Erzbischof Georg Gänswein sieht keine Gefahr, dass es im Vatikan „einen Papst und einen Gegenpapst" geben könnte. „Wer Benedikt XVI. kennt, weiß, dass diese Gefahr nicht existiert. Er hat sich nie in die Regierung der Kirche eingemischt und tut das auch jetzt nicht, es gehört nicht zu seinem Stil", sagte Gänswein in einem Interview in der römischen Tagsészeitung „Il Messaggero". Auch wisse der emeritierte Papst, dass jedes Wort von ihm Aufmerkamkeit erregen und entweder für oder gegen seinen Nachfolger interpretiert werden würde. Erzbischof Gänswein ist nach wie vor Papst Benedikts Sekretär und gleichzeitig Präfekt des Päpstlichen Hauses von Franziskus.
Dem emeritierten Papst gehe es gut, „er betet, liest, hört Musik und widmet sich der Korresopndenz, die umfangreich ist", so Gänswein. Auch Besuche gebe es. Jeden Tag unternehme man einen Spaziergang in dem kleinen Laubwald hinter dem Kloster Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten und bete dabei den Rosenkranz. Es sei ein strukturierter Tagesablauf.
Papst Benedikts Entscheidung, auf sein Amt zu verzichten, habe er, Gänswein, einige Zeit vorher gekannt, aber mit niemandem darüber gesprochen. Nach dem 28. Februar, dem letzten Tag im Amt, sei eine schwierige Zeit gekommen, sagte der Erzbischof, der Joseph Ratzinger schon in seiner Zeit an der Glaubenskongregation als Sekretär gedient hatte. „Ich werde nie vergessen, wie ich das Licht im päpstlichen Apartment ausgeschaltet habe und Tränen in den Augen hatte." Die erste Märzhälfte sei auch deshalb schwierig gewesen, „weil man nicht wusste, wen das Konklave wählen würde". Glücklicherweise sei mit dem neuen Papst sofort eine menschliche Beziehung der Zuneigung und der Wertschätzung entstanden, „auch wenn Benedikt und Franziskus Menschen mit unterschiedlichem Stil und Persönlichkeit sind".
Von einer „Revolution" könne dennoch nicht die Rede sein. „Sicher, einige Gesten und Initiativen von Papst Franziskus haben überrascht und überraschen weiterhin", sagte Gänswein der Zeitung. „Aber es ist normal, dass ein Pontifikatswechsel Änderungen mit sich bringt." Der neue Papst müsse sich einen Mitarbeiterstab mit Personen seines Vertrauens aufbauen: „Das ist aber keine Revolution, sondern einfach ein Akt des Regierungs und der Verantwortung". Zur Arbeit des achtköpfigen Kardinalsrates, den Franziskus im Zug seiner Kurienreform eingesetzt hat, bekannte Gänswein, er sei neugierig, was dabei herauskommen werde. (rv)