Papstbrief zu Missbrauch wird Freitag unterschrieben

Die Kirche feiert heute den heiligen Patrick, den Schutzpatron Irlands. Ein Grund für den Papst, in seiner Generalaudienz noch einmal auf die schwere Krise einzugehen, in die die Kirche des Landes durch die Missbrauchsfälle gestürzt ist. Er nutzte die Gelegenheit, um den englischsprachigen Pilgern seinen Brief an die Kirche Irlands offiziell anzukündigen:
„Als ein Zeichen meiner tiefen Besorgnis habe ich einen Pastoralbrief geschrieben, der sich mit dieser schmerzvollen Situation befasst. Ich werde ihn am Hochfest des heiligen Joseph, dem Beschützer der Familien und Patron der ganzen Kirche, unterschreiben und bald danach abschicken. Ich bitte Euch alle, ihn selbst und mit offenem Herzen und im Geist des Glaubens zu lesen. Meine Hoffnung ist, dass er helfen wird im Prozess der Reue, der Heilung und der Erneuerung.“
Das Fest des heiligen Josef ist an diesem Freitag, die Kirche Irlands und die Kirchen anderer Länder, die von der Krise betroffen sind, werden den Brief also Anfang der nächsten Woche erwarten. (rv)

Kasper: „Habe nie von Entschädigungen gesprochen“

Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper verteidigt den Vatikan und die deutschen Bischöfe: Die Missbrauchsfälle seien von der Kirche entschieden angegangen worden, sagte Kardinal Kasper in einem Exklusiv-Interview mit Radio Vatikan. Die Fälle würden nicht allein die katholische Kirche betreffen. Kardinal Kasper will auch ein kürzlich wiedergegebenes Interview richtigstellen.

Herr Kardinal, in den vergangenen Tagen sorgte in Deutschland die Debatte zum Thema „Missbrauch“ für Schlagzeilen. Die katholische Kirche war natürlich sehr davon betroffen. Ihre Einschätzungen dazu?

„Es ist ein trauriges Thema und erfüllt uns mit Scham, dass solche Dinge in katholischen Einrichtungen vorgekommen sind und dass Kinder missbraucht wurden. Dass dies verwerflich ist, darüber kann überhaupt keine Frage bestehen. Dass dies auch aufgeklärt werden muss, ist völlig klar. Ich habe den Eindruck, die Deutschen Bischöfe tun in dieser Situation das, was möglich ist. Sie verhalten sich sehr klug. Ich habe dazu kürzlich Stellung genommen und zwar in einer italienischen Zeitung [„La Repubblica“, Anmerkung der Redaktion]. Die Wiedergabe war allerdings sehr frei. Vor allem habe ich kein Wort gesagt zu möglichen oder erforderlichen Entschädigungen. Das ist eine juristische Frage, die völlig außerhalb meines Gesichtskreises und meiner Zuständigkeit ist. Dazu habe ich kein Wort gesagt.“

Sie kennen die katholische Kirche in Deutschland sehr gut. Sie wissen auch, dass in der Vergangenheit bereits Anti-Missbrauchsmaßnahmen ergriffen wurden. Was halten Sie von den bisherigen Richtlinien?

„Die katholische Kirche in Deutschland ist die einzige Institution, die dazu Richtlinien erlassen hat. Diese kann man jetzt aufgrund der Erfahrungen sicherlich verbessern. Fakt ist aber, dass wir bereits Richtlinien haben. Nun müssten auch alle anderen Institutionen, die davon betroffen sind, solche Maßnahmen ergreifen. Denn Missbrauch ist kein katholisches, sondern ein gesellschaftliches Problem. Jetzt muss man also gemeinsam zusammensitzen und überlegen, was man für die Prävention tun und wie man den Opfern helfen kann.“

Und wie ist es aus Vatikan-Sicht? Der Vatikan ist ja nicht schweigsam oder unternimmt nichts in Sachen Missbrauch. Auf Weltkirchenebene gibt es doch Richtlinien.

„Selbstverständlich hat der Vatikan mehrfach Stellung dazu genommen. Das war so, als die Missbräuche in den Vereinigten Staaten in den Schlagzeilen waren und in Irland die Fälle bekannt wurden. Der Vatikan unterstützt selbstverständlich die Ortsbischöfe. Über die klare Meinung des Papstes zu dieser Frage besteht kein Zweifel. Es ist leider ein völlig falscher Zungenschlag hereingekommen über die deutsche Bundesjustizministerin. Ich habe den Eindruck, sie kennt das Kirchenrecht nicht. Sie kann nicht unterscheiden, was kirchenrechtliche Zuständigkeit und staatliche Kompetenzen sind. Das sind unterschiedliche Rechtskreise und Vorgänge. Selbstverständlich ist es so, dass dort, wo es notwendig ist, eine Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften gefördert wird. Schweigemauern werden nicht von der Kirche aufgebaut. Ich habe gewisse Erfahrungen als Bischof gesammelt. Ich hatte damals meinen Personalreferenten zu den Eltern geschickt, wo Vorwürfe da waren. Die Eltern schwiegen, obwohl wir sie gedrängt hatten, dass sie reden sollten. Diese Vorwürfe gegen die katholische Kirche, dass wir nicht zusammenarbeiten würden und Schweigemauern aufbauen, sind völlig absurd und außerhalb der Welt.“

Themenwechsel: An diesem Sonntag wird Papst Benedikt XVI. die lutherische Gemeinde in Rom besuchen. Sie sind im Vatikan für die Ökumene – und auch für den Dialog mit dem Luthertum – zuständig. Ihre Einschätzung zu diesem Besuch, der ja auch für Deutschland sicherlich wichtig ist?

„Ich freue mich über diesen Besuch. Die Visite ist ein Ausdruck der gewachsenen Zusammenarbeit und Nähe zwischen uns und den lutherischen Christen in Deutschland und der lutherischen Gemeinde hier in Rom. Es ist eine gute und freundschaftliche Beziehung, die der Papst zum Ausdruck geben möchte. Er leistet zugleich einen Beitrag zur weiteren Verbesserung des Verhältnisses zu den lutherischen Christen, die in Deutschland sind. Der Dialog mit den Lutheranern war ja einer der ersten nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Dieser Dialog hat wesentliche Fortschritte gemacht. Man denke hierbei an die Rechtfertigungslehre. So hoffen wir, dass das eine Zukunftsperspektive eröffnet. Ich freue mich, am Sonntag dabei sein zu können.“ (rv)

Irland: In Sachen Missbrauch schon etwas weiter…

Vielleicht ist Irland in Sachen Missbrauch durch Priester schon ein wenig weiter als Deutschland. Die Welle der Empörung schwappte schon vor einigen Jahren über die Insel, und ausführlich haben sich inzwischen kirchliche wie staatliche Kommissionen mit dem Phänomen beschäftigt. Vergangene Woche waren Irlands Bischöfe beim Papst. Dominik Skala hat mit unserer irischen Kollegin Emer Mc Carthy gesprochen, wie sie die Gespräche in Rom einschätzt, aber auch über die Rolle der Kirche im Land und die notwendige Schritte, die jetzt folgen müssen.
„Ich glaube, kein irischer Katholik kann über die gegenwärtige Situation froh sein. Wir sprechen von einer Situation, die man nur als Tragödie bezeichnen kann. Und ich glaube, dass man als irischer Katholik sagen kann, dass der Umgang der Kirche mit den Missbrauchsfällen, besonders seitens der Bischöfe, sehr unverständlich war. Beim Treffen mit Papst Benedikt haben die Bischöfe zum ersten Mal gemeinsam bekannt, dass sie im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen hätten besser agieren müssen und dass sie in der Vergangenheit Vieles nicht ernst genug genommen haben. Das ist sicherlich als positiver Aspekt des Treffens zu betrachten. Es gilt wohl auch das, was Bischof Duffy gesagt hat: Zu lange hat es in der irischen Kirche eine Kultur der Geheimhaltung gegeben. Und genau das ist dafür mit verantwortlich, warum es soviel Leid in der irischen Kirche gegeben hat.“
Das Treffen der Bischöfe mit dem Papst also als Wendepunkt?
Es gab schon einen Wendepunkt, und zwar vor 17 Jahren. Damals haben die Bischöfe Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche verabschiedet, und diese Leitlinien sind deutlich strikter als jene im staatlichen Bereich. Es wurde eine unabhängige Expertenkommission eingesetzt, die sicherstellen sollte, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern in Irland nie wieder passiert. Was ich mir von dieser Woche erhoffe, ist die Tatsache, dass die Bischöfe verstehen, wie wichtig es ist, miteinander zu sprechen und mit einer gemeinsamen Vision zu arbeiten. Sie sind nun einmal die Führer der irischen Kirche, und bisher haben sie ihre bischöfliche Verantwortung im Umgang mit dem Kindesmissbrauch nur sehr unzureichend wahrgenommen.
Wie hat die irische Öffentlichkeit die Gespräche beim Papst aufgenommen? Was beurteilen die Medien die Ergebnisse des Krisengipfels?
Das ist ein schwieriger Punkt. Die Bischöfe haben den größten Teil der letzten zehn Jahre damit verbracht, sich für ihre Fehler zu entschuldigen. Das Problem ist, dass das nicht immer sehr glücklich gegenüber der irischen Öffentlichkeit kommuniziert worden ist. In Irland ist die Presse zurzeit ziemlich antikirchlich eingestellt. Vielleicht auch zu recht. Wer die entsprechenden Untersuchungen gelesen hat, der muss betroffen sein. Und die Tatsache, dass die Bischöfe eben nicht alles in ihrer Macht stehende getan haben, hat eine große Wut in der irischen Öffentlichkeit heraufbeschworen. Und eine große Verzweiflung und Demütigung unter den irischen Katholiken.
Was kann die Kirche denn tun in dieser Situation? Was sind Schritte, um verlorenes Vertrauen innerhalb der Kirche wieder herzustellen?
Die derzeitigen Bischöfe tun gerade sicherlich ihr Bestes, der Öffentlichkeit zu erklären, dass sie Abbitte leisten und zu den Wurzeln des Glaubens zurückkehren wollen – nämlich zu predigen und mit den Leuten zu beten. Es besteht die große Hoffnung, dass auch in Irland die Laien mehr auch in die Kirchenleitung zumindest eingebunden werden. Kardinal Sean Brady hat gesagt, man wolle endlich Pfarrgemeinderäte einführen – bisher gibt es die in Irland gar nicht. Also, ich denke, wir können nach vorne blicken, aber es wird sehr lange dauern.
Was muss passieren, dass die Kirche in der irischen Gesellschaft auch zukünftig noch eine Rolle spielen kann?
„Ich persönlich glaube, dass die Zukunft der irischen Kirche von einer Sache abhängt: Erziehung, Erziehung, Erziehung. Das mag gerade jetzt seltsam klingen, aber genau das ist der Knackpunkt. Zwar nennen sich beispielsweise neunzig Prozent der irischen Grundschulen ‚katholisch’, aber faktisch ist das Niveau der religiösen Erziehung ziemlich niedrig. Das schwächt den Glauben – und erschüttert ihn natürlich bei einem Skandal wie dem aktuellen. Was die Bischöfe also tun müssen, ist: die Laien weiterzubilden über den Glauben. Wissen bestärkt die Menschen und trägt dazu bei, dass sie ihre Stimme erheben: in der Kirche und in der Gesellschaft. Und das andere ist: Die Kirche muss sich ein bisschen aus der öffentlichen Verantwortung zurückziehen. Über Jahrhunderte war nicht nur das Schul-, sondern auch das Gesundheitswesen ganz in kirchlicher Hand. Was wir tun müssen ist, mehr auf Qualität als auf Quantität zu setzen und gleichzeitig immer wieder herausstellen, was die Mitte unseres Glaubens ist.“ (rv)

Irland: Bischöfe treffen Missbrauchsopfer

Die irischen Bischöfe berichten Papst Benedikt XVI. in der kommenden Woche über kirchliche Missbrauchsfälle in ihrem Land. Dabei wollen sie dem Kirchenoberhaupt auch Stellungnahmen von Opfern übergeben – das kündigte die Bischofskonferenz am Montag in Dublin an. Zuvor hatten sich einige Bischöfe zum zweiten Mal mit Vertretern von Opferverbänden getroffen. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen den Angaben zufolge die „anhaltenden Sorgen“ der Betroffenen. Dabei hätten die Missbrauchsopfer schriftliche Stellungnahmen vorgelegt, die „direkt deren Meinungen darlegen“. Diese Unterlagen solle nun auch der Papst erhalten. Die irische Kirche ist in den vergangenen Monaten von Missbrauchsskandalen eingeholt worden, die in die 70-er Jahre zurückreichen. Im Mai letzten Jahres kam ein Kommissionsreport zu dem Ergebnis, dass landesweit über Jahre hinweg mehr als 2.000 Kinder in kirchlichen Einrichtungen misshandelt, geschlagen oder sexuell missbraucht worden seien. Kirche und Staat hätten die Augen vor den Zuständen in den Heimen verschlossen. Eine weitere Kommission unter der Leitung der Richterin Yvonne Murphy hatte im November berichtet, dass in der Erzdiözese Dublin über Jahre hinweg Fälle von Kindesmissbrauch durch Priester systematisch vertuscht worden seien. Die Spitze der irischen Bischofskonferenz entschuldigte sich bei den Opfern. Der Rücktritt eines Diözesanbischofs wurde vom Vatikan bereits angenommen; mehrere andere Bischöfe haben Ende des Jahres ihren Rücktritt angeboten. Papst Benedikt hat an diesem Montag in einer Rede an seinen Familienrat Kindesmissbrauch in scharfen Worten verurteilt. (rv)