LONDON – C.S. Lewis gilt weithin als einer der besten christlichen Apologeten des 20. Jahrhunderts. Auch wenn ihn sein katholischer Freund J.R.R. Tolkien zum Christentum bekehrte, entschied sich Lewis, der protestantischen Church of England beizutreten, der er bis zu seinem Tod angehörte.
Was folgende Tatsache etwas seltsam macht: Er glaubte an das Fegefeuer.
Die Lehre vom Fegefeuer ist der Glaube, dass Christen nach ihrem Tod eine gewisse Zeit der Läuterung und Reinigung durch Gnade erfahren, bevor sie in den Himmel kommen. Die Kirche lehrt auch, dass Christen auf Erden für die Toten im Fegefeuer beten können und so deren Eintritt in den Himmel beschleunigen. Diese Glaubensgrundsätze des Katholizismus wurde von Protestanten im 16. Jahrhundert verworfen.
In seinem Buch „Du fragst mich, wie ich bete: Briefe an Malcolm“, das posthum veröffentlicht wurde, gibt Lewis einem fiktionalen Freund Ratschläge zum geistlichen Leben, und im Brief 20 finden sich die überraschenden Worte über das Fegefeuer.
„Natürlich bete ich für die Toten“, schreibt Lewis. „Die Handlung ist so spontan, so geradezu unvermeidbar, dass nur der zwingendste theologische Grund dagegen mich davon abhalten könnte“.
Als ihn sein fiktionaler Freund herausfordert, dass er nur die katholische Lehre vom Fegefeuer vertrete, antwortet er klar:
„Nun, ich denke das tue ich. […] Ich glaube an das Fegefeuer.“
Lewis erklärt weiter, dass aus seiner Sicht die katholische Lehre vom Fegefeuer vom 16. Jahrhundert verfälscht wurde, und dass sowohl frühere Versionen (etwa Dantes Vision des Fegefeuers) und moderne Versionen (etwa des seligen John Henry Newman) greifbarer sind.
Warum also für jemanden im Fegefeuer gebetet werden kann und sollte, erklärte 2007 noch einmal Papst Benedikt in der Enzyklika Spe Salviso:
Wenn das „Fegefeuer“ einfach das Reingebranntwerden in der Begegnung mit dem richtenden und rettenden Herrn ist, wie kann dann ein Dritter einwirken, selbst wenn er dem anderen noch so nahesteht? Bei solchem Fragen sollten wir uns klarmachen, dass kein Mensch eine geschlossene Monade ist. Unsere Existenzen greifen ineinander, sind durch vielfältige Interaktionen miteinander verbunden. Keiner lebt allein. Keiner sündigt allein. Keiner wird allein gerettet. In mein Leben reicht immerfort das Leben anderer hinein: in dem, was ich denke, rede, tue, wirke. Und umgekehrt reicht mein Leben in dasjenige anderer hinein: im Bösen wie im Guten. So ist meine Bitte für den anderen nichts ihm Fremdes, nichts Äußerliches, auch nach dem Tode nicht.
„Unsere Seelen verlangen das Fegefeuer, nicht wahr?“ schreibt Lewis weiter in seiner Verteidigung. Es wäre kein sehr liebender Gott, der uns in den Himmel geleitet, trotz unseres Hangs zur Sünde.
„Sollten wir nicht antworten, ‚Mit Verlaub, Herr, und wenn Sie nicht widersprechen, würde ich lieber erst gereinigt werden.‘ ‚Du weißt, es kann wehtun‘ – ‚Gleichwohl, Herr“.
Mit Blick auf die Frage, ob das Fegefeuer weh tut, gibt er eine sehr Lewis-typische Antwort – eine mit gesundem Menschenverstand: „Ich nehme an, dass der Prozess der Läuterung normalerweise weh tut. Teilweise aufgrund der Tradition; teilweise weil das meiste echte Gute, das mir im Leben widerfahren ist, auch weh getan hat. Aber ich glaube nicht, dass Leiden der Zweck des Fegefeuers ist. […] Die Behandlung wird die nötige sein, ob sie nun ein wenig schmerzt oder viel.“
Wer die anderen Bücher von C.S. Lewis liest, wird einer Version des Fegefeuers auch in seinem klassischen Werk „Die Große Scheidung“ begegnen.
Veröffentlicht exklusiv für CNA Deutsch mit freundlicher Genehmigung von www.ChurchPOP.com – eine Weiterverwertung dieses Artikels an Dritte ist vom Copyright-Halter nicht gestattet. Erste Fassung veröffentlicht am 8. Mai 2017. (CNA Deutsch)