2013 wurden mindestens 70.000 Christen wegen ihres Glaubens getötet. Davon geht der Turiner Soziologe Massimo Introvigne aus. Er ist Koordinator der „Beobachtungsstelle Religionsfreiheit” in Italien. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagt er, dass die Zahl der getöteten Christen zwar sinkend sei, doch hinter den rein statistischen Zahlen verbärgen sich konkrete Menschen.
„Die Statistik ist sehr umstritten. Es gab sogar eine Polemik zwischen dem wohl namhaftesten Statistiker für Religionsfragen, Todd Johnson, und dem britischen Sender BBC. Alles hängt davon ab, wie man die afrikanischen Situationen betrachtet. Sind die Toten im Kongo und Südsudan Opfer von Christenverfolgung oder nicht? Für Johnson ist dies der Fall, für die BBC nicht. 2012 wurden mindestens 100.000 Christen wegen ihres Glaubens getötet. Für 2013 würde ich sagen, dass es 80.000 waren und ich zähle die umstrittenen Situationen in Afrika nicht mit.“
Der Rapport der US-Regierung zur Situation der Religionsfreiheit weltweit zeigt für 2013, dass Länder wie Burma, China, Eritrea, Iran, Nordkorea, Saudi-Arabien, Sudan und Usbekistan die schlimmsten Fälle von Verletzung der Religionsfreiheit verantwortlich waren. Der gefährlichste Ort für Christen bleibt indes derselbe, wie in den Vorjahren, so Introvigne.
„Ich denke, der schlimmste Ort ist und bleibt Nordkorea. Das liegt daran, dass Christen willkürlich umgebracht werden, aber immer mit der Beschuldigung, sie seien Christen. Ich finde es aber persönlich spannend, dass es trotz der Abschottung des Landes immer noch viele Jugendliche gibt, die sich zum Christentum bekennen. Die Staaten, die die USA aufzählen, sind aber nicht die einzigen, die schlimme Verbrechen gegen die Religionsfreiheit verüben. Es gibt Länder, die die Einschränkung von Religionsfreiheit auch durch Gesetze fördern. Ich denke hierbei an das Blasphemiegesetz in Pakistan. Da haben wir einen Fall, wie den von Asia Bibi, bei der durch ein Gesetz Christen verfolgt werden.“
Ein weiteres Land sei Nigeria, das zu den reichsten Staaten Afrikas geworden sei und wo das Zusammenleben zwischen Religionsgemeinschaften hingegen immer schwieriger wird.
„Auch wenn man präziseren muss, dass dort die Regierung alles daran setzt, damit das Zusammenleben funktioniert. Das Problem sind dort die Fundamentalisten wie beispielsweise die Gruppe Boko Haram, die gezielt christliche Einrichtungen angreift. In Nordkorea ist ein kommunistisches Regime am Werk, in Afrika geht es hingegen meistens um ethnische Auseinandersetzungen.“
Deshalb sind statistisch gesehen die Todesopfer in Afrika „umstritten“, weil viele davon ausgehen, dass dort Menschen nicht unbedingt wegen ihres Glaubens sondern wegen der Zugehörigkeit einer bestimmten Gruppe verfolgt werden. Doch auch im Westen gibt es Christenverfolgung, so der Turiner Soziologe.
„Ja, das gilt vor allem gegen Christen aber im Allgemeinen gegen Menschen, die religiös sind. Ich denke, Papst Franziskus hat das treffend in der Exhortation ,Evangelii Gaudium´ beschrieben, wenn er sagt, dass es Gesellschaften gibt, die die Religion auf eine rein private Ebene stellen und versuchen Glaubende in Kirchen, Synagogen oder Moscheen sozusagen einzusperren, damit sie ja nicht in der Öffentlichkeit darüber sprechen. Ich bin beeindruckt von Papst Franziskus, wenn er ein altes Buch von Robert Hugh Benson zitiert. In ,Der Herrscher der Welt´ wird genau die heutige Situation in Europa beschrieben.“ (rv)