Der Streit um die Aufdeckung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche spaltet Belgien. Der Auslöser: Eine Hausdurchsuchung im Bischofspalast in Mechelen, nördlich von Brüssel, bei der die staatlichen Behörden mit den Bischöfen alles andere als rücksichtsvoll verfuhren. Vor einer Woche hatten Polizisten eine Sitzung der belgischen Bischöfe unterbrochen, die Oberhirten neun Stunden festgehalten und währenddessen die Gebäude durchsucht. Nach Angaben des belgischen Justizministers suchten sie vor allem nach Dokumenten, die im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche stehen, zum Beispiel nach Briefen von Opfern pädophiler Priester.
Unter den festgehaltenen Bischöfen war auch der Bischof von Lüttich, Alois Jousten. Unserem Kollegen Mario Galgano erzählt Jousten, wie er jene Stunden in Erinnerung hat.
„Nun, ich habe das so erlebt, dass der Untersuchungsrichter bei uns in den Versammlungsraum rein kam. Er habe einen Durchsuchungsbefehl, sagte er uns. Er müsse über eine Akte zu sexuellem Missbrauch Nachforschungen anstellen. Wir durften deshalb das Haus nicht verlassen. Auf den ersten Blick sah das nicht so schlimm aus. Ich dachte, sie suchen vielleicht irgendein bestimmtes Dossier und die Sache wäre dann erledigt. Keiner von uns konnte ahnen, dass wir dann neun Stunden lang festgehalten werden sollten."
Hatte denn der Untersuchungsrichter Ihnen nicht mittgeteilt, dass die Durchsuchung vielleicht lange dauern könnte?
„Sie konnten uns das nicht sagen. Es gab zwar Andeutungen, dass sie nicht genug Informationen hätten und dass das Erzbistum keine Bereitwilligkeit zur Mitarbeit gezeigt hätte. Ihrer Meinung nach hätten sie als Untersuchungsinstanz selbst die Initiative ergreifen und von sich aus alles durchstöbern müssen. So klang es am Abend."
Und dann wurden sogar zwei Gräber geöffnet.
„Davon haben wir erst im Nachhinein erfahren. Wir waren ja von der Umwelt abgeschnitten. Wir hatten keinen Kontakt mit der Außenwelt. Zuhause haben wir dann in den Nachrichten gehört, dass auch die beiden Gräber von ehemaligen Erzbischöfen von Mechelen durchsucht und sogar geöffnet wurden. Da stehen einem ja die Haare zu Berge, dass so was möglich ist. Es könnte sein, dass jemand gesagt hat, man habe etwas mit ins Grab mitgenommen. Das wurde dann wohl so verstanden, als ob es sich um Papierakten handeln würde."
Wie erklären Sie sich das Verhalten der belgischen Justiz?
„Meines Erachtens handelt es sich hierbei um ein Misstrauen der Justiz gegenüber der Kirche und auch gegenüber der so genannten unabhängigen Untersuchungskommission. Sie ist unabhängig von den Bischöfen. Ich habe den Eindruck, dass der staatliche Untersuchungsrichter der ganzen Angelegenheit nicht ganz traut. Er ist misstrauisch. In anderen Staaten wäre das vielleicht anders gelaufen. Aber hier in Mechelen ist es dann so vor sich gegangen, dass auf der einen Seite dieser entsprechende Richter zusammen mit dem Gerichtsbezirk, und auf der anderen Seite die Bischöfe und die unabhängige Kommission für die Untersuchung von Missbrauchsfällen standen."
Also gibt es einen Konflikt in Belgien zwischen der Justiz und der katholischen Kirche?
„Ich würde nicht sagen, dass da grundlegende Spannungen zwischen Staat und Kirche bestehen. Das kann man nicht daraus schlussfolgern."
Welche Lehre ziehen Sie aus diesem Vorfall in Mechelen?
„Ich hoffe, wenn wir wieder eine unabhängige Kommission errichten, dann soll das – gerade in dieser sehr sensiblen Materie – auch in Absprache mit dem Justizministerium und den entsprechenden Richtern geschehen. Diese Lehre sollten wir daraus ziehen." (rv)
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