Malta kann weder als Hauptschauplatz der Weltpolitik gelten, noch spielt es kirchlich eine übergeordnete Rolle. Und doch: Die Papstreise zum kleinen südeuropäischen Inselstaat hat einen sehr starken Eindruck hinterlassen – besonders auch wegen der Papstbegegnung mit Missbrauchsopfern, aber nicht nur. Hören Sie aus Malta das Fazit unseres Korrespondenten Stefan Kempis zur Papstreise:
Etwas mehr als 24 Stunden hat Benedikt XVI. an diesem Wochenende auf der Insel Malta verbracht – Besuch bei einer selbstbewussten Ortskirche, deren tiefer Glauben und Feierfreude bestechen. Stefan Kempis mit einer Bilanz der 14. Auslandsreise unseres Papstes.
Was hat der Papst getan auf Malta? Er hat mit den Maltesern gefeiert und sie im Glauben gestärkt. Hört sich an wie ein Gemeinplatz – ist aber keiner: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe“, das ist der Auftrag Jesu an Petrus, wie wir gerade an diesem Sonntag im Johannesevangelium gelesen haben. Genau das hat Petrusnachfolger Benedikt auf Malta getan – und er konnte dabei auf einem bemerkenswerten Fundament an Glaubensstärke bei den Einwohnern aufbauen, wie es anderswo in Europa längst zerbröselt ist.
Oft sind bei Reisen dieses Papstes seine Predigten und Ansprachen bemerkenswert – aber diesmal scheint mir das (von seiner ersten auf dem Flughafen abgesehen) nicht so zu sein. Stattdessen war es eine Geste Benedikts, die berührte: sein Treffen mit Missbrauchsopfern. Er hat da den schwierigeren Teil erwählt: Statt eine flammende Rede gegen Missbrauch zu halten, hat er die Anklagen und erschütternden Berichte der Opfer aus-gehalten. Er soll sogar geweint haben vor Scham über die Verbrechen vieler Priester. Ohne diese Begegnung abseits der Teleobjektive wäre das Reiseprogramm Benedikts womöglich peinlich und triumphalistisch erschienen. Aber der Steuermann des Schiffleins Petri ist eben nicht nur im Katamaran an La Vallettas malerischen Mauern entlang gefahren – er hat auch im Stillen bei seinem Treffen mit Missbrauchsopfern Mut bewiesen.
Die eindrucksvollen Reden dieser Reise kamen diesmal nicht so sehr vom Papst – jedenfalls nach meinem Eindruck – als vielmehr von den Maltesern selbst: Beeindruckender Klartext. „Es ist ein Krieg im Gang zwischen Laizismus und Christentum“, sagt Präsident Abela. – „Wir können nicht einfach mit dem Kirchenmodell so weitermachen, wie wir es seit Jahrzehnten gewohnt waren“, sagt Erzbischof Cremona, und: „Wir müssen zurück zu einer Kirche, die demütig genug ist, ihr Versagen und ihre Sünden einzugestehen, aber stark genug, um auf den Heiligen Geist zu setzen.“ – „Die Kirche gibt denen, die an ihrem Rand stehen, das Gefühl, nicht dazuzugehören; wir wünschen uns mehr Verständnis, weniger strenge Urteile“, sagt ein Jugendlicher zum Papst. – „Wir leben wie zwischen zwei Wirklichkeiten eingequetscht“, sagt ihm ein junges Paar: „Wir können doch unsere Kinder nicht einfach zu Gottvertrauen erziehen, wenn die in eine Welt des Konkurrenzkampfs hineinwachsen!“ – „Man nimmt uns oft nicht ernst, man sieht uns als eine negative Kraft“, meint ein Priesteramtskandidat, und weiter: „Wir müssen doch zugeben, dass die Kirche durch Episoden gegangen ist, die man heute kaum noch erklären oder rechtfertigen kann… Und zitternd“ – das ist ein bemerkenswerter Satz aus dem Mund eines Seminaristen – „bitten wir Gott um Vergebung unserer Sünden, und dass er uns von Gefahren fernhält, denn wir wollen anderen keinen Schaden zufügen!“
Also, diesmal war es mindestens ebenso Malta, das zum Papst sprach, wie umgekehrt Benedikt, der zu den Maltesern sprach. Fazit: Man kann nach dieser Reise nicht mehr sagen, der Papst lebe in einem Elfenbeinturm und kriege die Probleme in Kirche und Welt nicht so richtig mit. Die Malteser haben Klartext geredet und dem Papst das gesagt, was viele Katholiken denken. Das Beeindruckende war: Sie haben das mit einer ungebrochenen Glaubensfreude verbunden. Eine bemerkenswerte, sehr souveräne Kombination.
Was hat der Papst getan auf Malta? Er hat die Menschen hier im Glauben gestärkt – aber vor allem hat er sehr genau hingehört. (rv)