Vatikan plant Mission in elf Städten Europas

Die Leiter wichtiger Bistümer aus Europa waren am Montag zu Beratungen hinter verschlossener Tür im Vatikan. Eingeladen hatte sie der neue Päpstliche Rat für die Förderung der Neuevangelisierung, geleitet von dem italienischen Erzbischof Rino Fisichella. Und es kam auch gleich etwas Konkretes dabei heraus: „Missione metropoli", eine Großstadt-Mission. Fisichella:

„Das ist eine der Initiativen, die sich der Päpstliche Rat für die Neuevangelisierung für die nächsten Monate vorgenommen hat. Wir haben sie Großstadt-Mission genannt. Sie soll eine Antwort sein auf die Herausforderung der Neuevangelisierung in einem Augenblick, in dem Europa sich in der Krise befindet."

Mit Europa will der neue Vatikan-Rat zunächst einmal anfangen, schließlich geht es beim Projekt der Neuevangelisierung vor allem um den alten Kontinent:

„Es hat schon zwei Bischofssynoden zum Thema Europa gegeben: die eine 1991 und die zweite 1999. Vergessen wir auch nicht, dass der selige Johannes Paul II. 2003 seinen grundlegenden Text „Ecclesia in Europa" geschrieben hat: Unsere Initiative liegt auf der gleichen Linie."

Die Großstadt-Mission ist sozusagen zweigleisig geplant: Auf der einen Seite sollen die Bistümer ihr Engagement in Schulen und in der Ausbildung verstärken.

„Außerdem soll es dann in der Fastenzeit 2012 in diesen elf großen europäischen Städten gleichzeitig untereinander abgestimmte Initiativen geben."

Die elf großen Städte sind die, deren Erzbischöfe am Montag im Vatikan waren oder zumindest einen Vertreter dorthin geschickt hatten: Köln, Wien, Paris, Budapest, Dublin, Lissabon, Brüssel, Liverpool, Warschau, Turin, Barcelona. In einigen von ihnen, etwa in Wien, gab`s schon vor ein paar Jahren eine große Stadtmission. Doch Fisichella sagt:

„Ich finde, das hier ist etwas Neues: ein gleichzeitiges, gemeinsames Zeichen. Kurz gesagt – das ist eine erste Antwort auf das, worum der Papst auf unserer ersten Vollversammlung gebeten hat: die Fragmentierung überwinden und Zeichen der Einheit geben."

Der Erzbischof von Liverpool, Patrick Kelly, war von dem Projekt Stadtmission überrascht. Er hatte mit nichts Besonderem gerechnet, als er am Montag im Vatikan eintraf:

„Man muss ja sehen, dass das überhaupt die ersten Tage dieses Päpstlichen Rates sind: Er hat zwar schon ein Statut, aber das war`s dann auch. Als ich die Teilnehmerliste des Treffens vom Montag sah, habe ich mich gefragt: Warum stehe ich denn auch auf dieser Liste?"

Aber im Vatikan begriff Erzbischof Kelly dann: Es geht ja gar nicht nur um diese Mission in den Großstädten.

„Offenbar sollen diese Erzbistümer auch eine Art Pilotgruppe bei der Evangelisierung bilden und sich untereinander eng vernetzen, weil sie ja vor ähnlichen Herausforderungen stehen."

Allerdings findet der Erzbischof, dass seine Stadt Liverpool eine Art Betlehem unter diesen elf Großstädten ist:

„Liverpool ist bei weitem die kleinste dieser Städte, wenn es um die Zahl der Katholiken dort geht. Wir halten in dieser Hinsicht kaum den Vergleich mit Barcelona, Paris oder Dublin aus. Außerdem sind wir – anders als die anderen – eine demographisch stark schrumpfende Stadt. Allenfalls passen wir doch auf die Liste dieser Großstädte, weil die Wirtschaftskrise, die ja zu unserem heutigen Kontext gehört, Liverpool äußerst hart trifft."

Die Großstadt-Mission, die sich der Vatikan da ausgedacht hat (und für die es offenbar noch kein gemeinsames Leitwort gibt), schweißt also sehr unterschiedliche Metropolen aneinander. Aber das könnte auch zu einer Stärke werden, glaubt Kelly:

„Es kann etwas sehr Starkes entstehen, wenn diese unterschiedlichen Erfahrungen auf eine einheitliche Vision hinweisen. Das erinnert mich an die Schilderung der Kirche als Leib Christi, die der heilige Paulus gibt. Er geht so weit zu sagen: Da sind die schwächsten Glieder die unentbehrlichsten!"

Und so könnte die Stadtmission nicht nur zu einer Parade der Glaubensstarken werden, sondern auch die ermutigen, deren Glaube ziemlich schwach ist. „Das gehört", so Erzbischof Kelly, „zum Zeichen, das wir geben wollen."

„Mir ist aufgefallen, wie der Papst beim Angelus gesagt hat: Gott zwingt uns nicht, zu lieben. Er lädt uns dazu ein… Das ist es."

Natürlich ist die 11-Städte-Mission auch eine Vorlage für die Bischofssynode zum Thema Neuevangelisierung, die im Herbst 2012 im Vatikan stattfinden soll. Erzbischof Fisichella vom Päpstlichen Rat für die Neuevangelisierung:

„Die „Großstadt-Mission" will ein konkretes Zeichen sein, das große Städte und Bistümer Europas gemeinsam der Bischofssynode vorstellen, als ein gemeinsames Projekt, an dem sich auch andere dann inspirieren können." (rv)

EU: Kirche und Europa gemeinsam gegen Armut

Thron und Altar, Politik und Religion können durchaus eine heilvolle Allianz bilden – das zeigte sich an diesem Montag in Brüssel, als Vertreter der europäischen Religionsgemeinschaften mit Spitzen der europäischen Staatengemeinschaft zusammenkamen. Zum sechsten Mal trafen christliche, muslimische, jüdische und noch viele weitere Religionsvertreter das Triumvirat der EU, d.h. den Präsidenten der Kommission, des Parlaments und des Rates. Damit das Treffen sich nicht zu einem der zahlreichen Pflichttermine für die EU-Bürokratie entwickelt, hatten Kirchenvertreter dieses Jahr ein konkretes Thema gesetzt: Im europäischen Jahr gegen Armut und Ausgrenzung lag es auf der Hand, den Kampf gegen die Armut auf die Tagesordnung zu setzen. Johanna Touzel ist Sprecherin der Kommission der europäischen Bischofskonferenzen (COMECE). Im Gespräch mit Radio Vatikan erzählt sie:
 „Die EU hat sich in diesem Jahr selbst verpflichtet, die Zahl der Armen in der EU um 20 Millionen zu senken. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Und für die Politiker ist es natürlich sehr schwer, es konkret zu erreichen. Das ist der Punkt, wo Kirchen und ihre Organisationen eine wichtige Rolle spielen, da sie große Expertise in der Armutsbekämpfung haben. Wir kennen alle die extrem wichtige Arbeit, die z.B. Caritas Europa und andere christliche Sozialinitiativen leisten. Es war ein sehr interessanter Austausch mit allen drei Präsidenten, wo Religionsvertreter auf sehr theoretischem Niveau Armut definiert haben, aber auch konkrete Vorschläge an die Politik gemacht haben, wie Armut bekämpft werden kann."
Armut meint nicht nur materielle Armut, sondern hängt auch von sozialen Bindungen und Beziehungen ab. Das hatte der Vorsitzende des Rats der EU-Bischofskonferenzen, Kardinal Peter Erdö, unterstrichen. Dem schloss sich EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso an. Er sagte:
„Der Kampf gegen Armut darf nicht nur der Kampf für Beschäftigung sein. Arbeit ist ungemein wichtig und das beste Werkzeug, um Armut zu bekämpfen. Aber wir müssen darüber hinausgehen. Die gegenwärtige Situation in vielen Teilen Europas ist dramatisch und inakzeptabel."
„Armut ist eine Herausforderung, der sich die EU und die Kirchen gemeinsam stellen müssen." Diesen eindringlichen Appell richtete der Präsident der COMECE, Adrianus van Luyn, an die Konferenzteilnehmer. Doch nicht nur in Europa leiden viel zu viele Menschen unter Hunger und Entbehrungen, so van Luyn. Zwar sei es ein EU-Treffen, doch die globale Perspektive dürfe man nicht aus dem Blickfeld verlieren; Maßstab und Ziel seien nach wie vor die von der UNO ausgegebenen Millenniumsziele. Seine Sprecherin erzählt:
„Wir müssen diese Millenniumsziele erreichen, und Bischof van Luyn unterstrich, dass wir Armut nicht nur innerhalb der EU, sondern auch auf globaler Ebene betrachten und bekämpfen müssen. Das betrifft sowohl Afrika als auch die Migranten, die nach Europa kommen. Er sagte auch, dass die Ärmsten unter uns nicht zu den Opfern dieser Krise werden dürfen. Künftige Generationen dürfen nicht unsere Fehler ausbügeln, während wir es nicht schaffen, es selbst zu tun."
Mit im Bunde der katholischen Vertreter auf der Konferenz war auch Flaminia Giovanelli vom Päpstlichen Rat Justitia et Pax. Sie erinnerte daran, dass die Kirche mit ihren Projekten schon länger das tut, was Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika „Caritas in veritate" einforderte, dass sie nämlich „das Private und das Öffentliche einbezieht und den Gewinn nicht ausschließt, ihn aber als Mittel für die Verwirklichung humaner und sozialer Ziele betrachtet." Caritas, Liebe, betonte auch EU-Ratspräsident Herman van Rompuy:
„Das Herz einer jeden Religion ist Liebe. Deswegen sind Initiativen aus der Zivilgesellschaft und von Religionsgemeinschaften so wichtig. Jemanden richtig zu lieben, heißt, alles dafür zu tun, dass es letzten Endes keine Armen mehr gibt." (rv)

Bischof Jousten: „Kein grundlegender Konflikt mit belgischer Justiz“

Der Streit um die Aufdeckung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche spaltet Belgien. Der Auslöser: Eine Hausdurchsuchung im Bischofspalast in Mechelen, nördlich von Brüssel, bei der die staatlichen Behörden mit den Bischöfen alles andere als rücksichtsvoll verfuhren. Vor einer Woche hatten Polizisten eine Sitzung der belgischen Bischöfe unterbrochen, die Oberhirten neun Stunden festgehalten und währenddessen die Gebäude durchsucht. Nach Angaben des belgischen Justizministers suchten sie vor allem nach Dokumenten, die im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche stehen, zum Beispiel nach Briefen von Opfern pädophiler Priester.
Unter den festgehaltenen Bischöfen war auch der Bischof von Lüttich, Alois Jousten. Unserem Kollegen Mario Galgano erzählt Jousten, wie er jene Stunden in Erinnerung hat.
„Nun, ich habe das so erlebt, dass der Untersuchungsrichter bei uns in den Versammlungsraum rein kam. Er habe einen Durchsuchungsbefehl, sagte er uns. Er müsse über eine Akte zu sexuellem Missbrauch Nachforschungen anstellen. Wir durften deshalb das Haus nicht verlassen. Auf den ersten Blick sah das nicht so schlimm aus. Ich dachte, sie suchen vielleicht irgendein bestimmtes Dossier und die Sache wäre dann erledigt. Keiner von uns konnte ahnen, dass wir dann neun Stunden lang festgehalten werden sollten."
Hatte denn der Untersuchungsrichter Ihnen nicht mittgeteilt, dass die Durchsuchung vielleicht lange dauern könnte?
„Sie konnten uns das nicht sagen. Es gab zwar Andeutungen, dass sie nicht genug Informationen hätten und dass das Erzbistum keine Bereitwilligkeit zur Mitarbeit gezeigt hätte. Ihrer Meinung nach hätten sie als Untersuchungsinstanz selbst die Initiative ergreifen und von sich aus alles durchstöbern müssen. So klang es am Abend."
Und dann wurden sogar zwei Gräber geöffnet.
„Davon haben wir erst im Nachhinein erfahren. Wir waren ja von der Umwelt abgeschnitten. Wir hatten keinen Kontakt mit der Außenwelt. Zuhause haben wir dann in den Nachrichten gehört, dass auch die beiden Gräber von ehemaligen Erzbischöfen von Mechelen durchsucht und sogar geöffnet wurden. Da stehen einem ja die Haare zu Berge, dass so was möglich ist. Es könnte sein, dass jemand gesagt hat, man habe etwas mit ins Grab mitgenommen. Das wurde dann wohl so verstanden, als ob es sich um Papierakten handeln würde."
Wie erklären Sie sich das Verhalten der belgischen Justiz?
„Meines Erachtens handelt es sich hierbei um ein Misstrauen der Justiz gegenüber der Kirche und auch gegenüber der so genannten unabhängigen Untersuchungskommission. Sie ist unabhängig von den Bischöfen. Ich habe den Eindruck, dass der staatliche Untersuchungsrichter der ganzen Angelegenheit nicht ganz traut. Er ist misstrauisch. In anderen Staaten wäre das vielleicht anders gelaufen. Aber hier in Mechelen ist es dann so vor sich gegangen, dass auf der einen Seite dieser entsprechende Richter zusammen mit dem Gerichtsbezirk, und auf der anderen Seite die Bischöfe und die unabhängige Kommission für die Untersuchung von Missbrauchsfällen standen."
Also gibt es einen Konflikt in Belgien zwischen der Justiz und der katholischen Kirche?
„Ich würde nicht sagen, dass da grundlegende Spannungen zwischen Staat und Kirche bestehen. Das kann man nicht daraus schlussfolgern."
Welche Lehre ziehen Sie aus diesem Vorfall in Mechelen?
„Ich hoffe, wenn wir wieder eine unabhängige Kommission errichten, dann soll das – gerade in dieser sehr sensiblen Materie – auch in Absprache mit dem Justizministerium und den entsprechenden Richtern geschehen. Diese Lehre sollten wir daraus ziehen." (rv)
 

Vatikan/Belgien: Protest gegen Polizeiaktion

Das vatikanische Staatssekretariat hat die gestrige Polizeiaktion in Brüssel scharf kritisiert. Damit sei ein Vertrauensbruch entstanden, schreibt das Staatssekretariat in einer Note an diesem Freitag. Dem belgischen Botschafter beim Heiligen Stuhl, Charles Ghislain, wurde die „tiefe Verwunderung“ des Vatikan auch persönlich mitgeteilt. Die katholische Kirche verurteile jegliche Missbrauchsfall und versichere ihre Zusammenarbeit mit der Justiz, hieß es in der Note. Jedoch sei man tief verwundert über die Art einiger Massnahmen sowie die Verletzung der Gräber der früheren Brüsseler Kardinäle Jozef-Ernest Van Roey und Leon-Joseph Suenens. Bei der Razzia sind unter anderem vertrauliche Akten beschlagnahmt worden, die eigentlich der Aufklärung und damit für die Opfer eingesetzt werden sollten.
 Der Vorsitzende der unabhängigen Kommission zur Untersuchung der Missbrauchsfälle in Belgiens Kirche, Peter Adriaenssens, protestierte ebenfalls gegen die Polizeiaktion. Bei Ermittlungen wegen Kindermissbrauchs durchsuchte die Polizei am Donnerstag Büros im bischöflichen Palast des Erzbistums Brüssel-Mechelen. Adriaenssens erklärte, es gebe mit der Staatsanwaltschaft eine Absprache über die Vertraulichkeit der Unterlagen. Der Kommissionsvorsitzende wurde von Belgiens Kirche als unabhängiger Aufklärer der Fälle eingesetzt. Das Erzbistum Mechelen-Brüssel ist Zentrum der katholischen Kirchenprovinz Belgien. Erzbischof André-Joseph Léonard ist seit Januar Oberhirte des Bistums und auch Vorsitzender der belgischen Bischofskonferenz. Er ist der Nachfolger von Godfried Danneels. (rv)