Papst Franziskus tritt am Donnerstag seine wohl kürzeste Reise an: er fährt nach Assisi, um auf den Spuren seines Namensgebers Franziskus in der kleinen Portiuncula-Kapelle zu beten. Denn im Jahr 1216, vor 800 Jahren, erwirkte der der Heilige Franziskus die Gewährung des sogenannten Portiuncula-Ablasses durch Papst Honorius III.. Die sogenannte „Vergebung von Assisi“ ist ein wunderbares Beispiel für die Barmherzigkeit Gottes, die Papst Franziskus in diesem Heiligen Jahr hervorgehoben hat, findet der Franziskaner und Pilgerseelsorger Thomas Freidel im Gespräch mit Radio Vatikan.
Denn in dem Ablass komme die Barmherzigkeit Gottes zum Ausdruck: „Das ist auch etwas, das mit dem Ablass zusammenhängt, da geht es ja darum, dass Schuld, wenn sie vergeben ist, noch negative Folgen hat, die mich oder auch andere belasten. Das ist eine Lebenserfahrung, die uns ja vertraut ist: Wir haben Streit miteinander und versöhnen uns aber trotzdem bleibt da etwas Belastendes, auch andere leiden dann darunter. Dass man dann sagt, das Böse hat zwar negative Folgen, aber das Gute bleibt auch wirksam. Und sich dafür zu öffnen und zu sagen: Ja, ich kann Vergebung finden, Barmherzigkeit bei Gott finden, wenn ich mich ihm öffne und wenn ich eben auch mein Leben in die Hand nehme und mich selber ernst nehme. Barmherzigkeit heißt nicht, dass man diese liebliche Soße über alles darüber gießt und es unter diesem Deckmantel abdeckt. Sondern Gott nimmt uns da schon ernst und deswegen ist das ein Prozess, in den ich auch hineinwachsen darf: Mich selber ernst nehmen, mein eigenes Leben in den Blick nehmen und mich der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen.“
Es bleibt etwas Belastendes
Doch wie kam der Heilige Franziskus auf die Idee, an diesem kleinen Fleckchen Erde, was Portiuncula übersetzt bedeutet, zu den Füßen der Provinzstadt Assisi einen Ablass einzuführen? Entscheidend war folgende Erfahrung: Beim Gebet in seiner kleinen Kirche sei ein Lichtstrahl erschienen, auf dem Altar habe er Christus und zu dessen Rechten die Gottesmutter Maria und Engel gesehen. Christus habe ihm aufgetragen, beim Papst um einen vollständigen Ablass für diejenigen zu bitten, die in die Kapelle als reuige Sünder kämen.
„Das ist so typisch Franziskus: Diesen großen, vollkommenen Ablass gab es damals nur in Jerusalem, in Rom, in Santiago de Compostela und im Heiligtum des Erzengels Michael auf dem Gargano in Apulien. Und er geht zum Papst und bittet um dieses seltene Privileg für diese kleine Kapelle. Er sagt: Ich will sie alle in den Himmel bringen, er will, dass alle in den Himmel kommen. Er möchte diesen besonderen Zugang zum Gnadenschatz der Kirche, diese besondere Aufarbeitung der Schuld eben bei dieser kleinen, bis dahin unbedeutenden Kapelle ermöglicht wird.“
Beim Thema Ablass denken viele vielleicht erst mal an dunkles Mittelalter und finanziellen Missbrauch. „Und da hatten die protestantischen Reformatoren vollkommen Recht, das zu kritisieren und anzuprangern“, sagt Bruder Thomas. „Aber das verdeckt leider das, worum es eigentlich geht. Es geht um die Gemeinschaft der Kirche, wir sind eine große Gemeinschaft derer, die leben und die Verstorbenen. Und die Kirche sieht sich als Bewahrerin dieses Schatzes auch an Gutem, was da ist. Das heißt, die Solidargemeinschaft der Kirche tritt in Kraft, um dem Einzelnen zu helfen. Papst Franziskus ist immer ganz wichtig zu sagen, das Ganze hat nichts mit Geld zu tun, es geht um den persönlichen Willen des Einzelnen zur Umkehr.“
Sichtbare Barmherzigkeit
Der Besuch von Papst Franziskus in der Kapelle, wo der Heilige Franziskus am 3. Oktober 1226 den Tod fand, sei ein besonderes Zeugnis, er sei ganz konzentriert auf diesen speziellen Punkt. Das, was Papst Franziskus in seiner Verkündigung immer wieder betont, dass Gott Liebe und Barmherzigkeit ist, brauche auch konkrete Punkte oder sichtbare Zeichen. Und diese kleine Portiuncula-Kapelle, heute von der großen Basilika umgeben, sei in ihrer Einfachheit und Schlichtheit ein entsprechendes Zeichen dafür: Die Barmherzigkeit Gottes ist da, sie kommt ganz einfach daher.
„Ich denke das ist auch das, was Papst Franziskus so fasziniert, dass im Einfachen, Schlichten und Unscheinbaren diese Größe Gottes erfahrbar wird. Barmherzigkeit und Gott, das sind Begriffe, die sehr hoch stehen – wer kann sie begreifen und erfassen? Hier an diesem kleinen Ort, an dieser einfachen Kapelle…wenn ich in die kleine Portiuncula-Kapelle reinkomme, das ist noch mal eine andere Welt, eine Welt für sich. Es ist wirklich so, dass diese Mauern, diese Wände von Franziskus sprechen. Der Innenraum ist fast unverändert geblieben. Und in diesem Einfachen und Schlichten kann ich diese große Barmherzigkeit Gottes erfahren, da wird sie sichtbar und konkret.“ (rv)