabe von Visa für die Nachbarländer, dahinter vermutet der Patriarch Absicht.

„Vielleicht steckt da ein Plan dahinter, denn in den vergangenen Schwierigkeiten, die wir erlebt haben, waren die Botschaften nicht so freizügig mit der Vergabe von Visa. Die Menschen gehen jetzt nach Syrien, in den Libanon, in die Türkei, nach Jordanien und es gibt viele Menschen dort, die sie erwarten."

Die Kirche im Irak dagegen ermutige die Menschen, zu bleiben. Dazu tue man alles, was in ihrer Macht stehe, um bei Arbeit oder Unterkunft zu helfen. Man könne keine Wunder wirken, so Sako, es brauche viel Geduld und Vertrauen in die Zukunft. (rv)

Wahl des neuen Patriarchen von Babylon in Rom

Delly Emmanuel IIIAn diesem Montag wählen die Bischöfe der chaldäisch-katholischen Kirche den Nachfolger von Patriarch Emmanuel III. Delly (Bild). Der Papst hatte die Bischofssynode zur Wahl des Patriarchen von Babylon im Irak am 19. Dezember 2012 einberufen, als er auch Dellys Rücktritt annahm. Die Bischofssynode leitet der Präfekt der Ostkirchenkongregation, Kardinal Leonardo Sandri. Kardinal Delly war am 6. Oktober 2012 85 Jahre alt geworden. Nach seinem Rücktritt hatte der chaldäische Kurienbischof Jacques Ishaq die chaldäische Kirche administrativ geleitet. Die chaldäische Kirche ist die größte christliche Kirche im Irak; Sitz des Patriarchates ist Bagdad. (rv)