„Die Qualität des Zeugnisses erhöhen“ – zum Arbeitsdokument für die Bischofssynode 2012

Der Vatikan hat an diesem Dienstag das so genannte „Instrumentum Laboris", das Arbeitspapier für die Weltbischofssynode zur Neuevangelisierung, veröffentlicht. Die Synode beginnt am 7. Oktober, wenige Tage vor Beginn des von Benedikt XVI. ausgerufenen „Jahres des Glaubens", und geht bis zum 28. Oktober. Zur Vorbereitung der Synode war im März 2011 das erste Vorbereitungsdokument, die so genannte „Lineamenta" vorgestellt worden. Unser Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord hat beide Dokumente gelesen.

Pater Hagenkord, was für ein Dokument ist das heute veröffentlichte Arbeitspapier genau?

Der lange Text – es sind über 80 Seiten – ist und liest sich als eine Fortschreibung des ersten Vorbereitungstextes, also der so genannten „Lineamenta". Das war ein ähnlicher Text, etwas kürzer, der dem Projekt der Bischofssynode einen ersten Aufgabenumriss gegeben hat.
Damals wurden nach jedem Kapitel Fragen gestellt mit der Aufforderung, diese im Bistum oder im Orden zu besprechen. Diese Antworten bilden nun die Fortschreibung. Man hat das Gerüst des ersten Dokumentes genommen und dann mit den Impulsen aus der Ortskirche weiter gearbeitet.
Das Ganze ist eindeutig kein Katechismus und kein fertiges Dokument, man merkt ihm an, dass es für die Weiterarbeit gedacht und geschrieben ist.

Was sind denn die Unterschiede zwischen dem ersten und dem zweiten Text?

Der zweite ist eindeutig weniger abstrakt. Beim ersten, den Lineamenta, war ganz allgemein und sehr theologisch und spirituell ein Rahmen formuliert worden. Diesem Text merkt man nun an, dass die Praxis eingeflossen ist. Das soll nicht heißen, dass er weniger profund ist, aber die Antworten aus den Ortskirchen haben den Charakter des Textes geändert. Damit wird die Synode, wenn sie im Oktober tagt, sicherlich etwas anfangen können.

Aber muss denn nicht ein Text aus Rom, der für die ganze Kirche gelten soll, notwendigerweise allgemein sein, ja vielleicht ein wenig abstrakt?

Das könnte man meinen, aber dies ist wirklich ein pastoral ausgerichteter Text. Er beginnt damit, die verschiedenen Bezüge herzustellen: Das Konzilsjubiläum, das Jahr des Glaubens usw., dann spricht er aber auch die problematische Situation der Kirche an und die Notwendigkeit, über eine Erneuerung zu sprechen, und zwar in der ganzen Kirche, nicht nur im alten Westen. Das zeigt, dass das Dokument seinen Ort in der Debatte hat und nicht wie ein Einzelstück herausragt.
Dann ist es die theologische Sprache, die gewählt wurde: Der Text stellt die Begegnung mit Christus vor, er spricht davon, die Menschen hineinzunehmen in die Beziehung Gottes. Das ist sehr pastoral und deswegen sehr praktisch. Eben genau für die Ebene gedacht, auf der Neu-Evangelisierung stattfinden muss, nämlich vor Ort.

Die Weltbischofssynode vom Oktober steht unter dem Titel „Die Neue Evangelisierung für die Weitergabe des christlichen Glaubens". Nun ist das Wort „Neuevangelisierung" nicht wirklich beliebt, zumindest nicht in der deutschsprachigen Kirche. Was genau soll das sein?

Neue Evangelisierung soll nicht einen Zustand von früher wieder herstellen. Sie ist keine Taktik, um mehr Mitglieder zu gewinnen. Sie will Veränderung, und das meint vor allem zuerst die Veränderung aus sich selbst, von der Kirche selbst.
Es ist richtig, wirklich beliebt ist das Wort nicht, aber es ist das hier in Rom eingeführte Wort, das letztlich auf Papst Paul VI. zurück geht. Wir würden das eher missionarische Seelsorge nennen, gemeint ist genau das Gleiche.

Was genau soll laut Arbeitsinstrument die Synode im Oktober denn leisten?

Sie soll eine Revisionsarbeit leisten, und zwar soll neu nachgedacht werden, wie Kirche unter Menschen heute sein und leben und verkünden kann. Es ist keine Neuerfindung von Kirche, aber auch nicht das Trauern um das Alte. Es geht um das Heute. Und hier werden in Sachen Analyse der Gegenwart erste Schritte gemacht, die die Synode selbst sicherlich noch vertiefen wird, etwa in der Frage der ökonomischen oder sozialen Bedingungen, der Globalisierung, oder auch in der Veränderung der Medienwelt. Das sind neue Bedingungen für die Kirche – und unter denen muss sie sich neu finden.

Auch vom Phänomen der Migration und den Folgen der Säkularisierung für das Glaubensleben ist in dem Dokument die Rede. Sie haben gerade das Stichwort „Veränderung auch von innen" genannt. Geht es auch um eine Reform der Kirche?

Nicht ganz. Es geht schon um Verkündigung. Im ganzen Dokument wird sehr klar, dass es um die Natur der Kirche geht, also um ihren Auftrag, das Evangelium Jesu Christi zu leben und weiter zu geben. Das Wort ‚Reform’ meint ja eher die Struktur. Bei dem Projekt der neuen Evangelisierung soll es schon um den Kern gehen, also um das Leben des Glaubens und dessen Weitergabe. Um eine Formulierung des Textes zu verwenden: Evangelisierung will neues Leben für jede menschliche Erfahrung. Sie will keine Sonderwelt namens Kirche oder Glauben, sondern die ganze menschliche Welt, wie sie eben heute ist, für den Glauben öffnen.
Das ist das Projekt der Synode, und diesen Geist atmet auch das „Instrumentum Laboris". (rv)

Wuerl: „Propositiones betonen Einheit der Kirche bei Neuevangelisierung“

Einer der wichtigsten Aspekte, die bei der Synode behandelt wurden, sei die Einheit der Kirche. Dies sagte der Generalrelator der Bischofssynode, Kardinal Donald Wuerl an diesem Samstag bei der Vorstellung der 58 Propositiones oder Vorschläge, die aus der Mitte der Bischofssynode an den Papst überreicht werden. Die Kirche müsse gemeinsam positiv in die Zukunft schauen. Zentral sei dabei vor allem eine Frage:

„Wie bringen wir den Glauben der Kirche in diese sehr moderne, säkularisierte und komplexe Welt?’ Dieses Ziel kam immer wieder bei der Synode zur Sprache und reflektiert sich auch in den Propositionen: Einheit bei dem, was die Kirche tun muss, warum sie es tun muss und wohin sie gehen will"

Was Neuevangelisierung eigentlich ist und in welcher Weise sie mit der Welt in Verbindung steht, sei ein weiterer wichtiger Punkt, der die Propositionen verbinde, so Wuerl. Außerdem befassen sich die Vorschläge mit möglichen Orten der Neuevangelisierung wie etwa Schulen oder Krankenhäuser. Nicht zuletzt beantworteten die Synodalen in ihren Vorschlägen auch die Frage, wer für die Neuevangelisierung zuständig sei:

„Und zwar jeder von uns. Die Vorschläge sprechen beispielsweise über die Familie, junge Leute, Priester und Ordensleute, aber auch über die Rolle eines jeden einzelnen in der Gemeinschaft der Kirche. Die Diskussion wird mit der Proposition 57 abgeschlossen, die maßgeblich ist: Sie ist eine Zusammenfassung dessen, was wichtig ist, um den Glauben weiter zu tragen und spricht von den dafür nötigen Elementen. Erstens ist das eine Vertiefung des Glaubens, zu der jeder Gläubige aufgerufen ist, zweitens das unbedingte Vertrauen in Gott und seinen Glauben und das dritte ist einfach: dies alles zu teilen."

Zum Abschluss der Vorschläge, in der 58. Proposition, wird der Maria als „Stern der Neuevangelisierung" gedacht. Ihr Beispiel sei maßgeblich für das weitere Wirken der Neuevangelisierung bei den Völkern der Welt. Die Propositionen werden nun dem Papst überreicht, der dann das Abschlussdokument der Bischofssynode verfasst. (rv)

Libanon/Syrien: Konflikt betrifft die ganze Region

Die Lage im Nahen Osten stand in diesen Tagen im Zentrum der Aufmerksamkeit der Synodalen. Wenn die Bischofssynode in Rom beendet ist, soll die vom Papst und der Synode entsandte Delegation nach Syrien aufbrechen. Der designierte Kardinal und Patriarch der Maroniten von Antiochien, Béchara Boutros Raï, erinnert im Radio Vatikan-Interview daran, dass die Delegation eine Solidaritätsbekundung für die Menschen in Syrien sein solle – und natürlich ein Aufruf zum Frieden und zur Versöhnung.
Raï geht davon aus, dass die Delegation eine Geste der Hoffnung für alle sein wird, die unter der tragischen Situation in Syrien leiden. Sie sei ein konkreter Weg, zu zeigen, dass die Kirche Anteil nehme und sich Frieden in Syrien wünsche. Frieden, der durch Dialog und Absprachen erreicht werde und nicht durch Gewalt und Krieg. Die Kirche unterstütze auf diese Weise eine nationale Versöhnung. Was das Attentat im Libanon betreffe, das in der vergangenen Woche den Nahen Osten erschüttert hatte und dem acht Menschen zum Opfer gefallen sind, so sei dieses allerdings leider vorhersehbar gewesen. Der hochrangige Geheimdienstmitarbeiter Al Hassan, der bei dem Attentat ums Leben gekommen ist, habe mehrfach Drohungen erhalten und deswegen die letzte Zeit hauptsächlich im Ausland verbracht, so Raï:

„Ich bin bestürzt über dieses Attentat. Man kennt das Motiv dafür: Al Hassan hatte ein Komplott aufgedeckt, das schweren Schaden angerichtet hätte. Dabei wäre Sprengstoff zum Einsatz gekommen, den ein früherer Minister in den Libanon eingeführt hatte. Al Hassan hat das entdeckt und angezeigt. In jüngster Zeit musste er im Ausland leben. Alle hatten ihm geraten, nicht wiederzukommen, denn er wurde bedroht. Nicht einmal 24 Stunden nach seiner Rückkehr ist er nun ermordet worden."

Der Hauptkonflikt im Libanon und der Region sei durch Spannungen zwischen sunnitischen und schiitischen Muslimen bedingt, so der Patriarch. Er habe sich mit dem libanesischen Präsidenten Michel Suleiman, einem Christen, getroffen und zu Besonnenheit geraten, damit die Geschehnisse korrekt aufgeklärt werden können:

„Der Präsident hat dann eine Beratung abgehalten, um herauszufinden, ob es nötig ist, die Regierung zu entlassen oder nicht: Aktuell ist der Premierminister Sunnit, und einige fürchten, er könnte Beziehungen nach Syrien haben oder zu sunnitischen Kreisen. Aber: Es ist überhaupt noch nicht gesagt, ob wirklich Syrer hinter dem Attentat auf Al Hassan stecken. Wir können das nicht einfach so behaupten. Und wer auch immer es war – es scheint, dass sich die Situation wieder beruhigt."

Dennoch sei die Situation aufgrund der Lage in Syrien sehr kritisch. Alles, was im Nachbarland passiere, schlage sich auch im Libanon nieder. Das gelte insbesondere für die Tatsache, dass sich in Syrien ein blutiger Konflikt zwischen der sunnitischen Mehrheit und der alawitischen Regierung abzeichne. Hier gebe es Parallelen auch zum Libanon:

„Im Libanon gibt es sowohl Sunniten als auch Alawiten – und die syrischen Probleme schlagen sich hier ebenfalls nieder. Dazu kommt, dass die Libanesen unter sich gespalten sind: Die Sunniten sind gegen die Regierung, die Schiiten hingegen sind für sie. Der Konflikt ist politischer Natur. Wenn er in diesem Ambiente bleibt, dann wird bald wieder Normalität einkehren. Wenn diese Grenze aber überschritten wird – was ich allerdings nicht glaube – dann könnte sich die Lage im Libanon verschlimmern."

Die Christen seien sich in dieser Situation uneins: Aufgrund der politischen Bündnisse hätten sich einige mit den Sunniten verbündet, andere mit den Schiiten. Der Patriarch hat eine klare Botschaft an die Christen:

„Wir rufen sie dazu auf, ein Bindeglied zwischen beiden zu sein! Die Christen sollten eine Brücke zwischen Schiiten und Sunniten sein, denn dieser Konflikt betrifft die ganze Region." (rv)

Neuevangelisierung ist keine europäische Angelegenheit

Europa könne von Asien in Sachen Neuevangelisierung lernen. Das sagt der Erzbischof von Mumbay, Kardinal Oswald Gracias, im Interview mit Radio Vatikan. Die Erneuerung des Glaubens unter der Überschrift der Neuevangelisierung war mit Blick auf die christlich geprägten Kontinente begonnen worden und so war auch die Bischofssynode in Rom vorbereitet, an der der Kardinal teilnimmt.

„Ich habe mir genau darüber Sorgen gemacht, denn ich habe befürchtet, dass wir durch diesen Fokusaußen vor bleiben würden. Aber während der Synode habe ich dann verstanden, dass wir alle diese Erneuerung der Evangelisierung brauchen. Für uns bedeutet Neuevangelisierung den Dialog mit den anderen Religionen, mit den Kulturen in unserem Land, den Dialog mit den Armen: in unserem gesellschaftlichen Kontext ist das sehr bedeutsam für uns."

Er sehe konkret zwei Dimensionen der Verkündigung: Nach innen zur Erneuerung des eigenen Glaubens und nach außen zur Verbreitung und zum Dialog. Indien habe aber auch für die anderen Kontinente, und vor allem dem Westen, etwas anzubieten, so Gracias:

„Asien und besonders Indien, das ich besser kenne, ist ein sehr spirituelles Gebiet. Gott ist ein Teil des Lebens aller Inder und in anderer Weise gilt das auch für ganz Asien: Hindus, Muslime, Buddhisten. Ich denke, dass Asien der Welt verstehen helfen kann, dass trotz des materiellen Fortschritts Gott wichtig ist. Trotz dieses Fortschritts ist Gott für uns wesentlich. Wir können ohne Gott nicht leben, das ist der Punkt."

Das gleiche gelte aber ebenso umgekehrt, auch Asien könne lernen. Er selbst habe auf jeden Fall etwas gelernt. Die pastoralen Herausforderungen in Lateinamerika, die kulturellen und religiösen Auseinandersetzungen überall auf der Welt, der Glaubensschwund in Europa: Das alles seien Eindrücke, die er von der Synode mit nach Indien zurück nehme:

„Meine Wahrnehmung der Kirche hat sich in diesen Wochen geweitet. Ich nehme den Enthusiasmus, den Mut und die Ideen mit, die sich hier gezeigt haben." (rv)

Synode: Das Neue muss wirklich neu sein

Eine rein inhaltliche Einigung bei der Synode in Punkten des Glaubens werde nicht helfen. Denn der moderne Mensch werde nur dann zum Glauben finden, wenn er jemandem begegne, der ihm wirklich etwas zu sagen habe. Das sagt Pater Heinrich Walter im Interview mit Radio Vatikan. Pater Walter ist Generaloberer der Schönstatt-Patres und als Delegat bei der Bischofssynode im Vatikan dabei. Er habe immer wieder gestaunt, wie häufig bei den Beratungen von der Selbstevangelisierung die Rede sei. Es gebe ein beachtliches Bewusstsein dafür, dass die Kirche auch Schuld trüge an den Entwicklungen, die jetzt sichtbar seien:

„In der deutschsprachigen Gruppe ist zum Schluss eine Formulierung gestanden, dass wir und die Bischöfe uns auch entschuldigen wollen, dass sich sie bewusst sind und um Vergebung bitten nicht nur für die Fehler sondern für das, was man nicht getan hat, um als Christen und als Leiter der Gemeinden mit den Zeitentwicklungen richtig mitzukommen."

Die Suche nach der Schuld draußen, bei den –,ismen´ wie Säkularismus etc. – sei einfacher, aber viele sähen doch, dass die Kirche selbst eine Mitverantwortung trüge, allein durch die Weise, wie sie mit der Welt und der eigenen Glaubensgemeinschaft umgegangen sei. Er denke, dass für die Zukunft die Gemeinschaft das Zentrale sei, denn der Glaube komme vom Hören und vom Zeugnis, so Pater Walter.

„Neuevangelisierung darf nicht einfach eine etwas geänderte herkömmliche Evangelisierung sein. Diese Befürchtung habe ich allerdings, dass jetzt gegen Ende [der Synode] das mehr in den Vordergrund gerät, wir müssten dies und das nur ein wenig besser machen und hier und dort was verändern und dann werde es sich wieder zurecht rütteln. Das wird es eben nicht. Zum Beispiel bin ich der Überzeugung, dass das „neu" heißen muss, dass es keinen Sinn hat, weiterhin zu glauben, dass irgendwann ein Aufbruch kommt und die Feier der Sakramente von alleine wieder geschehen wird."

Das Neue in der Neuevangelisierung müsse wirklich ernst genommen werden. Darüber werde in den Debatten der Synode gestritten, aber auf eine gute Art, wie Pater Walter findet:

„Ich habe bisher nicht den Eindruck, dass es da zwei oder drei Lager gibt. Man spürt bei einigen Beiträgen, dass sie eher konservativ sind – wie man traditionell sagt – sich also im Bewahren des Bisherigen zentrieren und die anderen nach neuen Methoden und neuen Wegen suchen, aber ich erlebe das bisher nicht als Gegensatz. Ich erlebe in der Synode eine beachtliche Qualität des Zuhörens." (rv)

Syrien/Vatikan: „Vatikandelegation reist später“

Die Delegation des Vatikans nach Syrien wird wohl erst nach Abschluss der Bischofssynode aufbrachen. Das kündigte Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone an diesem Dienstag bei der Bischofssynode an. Die Delegation werde ebenfalls womöglich in einer anderen Zusammensetzung nach Syrien reisen als bisher geplant. Die derzeit tagende Bischofssynode zur Neuevangelisierung im Vatikan wolle mit der Delegation ein konkretes Zeichen der Solidarität mit dem syrischen Volk setzen. Der Papst hatte die Initiative der Bischöfe aufgegriffen.

In Syrien gehen die Kämpfe derweil weiter. Vor allem die Menschen in Damaskus und Aleppo leiden unter der Gewalt. Sie hoffen auf eine Waffenruhe zum islamischen Opferfest, das am kommenden Donnerstag beginnt. Die Vereinten Nationen erwägen in diesem Fall, eine Friedenstruppe nach Syrien zu entsenden. Ein Mitarbeiter der italienischen Redaktion von Radio Vatikan, Cristiano Tinazzi, ist soeben aus Aleppo nach Rom zurückgekehrt. Er berichtet von Gewalt und Flüchtlingsnot, aber auch von großer Solidarität der Zivilbevölkerung in Syrien.

„Es ist eine Situation extremen Leids für die Zivilbevölkerung hier. Wer kann, geht weg und versucht aus Syrien zu fliehen. Das Problem ist nur, dass sie jetzt im Land festsitzen. Es hat sich ein Flüchtlingslager mit etwa 9.000 Personen gebildet, die nicht in die Türkei fliehen können, weil dort das Flüchtlingslager voll ist. Sie befinden sich in einem Niemandsland und warten, das sie weiterreisen können."

Trotz dieser Extremsituation hätten die Bürger ihre Solidarität untereinander nicht über Bord geworfen. Tinazzi:

„Ich habe einen Bombenanschlag auf das Krankenhaus von Al Chifa in Aleppo miterlebt. Wenige Sekunden, vielleicht eine Minute nach dem Anschlag, kamen Leute mit ihren Autos und halfen den Verletzten, sie zogen sie aus den Trümmern und riskierten ihr Leben, denn der Beschuss mit Gewehren ging weiter. Die Opfer kommen dann in anderen Familien unter, man teilt die wenigen Dinge, die man hat.. Wie in Sarajewo damals bilden sich Schlangen, um für Brot anzustehen, schon früh um sieben stehen die Menschen da, Männer , Frauen und Kinder."

Aus Sicht des Journalisten hat die Welt noch nicht begriffen, wie schockierend die Situation in Syrien tagtäglich ist.

„Der Alltag in Syrien ist wirklich Horror. Uns Journalisten reichte eine Woche in Syrien, um durch die Realität in dem Land traumatisiert zu werden. Wir wussten aber zumindest, dass wir wieder zurück konnten. Die meisten Syrer haben keinen Ort, wo sie hinkönnen." (rv)

Vatikan: Trotz Gewalt – Delegation nach Syrien

Trotz der Gewalt in Damaskus halten der Heilige Stuhl und die derzeit tagende Bischofssynode daran fest, eine Delegation nach Syrien zu schicken. Das bekräftigte an diesem Montag der Leiter des vatikanischen Pressesaals, Jesuitenpater Federico Lombardi. Die Reise solle „so schnell wie möglich stattfinden, um effizient Solidarität, Frieden und Versöhnung voranzubringen, trotz der schwerwiegenden Ereignisse in der Region". (rv)

Synodentelegramm: Entwurf der Schlussbotschaft vorgestellt

Auf der Bischofssynode im Vatikan ist an diesem Samstag der erste Entwurf der Schlussbotschaft vorgestellt worden. Die Bischöfe, die über das Thema Neuevangelisierung beraten, können Änderungen vorschlagen und am nächsten Freitag dann über einen endgültigen Text abstimmen. Der Entwurf betont, dass alle Christen, Geweihte wie Laien, zur Verkündigung des Evangeliums berufen seien. Die Frohe Botschaft sei kein Marktprodukt, darum würden zur neuen Evangelisierung auch keine neuen Strategien gebraucht. In dem Entwurf werden auch Familien, junge Leute und Politiker direkt angesprochen, außerdem gibt es eigene kurze Absätze zu jedem einzelnen Kontinent; der Text unterstreicht die Bedeutung des interreligiösen Dialogs, der Caritas und des Engagements im Erziehungswesen. Entscheidend sei, dass die Christen ihre Angst im Glauben überwänden und Mut fassten, um das Evangelium in die Welt hinauszutragen.

Bereits am Freitagabend hat der Vatikan die Redetexte von der Vormittagssitzung der Bischofssynode veröffentlicht. Auf der Sitzung im Plenum berichteten Bischöfe von den Debatten in den einzelnen Sprachgruppen. Danach regte Erzbischof Rino Fisichella an, „den Begriff Neuevangelisierung genauer zu definieren". Er verlangte „eine ernsthafte Gewissenserforschung über einzelne Bereiche der Seelsorge, die im Lauf der Zeit eingeschlafen sind". In jedem Bistum sollten „ein oder zwei Orte benannt werden, wo die Gläubigen immer einen Priester dazu bereit finden, um ihnen auf ihrem Weg der Bekehrung zu helfen". Bischöfe sollten sonntags wieder in ihrer eigenen Kathedrale predigen. Fisichella leitet den von Papst Benedikt gegründeten Rat für Neuevangelisierung.

Kardinal (Anm. von VH: Erzbischof) Philip Tartaglia, Erzbischof von Glasgow in Schottland, schlug vor, dass der Katechist „ein stabiles Amt innerhalb der Kirche" werden solle. Die Neuevangelisierung werde scheitern, wenn die Kirche nicht stärker auf die Frauen setze und „die ernsthaften seelsorglichen Probleme rund um die Ehe" angehe.

Der Bischof von Fréjus-Toulon in Frankreich, Dominique Rey, wies auf die Wichtigkeit der „Einführung ins Christentum" und des Katechumenats hin, „für Anfänger wie für Neustarter". Seine Sprachgruppe wolle die vatikanischen Behörden bitten, „die katechetische und sakramentale Praxis der Initiation ins Christentum komplett zu revidieren". Aus der Neuevangelisierung in Gebieten, wo es das Christentum schon lange gebe, könne außerdem eine Art „Welt-Mission" werden. Der Papst könne diese „Welt-Mission" im Lauf des jetzigen „Jahres des Glaubens" ausrufen, schlug Rey vor.

Der Bischof von Basel, Felix Gmür, hat am Freitag vor Journalisten erneut um mehr Verständnis in der Kirche für geschiedene und wiederverheiratete Personen geworben. „Wie sprechen wir denn die Leute an, die in etwas anderen Familienformen leben?", fragte Gmür. Er kenne ein Paar, „das seit fünfzig Jahren zusammen ist"; beide Partner seien zuvor kurz mit einem anderen verheiratet gewesen. Gmür wörtlich: „Gelten denn diese fünfzig Jahre gar nichts in unseren Augen?" Die Kirche könne doch entweder ihre Regeln im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen überdenken oder „den Pfarrern eine besondere Verantwortung in dieser Sache zusprechen". (rv)

Bischofssynode: Die wiederverheirateten Geschiedenen

Es war der italienische Bischof Bruno Forte, der als erster im Plenum bei der Bischofssynode das Thema der wiederverheirateten Geschiedenen angeschnitten hatte, und das bereits an einem der ersten Tage. Seitdem kam das Thema immer wieder vor, mal explizit, mal als Teil des Themas Familie. Erzbischof Robert Zollitsch ging in einer Pressekonferenz an diesem Freitag noch einmal explizit auf eine dieser Fragestellungen ein. Es sei nicht nur Europa gewesen, das diese Frage stelle: Die wiederverheirateten Geschiedenen seien bei der Synode vor allem von Afrika in die Debatte gegeben worden. „Das ist nicht ein typisches Problem Mitteleuropas", so Zollitsch. „Dass die Pastoral an diesen Eheleuten bis hin zu den gescheiterten Ehen und den Wiederverheirateten eine wichtige Aufgabe ist, kam immer wieder durch und es bestärkt mich auch, zu schauen, welche Wege es für uns gibt."

Seiner Einschätzung nach werde die Synode etwas zum Thema der Familie sagen, so Zollitsch weiter, vor allem zur Familie als Ort der Glaubensverkündigung und als Kirche im Kleinen. Die Situation sei weltweit sehr verschieden, als Deutschsprachige wollten die Synodalen aber auch die Frage des Scheiterns und der Scheidungen mit in den Blick nehmen.

Rückblickend auf die Debatte um die Bedeutung und Rolle der Familie fand Zollitsch aber auch kritische Töne: „Es bestand zum Teil die Gefahr der Idealisierung, nach dem Motto: Es kommt nur auf die Familie an." Da sei der Blick auf die Scheidungen, gemischt konfessionelle Ehen und so weiter wichtig. (rv)

Tag der Deutschsprachigen auf der Synode

Gleich vier Bischöfe aus dem deutschen Sprachraum haben an diesem Dienstag auf der Bischofssynode im Vatikan das Wort ergriffen. Der Schweizer Kardinal Kurt Koch, der den Päpstlichen Einheitsrat leitet, sagte, es wäre eine positive Geste, wenn die Synode die anderen kirchlichen Gemeinschaften dazu einladen würde, die Neuevangelisierung zu einer gemeinsamen Aufgabe zu machen. Der Eisenstädter Bischof Ägidius Johann Zsifkovics erinnerte an das Denken von Teilhard de Chardin, das ihm heute aktueller scheine denn je, vor allem angesichts der Trennung von Glauben und Leben in der modernen Gesellschaft. Der Bischof von Basel, Felix Gmür, erzählte uns, worum es ihm in seinem Redebeitrag ging:

„Für mich ist sehr wichtig, dass man auf das Volk Gottes hört: Was sind die wirklichen Anliegen? Damit man auf konkrete Fragen auch konkrete Antworten geben kann. Das Zweite ist, dass man sich der Situation bewusst wird, dass viele Pfarreien ohne Priester sind und dass man die Laien, die dort tätig werden, mit einem Auftrag ausstattet, einer offiziellen Anerkennung durch die Kirche!"

Auch der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst verriet uns schon vorab, was er an diesem Dienstag vor den Synodenvätern ansprechen wollte:

„Was mir auf vielen Beiträgen als sehr dringlich entgegengekommen ist, ist der Ruf nach einer Selbstevangelisierung der Kirche. Das bedingt die Frage: Wo kann das ansetzen? Ich selbst will in meinem Beitrag darauf zu sprechen kommen, dass wir dort, wo wir uns den Suchenden zuwenden (etwa den Katechumenen), durch die Begegnung mit ihren Lebenswegen und ihrer Biografie selber auch noch einmal in die Evangelisierung hineinfinden können."

Selbstevangelisierung setze aber nicht unbedingt ein großes kirchliches Mea Culpa für Fehler der Vergangenheit voraus, so der Limburger Bischof. Ein solches Schuldbekenntnis hatten einige Synodenteilnehmer vorgeschlagen.

„Ich würde es nicht auf den Begriff „Fehler der Vergangenheit" reduzieren: Das ist zu vordergründig. Es geht um die Umkehr des Einzelnen, Umkehr als eine bleibende Einladung des Evangeliums, das ist viel, viel mehr. Bei Fehlern der Vergangenheit hat man schnell den Eindruck, als ginge es darum, jetzt irgendwas abzurechnen oder jemandem Schuld zuzuweisen – darum kann es überhaupt nicht gehen! Wir haben das Bild eines barmherzigen Gottes, der uns immer wieder einlädt, die Umkehr selbst in unserem eigenen Leben zu suchen."

Er halte es auch für wichtig, „noch einmal darüber nachzudenken, was Säkularisierung in unserer Welt heute bedeutet", so Bischof Tebartz-van Elst:

„Ein Phänomen, das sich auf anderen Kontinenten im Vergleich zu Europa sehr unterschiedlich darstellt. Hier sollten wir Chancen, aber auch Grenzen sehen. Ich glaube, das herauszufinden und herauszuspüren ist die hohe Kunst, wenn wir uns auf Wege der Evangelisierung einlassen wollen."
(rv)