Pakistan: Blasphemiegesetzt bleibt umstritten

PakistanImmer wieder wird die Abschaffung des sog. Blasphemiegesetz in Pakistan gefordert. Gotteslästerung werde zum Vorwand genommen für Übergriffe gegen Minderheiten, so internationale Menschenrechtsgruppen und katholische Hilfswerke wie zum Beispiel „Missio". Zuletzt kam es zu Gewalttätigkeiten gegen Besucher einer christlichen Kirche, bei der 120 Menschen starben.

Joseph Coutts ist Erzbischof von Karachi. Im Gespräch mit Radio Vatikan betont er, dass das Blasphemiegesetz leicht missbraucht werden könne. Man dürfe nicht extremistische Minderheiten mit dem Islam gleichsetzen.

„Das Gesetz wendet sich eigentlich nicht direkt gegen Christen. Das Problem ist, dass das Gesetz sehr leicht missbraucht werden kann. Das Gesetz kann auch einen Moslem treffen. Wenn erst einmal jemand der Blasphemie angeklagt wird, ist es sehr schwierig seine Unschuld zu beweisen. Es wird noch gefährlicher, wenn der Imam über die Lautsprecher der Moschee verkündet, dass jemand blasphemisch geredet hat. Das ist 2009 in einer kleinen Stadt namens Gojra passiert, worauf hin ohne Überprüfung der Tatsachen das Christenviertel überfallen wurde. Dabei kamen acht Menschen ums Leben. Es gab auch viele gute Muslime, die nach den Übergriffen gesagt haben, das hätte nicht passieren dürfen."

Über das Schicksal von Asia Bibi, die seit 2009 wegen des Blasphemiegesetzes in Haft ist, gibt es nichts neues zu berichten, so der Erzbischof. Derzeit warte man auf das Urteil des Berufungsgerichtes.

„Wir dürfen nicht vergessen: Wenn wir von Terroristen und Extremisten reden, dann sind nicht alle Muslime so. Die Mehrheit der Moslems in Pakistan ist sehr moderat. Wir leben gut zusammen, und auch Moslems besuchen unsere christlichen Schulen. Es waren auch viele Moslems dabei, die nach den letzten Übergriffen zu mir gekommen sind und ihr Mitleid ausgedrückt haben. Es gibt Gruppen – so die Menschenrechtskommission oder auch unabhängige Gruppen -, bei denen fast alle Moslems sind und sie sind sehr gut. Sie erheben ihre Stimme bei Übergriffen gegenüber religiösen Minderheiten, aber auch bei anderen Ungerechtigkeiten." (rv)

P. Lombardi: „Blasphemiegesetz ist Blasphemie“

 Das pakistanische Blasphemiegesetz sollte ein Gesetz gegen die Schmähung der Religion sein. Doch es schmäht ethische Grundsätze von Religion und die Religionsfreiheit, ja ist selbst „Blasphemie". An diese Verkehrung erinnert Vatikansprecher Federico Lombardi in einem Beitrag für Radio Vatikan. In dem Wochenkommentar äußert sich der Vatikansprecher ausführlich zum jüngsten Mord in Pakistan und zeigt sich deutlich bewegt.
„Vor einigen Wochen sagte Bhatti: ‘Betet für mich. Ich habe alle Brücken hinter mir abgebrochen. Ich kann und will nicht umkehren auf meinem Weg. Ich werde den Extremismus bekämpfen und ich werde bis zum Tode für die Verteidigung der Christen kämpfen.’ Heute schon erscheint seine Figur in der Größe eines gültigen Zeugen des Glaubens und der Gerechtigkeit."
Doch Lombardi spricht nicht nur von dem am vergangenen Mittwoch ermordeten Christen und pakistanischen Minderheitenminister Shahbaz Bhatti, sondern auch vom Muslimen Salman Taseer. Wie Bhatti musste auch der ehemaligen Gouverneur der pakistanischen Provinz Punjab wegen seines Einsatzes für die Religionsfreiheit in Pakistan sterben – ein Muslim und ein Christ, die mit ihrem offenen Vorgehen gegen das Blasphemiegesetz sozusagen das eigene Todesurteil unterschrieben, die beide wegen ihres Mutes den „höchsten Preis" bezahlten, so Lombardi:
„Während diese beiden Morde uns mit Schrecken und Angst erfüllen, wenn wir an das Schicksal der Christen in Pakistan denken, erfüllen sie uns paradoxerweise aber zugleich mit einem Hauch von Hoffnung. Denn sie verbinden einen Christen und einen Muslimen durch Blut, das für eine gemeinsame Sache vergossen wurde. Es gibt nicht nur den Dialog des gegenseitigen Verstehens und des gemeinsamen Einsatzes für das Gemeinwohl. Vom Dialog des Lebens geht man zum Dialog der Zeugenschaft im Tod über, der eigenes Blut fordert, damit der Name Gottes nicht als Instrument der Ungerechtigkeit missbraucht wird."
Papst Benedikt XVI. hatte in seiner großen Ansprache an das diplomatische Corps im Vatikan zu Anfang diesen Jahres Taseers Einsatz für die Religionsfreiheit gewürdigt. Und er hatte für den kommenden Oktober ein neues Friedensgebet der Religionen im italienischen Assisi angekündigt und damit die Initiative seines Vorgängers Papst Johannes Paul II. aufgegriffen. Der Mord am Muslimen Taseer und am Christen Bhatti trägt nach Ansicht von Vatikansprecher Lombardi zur Ermutigung für dieses – in der Vergangenheit teilweise skeptisch beäugte – Projekt bei:
„In Erinnerung an Taseer und Bhatti, in gerührter Dankbarkeit für ihr Leben und für ihr Sterben, werden die wahren Verehrer Gottes weiterkämpfen – und wenn nötig sterben, für die Religionsfreiheit, die Gerechtigkeit und den Frieden. Gibt es eine stärkere Ermutigung, um uns gemeinsam nach Assisi aufzumachen?" (rv)

Vatikan/Indonesien: Kommt ein Blasphemiegesetz?

Am päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog befürchtet man eine Radikalisierung der Gesellschaft Indonesiens. Binnen weniger Tage war das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung Schauplatz zweier blutiger Attacken gegen Andersgläubige. Zuerst attackierten und töteten Extremisten Angehörige der Ahmadi-Bewegung, die innerhalb des Islam als Häretiker gelten. An diesem Dienstag schließlich griffen wütende Moslems einen Priester und mehrere christliche Kirchen an, weil sie unzufrieden waren mit einem ihrer Meinung nach zu milden Gerichtsurteil gegen einen Protestanten, der den Islam und den Katholizismus kritisiert hatte. Ist Indonesien das nächste Land, das ein Blasphemiegesetz nach dem Muster Pakistans einführt? P. Markus Solo vom päpstlichen Dialograt, selbst Indonesier, schließt das nicht aus.
 „Ein Blasphemiegesetz könnte aus meiner Sicht in Indonesien tatsächlich einmal eingeführt werden wie in Pakistan. Denn die Muslime können Beleidigungen gegen ihren Propheten, ihre Lehre nicht ertragen. Das ist der größte Fall, der bisher in Indonesien passiert ist. Das hat es in der Vergangenheit noch nicht gegeben, dass eine solche Beleidigung in der Öffentlichkeit thematisiert wurde und bis zu Krawallen geführt hat. Jetzt ist es geschehen. Nach diesem Fall erwacht in den Gedanken vieler indonesischer Muslime, dass das Blasphemiegesetz eingeführt werden könnte."
Die Diskussion darüber würde allerdings noch lange schwelen, bevor es tatsächlich konkret wird, glaubt P. Solo. Ähnliches gelte auch für die Einführung der Scharia, des islamischen Rechts. Nach heutigem Stand gilt in Indonesien laut Verfassung Religionsfreiheit. Auch Religionswechsel wird toleriert, anders als in den meisten Staaten mit islamischer Bevölkerungsmehrheit. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass sich Attacken auf Nicht-Moslems in den vergangenen Jahren häufen. Aus Sicht der katholischen Kirche kann der Weg trotz zunehmender Feindseligkeiten nur einer sein, erinnert P. Solo:
„Es gibt Stellungnahmen der Kirche, wir Christen müssen verzeihen, wir dürfen Gewalt nicht mit Gegengewalt erwidern, das widerspricht unserer Lehre, unserem Glauben. Es klingt wie eine Duldung, aber wir handeln nach unserem Glauben: Wir glauben eben daran, dass der Friede nur erreicht wird, wenn Menschen auch verzeihen können, wenn Menschen nicht gewalttätig agieren."
Vor gut einem Jahr war eine Delegation des päpstlichen Dialogrates zu Besuch in Indonesien. Was dort zur Sprache kam, hören Sie heute Abend in unserer Magazinsendung „Die Woche in Rom", in einem ausführlichen Interview mit P. Markus Solo. (rv)

Pakistan: Regierung hält an umstittenem Blasphemiegesetz fest

Pakistans Regierung hält am Blasphemiegesetz fest. Eine Änderung der drei umstrittenen Paragraphen komme nicht in Frage, sagte Ministerpräsident Jusuf Gilani der Zeitung "Pakistan Observer" vom Donnerstag. Am Wochenende hatten rund 40.000 Islamisten gegen eine Änderung des Gesetzes demonstriert. Dabei hatten sie Kreuze und Bilder von Papst Benedikt XVI verbrannt, der Mitte Januar gefordert hatte, dass Gesetz abzuschaffen. Derzeit in Rom ist der Bischof von Faisalabad, Joseph Cutts. Er erklärt gegenüber Radio Vatikan:
 Die extremistischen Moslems sagen, dass dieses Gesetz gemacht wurde, um die Ehre des Profeten Mohammed zu verteidigen. Wenn irgendjemand sagt, dass das Gesetz abgeschafft werden soll, dann heißt dass, dass man den Profeten Mohammed beleidigt. Was aber nicht wahr ist. Was wir sagen – und ich denke auch der Heilige Vater meint das so – ist, dass dieses Gesetz missbraucht wird. Eine Menge Ungerechtigkeiten werden im Namen des Gesetzes begangen. Viele Menschen werden zu Unrecht beschuldigt."
Am Mittwoch hatte auch die frühere Informationsministerin von Pakistan, Sherry Rehman, das Gesetz kritisiert. Zu Unrecht Angeklagten müsse die Gelegenheit gegeben werden, ihre Unschuld vor Gericht zu beweisen, sagte sie der Zeitung „The News International". Bischo Cutts betonte, dass das Gesetz nicht nur gegenüber Andersgläubigen missbraucht werde:
„Wenn du mit jemandem persönlich im Streit bist, dann reicht es, ihn einer Sache zu beschuldigen, zu sagen, er habe den Koran entheiligt oder gegen den Propheten Mohammed geprochen – und er wird in große Schwierigkeiten gelangen. Viele Menschen sind deshalb schon getötet worden. Und dabei rede ich nicht nur von Christen. Auch viele Moslems sind durch falsche Beschuldigungen in Schwierigkeiten geraten."
Cutts erinnerte daran, dass der Gouverneur der Provinz Punjab vor zwei Wochen von seinem Leibwächter getötet worden sei, weil er das Blasphemiesetz kritisiert habe. Der Gouverneur sei keineswegs ein Christ, sondern ein gläubiger Moslem gewesen. Dennoch seien die Christen als Minderheit in Pakistan besonders gefährdet. – In dem Land gehören nur 2% der rund 170 Millionen Einwohner einer christlichen Konfession an. (rv)