D: Erschütterungen und Kritik der Menschen ernst nehmen

Der Anlass waren die Austrittszahlen des Bistums Rottenburg Stuttgart für Februar und März dieses Jahres: 3.500 Menschen wollen nicht mehr Christen sein, eine erheblich höhere Zahl als im letzten Jahr. Bischof Gebhard Fürst wollte das nicht einfach so stehen lassen, sondern wissen, woran das liegt, wo die einzelnen Motivationen liegen:
„Jetzt habe ich alle angeschrieben, mit persönlichem Namen und persönlicher Adresse, also keine anonyme Postwurfsendung oder so etwas, sondern ich habe alle angeschrieben und sie eingeladen, zu einem Gespräch mit dem Bischof – eines im Mai, ein Termin im Juni und im Juli, auch an verschiedenen Orten unserer Diözese – um einfach zu hören, was sie auf dem Herzen haben, was sie bewegt hat, der Kirche den Rücken zu kehren; um ihnen auch zu signalisieren, dass ich das sehr Ernst nehme. Es ist sicher auch über die Personen, die ich eingeladen habe, hinaus ein Zeichen, dass ich mit dieser Vertrauenskrise irgendwie umgehen möchte.“
Umgehen, das heißt für Bischof Fürst aber nicht das Setzen auf schnelle Lösungen, um möglichst viele Menschen von ihrem Entschluss abzubringen. Es geht um die Rückgewinnung des Vertrauens Schritt für Schritt. Deswegen ist sein Gesprächsangebot auch keine Webeveranstaltung, auch wenn er die in der Krise weniger sichtbaren guten Seiten der Kirche aufzeigen möchte. Aber:
„Das ist nicht der Hauptgrund, natürlich nicht. Ich möchte aber andererseits doch auch sagen, wenn es bezogen wäre auf den sexuellen Missbrauch, oder auf die Krise mit den Piusbrüdern und so weiter, dass dies nicht die einzigen Facetten der katholischen Kirche sind. Wir dürfen auch nicht alles Gute, das in der Kirche auch geschieht von Menschen, die Christus nachfolgen in Berufen, im Ehrenamt, in ihrer Gläubigkeit vor Ort, nicht alles auffressen lassen. Aber das ist nicht der Hauptteil dieser Gespräche, sondern das erste heißt zuhören, zuhören, zuhören und Ernst nehmen.“
Hier sieht Bischof Fürst auch eine der Hauptverantwortungen der Bischöfe, in der Krise zu handeln, gemeinsam mit dem Volk Gottes, aber trotzdem in einer besonderen Leitungsverantwortung:
„Wir haben eine Verantwortung, aus der wir uns nicht herausnehmen dürfen und da meine ich, dass wir als Bischöfe die Menschen in ihren Erschütterungen und in ihrer Kirchenkritik auch wirklich ernst nehmen und nicht gleich alles besser wissen.“ (rv)

D: „Unaufgeregt und aufmerksam Vertrauen wieder gewinnen“

Seit etwa acht Wochen wird in den deutschsprachigen Kirchen und in den Medien über Missbrauch gesprochen – seit einigen Wochen auch über den Umgang der Kirche mit Öffentlichkeit und den Umgang der Medien mit der Kirche. Der Medienbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz und Bischof von Rottenburg Stuttgart, Gebhard Fürst, zieht gegenüber Radio Vatikan einige Lehren aus den letzten Wochen:
„Ich habe gelernt oder eine Lernerfahrung bestätigt bekommen, dass wir auf Dinge, die in der Gesellschaft aufkommen, sehr zeitnah reagieren müssen. Wir müssen uns sehr früh in ein konstruktives Gespräch einklinken, damit wir im Gespräch an diesem Medienereignis beteiligt und damit verwoben sind.“
Es sei eine Medienkampagne gegen die Kirche gestartet worden, hat man in den vergangenen Tagen immer wieder mal gehört. Bischof Fürst sieht das differenzierter:
„Ich finde, dass es eine Atmosphäre ist, die sehr angespannt ist, voll hoher Erwartungen vieler Medien an die Kirche hinsichtlich sehr intensiver Mitarbeit, Kommunikationsarbeit, Interviews. Ich sehe aber auch, dass das eine sehr unterschiedliche Landschaft ist. Ich erlebe Medien und einzelne Redakteure und Journalisten, die sehr fair mit der Situation umgehen. Ich erlebe aber auch andere, die eine vorgefertigte Meinung haben, die in einer gewissen Ideologie verankert ist, in welche die ganzen Informationen hinein genommen werden. Es gibt einen breiten Fächer von verschiedenen Reaktionsweisen.“
Die derzeitige Krise der Kirche betreffe aber nicht nur den Umgang mit Missbrauch, so Fürst:
„Wir haben eine große Vertrauenskrise in der katholischen Kirche in Deutschland. Es ist meine große Sorge, dass wir in unserer Verkündigung dadurch ins Leere laufen. Deshalb müssen wir in der Zukunft relativ unaufgeregt, aber mit großer Aufmerksamkeit schauen, wie wir dieses verlorene Vertrauen bei vielen Leuten wieder zurückgewinnen können. Je weiter weg die Menschen von der Kirche sind, umso geringer ist das Vertrauen geworden. Und dann erreichen wir sie kaum und können nur ganz, ganz schwer, wenn überhaupt, Vertrauen zurück gewinnen.“ (rv)