Eigentlich hat Haiti, das wohl ärmste Land der westlichen Hemisphäre, schon Probleme genug: Armut, Kriminalität, die Folgen des verheerenden Erdbebens vor vier Jahren, das über 200.000 Todesopfer forderte. Aber in den letzten Monaten kam zu allem Überfluss noch eine schwere politische Krise hinzu. Diese konnte jetzt gelöst werden – mit der Vereinbarung, im Oktober Wahlen abzuhalten. Der Mann, der diese Lösung mit den streitenden Parteien ausgehandelt hat, ist der neue Kardinal von Haiti, Chibly Langlois. Papst Franziskus hatte den Erzbischof von Les Cayes zur allgemeinen Überraschung zu Jahresbeginn in seinen Kardinalssenat aufgenommen. Über die Lage in Haiti sagte Langlois zu Radio Vatikan:
„In sozialer Hinsicht haben die Menschen unglaubliche Schwierigkeiten, über die Runden zu kommen. Viele Familien leiden und machen große Härten durch. Das macht die Verantwortung der Regierenden und der Behörden umso größer: Sie sollten eigentlich alles tun, um dem Land aus dieser Lage herauszuhelfen.“
Massendemonstrationen in der Hauptstadt Port-au-Prince haben in den letzten Monaten immer wieder den Rücktritt von Präsident Michel Martelly gefordert. Sie werfen ihm vor, Hilfsgelder für den Wiederaufbau verschleudert zu haben. Einige Male trieben Sicherheitskräfte die Demonstranten mit Gewalt auseinander. Die Kirche kann sich nicht an die Stelle der Politik setzen. Aber sie muss damit umgehen, dass kaum eine Institution auf Haiti soviel Vertrauen in der Bevölkerung genießt wie sie.
„Natürlich ist die Kirche überall im Land präsent – von den Pfarreien bis hin auf die Ebene der Caritas, der Schulen, des Engagements für Gerechtigkeit und Frieden. Wir stehen an allen Fronten! Und natürlich engagieren wir uns auch bei den politischen Akteuren – so konnten wir jetzt mithelfen, dass sie sich einmal an einen Tisch setzen und sich eine gemeinsame Lösung für die politische Krise ausdenken. Wahlen sind in unserem Land jetzt nötig, und uns allen liegt sehr daran, jetzt im Land keine Dauerkrise zu bekommen. Die Kirche steht also im Dienst der Gesellschaft, im Dienst der Behörden – damit man wirklich mithelfen kann, das Leben der ganzen Gesellschaft zu verändern.“
Der Kardinal betont, dass die Kirche sich nach dem Erreichen der politischen Übereinkunft jetzt nicht zurückzieht, sondern die Umsetzung begleiten und auch überwachen will. Er weiß, dass viele weiterhin unzufrieden sind mit dem Erreichten: Oppositionspolitiker hatten mehr erhofft, viele Haitianer fordern immer noch den sofortigen Rücktritt des Präsidenten. Aber Chibly Langlois hofft, dass sich der gute Wille durchsetzt. Zu den Massendemonstrationen in Port-au-Prince sagt er:
„Die Verteilung von Geldern und Ressourcen war immer schon umstritten in Haiti. Es fehlt an einem Sinn für das Gemeinwohl, das ist einer der Hauptgründe, warum so viele Menschen im Land leiden. Die Verantwortlichen müssen schon genau darauf achten, dass bei der Verteilung der Gelder im Land die Armen nicht zu kurz kommen – die Mehrheit der Menschen im Land ist arm.“
Vier Jahre nach dem Erdbeben gibt es noch unglaublich viel wieder aufzubauen, sagt der Kardinal.
„Wir haben noch nicht eine einzige Kirche in der Hauptstadt wieder aufgebaut in diesen Jahren – immer noch werden Untersuchungen gemacht und Mittel organisiert. Dabei müssten nicht nur Kirchen, sondern auch Pfarrhäuser und Schulen wieder entstehen. Wichtiger ist aber noch, dass sich die wirtschaftliche Lage so vieler Familien nach dem Erdbeben noch verschlimmert hat, die wirtschaftliche Lage Haitis hat sich verschlechtert. Wir tun als Kirche, was wir können, aber wir haben natürlich nur sehr begrenzte Mittel.“ (rv)