Der Vatikan hat heute das Päpstliche Schreiben veröffentlicht, das Benedikt XVI. auf der Grundlage der Ergebnisse der Bischofssynode aus dem Jahr 2008 zum Thema Bibel verfasste. Das so genannte nachsynodale Schreiben ist 200 Seiten lang und trägt den Titel „Verbum Domini". In dem Schlüsseldokument fordert der Papst die Gläubigen auf, sich wieder auf die zentrale Rolle der Heilige Schrift für das kirchliche Leben zu besinnen. Über die Interpretation der Bibel heißt es darin:
„Es ist ein grundlegendes Kriterium der Bibelhermeneutik, dass das Leben der Kirche der ursprüngliche Ort der Schriftauslegung ist. Dies verweist auf den kirchlichen Bezug nicht als äußeres Kriterium, dem die Exegeten sich beugen müssen, sondern es ist ein Erfordernis, das in der Schrift selbst und in der Weise, wie sie sich im Laufe der Zeit herausgebildet hat, liegt. Das richtige Verständnis des biblischen Textes ist nur dem zugänglich, der eine lebendige Beziehung zu dem hat, wovon der Text spricht.
Natürlich muß der Nutzen anerkannt werden, der dem Leben der Kirche aus der historischkritischen Exegese und den anderen Methoden der Textanalyse, die in jüngerer Zeit entwickelt wurden, erwachsen ist. Für die katholische Sichtweise der Heiligen Schrift ist die Berücksichtigung dieser Methoden unverzichtbar. Ein wichtiger Beitrag zur Wiedererlangung einer angemessenen Schrifthermeneutik ergibt sich aus dem erneuten Hören auf die Kirchenväter und ihren exegetischen Ansatz."
In dem nachsynodalen Schreiben betont der Papst im Hinblick auf die gemeinsame Geschichte die Bedeutung des Dialogs mit dem Judentum:
„Papst Johannes Paul II. hat zu den Juden gesagt: Ihr seid »unsere „bevorzugten Brüder". Natürlich bedeuten diese Worte keine Absage an den Bruch, von dem das Neue Testament in bezug auf die Institutionen des Alten Testaments spricht, und erst recht nicht an die Erfüllung der Schriften im Geheimnis Jesu Christi, der als Messias und Sohn Gottes erkannt wird. Dieser tiefe und radikale Unterschied beinhaltet jedoch keineswegs eine gegenseitige Feindschaft. Das Beispiel des hl. Paulus zeigt im Gegenteil, daß eine Haltung des Respekts, der Hochschätzung und der Liebe gegenüber dem jüdischen Volk … die einzige wirklich christliche Haltung in einer heilsgeschichtlichen Situation [ist], die in geheimnisvoller Weise Teil des ganz positiven Heilsplans Gottes ist. Wir nähren uns aus denselben spirituellen Wurzeln. Wir begegnen einander als Brüder – Brüder, die in gewissen Augenblicken ihrer Geschichte ein gespanntes Verhältnis zueinander hatten, sich aber jetzt fest entschlossen darum bemühen, Brücken beständiger Freundschaft zu bauen. Ich möchte noch einmal bekräftigen, wie wertvoll für die Kirche der Dialog mit den Juden ist."
Das Schreiben „Verbum Dei" demonstriert darüber hinaus, wie wichtig Benedikt der Dialog mit anderen Kirchen ist. Dabei warnt er jedoch vor Gesten der Einheit, die theologisch nicht untermauert sind:
„Mit Blick auf die Ökumene sind wir überzeugt, daß das gemeinsame Hören und Meditieren der Schrift uns eine reale, wenn auch noch nicht volle Gemeinschaft leben läßt. Es ist daher gut, unter Wahrung der geltenden Normen und der verschiedenen Traditionen die ökumenischen Wortgottesdienste zu vermehren. Diese liturgischen Feiern nutzen der Ökumene. Es muß jedoch darauf geachtet werden, daß sie den Gläubigen nicht als Ersatz für die Teilnahme an der Heiligen Messe angeboten werden."
Das Thema Dialog in der Kirche kann heute nicht mehr ohne einen Blick auf das Gespräch mit dem Islam gedacht werden. Das zeigen Passagen des Papstbriefs zur Bibelsynode, in denen er die Richtung für künftige Dialogbemühungen vorgibt:
„Wir anerkennen, dass in der Überlieferung des Islam viele biblische Gestalten, Symbole und Themen vorhanden sind. Ich wünsche, dass die vor vielen Jahren geknüpften vertrauensvollen Beziehungen zwischen Christen und Muslimen fortbestehen und sich in einem Geist des aufrichtigen und respektvollen Dialogs weiterentwickeln. Die Synode hat den Wunsch geäußert, dass in diesem Dialog die Achtung vor dem Leben als Grundwert, die unveräußerlichen Rechte des Mannes und der Frau und ihre gleiche Würde vertieft werden mögen. Unter Berücksichtigung der Unterscheidung zwischen sozio-politischer Ordnung und religiöser Ordnung müssen die Religionen ihren Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Ein Dialog der Religionen untereinander wäre nicht fruchtbar, wenn er nicht auch die wahre Achtung jedes Menschen einschließen würde, damit dieser seine Religion frei ausüben kann. Achtung und Dialog verlangen Gegenseitigkeit in allen
Bereichen, vor allem was die Grundfreiheiten, und ganz speziell die Religionsfreiheit, betrifft." (rv)
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