NEW YORK – Im Mittelalter mag ja in der Kirche mit harten Bandagen gekämpft worden sein – aber heute? Das nur schleppend fortschreitende Seligsprechungsverfahren von Erzbischof Fulton John Sheen zeigt, dass dies auch im 21. Jahrhundert möglich ist.
Konkret geht es um die sterblichen Überreste des großen Medienapostels des 20. Jahrhunderts, die sich gegenwärtig in der Kathedrale des heiligen Patrick mitten im New Yorker Stadtteil Manhattan befinden. Ein Gericht hatte am 8. Juni 2018 entschieden, dass der Leichnam nach Peoria in Illinois im mittleren Westen der Vereinigten Staaten von Amerika überführt werden müsse. Gegen diese Entscheidung wird nun wiederum von Vertretern der Erzdiözese New York geklagt.
Wie konnte es soweit kommen?
Die Hintergründe sind schnell erklärt: Im Jahre 2002 begann die Diözese Peoria mit dem Seligsprechungsverfahren für Fulton Sheen. 1919 war Sheen für dieses Bistum zum Priester geweiht worden. Zuvor hatte die Erzdiözese New York erklärt, man werde in der Angelegenheit eines möglichen Seligsprechungsverfahrens nicht die dafür notwendigen Schritte in die Wege leiten. Nachdem Papst Benedikt XVI. im Jahre 2012 den heroischen Tugendgrad des Erzbischofs offiziell anerkannt hatte, wurde das Seligsprechungsverfahren von Bischof Daniel Robert Jenky von Peoria eingestellt. Begründet wurde dieser unerwartete Schritt damit, dass von Seiten des Heiligen Stuhls darauf gepocht worden sei, dass die sterblichen Überreste von Erzbischof Sheen in Peoria sein müssten. Das Erzbistum New York bestreitet dies und erklärt, dem Vatikan sei es egal, wo sich der Leichnam der jeweiligen Person befinde, deren Seligsprechungsverfahren läuft.
Anfang Juni schloss sich das Gericht der Position von Joan Sheen Cunningham an, deren Onkel Erzbischof Fulton Sheen war. Sie hatte darum gebeten, die sterblichen Überreste in die Marienkathedrale von Peoria zu übertragen. Arlene Bluth, die zuständige Richterin, urteilte, „der Ort von Erzbischof Sheens letzter Ruhestätte wäre nicht seine Hauptsorge gewesen“. Es mache „vor dem Hintergrund seiner lebenslangen Hingabe an die katholische Kirche“ keinen Sinn, wenn er einen bestimmten Ort der Gelegenheit vorziehe, ein Heiliger zu werden.
Vertreter der New Yorker Kathedrale des heiligen Patrick reagierten bereits eine Woche später auf das Urteil, womit der „persönliche Wunsch“ des Erzbischofs bezüglich seiner letzten Ruhestätte missachtet werde. Es sei ihre Aufgabe, so die Vertreter der Kathedrale weiter, diese Wünsche zu respektieren. Die jüngste Entscheidung nehme diese Wünsche nicht ernst und „beruht stattdessen auf Spekulationen und Vermutungen“ anderer Personen.
Großes Potenzial schon in jungen Jahren
Bis heute ist Erzbischof Fulton John Sheen bekannt und beliebt bei englischsprachigen Katholiken, besonders in den USA. Zu Lebzeiten war er auch vielen Menschen, die mit der katholischen Kirche nichts zu tun hatten, ein Begriff, speziell durch seine erfolgreiche Fernsehsendung „Life Is Worth Living“. Hier in den deutschsprachigen Ländern können aber selbst fromme Katholiken mit dem Namen Fulton Sheen oft kaum etwas anfangen. Wer also ist dieser heiligmäßige Mann, der nicht nur in Funk und Fernsehen segensreich tätig war, sondern auch als Autor zahlreicher Bücher?
Der spätere Erzbischof erblickte am 8. Mai 1895 im Bundesstaat Illinois das Licht der Welt und wuchs dort zunächst auf einer Farm auf. Zwar wurde er auf den Namen Peter John getauft, war aber sein Leben lang unter dem Mädchennamen seiner Mutter, Fulton, bekannt. Seine Mutter weihte ihn der allerseligsten Jungfrau Maria – und Sheen erneuerte diese Weihe anlässlich seiner ersten heiligen Kommunion. Noch im jungen Alter zog Sheen mit seiner Familie nach Peoria in Illinois, um ihm dort eine bessere Schulbildung zu ermöglichen.
In der Kathedrale von Peoria ministrierte er häufiger bei der bischöflichen Messe. Eines Tages, Sheen war erst acht Jahre alt, fiel ihm das Kännchen mit Wein auf den Boden und zerbrach. Nach der Messe sprach der Bischof mit dem verängstigten Jungen und sagte zweierlei voraus: Sheen werde im belgischen Löwen studieren und irgendwann ganz wie er, der Bischof, sein.
Nach dem Schulbesuch in Peoria ging Fulton Sheen an eine Universität und trat schließlich ins Priesterseminar in St. Paul in Minnesota ein, einem nördlich von Illinois gelegenen Bundesstaat. Am 20. September 1919 wurde er mit 24 Jahren zum Priester geweiht. Damals fasste er den Vorsatz, täglich eine eucharistische heilige Stunde vor dem Allerheiligsten zu halten. Bald darauf wurde der erste Teil der Prophezeiung des Bischofs von Peoria wahr: Sheen ging zunächst zum Weiterstudium in die Hauptstadt der Vereinigten Staaten von Amerika, Washington, dann nach Löwen in Belgien sowie Paris und Rom.
Nach kurzem Wirken in einer Pfarrei in Peoria ging es für Fulton Sheen zurück nach Washington, wo er an der katholischen Universität mehr als 20 Jahre lang philosophische und theologische Vorlesungen hielt. Damals wurde auch seine besondere Begabung als Prediger entdeckt. So hielt er beispielsweise bei der jährlichen Messe der Universität zu Ehren des heiligen Thomas von Aquin die Festpredigt.
Karriere beim Radio
Im Jahre 1926 machte Fulton Sheen seine ersten Erfahrungen im Radio. Er reiste nach New York, um eine Reihe von Fastenpredigten aufzunehmen. Vier Jahre später wurde er gebeten, für die Sendung „The Catholic Hour“ für die Wochen im Sommer die Moderation zu übernehmen. Nachdem seine Zeit als Vertretung für den eigentlichen Moderator vorüber war, zeigte sich die Hörerschaft so begeistert, dass Sheen künftig zumindest wöchentlich bei der Sendung zu Gast war – und zwar bis 1950! Die Ansprachen des Priesters und Professors waren allerlei verschiedenen Themen gewidmet, etwa der Jungfrau Maria oder dem Kommunismus.
Die große Bekanntheit, die Sheen durch seine Auftritte im Radio erlangte, brachte viel Arbeit mit sich: „Während der letzten Jahre habe ich zwischen 75 und 100 Briefe pro Tag bekommen, die persönliche Aufmerksamkeit erfordern.“ Vor dem Hintergrund der Vorlesungen, die jeweils mindestens sechs Stunden Vorbereitung erforderten, zeigte Sheen sich „physisch erschöpft“. Er wolle aber nicht vor diesen Gelegenheiten für das Apostolat zurückweichen, so Sheen. Zu Radiosendung, Vorlesungstätigkeit und den zahlreichen Briefwechseln gesellten sich viele Vorträge im ganzen Land, so bei Volksmissionen, Einkehrtagen und Treffen katholischer Organisationen. Schließlich schrieb Sheen während seiner Zeit als Professor in Washington 34 Bücher, wozu nach seiner akademischen Laufbahn noch 32 weitere kamen.
Bischofsweihe in Rom und eigene Fernsehsendung
1950 wurde Sheen aufgrund seiner Verdienste im Medienapostolat der nationale Direktor der Gesellschaft für die Verbreitung des Glaubens, womit er 129 Direktoren auf Diözesanebene vorstand. In Rom wurde er am 11. Juni 1951 zum Bischof geweiht. Einige Monate später begann er seine wöchentliche Fernsehsendung „Life Is Worth Living“, mit der er bis 1957 zur besten Sendezeit 30 Millionen Menschen erreichen sollte – Traumquoten damals wie heute. So sicherte Sheen sich 1953 auch einen Emmy, den bedeutsamen US-amerikanischen Fernsehpreis.
Die Sendungen sind bis heute Klassiker: Die Ansprachen werden beispielsweise vom katholischen Fernsehsender EWTN übertragen, sie können auf CD angehört oder über DVD angeschaut werden. Auch auf der Videoplattform YouTube gibt es zahlreiche vollständige Episoden, die für interessierte Personen, die des Englischen mächtig sind, zur Verfügung stehen. Auch in Buchform sind zumindest einige der wöchentlichen Ansprachen erhältlich.
Zweites Vatikanum und Diözesanbischof
Wie alle Bischöfe der Welt war auch Fulton Sheen von 1962 bis 1965 in Rom, um dort am Zweiten Vatikanischen Konzil teilzunehmen. Zweifellos spielte Sheen keine derartig große Rolle wie etwa ein Kardinal Frings oder, auf der „Gegenseite“, ein Kardinal Ottaviani. Dennoch erinnerte sich viele Jahre später Papst Benedikt XVI., der damals als Peritus, also theologischer Experte und Berater, am Konzil teilnahm: „Dann war da Fulton Sheen, der uns abends mit seinen Vorträgen faszinierte.“
1966 wurde Sheen Bischof von Rochester und damit erstmals Oberhirte eines Bistums. Seinen Posten bei der Gesellschaft für die Verbreitung des Glaubens, für die er segensreich gewirkt hatte, gab er auf. Schon 1969 trat er von diesem Amt zurück. Der seit 1963 regierende Papst Paul VI. ernannte ihn daraufhin zum Erzbischof.
„Ein treuer Sohn der Kirche“
In seinen letzten Lebensjahren blieb der Erzbischof weiter aktiv, besonders durch seine schriftstellerische Tätigkeit und Predigten. Er starb am 9. Dezember 1979 in seiner Privatkapelle vor dem Allerheiligsten und wurde in der Krypta der Kathedrale des heiligen Patrick in New York bestattet. Kurz vor seinem Tod war ihm noch vergönnt, Papst Johannes Paul II. auf dessen Reise in die Vereinigten Staaten persönlich zu begegnen. Dieser Papst, inzwischen selbst heiliggesprochen, stellte ihm das beste Zeugnis aus: „Sie haben gut vom Herrn Jesus Christus geschrieben und gesprochen. Sie sind ein treuer Sohn der Kirche.“ (CNA Deutsch)
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