Ein Austritt aus der katholischen Kirche rechtfertigt nach einer Entscheidung des deutschen Bundesarbeitsgerichts die außerordentliche Kündigung eines langjährigen Mitarbeiters der Caritas. Die Richter stärkten damit am Donnerstag in Erfurt das gesonderte Arbeitsrecht der Kirchen, das von den Mitarbeitern besondere Loyalitätspflichten verlangt. Gregor Thüsing ist Professor für Arbeitsrecht an der Universität in Bonn. Er sagt zum Urteil gegenüber Radio Vatikan:
„Das Bundesarbeitsgericht hat deutlich gemacht, wer aus der Kirche austritt, der kann grundsätzlich auch entlassen werden und notfalls auch nach langjähriger Zugehörigkeit zum Arbeitgeber. Aus kirchlicher Perspektive ist das klar: Wer aus der Kirche austritt, das ist also ein wirklich schwerwiegender Akt der da passiert und wenn dort die Kirche sagt, ein solcher Mitarbeiter, der sich so deutlich von der kirchlichen Gemeinschaft distanziert, der soll auch nicht mehr im kirchlichen Dienst arbeiten, denn der kirchliche Dienst hat ja seinen eigentlichen Sinn darin, den Heilsauftrag der Kirche in dieser Welt zu realisieren, und das können nur Personen, die sich nicht von der Kirche abgewandt haben, die sich noch mit ihr identifizieren."
Das durch das Grundgesetz gedeckte kircheneigene Arbeitsrecht war zuletzt mehrfach von Gerichten überprüft und auch im Bundestag debattiert worden. Im November hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Streiks in kirchlichen Betrieben unter stark eingeschränkten Bedingungen erlaubt sein können. Grundsätzlich stärkten die Richter aber das kirchliche Arbeitsrecht. Thüsing:
„Die heutige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist ungemein wichtig. Wir haben eine lange Rechtsprechungslinie, die mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts schon vor 20 Jahren beginnt, zu der Frage, wie weit muss es Besonderheiten geben –auch rechtlicher Natur – für den kirchlichen Dienst, inwieweit haben die Kirchen größere Freiräume, Loyalitätspflichten einzufordern von ihren Mitarbeitern, als das andere Arbeitgeber haben? Hier hatten wir eine lange Linie von Entscheidungen, die jeweils bestätigt haben, dass dieser Freiraum – schon aus verfassungsrechtlichen Gründen – den Kirchen zu gewähren ist."
Da es zuletzt aber auch einen Fall gab, indem die Kündigung eines Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus, der wiederverheiratet geschieden war, für ungültig erklärt wurde, habe er die aktuelle Entscheidung mit Spannung erwartet, so Thüsing. Dass immer häufiger kirchenrechtliche Fälle vor Gericht landen, wundert ihn nicht:
„Ohne Frage ist der Wind, der den Kirchen entgegenweht und auch ihren Gestaltungen der Arbeitsbeziehungen, heftiger und schärfer geworden. In einer immer säkularer werdenden Welt ist es schwerer vermittelbar als ehemals, zu erklären, was denn ein kirchliches Krankenhaus von einem kommunalen Krankenhaus unterscheidet und warum an einen Mitarbeiter im kirchlichen Dienst andere Loyalitätsanforderungen zu stellen sind, als an einen Mitarbeiter im kommunalen, weltlichen Dienst."
Hier sieht der Arbeitsrechtler vor allem die Kirchen selbst in der Pflicht:
„Es wird eine der wesentlichen Aufgaben der Kirchen sein, hier stärker noch in eine kommunikative Offensive zu treten und deutlich zu machen, was das spezifisch christliche, das spezifisch kirchliche an einer diakonischen, an einer karitativen Einrichtung ist, und deutlich zu machen, dass es eben nicht ein beliebiges ‚Add on’ ist, wenn sich Mitarbeiter mit diesem besonderen Sendungsauftrag identifizieren, sondern dass es ganz und gar notwendiger Bestandteil der kirchlichen, karitativen und diakonischen Dienstgemeinschaft ist, sich dieser Gemeinschaft zugehörig zu fühlen und diese Werte, die dort realisiert werden, auch für sich selber zu bejahen."
(rv)
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