Militärischer Einsatz auch katholisch zu rechtfertigen

Deutsche BundeswehrDie Bundeswehr hat ihren Anti-ISIS Einsatz begonnen, in der Nacht auf Mittwoch flog erstmals ein deutsches Tankflugzeug um Kampfjets in der Luft zu versorgen. Kardinal Reinhard Marx sagte hingegen jüngst in einem Interview, dass dieser Einsatz, ein Kriegseinsatz, eine Niederlage sei. Er hinterfragt den Bundeswehreinsatz in Syrien, ob dieser wirklich zu rechtfertigen sei. Doch es gibt auch katholische Stimmen, die diesen Einsatz befürworten: der ehemalige General Karl Hein Lather. Er engagiert sich im Stiftungsbeirat der Katholischen Friedensstiftung und hat mit Pia Dyckmans über den militärischen Einsatz der deutschen Bundeswehr in Syrien gesprochen.

Karl-Heinz Lather: „Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir uns an der Koalition, die gegen den Islamischen Staat dort kämpft, beteiligen. Nicht zuletzt ist der Einsatz auch zu Stande gekommen wegen den Anschlägen in Paris und weil Frankreich um Hilfe bei der EU gebeten hatte. Von daher versteht sich, dass wir solidarisch die Lasten Frankreichs mittragen.“

RF: Viele sprechen von einem Kriegseinsatz, die Regierung nennt es vehement nicht Krieg. Was denken Sie, ist das Krieg, was wir da führen?

Lather: „Ich würde es militärischen Einsatz nennen. Ein Krieg ist es nicht, weil bei einem Krieg sich nach dem internationalen Völkerrecht, so wie es nach dem Zweiten Weltkrieg die Vereinten Nationen verfasst haben, zwei Staaten bekämpfen. Wir aber erkennen ganz bewusst nicht den sogenannten Islamischen Staat als Staat an, sondern bezeichnen ihn als Terrororganisation.“

RV: Kardinal Marx hat in einem Interview noch einmal in Frage gestellt, dass dieser Einsatz überhaupt gerechtfertigt ist. Ist der Einsatz denn gerechtfertigt oder braucht man mehr Diplomatie?

Lather: „Die Diplomatie war vielleicht nicht ganz gescheitert. Es laufen auch noch Gespräche in Wien, wo viele der Konfliktparteien miteinander versuchen eine diplomatische Lösung zu suchen. Wir haben in Saudi Arabien das Treffen der Gegner von Assad und dem IS gehabt, die haben sich darauf verständigt, dass man ohne Assad zu einem Kompromiss kommen könne. Das alles sind Dinge, die im Werden sind, aber wir vergessen zu schnell, was in Paris geschehen ist, was auf den Islamischen Staat zurück zu führen ist. Und der Islamische Staat ist ununterbrochen dabei, schlimmste Dinge zu tun, von Enthauptungen bis hin zu Vergewaltigungen oder Versklavungen. Das alles gelingt es nicht zu bremsen ohne, dass man militärisch eingreift.“

RV: Der Syrienkonflikt dauert schon viele Jahre, auch der IS ist nicht erst seit gestern am wüten im Irak und Syrien. Kommt der Einsatz nicht viel zu spät?

Lather: „Da würde ich zustimmen. Aber anscheinend bedurfte es dieses schlimmen Anschlags in Paris, dass die deutsche Bevölkerung und der deutsche Bundestag dann die Hemmschwelle überwunden hat, sich dort militärisch zu engagieren. Es ist oft so in unseren westlichen demokratisch verfassten Staatsgefügen, dass wir einen solch schlimmen Anlass brauchen, bevor wir dann beginnen konkret zu handeln.“

RV: Die kirchliche Friedenslehre sagt, Krieg ist die Ultima Ratio und militärische Gewalt darf nur in Betracht gezogen werden, bei Aussicht auf Erfolg. Besteht diese Aussicht? Viele kritisieren den Einsatz, weil es keinen Plan und kein konkretes Ziel gibt.

Lather: „Das mit der Ultima Ratio muss man direkt übersetzen, es bedeutet äußerstes und nicht letztes Mittel. Das ist mir ganz wichtig und ich stehe komplett in der christlichen Friedensethik und engagiere mich auch in dem Bereich. Ich glaube, dass wir momentan an einer Schwelle sind, wo das Beschreiben des Zieles des Ganzen politisch noch nicht vollständig gelungen ist. Gleichzeitig handelt man schon militärisch. Das ist nicht die Ideallösung nach unserer Ethik, aber es kommt dem Nahe. Zumal wir keine anderen Lösungen finden. Wir erleben jeden Tag die Unmengen von Flüchtlingen, die aus diesen Konfliktgebieten nach Europa streben. Wir müssen an die Ursachen ran und ein Teil der Ursachenbekämpfung ist der militärische Anteil. Ich hoffe, dass es politisch gelingt, die verschiedenen Konfliktparteien zueinander zu bekommen und zu einer Konfliktlösung zu kommen und dann eine friedliche Lösung zu finden. Das geht aber nicht ohne die Menschen vor Ort, die am Stärksten von diesem Konflikt betroffen sind.“

RV: Bedeutet das, dass gerade aus katholischer Friedenslehren-Sicht ist dieser militärische Einsatz auch ohne konkreten Friedensplan gerechtfertigt wegen der Lage vor Ort?

Lather: „Ich persönlich glaube das. Ich verstehe aber den ein oder anderen auch, der da rigoroser ist in seinem Urteil und sagt, die Politik hat noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um zu sagen, jetzt ist Ultima Ratio. Aber was muss denn noch Schlimmeres geschehen, als was Paris und die Menschen dort erlebt haben, damit wir zu einer politischen Entscheidung kommen? (rv)

Mit dem Kreuz zur Bundeswehr: Ein Militärpfarrer im Einsatz in der Türkei

Kath. MilitaerkreuzNoch immer steht die Türkei unter Schock: Der Selbstmordanschlag Mitte Juli in der türkischen Grenzstadt Suruc tötete 32 Menschen und verletzte hundert weitere. In der gesamten Region sind seitdem die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt worden. Das merken auch die deutschen Bundeswehrsoldaten, die im Südosten der Türkei stationiert sind. Unweit der türkisch-syrischen Grenze ist die deutsche Luftwaffe seit 2013 im Einsatz und unterstützt die NATO-Mission Active Fence Turkey, kurz AF TUR. Mit dem Flugabwehrraketensystem Patriot schützen die Soldaten die Stadt Kahramanmaraş in Südostanatolien vor Luftangriffen aus Syrien. Kein Soldat, aber trotzdem mit dabei in der Millionenstadt Kahramanmaraş ist Joachim Folz: Er ist Militärseelsorger. Vor etwa sechs Wochen hat er seinen Koffer gepackt und ist in die Türkei geflogen. Marion Sendker hat ihn dort getroffen.

Seine Aufgabe ist es da zu sein. Und Militärdekan Joachim Folz ist da: In Kahramanmaraş, etwa 100 Kilometer vor der syrisch-türkischen Grenze, ist er allein für 260 deutsche Soldaten zuständig. Um an die Soldaten ranzukommen, hat der Dekan seine Tricks entwickelt.

Soldaten-Gottesdienst mit Musikgestaltung

"Zu Beginn des Kontingents gehört es immer dazu, Soldaten, die ein Instrument spielen, zu motivieren, auch den Gottesdienst musikalisch zu gestalten usw. also ganz unterschiedliche Zugangswege." Die Strategie kommt bei den Soldaten an: Aktuell unterstützen ihn vor allem Schlagzeuger, Gitarristen und Pianospieler im Gottesdienst. Auch Hauptmann Justin K. geht jeden Sonntag in die Messe – oder was davon übrig geblieben ist: „Das ist eine abgespeckte Form des Gottesdienstes. Eigentlich kann man den so charakterisieren, dass man sich trifft, eine Predigt hört und gemeinsam singt und anschließend gemeinsam Kaffee trinkt.“

Keine Eucharistiefeier – dafür aber ein ganz gemischtes Publikum an Singenden und Betenden. Denn auch Soldaten, die nicht getauft sind, nutzen das Angebot am Sonntag gerne. Konfessionen sind in dem Rahmen zweitrangig. „Wir benutzen momentan zum Beispiel für den Gottesdienst das neue evangelische Soldatengesangbuch, da es zu den Noten auch die Akkorde enthält. Wobei die Lutherübersetzung bei den Psalmen tatsächlich wirklich gewöhnungsbedürftig ist für einen Katholiken.“

Militärdekan lädt zu „Bier mit Gott“

Neben dem Treffen am Sonntag lädt der Militärdekan die Soldaten einmal pro Woche auf ein „Bier mit Gott“ ein: „Da wird dann einfach erzählt, was einen beschäftigt, ob das ein technisches Problem ist oder ein Telefonat mit er Familie ist, mit zu Hause und so weiter und so fort.“

Mehr noch als das offiziell gesuchte Gespräch zählen aber die lockeren und oft zufälligen Begegnungen im Kasernenalltag, erklärt der Seelsorger. „Ja gut, man ist ja sozusagen mit den Soldaten hier, man erträgt ja im dem Sinne auch den Alltag mit den Einschränkungen mit und somit ist es ja etwas, wo wir jetzt nicht von außen her etwas sagen, sondern aus der Mitte heraus versuchen, gemeinsam den Weg ach hier im Einsatz zu gehen. Also es ist jetzt nicht so, dass man hier unmittelbar eine Patentlösung parat hält. Manchmal geht es ja tatsächlich nur um das Aussprechen, was man vielleicht vor dem Kameraden nicht unbedingt machen will. Und wenn man ein Problem ausgesprochen hat, ist es oft so, dass es einem dann viel leichter geht.“

Seelsorger schweigt über Inhalte und organisiert Grillabende

Oft geht es um die Trennung von den Eltern, dem Partner und den Kindern. Das – und alles andere, was besprochen wird – bleibt beim Militärdekan. Der ist aber nicht nur Ansprechpartner für alle Lebenslagen, sondern sorgt auch mit Aktionen für Abwechslung im monotonen Auslandseinsatz. Gerade hat Folz zum Beispiel einen Ausflug nach Tarsus organisiert, dem Geburtsort des heiligen Apostels Paulus. Bei der Planung hat ihm Hauptmann Justin K. geholfen. Für ihn und seine Kameraden bietet die Militärseelsorge noch mehr als nur geistliche Betreuung: „Er hat auch finanzielle Mittel zur Verfügung um beispielsweise Veranstaltungen zu organisieren wie Grillfeste oder dergleichen, sodass man da auch ein bisschen Ablenkung vom Einsatz hat.“

So ein Grillfest hat dann keinen religiösen Bezug und überhaupt spielt Religion in der Militärseelsorge eher eine passive Rolle: „Wenn man den Pfarrer drauf anspricht, dann ist er bereit, entsprechende Themen zu diskutieren, aber wenn man nicht aktiv auf ihn zugeht – wenn man es wirklich nicht will, dann spürt man davon auch nichts.“

Wenige Soldaten sind praktizierende Christen

Nur wenige Soldaten sind getauft oder praktizierende Christen. Als Geistlicher fühlt sich Folz trotzdem nicht fehl am Platz: „Wir sind für alle Soldaten da! In den alltäglichen Begegnungen und bei allgemeinen Problemen ist der Mensch in der jeweiligen Situation entscheidend. Gleichzeitig gilt es, die Einstellung der nicht- oder andersgläubigen Soldaten seitens der Militärseelsorge zu respektieren. Es bedarf auch einer größeren Sensibilität in der Kommunikation, die Rede von Gott oder auch über die Kirche ist oft nicht mehr unmittelbar verständlich oder sogar negativ konnotiert. Vielfach braucht es in der Verkündigung dann Bilder aus dem Alltag, die die christliche Botschaft nachvollziehbarer machen – ähnlich wie die Gleichnisse Jesu selbst, dabei kommt es natürlich vor allem auf eine authentische Haltung des einzelnen Militärgeistlichen an.“

Alles kann, nichts muss. – Mit dieser Devise ist Folz für seine katholischen, evangelischen, muslimischen und atheistischen Soldaten da. Dazu ist er für insgesamt 12 Jahre von seiner Heimatdiözese freigestellt worden – die Hälfte der Zeit hat er mittlerweile hinter sich. Seine Bilanz zum Stellenwert von Religion in der Bundeswehr: „Religion wird generell weniger institutionell und mehr individuell gesehen oder gelebt. Trotzdem bietet die Unmittelbarkeit der Institution der Militärseelsorge vor allem im Auslandseinsatz dem Individuum wieder eine ungezwungene Möglichkeit der direkten Begegnung, ohne bestimmte Absichten auf beiden Seiten. Dabei ergeben sich dann durchaus Gespräche mit religiösen Themen oder es kommt sogar ein Soldat deshalb wieder zum Gottesdienst.“

Manche Soldaten lassen sich von Militärgeistlichen taufen

Viele Soldaten suchen die Gespräche mit dem Militärgeistlichen. Einige von ihnen hätten sich danach sogar taufen lassen, erklärt Folz. Das sind dann die kleinen Sternstunden im Berufsalltag eines Militärpriesters. Ansonsten verlange der Dienst viel Kraft. Folz bleibt kaum länger als ein paar Monate an einem Ort und muss sich immer wieder neu auf Situationen und Menschen einstellen. So anstrengend der Dienst für die Bundeswehr auch sein kann, so wichtig sei die Präsenz eines Geistlichen im Einsatz, findet er:

„Die Militärseelsorge ist Teil des kirchlichen Auftrages in der Welt und somit braucht es immer wieder Priester, die sich für diese Aufgabe begeistern lassen. Es ist sehr bereichernd im Sinne vielfältiger Möglichkeiten und abwechslungsvoller Tätigkeiten, aber auch fordernd in einem zunehmend säkularen Umfeld, die Präsenz der Kirche und damit die Botschaft des Evangeliums zu gewährleisten.“

Komplexer Kontrast von Friedensbotschaft und Tötungsauftrag

Die Friedensbotschaft Jesu Christi mitten im Militär, manchmal mitten im Krieg: Wie passt das zusammen, wie kann ein Militärpfarrer sonntags den Frieden predigen und montags den militärischen Einsatz oder gar den Krieg billigen?

Der Pazifismus ist aber hauptsächlich als radikal bürgerliche Bewegung in der Moderne entstanden und unterscheidet sich maßgeblich von der christlichen Lehre vom gerechten Krieg, die unter anderem auf den heiligen Augustinus zurückgeht und sich auf die Realitäten in dieser Welt gründet anstatt eine Utopie zu propagieren. Das Zweite Vatikanische Konzil bezeichnet den Soldaten übrigens ausdrücklich als einen „Diener der Sicherheit und der Freiheit“ und sagt, dass er – also der Soldat – durch seinen Dienst den Frieden festigt.

Gleichzeitig verlangt das 5. Gebot nicht zu töten. Im Berufsalltag eines Soldaten kommt es aber immer wieder zu Waffengewalt. Der Tod gehört im Einsatz zum Militär, wie die Munition in die Waffe. Wer einen anderen Menschen tötet, handelt nicht nur gegen das 5. Gebot, sondern auch gegen Christus ausdrückliche Aufforderung zur Feindesliebe.

"Diese Frage ist sehr populär, aber gleichzeitig äußerst komplex. Zunächst führt der Soldat einen Auftrag aus, der z.B. in Deutschland parlamentarisch – also von uns allen – legitimiert ist. Der Grund liegt dafür zumeist in einer Bedrohung von Menschenleben kann als „ultima ratio“ auch Waffengewalt angewandt werden. Wir sprechen in der Militärethik dann von der „responsibility to protect“, also von einer Schutzverantwortung in Bereichen, in denen z.B. die Menschenrechte verletzt werden und alle diplomatischen Bemühungen ohne Erfolg bleiben. Die Herausforderung der Feindesliebe bleibt natürlich bestehen."

„Das Leben in der Lage“ – wie es im Militärjargon heißt – hat ihn gelehrt, aus jeder Situation das Beste zu holen. Das gilt insbesondere für seine Tätigkeit als Militärdekan; für ihn ist der Job eine tägliche Herausforderung: „Momentan ist es mein Job und momentan versuche ich daraus tatsächlich das Beste zu machen. Als ich vorher in der Schule war, hab ich da versucht, das Beste zu geben. Das Entscheidende ist, dass man als Priester wirkt und alles andere, die Aufgaben die damit dann verbunden werden, können sich ja sowieso immer wieder verändern. Das Grundsätzliche ist die priesterliche Berufung und die umzusetzen in jeder Situation, in die man gestellt wird. Damit fällt einem vieles leichter im Leben. Man muss nicht deshalb unbedingt selber ständig etwas ändern wollen, sondern man versucht es als persönliche Herausforderung positiv zu sehen.“

Wie jeder Militärpfarrer hat Folz eine klare Auftragslage. Wie die Soldaten ihrem Souverän Gehorsam versprochen haben, hat auch Folz bei der Priesterweihe ein Gehorsamsversprechen abgelegt. Aus dieser Perspektive, sind sie sich gar nicht so unähnlich, der Soldat und der Priester. (rv)

Deutschland: Als Militärbischof dem Frieden dienen

An diesem Freitag wird der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in der Berliner Sankt-Johannes Basilika in sein Amt als Militärbischof eingeführt. Papst Benedikt XVI. hatte Overbeck Ende Februar zum neuen Militärbischof ernannt. Der mit 46 Jahren jüngste deutsche Bischof übernimmt damit die Verantwortung und die Leitung für die Seelsorge unter den deutschen Soldaten und deren Familienangehörigen. Vor seiner Amtseinführung haben wir mit dem Militärbischof über die Position Deutschlands in der Libyen-Krise gesprochen:
„Die Bundesrepublik Deutschland hat eine politische Entscheidung getroffen. Der katholische Militärbischof für die deutsche Bundeswehr hat eher zu bewerten, was ethisch möglich und vertretbar ist. Das bedeutet, dass es wichtig ist, dafür zu sorgen, dass das, was die deutsche Bundeswehr tut, dem Frieden dient. Das gilt in dieser Situation, in der sich viele arabische Länder bewegen, und das gilt auch für Libyen, wie wir in der derzeitigen Lage sehen. Als katholischer Militärbischof sage ich es ist gut, dass wir die Dinge tun, die dem Frieden dienen und uns jeder möglichen Gewaltausübung enthalten."
Bei dem Gottesdienst am Freitag in Berlin wird der Apostolische Nuntius, Erzbischof Jean-Claude Périsset, die Päpstliche Ernennungsurkunde verlesen und den Bischofsstab überreichen. Neben dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, werden auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière und der evangelische Militärbischof Dr. Martin Dutzmann teilnehmen. (rv)

Bundeswehr: „Bestehende Dienste attraktiver machen“

Sparen und umverteilen, doch wie und um welchen Preis? Die Bundeswehr steht vor einer umfassenden Strukturreform: Um Geld einzusparen, soll die Wehrpflicht ab dem kommenden Jahr ausgesetzt und die Bundeswehr verkleinert werden. Andererseits sollen mehr Truppen für Auslandseinsätze zur Verfügung stehen und diese auch besser ausgerüstet werden. Das sei auch höchste Zeit, so Heinz-Gerhard Justenhoven, Direktor des Institutes für Theologie und Frieden in Hamburg:
„Das ist natürlich keinem vermittelbar, dass eine Armee, die 250.000 Soldaten hat, maximal 10.000 ins Ausland schicken kann. Man fragt sich da, was machen die anderen 240.000 dann? Dieses Missverhältnis soll in Zukunft behoben werden. Und das bedeutet für die im Ausland befindlichen Soldaten, dass die Zeitabstände, in denen sie in solche Missionen geschickt werden, wesentlich größer werden. Heute beklagen die Soldaten ja, dass sie alle zwei, drei Jahre ins Ausland gehen müssen."
Die eigenen militärischen Möglichkeiten bei gefährlichen Auslandseinsätzen – wie zum Beispiel aktuell in Afghanistan – müssten realistisch eingeschätzt werden, so Justenhoven. Schließlich dürfe man keine Kräfte vergeuden oder die Soldaten gar gefährden. Über diese Fragen brauche es eine breite gesellschaftliche Debatte, die auch durch die Kirchen angeregt werden müsse:
„Afghanistan hat gezeigt, dass die Möglichkeiten, die wir haben, um mit militärischen Mitteln die Konsolidierung von Staaten und damit letztlich Friedensarbeit zu leisten, doch sehr begrenzt sind. Soldaten können im günstigen Fall einen Waffenstillstand absichern oder im Fall Afghanistan den Versuch machen, Aufständische daran zu hindern, Anschläge durchzuführen. Schon hier zeigt sich, wie schwierig das ist und wie begrenzt der Erfolg ist. Das heißt, die eigentliche gesellschaftliche Debatte, die wir führen müssen, ist: Setzen wir hier wirklich die richtigen Mittel ein, um das Ziel der Befriedung einer Gesellschaft zu erreichen?"
Im Rahmen der Strukturdebatten hatte Familienministerin Kristina Schröder zuletzt für einen staatlichen Freiwilligendienst plädiert, der bei Wegfall von Wehrpflicht und Zivildienst wirksam werden sollte. Von einer solchen allgemeinen „Dienstpflicht" hält Justenhoven nichts. Sie sei heute nicht mehr zu rechtfertigen:
„Der einzige Grund, warum man junge Menschen verpflichten konnte, war eine Sicherheitslage, die derart existentiell war und als solche angesehen wurde, dass sie den Einzelnen dazu verpflichtete, auch gegen seinen Willen zu leisten, entweder in der Armee oder zumindest als Zivildienst. Und die Situation haben wir nicht mehr."
Justenhoven plädiert dagegen für ein Bonus-System, dass den freiwilligen Einsatz honoriert und den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr oder das freiwillige soziale oder ökologische Jahr für junge Menschen attraktiver macht:
„Diese jungen Leute leisten einen Dienst für die Gesellschaft, andere tun es nicht – und warum honoriert man das nicht? Das kann man zum Beispiel tun, indem man ein Bonussystem erfindet, in dem die Studeinplatzwahl oder Bafög oder steuerliche Anreize gegeben werden, die den jungen Leuten ermöglichen, nachher darin auch für sich einen Vorteil zu erkennen und zu sagen, gut, ich orientiere mich, mache einen Freiwilligendienst bei der Bundeswehr oder ein FSJ, was mir nachher erlaubt, im Studium oder der Ausbildung den Nachteil, den ich gehabt habe, durch einen Vorteil zu kompensieren." (rv)