Ein Schritt rigoroser Aufklärung: So sieht Vatikansprecher Pater Federico Lombardi die Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes und der Anklageschrift zum Prozess gegen den ehemaligen Papst-Butler Paolo Gabriele und den Informatiker Claudio Sciarpelletti. Beide Dokumente zum Dokumentenklau im Vatikan waren am Montag der Presse präsentiert worden. Eine solch „umfängliche und komplette Veröffentlichung (…) ohne Abkürzungen und Verdeckungen" sei angesichts der sonstigen vatikanischen Gewohnheiten ein „mutiger" und überhaupt ein „ziemlich ungewöhnlicher" Schritt, unterstrich Lombardi in einem Kommentar, dessen Text Radio Vatikan vorliegt.
Papst vertraut in menschliche Gerichtsbarkeit
Der Papst habe sich für eine Aufarbeitung des Falls durch die Gerichtsbarkeit stark gemacht, so Lombardi:
„Die Entscheidung des Papstes, die Arbeit der Gerichtsbarkeit zu ermutigen, hat ihre eigene Bedeutung und zeigt gewissenhaften Respekt vor der Kompetenz und der Autonomie dieser Institution. Sie zeigt Vertrauen in den Beitrag, den sie auf dem schwierigen und anstrengenden Weg der Wahrheitssuche und der Herstellung der Gerechtigkeit mit menschlichen Mitteln leisten kann."
Benedikt XVI. wird vermutlich nicht in das Verfahren gegen Gabriele eingreifen, wohl auch nicht in Form einer Begnadigung. Dies hatte Lombardi am Montag vor der Presse angedeutet. Die Aufarbeitung des Falls allein durch die Gerichtsbarkeit sieht Pater Lombardi – ähnlich wie die jüngste Bewertung der Geldgeschäfte des Heiligen Stuhls durch Moneyval – als Garantie für Transparenz und Kohärenz. Ein solcher Ansatz könne für Lösungen und die Kommunikation auch in anderen Bereichen der Kirche Vorbild sein, so der Jesuit: Der Beitrag der Gerichte werfe schließlich auch die Frage des Vertrauens in Institutionen auf, „die uns dienen", und ebenso die Frage nach dem Sinn einer vertraulichen Kommunikation, so der Jesuit.
Anklageerhebung bezieht sich auf klaren Kreis
Die Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes und der Anklageschrift markierten nicht das Ende der Untersuchungen und Überlegungen zu den Hintergründen von Vatileaks, so Lombardi weiter. Allerdings sei der Inhalt der beiden vorliegenden Dokumente – eine Veröffentlichung des Berichts der Kardinalskommission zum Fall steht freilich noch aus – auf einen klaren Kreis begrenzt, so der Vatikansprecher:
„Die Sentenz bezieht sich in der Tat auf eine spezifische strafbare Handlung und auf zwei Personen – eine direkt verantwortliche und eine nur sehr indirekt betroffene – und nicht auf einen ausführlicheren Komplex von Ereignissen und Beziehungen, mit deren Untersuchung die Gerichtsbarkeit und eine Kardinalskommission beauftragt wurden, und zwar mit spezifischen Kompetenzen und verschiedenen Perspektiven." (rv)
Schlagwort: Aufklärung
Österreich: Schönborn fordert „Prozess der Läuterung“
Nach den in Österreich bekannt gewordenen Missbrauchsfällen hat Kardinal Christoph Schönborn „echte Umkehr“ von der Kirche gefordert. Neue Glaubwürdigkeit werde die Glaubensgemeinschaft erst erlangen, wenn sie durch einen „Prozess der Läuterung“ gehe, sagte der Kardinal am Donnerstagnachmittag anlässlich der Zweiten Wiener Diözesanversammlung im Stephansdom. Hörbar betroffen erinnerte er dabei vor rund 1.500 Delegierten an die Missbrauchsopfer:
„Was ist mit euch getan worden? Was ist euch angetan worden? Diese Trauer muss uns bewegen, nicht die Frage: Wie geht es schon wieder uns, der Kirche? – Der geht es schlecht. Nein, das schmerzliche Gedenken an das Leiden der Opfer, diese echte Trauer wird allein die Kirche läutern und reinigen.“
In Österreich waren nach Missbrauchsvorwürfen zuletzt drei Patres des Stiftes Kremsmünster ihrer Ämter enthoben worden. Ein 75 Jahre alter Mönch habe mittlerweile gestanden, erklärte Abt Ambros Ebhart in einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Auch in anderen Teilen Österreichs haben sich inzwischen mutmaßliche Opfer von Gewalt und sexuellen Übergriffen aus den 60er und 80er Jahren gemeldet, unter anderem auch zwei Ex-Mitglieder der „Wiener Sängerknaben“. In persönlichem Ton rief Kardinal Schönborn in seiner Impulsrede zu Aufklärung der Missbrauchsfälle auf. Dabei berief er sich auf das Wort Jesu „Die Wahrheit wird euch freimachen“.
„Fürchtet euch nicht vor der Wahrheit, denn sie sieht vor allem das Leiden der Opfer. Die Kirche wird an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn sie durch diesen Prozess der Läuterung geht. Und sie wird deutlicher sichtbar machen, wo von Jesus her ihr Platz ist: Dort, wo vom Menschen das Ebenbild Gottes verletzt, geschändet, missbraucht wird.“
Mit Blick auf die beginnende Diözesanversammlung wies Schönborn auf rasante Veränderungen in Gesellschaft und Kirche hin. Es gelte, diesen Übergang nicht nur einfach zu erleiden, sondern ihn mit zu gestalten. Dabei rief der Wiener Erzbischof zu einer Kirchenöffnung auf – über die Grenzen der eigenen Gemeinden hinweg.
„Eines ist sicher: Wir müssen von manchem Abschied nehmen. Es verändert sich rasant unsere Gesellschaft und mit ihr auch unsere Kirche. Werden wir uns öffnen? Über die Grenzen unserer Gemeinden heraus? Manche orten einen Reformstau. Ich orte mit Sorgen, dass wir uns zu sehr mit uns selber beschäftigen, dass wir unsere Energien zu sehr an die binnenkirchlichen Themen binden. Wie wird eine Kirche aussehen, die wohl deutlich kleiner und deutliche multikultureller geworden ist? Werden wir diesen Übergang nur erleiden, oder ihn auch mit gestalten? Das ist die Herausforderung.“ (rv)
Zollitsch: „Papst stärkt uns den Rücken“
Papst Benedikt XVI. ermutigt die Deutschen Bischöfe zu unbeirrter und mutiger Aufklärung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Das sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, am Freitag im Vatikan. Zollitsch traf das katholische Kirchenoberhaupt bei einer 45-minütigen Unterredung. Dabei informierte der Freiburger Erzbischof den Papst über den Stand der Dinge. Mario Galgano berichtet:
Papst Benedikt XVI. hat den Bericht zur Lage der katholischen Kirche in Deutschland „mit wachem Interesse, großer Betroffenheit und tiefer Erschütterung“ zur Kenntnis genommen, sagte Zollitsch nach dem Treffen vor Journalisten. Zollitsch wörtlich:
„Mir war es wichtig, deutlich zu machen, dass die Deutschen Bischöfe zutiefst bestürzt sind über das, was im kirchlichen Raum an Übergriffen möglich war. Bereits vor einigen Wochen habe ich die Opfer um Entschuldigung gebeten. Das wiederhole ich nochmals hier in Rom.“
Ausdrücklich bekräftigte Zollitsch den Willen der Bischöfe zur Zusammenarbeit mit staatlichen Ermittlern. Allen Geistlichen, Kirchenmitarbeitern und Ehrenamtlichen, die sich sexueller Übergriffe schuldig gemacht hätten, werde zur Selbstanzeige geraten.
„Dem Heiligen Vater habe ich über die Maßnahmen informiert. Ich bin dankbar, dass er mich ermutigt hat, die Umsetzung dieses Maßnahmenkatalogs unbeirrt und mutig fortzusetzen. Wir wollen die Wahrheit aufdecken und eine ehrliche Aufklärung, frei von falscher Rücksichtsnahme, auch wenn es um Fälle handelt, die schon lange passiert sind. Die Opfer haben ein Recht darauf. Wir fordern die Gemeinden und besonders die Verantwortlichen in unseren Schulen und in der Jugendarbeit auf, eine Kultur des aufmerksamen Hinschauens zu pflegen.“
Bei Missbrauchsfällen informiere die Kirchenleitung von sich aus die Strafverfolgungsbehörden, außer wenn dies von den Opfern erklärtermaßen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht gewünscht werde. Ein eigenes kirchliches Untersuchungsverfahren habe weder Einfluss auf die staatliche Untersuchung noch auf die Unterstützung der staatlichen Strafverfolgung. Das Problem des Missbrauchs reiche über die Kirche hinaus, betonte Zollitsch.
„Ich bin dankbar, dass die Bundesfamilienministerin und die Bundesbildungsministerin zu einem großen Runden Tisch aller gesellschaftlich relevanten Gruppen für den 23. April 2010 nach Berlin eingeladen haben, um das Problem sexuellen Missbrauchs und nicht zuletzt auch im Blick auf die möglichen Präventivmaßnahmen, diese Fragen anzugehen. Selbstverständlich sind die Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz dabei. Diesen großen Runden Tisch hatte ich in einem Zeitungsinterview bereits vor zwei Wochen angeregt. Ich bin Papst Benedikt XVI. dankbar, dass er das entschiedene Handeln der Deutschen Bischofskonferenz nachdrücklich unterstützt“. (rv)