Angekündigt war es als der letzte große Gottesdienst von Papst Benedikt XVI.: Die Aschermittwochsliturgie, aus aktuellem Anlass nicht wie seit alters her üblich mit einer Prozession auf dem Aventin-Hügel, sondern in der Peters-Basilika in Rom. Der Dom, der über 4000 Menschen fasst, war bis auf den letzten Platz besetzt, sichtlich ergriffen verfolgten die Gläubigen, aber auch die Konzelebranten die letzte öffentliche Predigt des Papstes. Benedikt XVI. erwähnte in seiner Ansprache kurz seinen angekündigten Rücktritt, war aber sonst ganz der Hirte und Mahner, der er bei diesen Gelegenheiten immer ist. Zu Beginn der Fastenzeit wies er auf deren Ziel hin, das er wiederholt als das Zentrum des christlichen Glaubens identifiziert hatte: auf Ostern, den Sieg des Lebens über den Tod. Die Fastenzeit diene gerade dazu, die Haltungen und konkreten Handlungen in der Vorbereitung auf das Ostergeheimnis zu reflektieren, und zwar durch Umkehr in den 40 Tagen, die der Feier der Auferstehung Christi vorangehen. Der Papst bezog sich auf einen Ausdruck aus dem Buch Joel: Kehr um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, Weinen und Klagen (2:12).
„Der Ausdruck ‚von ganzem Herzen’ muss unterstrichen werden, denn er bedeutet aus der Mitte unserer Gedanken und Gefühle, aus dem Wurzelgrund unserer Entscheidungen, Beschlüsse und Handlungen, mit einer Geste totaler und radikaler Freiheit. Aber ist diese Rückkehr zu Gott möglich? Ja, denn es gibt eine Kraft, die nicht in unserem Herzen wohnt, sondern dem Herzen Gottes selbst entströmt. Es ist die Kraft seiner Barmherzigkeit. Aber diese Rückkehr zu Gott wird nur dann zu einer konkreten Wirklichkeit in unserem Leben, wenn die Gnade Gottes in unser Innerstes eindringt, es erschüttert und uns die Kraft gibt, die ‚Herzen zu zerreißen’. Es ist noch einmal der Prophet, der von Gott her diese Worte erklingen lässt: ,Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider´ (v.13). In der Tat sind auch heute viele bereit, sich die ,Kleider zu zerreißen´ angesichts von Skandalen und Ungerechtigkeiten – die natürlich von anderen begangen worden sind – , aber wenige nur scheinen bereit, am eigenen ,Herzen´ zu arbeiten, am eigenen Gewissen und an den eigenen Intentionen, und dabei dem Herrn die Wandlung, Erneuerung und Bekehrung zu überlassen.“
Starke Worte des Papstes, an den Einzelnen gerichtet wie auch an die ganze Gemeinschaft, denn der Glaube ist notwendigerweise auch gemeinschaftlich, oder eben kirchlich. Es sei wichtig, sich dessen zu besinnen und dies in dieser Fastenzeit zu leben: Jeder müsse sich bewusst sein, dass der Weg der Buße nicht alleine bewältigt werden könne, sondern gemeinsam mit den vielen Brüdern und Schwestern in der Kirche.
„Ich denke besonders an die Sünden gegen die Einheit der Kirche, an die Spaltungen im Leib der Kirche. Die Fastenzeit in einer intensiveren und sichtbareren kirchlichen Gemeinschaft zu leben, und die Individualismen und Rivalitäten zu überwinden, ist ein demütiges und kostbares Zeugnis für jene, die dem Glauben fern stehen oder gleichgültig sind.“
Die Fastenzeit bringe eine gewisse Aktualität und Dringlichkeit mit sich, mit den Worten des Apostels Paulus „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung.“ (2 Kor 6,2) wies der Papst darauf hin, dass man sich diesen Augenblick „nicht entgehen lassen darf“. Und auch das Tagesevangelium führe in die Haltung der Fastenzeit ein, Jesus spreche im Abschnitt aus dem Matthäusevangelium von den Almosen, dem Gebet und dem Fasten, die ein Weg zur „Rückkehr mit ganzem Herzen“ seien.
„Aber Jesus unterstreicht die Bedeutung der Qualität und der Wahrhaftigkeit der Beziehung zu Gott, die die Authentizität aller religiösen Handlungen bestimmt. Deswegen prangert er die religiöse Verlogenheit an, ein nur äußerliches Verhalten, Handlungsweisen, die Zustimmung und Applaus erheischen. Der wahre Jünger dient nicht sich selber oder dem „Publikum“, sondern seinem Herrn, in der Einfachheit des Großmuts: „Und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“ (Mt 6,4.6.18). Unser Zeugnis wird umso wirksamer sein, je weniger wir unsern Ruhm suchen und wir uns bewusst werden, dass der Lohn des Gerechten Gott selber ist, am Ende des Lebens, im Frieden und Licht der Begegnung mit ihm selbst, von Angesicht zu Angesicht und für immer (vgl. 1 Kor 13.12).“ (rv)