Im Jahr 2016 hat die vatikanische Finanzaufsichtsbehörde AIF 207 V2016
erdachtsfälle gemeldet. Das berichtet der AIF-Präsident, der Schweizer René Brülhart, an diesem Dienstag bei der Pressekonferenz zum Jahresbericht 2016 im Vatikan. Das sind im Vergleich zu den Vorjahren zwar vergleichsweise mehr Fälle, aber eindeutig weniger als im Jahr 2015, in dem 544 Verdachtsfälle ermittelt wurden. Im Interview mit Radio Vatikan stellt Brülhart diese Entwicklung klar:
Brülhart: „Das ist immer so eine Sache mit Statistiken. Ich denke, es ist sehr wichtig, den Kontext zu betrachten, in welchem diese Zahlen stehen. Wenn Sie dreieinhalb Jahre zurückgehen, da haben wir innerhalb des IOR den sogenannten ,Remediation´-Prozess eingeleitet. Vor etwa eineinhalb Jahren ist dieser dann abgeschlossen worden. Die Auswirkungen, die wir für 2015 gesehen haben, mit einem erstaunlichen hohen Wert an Verdachtsmitteilungen, bedeutet aber nicht, dass es sich allesamt um kriminelle Fälle gehandelt hat. Wir sprechen über Verdachtsmomente, also über Abwicklungen, die vielleicht nicht korrekt stattgefunden haben. Wir sprechen nicht auch über eine entsprechende Beweislage. Heute sind das anders aus: Dieser Prozess ist – wie gesagt – abgeschlossen. Wir gehen jetzt zu einer Normalität über. Von unserer Seite war und ist immer wichtig, dass wir die Qualität sehen wollen. Denn das leistet einen Mehrwert für die Strafverfolgung als solche. Da sind wir auf einem guten Weg.“
RV: Wir sprechen von hunderten Verdachtsfällen, aber nur 22 Fälle wurden im vergangenen Jahr der vatikanischen Justizbehörde weitergereicht. In der Öffentlichkeit ist auch nicht bekannt, ob dann bei allen der Prozess geführt wird. In den Medien ist ja nur von einigen wenigen Fällen die Rede. Woran liegt das? Finden keine Prozesse statt? Werden die meisten Fälle archiviert?
Brülhart: „Es gibt verschiedene Gründe hierfür. Das eine ist, wenn die Fälle zu den entsprechenden Behörden gelangen, dann werden auch die Prozesse eingeleitet. Das braucht eine gewisse Zeit. Ein weiterer Punkt ist, dass die Art von Statistiken, die bei uns geführt werden, möglicherweise bei den Strafverfolgungsbehörden zum Teil anders an die Hand genommen werden, sprich: drei bis fünf Verdachtsmitteilungen werden unter einem Einzelfall zusammengefasst behandelt. Mir ist es ein Anliegen, dass diese Zusammenarbeit zwischen AIF mit den Strafverfolgungsbehörden als solche stattfindet, und das ist der Fall.
RV: Und wie sieht diese Zusammenarbeit konkret aus? Wer arbeitet denn alles zusammen? Ist auch die Gendarmerie involviert?
Brülhart: „Es sind drei Behörden: AIF als Geldwäschemeldestelle und als Aufsichtsbehörde, dann werden die Fälle an die Justizbehörde ,Promotore di Giustizia´ weiter geleitet und dort findet auch eine entsprechende juristische Verfolgung statt, so dass die Fälle im Gericht behandelt werden. Zusätzlich zu dieser Justizbehörde gibt es die vatikanische Gendarmerie, die eine Art Justizpolizei ist und die Justizbehörde unterstützt.“
RV: Der Heilige Stuhl hat in den vergangenen Jahren auch internationale Abkommen mit Staaten unterzeichnet, um gegen Geldwäsche und dubiose Finanztransaktionen vorzugehen. Wie sieht es heute damit aus? Hat Ihre Behörde hier die internationale Zusammenarbeit ausweiten können?
Brülhart: „Der Heilige Stuhl, der Vatikan, ist eine globale Institution und hier ist es absolut wichtig, dass die Möglichkeit besteht, mit anderen Ländern und Jurisdiktionen zusammenzuarbeiten. Hier hat man weitere Fortschritte gemacht. Mit sämtlichen wichtigen Jurisdiktionen, von der Finanzseite her betrachtet, hat die AIF entsprechende Abkommen unterzeichnet. Im vergangen Jahr haben wir beispielsweise mit der italienischen Nationalbank oder mit den USA entsprechende Verträge unterzeichnet. Ich denke auch an Abkommen mit Luxemburg oder mit der Schweiz.“
Hintergrund
Mittlerweile unterhält die vatikanische Finanzaufsicht institutionelle Beziehungen zu Partnerbehörden in sechs Ländern, darunter Deutschland, Luxemburg und den USA. Drei der Abkommen wurden 2016 neu geschlossen: mit Brasilien, Italien und Polen. Daneben vereinbarte die AIF mit fünf weiteren nationalen Behörden einen bilateralen Informationsaustausch, darunter Österreich, Panama und Russland. Aktuell bestehen solche Vereinbarungen mit 32 Staaten. (rv)