Feierliche Zeremonie im Petersdom, Franziskus kreiert 17 neue Kardinäle. Sie kommen aus aller Welt und werden das Gesicht des Kardinalskollegiums weiter verändern. Ein Kommentar von Anne Preckel.
Wie es der Ritus verlangt, schwören die Neuernannten dem Papst ihre Treue, im Notfall bis aufs Blut – deshalb die rote Farbe des Kardinalsbiretts, das der Pontifex seinen Kardinälen verleiht. Was auf den ersten Blick symbolträchtig und etwas überkommen erscheint, dem wird unter Papst Franziskus neues Leben eingehaucht: Vielen der Kirchenmännern, die der Papst an diesem trüben Novembertag in den Kardinalsstand hob, ist Blut ein Begriff, und zwar nicht nur als starkes Symbol.
Er wolle seine normalen Schuhe anlassen, bekannte etwa der Apostolische Nuntius von Damaskus vor seiner Erhebung zum Kardinal. Mit Bescheidenheit hatte das nichts zu tun, eher mit Zeugnis: Daran klebe das Blut syrischer Kinder, das er vors Petrusgrab tragen wolle, führte Mario Zenari aus. Kein Moment, um plakativ zu sein, nein, ganz ernsthaft: Der Nuntius und seine Priester waren in Aleppo und Damaskus wenige Tage zuvor noch über Leichen gestiegen.
Bekanntschaft mit dem Blut hat auch der Erzbischof von Bangui in der Zentralafrikanischen Republik gemacht. Dieudonne Nzapalainga ist der jüngste Neuzugang im Kardinalskollegium und erste Kardinal seines Landes. Immer wieder brechen in dem Bürgerkriegsland Differenzen entlang ethnisch-religiöser Linien auf, Anschläge extremer Muslime, Vergeltungsschläge von Christen, eine perfide Spirale der Gewalt. Nzapalainga ging beherzt auf seine muslimischen Mitbürger zu und brachte eine interreligiöse Friedensinitiative auf den Weg. Und es war in Bangui, nicht in Rom, wo Papst Franziskus die erste der Heiligen Pforten aufstieß.
Einer, der schon vor Jahrzehnten bereit war, sein Blut für die Kirche zu geben, ist der albanische Märtyrerpriester Ernest Simoni. Er war von den Kommunisten aufgrund seines Glaubens zu 18 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden und entging mehrere Male nur knapp dem Tod. Franziskus lernte den drahtigen, wortkargen Mann vor zwei Jahren in Tirana besser kennen und entschied daraufhin, Simoni für sein „Überlebenszeugnis“ mit der Kardinalswürde zu krönen.
Zugegeben, nicht alle der neuen Kardinäle kommen aus solch extremen Kontexten, viele jedoch, wie es Franziskus gefällt, „vom anderen Ende der Welt“ und aus Krisenregionen, die in Europa wenig Beachtung finden: Würdenträger aus fünf Ländern und sieben Diözesen sind dabei, die niemals einen Kardinal stellten, engagierte Seelsorger wie etwa der erste Kardinal Papua-Neuguineas, Erzbischof John Ribat, der sich für Flüchtlinge, Aids- und Malaria-Kranke einsetzt, oder der neue Erzbischof der Diözese Newark in den USA, dem ethnische Vielfalt und Einwanderer keine Angst machen. Auch nicht die Rassenkonflikte in den USA, schon wieder Blut, die die Kirche dort aktuell umtreiben.
Die Liste lässt sich fortsetzen, doch das führte hier zu weit. Halten wir fest: Was Europa gern als „Ränder der westlichen Zivilisation“, Entwicklungsländer oder Risikozonen abstempelt, will dieser Papst ganz nah bei sich und im Herzen der Kirche wissen. Darum geht es, wenn man sich ansieht, wie Franziskus entscheidet, in Punkto Personal und Pastoral. Dass dieser Papst keine Mehrheiten für eine Papstwahl am Schreibtisch austüftelt, muss man wohl nicht noch unterstreichen. Das Kardinalskollegium wird mit ihm internationaler, bunter, weniger europäisch, ja, man könnte auch sagen: Wirklichkeit hält stärker Einzug im Vatikan.
Vor einer Woche waren es im Petersdom noch Obdachlose, die den Marmorboden traten, die Woche davor Häftlinge, an diesem Samstag umarmt der Papst eben Kardinäle – keine disparate Reihe für Franziskus. Er sieht in Barmherzigkeit den Auftrag eines jeden Christen sieht, mit oder ohne Birett. (rv)