Offizielle diplomatische Beziehungen zwischen China und dem Heiligen Stuhl gibt es zwar noch nicht, ein kultureller Austausch zwischen den beiden Staaten besteht allerdings durchaus. Das zeigt eine Initiative der Apostolischen Bibliothek, die in Zusammenarbeit mit der Volksrepublik derzeit eine Ausstellung organisiert.
Auf Einladung einer der wichtigsten Universitäten Chinas war der Bibliothekar und Archivar der Apostolischen Bibliothek, Jean-Louis Bruguès, vor Kurzem in Peking. Am Mikrofon von Radio Vatikan berichtet der Kurienerzbischof über das aktuelle Projekt:
„Wir bereiten gerade eine ungewöhnliche Ausstellung für das Jahr 2017 vor, vielleicht für den Sommer, um dem chinesischen Publikum die chinesischen Handschriften zu präsentieren, die sich derzeit in der Vatikanischen Bibliothek befinden. China hat uns darum gebeten, sie digitalisieren zu können. Ich habe dazu allerdings eine Bedingung gestellt, nämlich eine gemeinsame Ausstellung des Heiligen Stuhles und des kommunistischen China zu organisieren – auch wenn es noch keine diplomatischen Beziehungen gibt. Wir planen also eine Wanderausstellung, die in Peking, Shanghai und noch einer dritten Stadt gezeigt werden soll.“
Kultureller Austausch jenseits religionspolitischer Differenzen – das ist in gewisser Weise typisch für das vatikanisch-chinesische Verhältnis. Bestes Beispiel dafür ist der China-Missionar Matteo Ricci, der sich im China des 16./17. Jahrhunderts durch unaufdringliche Annäherung und respektvollen Kulturaustausch die Gunst des chinesischen Kaisers erwarb und in der Volksrepublik bis heute als ein „Kulturbotschafter“ des Westens verehrt wird. In genau dieser Optik sieht Kurienerzbischof Bruguès auch heute die Funktion der Kultur.
„Als Kulturdiplomatie: Die Hauptaufgabe der Kultur ist meiner Meinung nach, Brücken zwischen den Zivilisationen zu bauen. Und wenn es noch keine diplomatischen Beziehungen gibt, können wir also Beziehungen durch Kultur schaffen. Die Kultur ist sozusagen als das Bemühen des Menschen zu verstehen, sich der Wahrheit anzunähern, dem Schönen und dem Guten. Wir können also eine gemeinsame Anstrengung der Zivilisationen beobachten, und dieses Bemühen ist eine sehr wichtige Brücke. Die Vatikanbibliothek ist so gesehen ein Kulturinstrument des Katholizismus in der Welt, um die Völker einander anzunähern.“
Natürlich unterhalte die Vatikan-Einrichtung viele Kontakte zu anderen nationalen Bibliotheken in aller Welt, berichtet Erzbischof Bruguès. Intensiv sei die Zusammenarbeit etwa mit Japan, und immer wieder mal greife man Bibliotheken in osteuropäischen Ländern wie Bulgarien, Rumänien und Mazedonien unter die Arme, was die Ausbildung und Schulung von Personal betreffe. Derartige Kollaborationen seien dem Papst sogar zusätzliche Investitionen wert, verrät Bruguès – wohingegen der Heilige Stuhl doch ansonsten derzeit nur vom Sparen spricht:
„Als ich dem Papst die Situation (dieser osteuropäischen Länder, Anm. d. Red.) erklärte, hat er sich sehr interessiert gezeigt und unserer Bibliothek zwei weitere Kräfte zugestanden, die dieses Personal (aus Osteuropa, Anm.) empfangen und zu dessen Ausbildung im Bereich der Katalogisierung und der Restaurierung beitragen sollen. Diese Länder sind orthodox – es gibt da also eine nicht nur technische, sondern auch kulturelle und religiös-ökumenische Dimension.“
Auch in Richtung Lateinamerika strecke die Apostolische Bibliothek ihre Fühler aus, so der Kurienerzbischof weiter: „In gleicher Weise bemühen wir uns um Beziehungen zu lateinamerikanischen Bibliotheken, insbesondere zu Kuba, einem weiteren kommunistischen Land, sowie zu Chile – wir haben den Rektor der Universität von Santiago vor ein paar Monaten empfangen – und vielleicht zu Costa Rica.“ (rv)