Theologen braucht es in allen Bereichen. Sogar dort, wo es niemand vermuten würde. Das sagte der Untersekretär der Bildungskongregation, Pater Friedrich Bechina im Gespräch mit Radio Vatikan über die Bedeutung der Geisteswissenschaften und vor allem der Theologie an den Universitäten. Papst Franziskus ist das Thema Bildung ein großes Anliegen. Das hat er einmal mehr bei einem Bildungskongress unterstrichen, den der Vatikan im Dezember veranstaltet hat. Bechina führt diesen Fokus des Papstes vor allem auf seine jesuitische Spiritualität und Identität zurück. Eine fundierte geisteswissenschaftliche Ausbildung, wie es auch die Theologie bieten kann, sei heute sehr gefragt, betonte Bechina: „Wir brauchen Menschen, die bildungsfähig sind, die kritisches Denken, Teamfähigkeit und andere dieser Kompetenzen entwickelt haben, und die bekommt man sicher mehr gerade in der „liberal arts education“, deswegen sind wir durchaus mit unseren kirchlichen und katholischen Universitäten, die normalerweise großen Schwerpunkt auf diese Bereiche legen, im Trend.“
Ein theologisches Studium kann an staatlichen oder kirchlichen Universitäten absolviert werden. Für Bechina braucht es dabei ein gutes Gleichgewicht: „Es hat einen Wert, wenn die Kirche an den staatlichen Universitäten präsent ist, aber es braucht auch immer wieder das Gegengewicht. Wenn die Kirche ganz isoliert ist, dann ist die Gefahr, dass sie privatisiert oder in fundamentalistische/einseitige Sichtweisen gerät. Dadurch ist auch Herausforderung für die Kirche, in einer staatlichen Universität zu sein, sehr wichtig, um auch immer wieder kritische Selbstreflexion zu pflegen. Auf der anderen Seite wäre es schlimm, wenn man ganz abhängig würde. Ich glaube, das System, wie wir es in Deutschland und Österreich haben, dass es beides gibt, ist gegenseitig bereichernd und wertvoll und ist auch ein Schutz für beide. Ich denke, dass auch staatliche theologische Fakultäten langfristig besser bestehen, wenn es auch kirchliche gibt, und umgekehrt, weil dadurch auch eine natürliche Konkurrenz entsteht, die durchaus fruchtbar sein kann.“
Bechina warf auch einen Blick in die Praxis: In den Vereinigten Staaten haben Wirtschaftsexperten ihr Bachelorstudium häufig in einem geisteswissenschaftlichen Fach abgeschlossen. Sie haben dann bessere Chancen am Arbeitsmarkt und werden von den Arbeitgebern als insgesamt kompetenter wahrgenommen. Bechina berichtete von einem Gespräch im Vorfeld der Bologna-Ministerkonferenz, wo es um die Weiterentwicklung eines gemeinsamen Europäischen Hochschulraums ging: „Die Vertreter der Industriellenvereinigungen von Europa, Arbeitgeberverbände, in dem Fall eine Vertreterin aus Deutschland hat gemeint, die großen und führenden Unternehmen sagen, dass ihnen mehr und mehr breit Gebildete, oft auch humanistisch Gebildete, langfristig lieber sind. Diese sind langfristig besser einsetzbar, besser entwickelbar als jemand, der ganz spezifisch auf einen Beruf technisch ausgebildet ist.“
Geisteswissenschaftler sind also umfassender einsetzbar, weil sie in ihren Studien Kompetenzen erwerben, die in allen Bereichen nützlich sind. Bechina weiß auch, warum gerade ein Theologe am Arbeitsmarkt sehr gefragt ist: „In interdisziplinären Forschungsgruppen ist es nicht nur moderner Trend, einen Theologen dazu zu nehmen, weil, wie man auf Englisch sagt, „he thinks out of the box“. Der Theologe geht oft Probleme von einem ganz anderen Blickwinkel an, mit einer anderen Methode. Theologie ist ja auch eine interdisziplinäre Fächerkombination, wenn man denkt von Exegese über Kirchenrecht bis hin zu philosophischen oder systematischen Fächern, oder auch praktisch Fächern, das heißt das Theologiestudium selber erzieht zu Interdisziplinarität und qualifiziert demnach auch zu interdisziplinärer Forschung.“ (rv)