21 Jahre lang war er das Gesicht der deutschen Kirche: Als Karl Kardinal Lehmann 2008 den Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz abgab, lag eine prägende Zeit für die deutsche Kirche hinter ihm. Vier Jahre lang war er erst Bischof von Mainz gewesen, als die Bischofskonferenz den ehemaligen Theologieprofessor und Schüler von Karl Rahner zu ihrem Vorsitzenden wählte.
Er ist erst einmal ein guter Mensch, so urteilt Pater Hans Langendörfer, 10 Jahre lang an Lehmanns Seite als Sekretär der Bischofskonferenz. Er könne auf Menschen zugehen, sie zusammenführen und vermitteln. Als Jesuitenpater Hans Langendörfer 1996 das Amt des Sekretärs der Deutschen Bischofskonferenz übernahm, da war schon Halbzeit für deren Vorsitzenden Bischof Lehmann. 200 Kilometer trennten die Büros, die DBK in Bonn und den Vorsitzenden in Mainz.
Kommunikation, täglich
Überbrückt wurde die Distanz seit Tag eins seiner Aufgabe vor allem durch das Telefon, berichtet Langendörfer. Praktisch jeden Tag habe man telefoniert, „das war sehr intensiv. Er war immer ein Meister der Information.“ Informationen, Kopien von Briefen, Memos und Vermerke und vor allem sein „Lieblingsmedium“ Telefon, der Vorsitzende der Bischofskonferenz bezog seine Mitarbeiter ein. Er habe eine große Fähigkeit gehabt, mit Leuten zusammenzuarbeiten. „Er hat sich beraten lassen und allen den Eindruck gegeben, dass sie gefragt sind und ihren Teil beitragen können. Das ist eine große Gabe.“
Dasselbe galt auch für die Sitzungen der Bischofskonferenz, erinnert sich Langendörfer, der bei solchen Zusammenkünften zwölf Jahre buchstäblich an der Seite Lehmanns saß. „Er hat immer eine sehr starke Autorität gehabt. Wenn Bischof Lehmann in einer Sitzung das Wort ergriffen hat, dann hatte das Gewicht.“ Auch wenn die Vorsitzenden jeweils nur Primus inter Pares seien und keine Weisungen geben könnten, könnten sie Einfluss auf die Beratungen der Bischofskonferenz nehmen, „und Lehmann hatte als Vorsitzender Einfluss, weil er so klug und gebildet ist. Lehmann war in seinem vorigen Leben Professor, und man konnte immer wieder sehen, wie Lehmann-Seminare ausgesehen haben mögen: Jeder ist zu Wort gekommen. Und das war gut.“ Wenn Lehmann die Debatten dann zusammen gefasst hat, hatte das ein derartiges Gewicht, dass man oftmals in diese Richtung gegangen sei.
Persönliche Autorität
Getestet wurde diese Leitungskraft einige Male in den 21 Jahren Amtszeit, niemals aber wohl so stark wie während der Debatte um die Schwangerschaftskonfliktberatung, als es sowohl innerhalb der Bischofskonferenz als auch zwischen Deutschland und dem Vatikan immer wieder gegensätzliche und konfliktive Überzeugungen gab. Begonnen hatte das beim Papstbesuch Johannes Pauls II. 1996, 1998 kam es dann zum Ausstieg der Bischöfe aus dem staatlichen System. „Das ist immer wieder ein neues Ringen um den richtigen Weg gewesen“, erinnert sich Langendörfer an die intensive Zeit, seine Anfangsjahre in der DBK. „Es war manchmal eine große Anspannung in der Bischofskonferenz“, auch wenn die endgültige Lösung – also der Ausstieg aus der Beratung – nicht die Lösung gewesen sei, die Lehmann und andere deutsche Bischöfe favorisiert hätten.
2001 wurde Karl Lehmann dann vom Papst zum Kardinal erhoben – übrigens gemeinsam mit Walter Kasper, Johannes Degenhardt und dem Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, dem heutigen Papst. Warum er damals sozusagen erst auf einer Nachrückerliste genannt wurde, eine Woche nach dem Großteil der anderen, darüber wird bis heute Stillschweigen bewahrt.
Das Erbe des Konzils und der Synode
Der große Kommunikator, Netzwerker und Theologe Lehmann hat Spuren in der Deutschen Bischofskonferenz und Kirche hinterlassen, ist Pater Langendörfer überzeugt. „Kardinal Lehmann ist der Mann, der das Erbe des Konzils und das Erbe der gemeinsamen Synode der Bistümer in Deutschland (Würzburger Synode) verkörpert und in die Kirche hineingetragen hat.“ Das Konzil lag schon etwas länger zurück, als er Vorsitzender geworden sei, aber er habe das Netzwerk der Personen aus der Synode zusammen gehalten. Er habe es gut verstanden, auch mit den verschiedenen Gremien wie dem ZdK zusammen zu arbeiten. Er stehe auch für das ökumenische Erbe des Konzils und habe es treu fortgeschrieben, „ein brillanter und gesuchter Gesprächspartner für die evangelische Kirche“. Seine Rolle habe er im „breiten Prozess der Erneuerung der Kirche“ gespielt, urteilt Langendörfer.
Nicht zu unterschätzen sei die theologische Bildung Lehmanns, auch für seine Arbeit als Vorsitzender. Enzyklopädisches Wissen bescheinigt Langendörfer ihm, manchmal auch einen etwas zu starken professoralen Habitus, selbst wenn der Jesuit das mit einem Lachen sagt. Es sei ihm jedenfalls immer um ein sachgemäßes und angemessenes Urteil gegangen. „Typisch war, dass er seine Tasche neben sich stellte und im Laufe einer Beratung ein Buch nach dem anderen auspackte, oft unter dem beifälligen Grinsen der Mitbrüder, und daraus zitierte.“ Das zeige, wie behutsam und gründlich er Positionen erarbeitet habe.
Eine große theologische Bildung, Informationen, Netzwerken und Kommunizieren, Behutsamkeit in der Urteilsbildung und ein Hören auf alle Stimmen der Konferenz: Karl Lehmann hat in seiner Zeit als Vorsitzender die Konferenz und darüber hinaus die katholische Kirche in Deutschland geprägt. Er sei, sagt Pater Langendöfer abschließend „wie man sich das wünscht: ein Mann der Zusammenarbeit.“ (rv)