Keine Aussage in Missbrauchsermittlung: Kardinal Ezzati schweigt

SANTIAGO DE CHILE – Er übt sein Recht aus, gegenüber der Staatsanwaltschaft die Aussage zu verweigern: Kardinal Ricardo Ezzati von Santiago hat mitgeteilt, dass er sich nicht dem Verhör staatlicher Behörden stellt, die in einem Missbrauchs- und Vertuschungsfall ermitteln.

Ezzati sollte offenbar über seinen ehemaligen Erzdiözesankanzler aussagen: Pater Oscar Munoz Toledo wurde am 12. Juli wegen des Verdachts sexueller Misshandlung von sieben Minderjährigen festgenommen.

Munoz hat bereits zugegeben, eine Minderjährige sexuell missbraucht zu haben.

Ermittler glauben jedoch, dass die Erzdiözese von bis zu vier weiteren Opfern weiß. Kardinal Ezzati wurde einbestellt, weil Staatsanwälte seine Beteiligung an einer möglichen Vertuschung der Verbrechen von Munoz in Betracht ziehen, heißt es.

Die chilenische Polizei hat bereits mehrere Räumlichkeiten des Erzbistums durchsucht.

Ezzati sollte am 21. August bei der Staatsanwaltschaft erscheinen, aber sein Verteidigungsteam forderte mehr Zeit, um die Vorwürfe zu überprüfen, berichtete die Nachrichtenseite „Crux„.

Am 2. Oktober nahm der Kardinal an einem kurzen Treffen mit Staatsanwälten teil, lehnte jedoch ab, Fragen zu beantworten: „Auf Empfehlung meiner Anwälte und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie die endgültige Zurückweisung dieses Falles beantragt haben“, so Ezzati in einer Mitteilung der Erzdiözese vom 3. Oktober.

Deshalb werde er vorerst von seinem Recht Gebrauch machen, zu schweigen – „bis die zuständigen Gerichte eine Entscheidung über den Antrag auf endgültige Zurückweisung erlassen“.

„Wir weichen dem nicht aus“, so der Anwalt Ezzatis zu Reportern.

„Vorerst wird der Kardinal keine Erklärung abgeben, bis wir den Antrag auf Entlassung (der Anklage) mit der Staatsanwaltschaft besprechen… Wir werden alles in der Öffentlichkeit, vor Gericht, besprechen, weil wir nichts zu verbergen haben.“

Munoz wird verdächtigt, einem Netzwerk von 14 Täterpriestern in der benachbarten Diözese Rancagua angehört zu haben, die südlich von Santiago liegt.

Die Polizei durchsuchte im Rahmen ihrer Ermittlungen auch die Büros von Bischof Alejandro Goic Karmelic und machten dabei einen wichtigen Fund: Ein Brief Goics an Ezzati aus dem Jahr 2013, in dem dieser den Kardinal scharf für seinen Umgang mit Opfern des verurteilten – und mittlerweile laisierten – Kinderschänders Pfarrer Fernando Karadima kritisierte.

(Das Verhalten eines weiteren Bischofs gegenüber Karadima, Juan Barros, war Auslöser der chilenischen Missbrauchskandale).

Bischof Goic ist der ehemalige Oberhirte von Rancagua und war Vorsitzender der chilenischen Bischofskommission zur Verhinderung von Kindesmissbrauch.

Er trat vergangenen Monat zurück, nachdem er ein Fünftel der Priester im Bistum suspendieren musste infolge Medienberichten über ein Netzwerk von Geistlichen, die Missbrauch begangen haben sollen.

Die Rede ist von 14 Tätern, mit denen auch der nun festgenommene Munoz in Verbindung gewesen sein soll.

Kardinal Ezzati bestreitet jede Beteiligung an der Vertuschung von Missbrauch. (CNA Deutsch)

Scicluna: In der Kirchenkrise müssen den Worten auch Taten folgen

POSEN – Die jüngste Entscheidung des Papstes, die Vorsitzenden von Bischofskonferenzen aus der ganzen Welt nach Rom zu berufen, ist laut Erzbischof Charles Scicluna ein Zeichen dafür, dass die Prävention von Missbrauch und der Schutz von Minderjährigen ein Anliegen der gesamten Kirche sein muss.

Erzbischof Charles J. Scicluna von La Valletta, Malta, war von 2002 bis 2012 in der Kongregation für die Glaubenslehre tätig. Er half, die ersten Konsequenzen der Kirche als Reaktion auf die Missbrauchskrise im Jahr 2002 auszuarbeiten, und seine Arbeit gilt immer noch als ein Meilenstein im Kampf gegen Missbrauch und Vertuschung.

Nach seinem Einlenken über die Krise in Chile schickte Papst Franziskus den Erzbischof nach Chile, um die dortigen Vorwürfe offiziell zu untersuchen, dass Bischof Juan Barros Madrid Verbrechen gegen Minderjährige vertuscht hat.

Scicluna betonte im polnischen Posen, wo er an der Jahrestagung des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen teilnahm, dass die Entscheidung des Papstes, Präsidenten der verschiedenen Bischofskonferenzen der Welt nach Rom zu berufen, „ein klares Zeichen dafür ist, dass der Schutz von Minderjährigen und die Verhinderung von Missbrauch für die ganze Kirche oberste Priorität haben“.

Scicluna betont: „Das Engagement der Kirche als sicherer Ort für Minderjährige sollte für die ganze Kirche gelten und das Anliegen aller in der Kirche sein“.

Scicluna betonte auch, dass „der Schutz von Minderjährigen ein fortlaufender Prozess in der Kirche sein muss, und deshalb beginnt er mit der guten Überprüfung der zukünftigen Priester, wie es der heilige Johannes Paul II. 1992 gefordert hat“.

Der Erzbischof verwies auf das Schreiben Pastores Dabo Vobis von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1992.

„Es war die prophetische Botschaft des heiligen Johannes Paul II.“, sagte er, dass dieses Dokument, „das von der Ausbildung zukünftiger Priester spricht, die Frage der menschlichen Ausbildung, der psychologischen Untersuchung und auch einer klaren Bewertung des Kandidaten“ auf seine Eignung hin thematisierte.

Das Dokument betont, der Seminarist sollte über ein ausreichendes Maß an psychologischer und sexueller Reife sowie ein fleißiges und authentisches Gebetsleben verfügen und sich der Leitung eines geistlichen Vaters unterstellen.

Scicluna sagte, dass es über die Überprüfung zukünftiger Priester hinaus auch „eine Befähigung der Gemeinschaft geben muss, Missbrauch aufzudecken, wenn er geschieht, und auch eine Befähigung der Gemeinschaft, damit wir gemeinsam feststellen und garantieren können, dass die Kirche ein sicherer Ort für alle ist, einschließlich Minderjähriger“.

Der Erzbischof stellte auch fest, dass die Kongregation für die Glaubenslehre im Mai 2001 Bischofskonferenzen auf der ganzen Welt gebeten hat, Leitlinien zur Bekämpfung von Missbrauch auszuarbeiten.

Das Schreiben„, sagte Scicluna, „gab wichtige Hinweise, da es über die Ausbildung von zukünftigen Priestern sprach, aber auch über den Schutz der Gemeinschaft und die Zusammenarbeit mit den Zivilbehörden“.

In dem Schreiben des Jahres 20011 heißt es bereits: „Der sexuelle Missbrauch Minderjähriger ist nicht nur eine Straftat nach kanonischem Recht, sondern stellt auch ein Verbrechen dar, das staatlicherseits verfolgt wird. Wenngleich sich die Beziehungen zu staatlichen Behörden in den einzelnen Ländern unterschiedlich gestalten, ist es doch wichtig, mit den zuständigen Stellen unter Beachtung der jeweiligen Kompetenzen zusammenzuarbeiten. Insbesondere sind die staatlichen Rechtsvorschriften bezüglich einer Anzeigepflicht für solche Verbrechen immer zu beachten, „

Erzbischof Scicluna kommentierte, dass dies freilich auch „umgesetzt und ständig in die Agenda der Ortskirche aufgenommen werden muss“.

Er sagte auch, dass die meisten Bischofskonferenzen Leitlinien nach dem Rat der Kongregation für die Glaubenslehre herausgegeben haben und dass alle bestehenden Leitlinien vom Vatikan überprüft wurden.

Allerdings, so Scicluna weiter, „reichen Dokumente nicht aus. Wir müssen ganze Gemeinschaften sensibilisieren, denn dieses traurige Phänomen kann nicht durch hierarchische Entscheidungen gelöst werden, sondern muss alle einbeziehen.“

In Bezug auf die von Papst Franziskus für Februar 2019 einberufene Versammlung der Bischofskonferenzvorsitzenden sagte Scicluna, dass das Treffen auf eine Entscheidung des „K9“-Rates der Kardinäle zurückzuführen sei, aber auch „eine Antwort auf die Erwartung der Menschen, dass wir von Dokumenten zu Handlungen übergehen“. (CNA Deutsch)

Missbrauch: Papst versetzt chilenischen Priester in den Laienstand

SANTIAGO DE CHILE , Papst Franziskus hat verfügt, dass der Priester Cristián Precht, der beschuldigt wird, Minderjährige in Chile missbraucht zu haben, des Priesterstandes verwiesen und in den Laienstand versetzt wird.

Dies teilte der Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Kardinal Luis Ladaria, dem Erzbischof von Santiago, Kardinal Ricardo Ezzati, mit.

Mit Datum vom 12. September, so eine Meldung des Erzbistums Santiago, habe „Franziskus per Dekret und unwiderruflich die Entlassung aus dem Priesterstand ex officio et pro bono Ecclesiae angeordnet, sowie die Dispens von allen Verpflichtungen, die mit der heiligen Weihe einhergehen, des Ehrw. Cristián Precht Bañados angeordnet.“

Dasselbe Dekret legt fest, dass „der Bischof dem Volk Gottes schnellstmöglich die neue kirchenrechtliche Situation des Betroffenen mitteilen solle.“

Bereits im Jahr 2012 hatte die Kongregation für die Glaubenslehre Cristián Precht des Missbrauchs für schuldig befunden; daraufhin hatte ihn das Erzbistum Santiago für fünf Jahre suspendiert.

Vorwürfe gegen den überführten Kinderschänder wurden bereits 2011 erhoben. Das Ergebnis des strafrechtlichen Untersuchungsverfahrens bestätigten dessen Verbrechen. Angesichtes der „der Schwere der Beschuldigungen“ befürwortete die Glaubenskongregation, die Verjährung aufzuheben.

Precht zählte zu den Gründern der Vicaría de la Solidaridad („Vikariat der Solidarität“), einer Organisation, die geschaffen wurde, um den Opfern des mörderischen Regimes von Augusto Pinochet zu helfen. (CNA Deutsch)

Papst verurteilt in Irland das Versagen der Bischöfe in Missbrauchsskandalen

Franziskus sagt, er teilt die Empörung der Menschen über die verantwortlichen Würdenträger – Appell an Bewusstsein für eine Völkerfamilie, zu der auch Flüchtlinge gehören.

UBLIN – Die Wut über das Versagen der Bischöfe in den weltweiten Missbrauchsskandalen ist gerechtfertigt, und er selber teile die Empörung der Gläubigen: Das hat Papst Franziskus zum Auftakt seines Besuchs des Weltfamilientreffens in Irland gesagt.

„Was die Schwächsten betrifft, so kann ich nicht umhin, den schweren Skandal anzuerkennen, der in Irland durch den Missbrauch junger Menschen durch Mitglieder der Kirche verursacht wurde, die für ihren Schutz und ihre Bildung verantwortlich sind“, so der Pontifex am 25. August 2018 im Schloss von Dublin.

„Das Versäumnis der kirchlichen Autoritäten – Bischöfe, Ordensoberhäupter, Priester und andere -, diese abscheulichen Verbrechen angemessen anzugehen, hat zu Recht Empörung hervorgerufen und bleibt eine Quelle des Schmerzes und der Schande für die katholische Gemeinschaft“. Er fügte hinzu: „Ich selbst teile diese Gefühle.“

Wie schon in seinem Brief an das Volk Gottes zur Missbrauch- und Vertuschungskrise knüpfte Franziskus in seiner – immer wieder vom Manuskript abweichenden – Rede demonstrativ an die Leistungen seines Vorgängers im Kampf gegen Missbrauch an. Papst Benedikt XVI. habe nicht nur gefordert, „dass als Antwort auf diesen Vertrauensbruch Maßnahmen ergriffen werden, die »wirklich dem Evangelium gemäß, gerecht und effektiv« sind (vgl. Hirtenbrief an die Katholiken in Irland, 10)“, sagte der argentinische Pontifex nun in Dublin, und fuhr fort:

„Sein freimütiges und entschlossenes Eingreifen dient weiterhin als Ansporn für die Bemühungen der kirchlichen Verantwortungsträger, die Fehler der Vergangenheit zu beheben und strenge Regeln zu erlassen, um sicherzustellen, dass sie sich nicht wiederholen“.

Was Franziskus selber tun wird, der ja als Bischof von Rom die entscheidende Verantwortung für den Umgang mit dieser Krise schultert, um diese anzupacken und hoffentlich dauerhaft zu lösen: Das war bereits vor seiner Ankunft zur Schlüsselfrage des Weltfamilientages geworden.

Ausgelöst durch Skandale in den USA, Chile, Honduras, Australien und anderen Ländern, ist die Krise auch und gerade in Irland ein brennendes Problem, weil auf der einst so katholischen Insel das Vertrauen in die Kirche massiv erschüttert worden ist.

Missbrauchs-Opfer, Kardinäle und viele andere haben gefordert, dass schuldige Kardinäle und Bischöfe ihr Amt verlieren und in schweren Fällen laisiert werden müssen. Wenn nötig, müsse auch das Kirchenrecht aktualisiert werden, forderte etwa Marie Collins, wie CNA Deutsch berichtete.

In seiner Rede im Schloss von Dublin erinnerte Franziskus an die Rolle von Familien – die ja Anlass seiner Reise nach Irland sind – und sprach über das Thema, dass ihn wie wenig andere am herzen liegen: die Migrationskrise. Auch Flüchtlinge seien Teil der „Vielvölkerfamilie“ der Welt, so der Papst.

„Wie notwendig wäre in allen Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Lebens die Wiedererlangung des Bewusstseins dafür, dass wir eine wahre Völkerfamilie sind!“

Die Flüchtlinge seien dabei die „vielleicht beunruhigendste“ Herausforderung für das Gewissen, sagte Franziskus. (CNA Deutsch)

Scham und Reue: Papst Franziskus äußert sich zu Missbrauch- und Vertuschungskrise

„Der Heilige Geist schenke uns die Gnade der Umkehr und die innere Stärkung, damit wir unsere Reue angesichts dieser Verbrechen des Missbrauchs zum Ausdruck bringen können und unsere Entscheidung, sie mutig zu bekämpfen.“

VATIKANSTADT- Papst Franziskus hat sich mit einem Brief zur schweren Missbrauch- und Vertuschungskrise der Kirche geäußert. Er kritisiert den Klerikalismus, ruft zu Gebet und Buße auf.

Der Pontifex spricht zwar nicht die Fälle sexueller Gewalt und Fehlverhaltens in den USA, Chile, Honduras oder Australien ausdrücklich an, bezieht sich aber klar auf den Pennsylvania-Bericht. Dieser dokumentiert tausendfachen Missbrauch durch hunderte Geistliche sowie die systematische Vertuschung durch Bischöfe und andere Verantwortliche über Jahrzehnte in sechs Diözesen im US-Bundesstaat Pennsylvania, wie CNA Deutsch berichtete.

„Mit Scham und Reue geben wir als Gemeinschaft der Kirche zu, dass wir nicht dort gestanden haben, wo wir eigentlich hätten stehen sollen und dass wir nicht rechtzeitig gehandelt haben, als wir den Umfang und die Schwere des Schadens erkannten, der sich in so vielen Menschenleben auswirkte. Wir haben die Kleinen vernachlässigt und allein gelassen“.

Er mache sich „die Worte des damaligen Kardinal Ratzingers zu eigen“, so Franziskus weiter, „der bei dem für den Karfreitag im Jahr 2005 verfassten Kreuzweg sich mit dem Schmerzensschrei so vieler Opfer verband und mit Nachdruck sagte: »Wie viel Schmutz gibt es in der Kirche und gerade auch unter denen , die im Priestertum ihm ganz zugehören sollten? Wie viel Hochmut und Selbstherrlichkeit? Wie wenig achten wir das Sakrament der Versöhnung, in dem er erwartet, um uns von unserem Fall aufzurichten? All das ist in seiner Passion gegenwärtig. Der Verrat der Jünger, der unwürdige Empfang seines Leibes und Blutes, muss doch der tiefste Schmerz des Erlösers sein, der ihn mitten ins Herz trifft. Wir können nur aus tiefster Seele zu ihm rufen: Kyrie, eleison – Herr, rette uns“.

Der Papst kritisiert in seinem Schreiben auch den Klerikalismus, „sei er nun von den Priestern selbst oder von den Laien gefördert“: Er erzeuge „eine Spaltung im Leib der Kirche, die dazu anstiftet und beiträgt, viele der Übel, die wir heute beklagen, weiterlaufen zu lassen. Zum Missbrauch Nein zu sagen, heißt zu jeder Form von Klerikalismus mit Nachdruck Nein zu sagen“.

Franziskus ruft zum Fasten, Buße und Gebet auf. Es sei „unumgänglich, dass wir als Kirche die von Ordensleuten und Priestern begangenen Gräueltaten wie auch die von all jenen, die den Auftrag hatten, die am meisten Verwundbaren zu behüten und zu beschützen, anerkennen und mit Schmerz und Scham verdammen“, so der Papst.

„Wir bitten um Vergebung für die eigenen und für die Sünden anderer. Das Bewusstsein der Sünde hilft uns, die Fehler, die Vergehen und die in der Vergangenheit verursachten Wunden anzuerkennen, und gestattet uns, uns zu öffnen und in der Gegenwart stärker für einen Weg erneuerter Umkehr einzusetzen“.

CNA Deutsch dokumentiert den vollen offiziellen Wortlaut in deutscher Sprache, wie ihn der Vatikan zur Verfügung gestellt hat.

Schreiben von Papst Franziskus an das Volk Gottes

»Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit« (1 Kor 12,26). Diese Worte des heiligen Paulus hallen mit Macht in meinem Herzen wider, wenn ich mir wieder einmal das Leiden vergegenwärtige, das viele Minderjährige wegen sexuellem wie Macht- und Gewissensmissbrauch seitens einer beträchtlichen Zahl von Klerikern und Ordensleuten erfahren haben. Es ist ein Verbrechen, das tiefe Wunden des Schmerzes und der Ohnmacht erzeugt, besonders bei den Opfern, aber auch bei ihren Familienangehörigen und in der gesamten Gemeinschaft, seien es Gläubige oder Nicht-Gläubige. Wenn wir auf die Vergangenheit blicken, ist es nie genug, was wir tun, wenn wir um Verzeihung bitten und versuchen, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen. Schauen wir in die Zukunft, so wird es nie zu wenig sein, was wir tun können, um eine Kultur ins Leben zu rufen, die in der Lage ist, dass sich solche Situationen nicht nur nicht wiederholen, sondern auch keinen Raum finden, wo sie versteckt überleben könnten. Der Schmerz der Opfer und ihrer Familien ist auch unser Schmerz; deshalb müssen wir dringend noch einmal unsere Anstrengung verstärken, den Schutz von Minderjährigen und von Erwachsenen in Situationen der Anfälligkeit zu gewährleisten.

1. Wenn ein Glied leidet …

Vor einigen Tagen wurde ein Bericht veröffentlicht, in dem die Erfahrungen von mindestens tausend Personen beschrieben werden, die im Zeitraum der letzten siebzig Jahre Opfer von sexuellem wie Macht- und Gewissensmissbrauch durch Priester wurden. Auch wenn man sagen kann, dass der größte Teil der Fälle die Vergangenheit betrifft, sind wir uns doch im Laufe der Zeit über den Schmerz vieler Opfer bewusst geworden und müssen feststellen, dass die Wunden nie verschwinden und uns mit Nachdruck verpflichten, diese Gräueltaten zu verdammen, wie auch die Anstrengungen zu bündeln, um diese Kultur des Todes auszumerzen; die Wunden „verjähren nie“. Der Schmerz dieser Opfer ist eine Klage, die zum Himmel aufsteigt und die Seele berührt, die aber für lange Zeit nicht beachtet, versteckt und zum Schweigen gebracht wurde. Doch ihr Schrei war stärker als die Maßnahmen all derer, die versucht haben, ihn totzuschweigen, oder sich einbildeten, ihn mit Entscheidungen zu kurieren, welche die Sache verschlimmert haben, weil sie damit in Komplizenschaft gerieten. Ein Schrei, den der Herr gehört hat. Er lässt uns wieder einmal sehen, auf welcher Seite er steht. Der Hochgesang der Maria geht nicht fehl und durchläuft die Geschichte wie eine Hintergrundmusik weiter; denn der Herr denkt an seine Verheißung, die er unseren Vätern gegeben hat: »Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen« (Lk 1,51-53). Und wir schämen uns, wenn wir uns bewusst werden, dass unser Lebensstil das verleugnet hat und verleugnet, was wir mit unserer Stimme aufsagen.

Mit Scham und Reue geben wir als Gemeinschaft der Kirche zu, dass wir nicht dort gestanden haben, wo wir eigentlich hätten stehen sollen und dass wir nicht rechtzeitig gehandelt haben, als wir den Umfang und die Schwere des Schadens erkannten, der sich in so vielen Menschenleben auswirkte. Wir haben die Kleinen vernachlässigt und allein gelassen. Ich mache mir die Worte des damaligen Kardinal Ratzingers zu eigen, der bei dem für den Karfreitag im Jahr 2005 verfassten Kreuzweg sich mit dem Schmerzensschrei so vieler Opfer verband und mit Nachdruck sagte: »Wie viel Schmutz gibt es in der Kirche und gerade auch unter denen, die im Priestertum ihm ganz zugehören sollten? Wie viel Hochmut und Selbstherrlichkeit? Wie wenig achten wir das Sakrament der Versöhnung, in dem er uns erwartet, um uns von unserem Fall aufzurichten? All das ist in seiner Passion gegenwärtig. Der Verrat der Jünger, der unwürdige Empfang seines Leibes und Blutes, muss doch der tiefste Schmerz des Erlösers sein, der ihn mitten ins Herz trifft. Wir können nur aus tiefster Seele zu ihm rufen: Kyrie, eleison – Herr, rette uns (vgl. Mt 8, 25)« (Neunte Station, Betrachtung).

2 … leiden alle Glieder mit

Der Umfang und das Ausmaß der Ereignisse verlangt, sich dieser Sache in umfassender Weise mit vereinten Kräften anzunehmen. Obwohl es bei jedem Prozess der Umkehr wichtig und nötig ist, dass man sich des Vorgefallenen bewusst wird, reicht dies in sich selbst nicht aus. Heute sind wir als Volk Gottes gefragt, uns des Schmerzes unserer an Leib und Seele verwundeten Brüder und Schwestern anzunehmen. Wenn in der Vergangenheit die Unterlassung eine Form der Antwort werden konnte, so wollen wir heute, dass die Solidarität, in ihrer tiefsten und anspruchsvollsten Bedeutung, unsere Weise wird, die heutige und zukünftige Geschichte in einem Umfeld zu schreiben, wo die Konflikte, die Spannungen und besonders die Opfer jeder Form von Missbrauch eine ausgestreckte Hand finden können, die sie beschützt und aus ihrem Schmerz erlöst (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 228). Diese Solidarität verlangt ihrerseits von uns, all das anzuprangern, was die Unversehrtheit irgendeiner Person in Gefahr bringen könnte. Es ist eine Solidarität, die zum Kampf gegen jede Art von Korruption, insbesondere der spirituellen, aufruft, »weil es sich um eine bequeme und selbstgefällige Blindheit handelt, wo schließlich alles zulässig erscheint: Unwahrheit, üble Nachrede, Egoismus und viele subtile Formen von Selbstbezogenheit – denn schon „der Satan tarnt sich als Engel des Lichts“ (2 Kor 11,14)« (Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 165). Der Appell des heiligen Paulus, mit den Leidenden zu leiden, ist das beste Heilmittel gegen jeden Drang, weiterhin unter uns die Worte Kains zu wiederholen: »Bin ich der Hüter meines Bruders?« (Gen 4,9).

Ich bin mir der Bemühungen und der Arbeit bewusst, die in verschiedenen Teilen der Welt unternommen wurden, um die notwendigen Vermittlungen zu gewährleisten und auszuführen, die Sicherheit geben und die Unversehrtheit der Kinder und der Erwachsenen im Zustand der Anfälligkeit schützen. Dazu gehört auch die Verbreitung der „Null-Toleranz-Haltung“ und der Maßnahmen, Rechenschaft zu fordern von allen, die diese Verbrechen begehen oder decken. Wir haben diese so notwendigen Aktionen und Sanktionen mit Verspätung angewandt, aber ich bin zuversichtlich, dass sie dazu beitragen, eine bessere Kultur des Schutzes in der Gegenwart und in der Zukunft zu gewährleisten.

Verbunden mit diesen Bemühungen ist es nötig, dass jeder Getaufte sich einbezogen weiß in diese kirchliche und soziale Umgestaltung, die wir so sehr nötig haben. Eine solche Umgestaltung verlangt die persönliche und gemeinschaftliche Umkehr. Sie leitet uns an, in die gleiche Richtung zu schauen wie der Herr. So sagte der heilige Johannes Paul II.: »Wenn wir wirklich von der Betrachtung Christi ausgegangen sind, werden wir in der Lage sein, ihn vor allem im Antlitz derer zu erkennen, mit denen er sich selbst gern identifiziert hat« (Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte, 49). Lernen zu schauen, wohin der Herr geschaut hat. Lernen dort zu stehen, wo der Herr uns haben will, um das Herz, das in seiner Gegenwart steht, zu bekehren. Zu diesem Zweck helfen Gebet und Buße. Ich lade das ganze heilige gläubige Volk Gottes zu dieser Bußübung des Gebets und des Fastens entsprechend der Aufforderung des Herrn1 ein. Er weckt unser Gewissen, unsere Solidarität und unseren Einsatz für eine Kultur des Schutzes und des „Nie wieder“ gegenüber jeder Art und jeder Form von Missbrauch.

Es ist unmöglich, sich eine Umkehr des kirchlichen Handelns vorzustellen ohne die aktive Teilnahme aller Glieder des Volks Gottes. Mehr noch: Jedes Mal, wenn wir versucht haben, das Volk Gottes auszustechen, zum Schweigen zu bringen, zu übergehen oder auf kleine Eliten zu reduzieren, haben wir Gemeinschaften, Programme, theologische Entscheidungen, Spiritualitäten und Strukturen ohne Wurzeln, ohne Gedächtnis, ohne Gesicht, ohne Körper und letztendlich ohne Leben geschaffen2. Das zeigt sich deutlich in einer anomalen Verständnisweise von Autorität in der Kirche – sehr verbreitet in zahlreichen Gemeinschaften, in denen sich Verhaltensweisen des sexuellen Missbrauchs wie des Macht- und Gewissensmissbrauchs ereignet haben –, nämlich als Klerikalismus, jene Haltung, die »nicht nur die Persönlichkeit der Christen zunichte [macht], sondern dazu [neigt], die Taufgnade zu mindern und unterzubewerten, die der Heilige Geist in das Herz unseres Volkes eingegossen hat«3. Der Klerikalismus, sei er nun von den Priestern selbst oder von den Laien gefördert, erzeugt eine Spaltung im Leib der Kirche, die dazu anstiftet und beiträgt, viele der Übel, die wir heute beklagen, weiterlaufen zu lassen. Zum Missbrauch Nein zu sagen, heißt zu jeder Form von Klerikalismus mit Nachdruck Nein zu sagen.

Es ist immer gut, sich daran zu erinnern, dass der Herr »in der Heilsgeschichte ein Volk gerettet [hat]. Es gibt keine vollständige Identität ohne Zugehörigkeit zu einem Volk. Deshalb kann sich niemand allein, als isoliertes Individuum, retten, sondern Gott zieht uns an, wobei er das komplexe Geflecht zwischenmenschlicher Beziehungen berücksichtigt, das der menschlichen Gemeinschaft innewohnt: Gott wollte in eine soziale Dynamik eintreten, in die Dynamik eines Volkes« (Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 6). Deshalb ist die einzige Möglichkeit, die wir haben, um auf dieses Übel, das so viele Leben geraubt hat, zu antworten, es als Aufgabe zu leben, die uns alle als Volk Gottes einbezieht und betrifft. Dieses Bewusstsein, dass wir uns als Teil eines Volkes und einer gemeinsamen Geschichte fühlen, gestattet uns, unsere Sünden und die Fehler der Vergangenheit in einer bußfertigen Offenheit zu erkennen, die fähig ist, sich von innen her erneuern zu lassen. Alles, was man unternimmt, um die Kultur des Missbrauchs aus unseren Gemeinschaften auszumerzen, ohne alle Glieder der Kirche aktiv daran teilhaben zu lassen, wird nicht dazu in der Lage sein, die nötigen Dynamiken für eine gesunde und wirksame Umgestaltung zu erzeugen. Die büßende Dimension des Fastens und des Gebets wird uns als Volk Gottes helfen, uns vor den Herrn und vor unsere verwundeten Brüder und Schwestern zu stellen – als Sünder, die die Verzeihung sowie die Gnade der Scham und der Umkehr erflehen und somit Maßnahmen erarbeiten, die Dynamiken im Einklang mit dem Evangelium erzeugen. Denn »jedes Mal, wenn wir versuchen, zur Quelle zurückzukehren und die ursprüngliche Frische des Evangeliums wiederzugewinnen, tauchen neue Wege, kreative Methoden, andere Ausdrucksformen, aussagekräftigere Zeichen und Worte reich an neuer Bedeutung für die Welt von heute auf« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 11).

Es ist unumgänglich, dass wir als Kirche die von Ordensleuten und Priestern begangenen Gräueltaten wie auch die von all jenen, die den Auftrag hatten, die am meisten Verwundbaren zu behüten und zu beschützen, anerkennen und mit Schmerz und Scham verdammen. Wir bitten um Vergebung für die eigenen und für die Sünden anderer. Das Bewusstsein der Sünde hilft uns, die Fehler, die Vergehen und die in der Vergangenheit verursachten Wunden anzuerkennen, und es gestattet uns, uns zu öffnen und in der Gegenwart stärker für einen Weg erneuerter Umkehr einzusetzen.

Zugleich werden uns die Buße und das Gebet helfen, unsere Augen und unser Herz für das Leiden der anderen zu schärfen und die Begierde des Herrschens und des Besitzens zu besiegen, die so oft die Wurzel dieser Übel sind. Möge das Fasten und das Gebet unsere Ohren öffnen für den leisen Schmerz der Kinder, die Jugendlichen und der Behinderten. Fasten, das uns Hunger und Durst nach Gerechtigkeit schaffen und uns antreiben möge, in der Wahrheit zu wandeln und uns auf alle Rechtsmittel zu stützen, die nötig sind. Ein Fasten, das uns schüttelt und uns dazu bringt, uns mit allen Menschen guten Willens und der Gesellschaft insgesamt in der Wahrheit und in der Liebe zu engagieren, um jede Art von sexuellem wie Macht- und Gewissensmissbrauch zu bekämpfen.

Auf diese Weise werden wir unseren Auftrag deutlich machen können, zu dem wir berufen sind, nämlich »Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit« (Zweites Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. Lumen gentium, 1) zu sein.

»Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit«, sagte uns der heilige Paulus. Mittels der betenden und büßenden Haltung können wir in persönlichen und gemeinschaftlichen Einklang mit dieser Mahnung eintreten, auf dass unter uns die Gaben des Mitleids, der Gerechtigkeit, der Vorbeugung und der Wiedergutmachung wachsen mögen. Maria hat es vermocht, am Fuß des Kreuzes ihres Sohnes zu stehen. Sie hat es nicht in irgendeiner Weise getan, sondern sie stand aufrecht und direkt daneben. Mit dieser Haltung bekundet sie ihre Weise, im Leben zu stehen. Wenn wir die Trostlosigkeit erfahren, die uns diese kirchlichen Wunden verursacht, wird es uns mit Maria guttun, „mit Maria mehr im Gebet zu verharren“ (Ignatius von Loyola, Geistliche Exerzitien, 319), indem wir versuchen, in der Liebe und der Treue zur Kirche zu wachsen. Sie, die erste Jüngerin, lehrt uns Jünger alle, wie wir uns angesichts des Leidens des Unschuldigen zu verhalten haben, ohne Ausflüchte und Verzagtheit. Auf Maria zu schauen heißt entdecken lernen, wo und wie wir als Jünger Christi zu stehen haben.

Der Heilige Geist schenke uns die Gnade der Umkehr und die innere Stärkung, damit wir unsere Reue angesichts dieser Verbrechen des Missbrauchs zum Ausdruck bringen können und unsere Entscheidung, sie mutig zu bekämpfen.

Aus dem Vatikan, am 20. August 2018

FRANZISKUS


1»Diese Art kann nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden« (Mt 17,21).

2 Vgl. Schreiben an das pilgernde Volk Gottes in Chile, 31. Mai 2018.

3 Schreiben an Kard. Marc Ouellet, Präsident der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika, 31. März 2016.

(Letzte Aktualisierung am 20.8.2018 um 13:09 Uhr: Textkorrektur, CNA Deutsch)

Bischöfe Chiles präsentieren erste Maßnahmen zur Vermeidung neuer Missbrauchsfälle

SANTIAGO DE CHILE – Die Bischöfe Chiles haben am 3. August zugegeben, angesichts der Fälle sexuellen Missbrauchs durch Priester ihre Pflicht als Hirten vernachlässigt zu haben. Mehrere neue Maßnahmen sollen kurz- und mittelfristig für ein transparentes Vorgehen, Gerechtigkeit und Entschädigung der Opfer sorgen.

In einer Pressekonferenz verlas der Vorsitzende der Chilenischen Bischofskonferenz (CECH), Monsignore Santiago Silva, zusammen mit dem Generalsekretär, Monsignore Fernando Ramos, eine Erklärung, die während der 116. Außerordentliche Versammlung erarbeitet worden war, an der auch Pfarrvikare, Vertreter der Ordensgemeinschaften, Diakone, Laien und Mitarbeiter der Diözese teilgenommen hatten.

Ziel des Treffens war es gewesen, die Ursachen und Wurzeln der aktuellen Situation der chilenischen Kirche zu analysieren, um daraufhin einige Richtlinien zu erstellen, die in den Diözesen des Landes umgesetzt werden sollen.
Die Bischöfe drückte ihre Reue darüber aus, dass sie „nicht immer die Richtlinien des nationalen Präventionsrates im Hinblick auf den Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs in allen kirchlichen Instanzen angenommen hätten.“
„Unsere Fehler und Versäumnisse haben Schmerz und Ratlosigkeit verursacht; sie haben die kirchliche Gemeinschaft geschädigt, Bekehrung erschwert und Hoffnung vernichtet“, fügten sie hinzu.

„Auf keinen Fall wollten wir diesen Schaden verursachen oder verschlimmern, aber im Rückblick hätten einige von uns sein aktiver können und aufmerksamer für den Schmerzen, den die Opfer, die Familienangehörigen und die kirchlichen Gemeinschaft erlitten haben.“

Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch

Die erste Maßnahme ist die Bereitschaft, mit den Ermittlungen der Justiz zusammenzuarbeiten, mit gebührender Rücksicht auf „die Namen der Ankläger und Opfer, die ausdrücklich den Schutz ihrer Identität verlangt haben.“

Die CECH kündigte auch die Veröffentlichung aller früheren Untersuchungen über mutmaßlichen Fälle sexuellen Missbrauch von Minderjährigen an und forderte die Ordensgemeinschaften auf, dasselbe zu tun

Die Bischofskonferenz hat drittens die Anwältin Ana Maria Celis zur Präsidentin des nationalen Rates für Prävention von Missbrauch und Unterstützung der Opfer ernannt. Dieses Amt hatte übergangsweise Monsignore Santiago Silva inne.

Ebenso haben die Bischöfe die neuen Kompetenzen des nationalen Rates für Prävention von Missbrauch bestätigt, so dass dieser aktuelle Informationen über Ermittlungen und Strafprozesse einholen kann.

Darüber hinaus wurde ein Ressort für Missbrauchsprävention errichtet, das vom Rat abhängig und befugt ist, gemäß den kirchenrechtlichen Normen Anzeigen aufzunehmen und Aktionen durchzuführen. Am Ende verkündete die CECH, dass die Liste mit den Namen der strafrechtlich und kirchenrechtlich wegen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilen Priester auf der Website des Rates veröffentlicht werden wird.

Nach den Besuchen von Papst Franziskus sowie den päpstlichen Gesandten Monsignore Charles Scicluna und Monsignore Jordi Bertomeu in Chile, kam eine Reihe von Fällen sexuellen Missbrauchs, Machtmissbrauchs und Vertuschung durch den Klerus des Landes ans Licht.

Parallel dazu leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein, um die Fälle von Missbrauch an Minderjährigen aufzuklären und mögliche Vertuschung durch Mitglieder der Kirche in Chile zu überprüfen.

Übersetzt aus dem Spanischen von Susanne Finner. (CNA Deutsch)

Missbrauch in Chile: Bischof weist Vertuschungsvorwürfe zurück


TEMUCO – Der Apostolischer Vikar von Aysén (Chile), Bischof Luis Infanti de la Mora, hat die Vorwürfe der Vertuschung sexuellen Missbrauchs durch Priester zurückgewiesen, die in einer Fernsehsendung gegen ihn erhoben wurden.

Am 26. Juni berichtete die Sendung „Informe Especial“ des Senders Television National de Chile (TVN) über Fälle sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen, die im ehemaligen Heim Villa San Luis stattgefunden hatten, das vom Orden Don Guanellas geleitet worden war.

Der Bericht erhebt den Vorwurf, besuchende Priester hätten dort minderjährige Jungen sexuell missbraucht – und der örtliche Bischof habe nichts unternommen, obwohl er persönlich davon unterrichtet worden sei.

In einer ausführlichen öffentlichen Erklärung widerspricht Infanti den Vertuschungsvorwürfen und beschreibt, wie 2005 – das Jahr, in dem er von den Ereignissen erfuhr – vorgegangen wurde.

Darin erklärte der Würdenträger, dass das Heim im Jahr 1976 in der Stadt Coyhaique (Region Aysén) unter der Verantwortung des Werkes Don Guanella seinen Dienst aufgenommen habe, „unabhängig vom Apostolischen Vikariat von Aysén, das nur die Präsenz der Kongregation im Vikariat genehmigt.“

Seit 1991 arbeitete dieses Haus mit dem für dessen Aufsicht zuständigen Nationalen Dienst für Minderjährige (Sename) zusammen.

Bischof Infanti stellte fest, dass „die Sozialarbeiterin und der Psychologe des Heims im Jahr 2005 bei den Minderjährigen körperliche und psychologische Misshandlungen und auch sexuellen Missbrauch feststellten. Sie informierten den Heimleiter, die Behörde – Sename – und mich als Bischof darüber, ebenso die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden.“

„Da das Vikariat hatte zu dieser Zeit kein Kirchengericht besaß, das Anzeigen aufnehmen hätte können, reichte ich die Anklage an die regionalen Staatsanwaltschaft für eine ernsthafte, verantwortungsvolle und professionelle Untersuchung weiter; diese wurde auch durchgeführt“, so Monsignore Infanti weiter.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben schwerwiegende unerlaubte Handlungen, Misshandlungen und sexuellen Missbrauch – sowohl unter den Kindern des Heimes selbst als auch durch erwachsene Mitglieder des Ordens, so der Bericht.

Parallel zu diesen Untersuchungen unterrichtete der Bischof die Verantwortlichen des Werkes Don Guanella über die Vorwürfe, „damit ihre Kongregation die entsprechenden Maßnahmen ergreife, wie sie das kanonische Recht in solchen Fällen vorschreibt.“

Monsignore Infanti teilte weiter mit, er habe 2006 von Sename einen vertraulichen Bericht erhalten, in dem „die Schwere der Misshandlungen, Missbräuche und Vergewaltigungen im ehemaligen Heim offengelegt wurden, wobei die Beteiligung der Priester und Ordensleute der Kongregation Don Guanellas dargestellt wurde, ohne sie jedoch bereits namentlich zu identifizieren.“

„Deshalb traf ich mich mit allen Mitarbeitern des Hauses und ermutigte sie, bei den Ermittlungen mit der Staatsanwaltschaft zu kooperieren“ sagte der Erzbischof und fügte hinzu, dass „im November jenes Jahres Sename die Schließung des Hauses anordnete.“

Im Jahr 2009 beendete die Staatsanwaltschaft die Untersuchungen vorläufig und nahm sie im April 2011 wieder auf. In diesem Jahr veröffentlichte die Wochenausgabe „Sabado“ der Tageszeitung „El Mercurio“ einen Bericht über die Ereignisse und führte die Namen einiger Priester und Ordensleute auf, die von den minderjährigen Opfern angeklagt worden waren, sexuelle Gewalt verübt zu haben.

Am 20. Mai 2011 bekannte sich der Orden öffentlich zur Situation und verurteilte diese mit einer Bitte um Vergebung und der expliziten Bereitschaft, mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten, gemäß dem jüngst verabschiedeten Protokoll der chilenischen Bischofskonferenz (CECH) zu Missbrauch von Minderjährigen durch Priester.

Am 4. August diesen Jahres wurde Monsignore Infanti einbestellt, um im Rahmen der Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft auszusagen und „er berichtete über alle Geschehnisse, von denen er Kenntnis hatte“, so die Mitteilung.

„Am 5. November 2012 gründete das Vikariat das Gremium ‚Fürsorge und Hoffnung‘ zur Prävention von Kindesmissbrauch durch Geistliche, in Übereinstimmung mit den Richtlinien der CECH. Bis heute hat dieser Rat keine Beschwerden zum ehemaligen Heim Villa San Luis erhalten“, erklärte der Bischof.

In seinem Statement bezog sich Bischof Infanti auf die drei Personen, die ihn in der Reportage der Vertuschung bezichtigen. Im ersten Fall erklärte er, dass er sich mit dem Opfer getroffen habe, im zweiten, dass ein Gespräch mit einer Heimangestellten über dessen ungerechtfertigte Entlassung aus dem Heim stattgefunden habe und im letzten Fall, dass weder ein persönliches Treffen mit dem Ankläger erfolgt sei, noch dass er diesen persönlich kenne.

Des weiteren betonte der Bischof, dass niemand ihn „für die Reportage kontaktiert“ habe. Er fügte hinzu, dass man von ihm getätigte Aussagen aus einer anderen Fernsehsendung genommen und „aus dem Kontext gerissen“ habe.

Infanti erklärte, dass seine Intention als apostolischer Vikar von Aysen stets gewesen war,  „in dieser schrecklichen Sache von Villa San Luis die Wahrheit ans Licht zu bringen und Gerechtigkeit zu schaffen“ – und er bat die Opfer erneut um Verzeihung.

„Ich verpflichte mich dazu, mich dafür einzusetzen, dass in unserem kirchlichen und sozialen Umfeld nie wieder die Rechte von Kindern verletzt werden, gemäß dem Aufruf von Papst Franziskus, die Kultur des ‚Missbrauchs und der Vertuschung‘ zu überwinden, um gemeinsam eine Kultur der ‚Fürsorge und des Schutzes‘ aufzubauen“, beteuerte der Bischof.

Übersetzt aus dem Spanischen von Susanne Finner. (CNA Deutsch)

Delegat des Papstes beendet Mission in Chile und bittet in seinem Namen um Vergebung

TEMUCO – Am Sonntag hat Erzbischof Charles Scicluna, Sondergesandter von Papst Franziskus in der Diözese Osorno in Chile, im Namen des Pontifex bei allen Gläubigen entschuldigt und um Vergebung gebeten, nachdem er mehrere Tage lang Opfer sexuellen Missbrauchs angehört hatte.

„Papst Franziskus hat mir aufgetragen, jeden Gläubigen der Diözese Osorno und alle Bewohnern dieses Gebietes um Verzeihung zu bitten dafür, dass wir sie verletzt und zutiefst beleidigt haben“, sagte Scicluna, der auch Erzbischof von Malta ist, am 17. Juni in einer Mitteilung am Ende seines Aufenthaltes in Osorno.

Zum Abschluss feierte eine heilige Messe in der Kathedrale des heiligen Matthäus.

Vom 14. bis 17. Juni hielten sich Erzbischof Scicluna und der Mitgesandte, Monsignore Jordi Bertomeu, in Osorno auf, um sich mit verschiedenen Gemeinden zu treffen und Wege der Versöhnung und neuen Gemeinschaft zu finden und entwickeln.

Zuvor hatten beide Informationen über die mögliche Vertuschung des bisherigen Bischofs von Osorno in Fällen sexuellen Missbrauchs durch den Priester Fernando Karadima gesammelt.

In seiner Mitteilung dankte Bischof Scicluna „allen für die wunderbare, warmherzige und aufrichtige Begrüßung“ und dafür, dass sie „die Liebe der Kirche erfahren“ durften, was sie „tief bewegte.“

„Für Monsignore Jordi Bertomeu und mich war es eine tiefe Erfahrung Gottes, so vielen Pfarrgemeinden zu begegnen, so viele Menschen zu treffen, die mit uns ihre Wunden, ihre schmerzhaften Erfahrungen und auch ihre Hoffnungen und Liebe für die Kirche in Osorno geteilt haben“.

Er dankte den Mitgliedern des Klerus von Osorno und allen für „so viel guten Willen, für so viel Liebe zur Kirche Jesu Christi und für den Wunsch der großen Mehrheit, dass echte Versöhnung stattfinde.“

Er betonte, dass diese erhoffte Versöhnung nicht „durch eine Mission von ein paar Tage erreicht wird, sondern sie ist ein Geschenk Gottes, das von einem langen Prozess begleitet werden muss, der Geduld, Großzügigkeit, Kraft und Demut erfordert.“

Am Ende seiner Botschaft wünschte er Monsignore Jorge Concha, dem Apostolischen Administrator von Osorno, „alles Gute für seine Mission, dem Volk Gottes zu dienen, das sich nach Einheit sehnt und das versucht, ein wahres Zeugnis für die Freude des Evangeliums zu geben.“ (CNA Deutsch)

Chile: Sonderbeauftragter Scicluna bietet der chilenischen Kirche Rechtsberatung an

Quelle: EB Santiago (Screenshot Video am 13. Juni)

Der Sonderbeauftragte des Papstes, Erzbischof Charles Scicluna gab gestern eine Presseerklärung im Erzbistum Santiago de Chile ab.

Vaticanhistory – Martin Marker

Scicluna befindet sich derzeit auf einer Pastoralmission vom 12. bis 19. Juni in den chilenischen Diözesen Osorno und Santiago de Chile mit Msgr. Jordi Bertomeu, einem Beamten des Lehramtes des Vatikans. Die beiden Männer, die in Chile den „Prozess der Heilung und Wiedergutmachung für Missbrauchsopfer“ voranbringen sollen, werden vom 14. bis 17. Juni in der Diözese Osorno und den Rest ihrer Zeit in der Erzdiözese Santiago de Chile verbringen.

Scicluna betonte in seiner Erklärung die besondere Verbundenheit des Papstes mit der Diözese Osorno und sagte, dass der Besuch in einem Geist des „Dienstes und der Gemeinschaft, im Kontext des Gebetes, der liturgischen Feier und des gegenseitigen Zuhörens und der Herzlichkeit“ stattfinden wird.

„In Bezug auf unsere pastorale Sendung möchten wir an erster Stelle ein Zeichen der Nähe des Papstes zu den Menschen und der chilenischen Kirche sein“,

sagte Erzbischof Scicluna.

„Ein weiteres Ziel des Besuchs ist es, der Diözesankurie in Chile konkrete technische und rechtliche Hilfe zu leisten, damit sie auf jeden Fall von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen, der von Priestern oder Ordensleuten begangen wurde, angemessen reagieren zu können.“

Papst Franziskus hatte am Montag den Rücktritt von Bischof Barros, dem Episkopaten der Diözese Osorno und von zwei weiteren chilenischen Bischöfen angenommen. In Anlehnung an den jüngsten Brief des Papstes an die chilenischen Katholiken sagte Scicluna, der Appell des Papstes, Maßnahmen zu ergreifen, „ist keine funktionelle Ressource oder eine Geste des guten Willens, im Gegenteil, es ist die Salbung, die sie als Gottes Volk erlangen. „

Scicluna forderte alle chilenischen Katholiken auf,

„keine Angst zu haben, sich zu engagieren und vom Heiligen Geist getrieben zu werden auf der Suche nach einer Kirche, die alltäglich synodaler, prophetischer und hoffnungsvoller ist.“


(vh – mm)

Rücktritt von Bischof Juan Barros ist offiziell: Erste personelle Konsequenzen in Chile

SANTIAGO DE CHILE – Papst Franziskus ernannte ihn 2015 – trotz massiver Proteste – zum Bischof von Osorno, nun hat er seinen Rücktritt von diesem Posten angenommen: Bischof Juan Barros, der als eine der Schlüsselpersonen in der Vertuschung des Missbrauchskandals um Pfarrer Fernando Karadima gilt, verliert sein Amt, zusammen mit zwei weiteren Würdenträgern: Erzbischof Cristián Caro Cordero von Puerto Montt und Bischof Gonzalo Duarte García de Cortázar von Valparaíso.

Das hat der Vatikan am heutigen Montag mitgeteilt.

Für alle drei Diözesen wurden Apostolische Administratoren ernannt, die vorübergehend die Amtsgeschäfte leiten.

Kollektiv hatten die Bischöfe Chiles im Rahmen eines Krisentreffens mit Papst Franziskus, das vom 15. bis 17. Mai 2018 im Vatikan stattfand, ihren Rücktritt angeboten.

Die Entscheidung über eine Annahme eines Rücktritts liegt beim Papst. Bisher sind Barros, Caro und Duarte die ersten Bischöfe, deren Resignation Franziskus offiziell angenommen hat.

Die Ankündigung des Rücktritts von Barros fällt mit einer neuen pastoralen Mission zusammen: Maltas Erzbischof Charles Scicluna und Monsignore Bertomeu werden vom 12. bis 19. Juni erneut nach Chile reisen, diesmal auch für drei Tage in die Diözese Osorno. Den Rest des Aufenthaltes verbringen sie in Santiago.

Papst Franziskus‘ Ernennung von Barros nach Osorno im Jahr 2015 stieß auf massive Proteste und fortwährende Forderungen nach einem Rücktritt. Dutzende von Demonstranten, darunter auch Nicht-Katholiken, versuchten, die feierliche Einführung von Bischof Barros am 21. März 2015 in der Kathedrale von Osorno zu stören.

Zu den Kritikern der Ernennung gehören ehemalige Opfer der sexuellen Gewalt durch Karadima. Dieser war bereits 2011 von der Kongregation für die Glaubenslehre des sexuellen Missbrauchs mehrerer Minderjähriger in den 1980er und 1990er Jahren für schuldig befunden.

Barros behauptete bis zuletzt seine Unschuld und sagte, dass er nicht wusste, dass der Missbrauch stattfand. Papst Franziskus unterstützte ihn zunächst, weigerte sich, Barros von seinem Amt zurücktreten zu lassen – und nannte die Vorwürfe im Rahmen seines eigenen Besuchs in Chile im Januar „Verleumdung“.

Der frostige Empfang des südamerikanischen Papstes in Chile, begleitet von Anschlägen und Protesten, erregte weltweit Aufsehen.

Nach seiner Rückkehr sandte Franziskus Monsignores Scicluna und Bertomeu nach Santiago, und entschuldigte sich dann im April dafür, dass er „schwere Fehler“ bei der Beurteilung des Falles gemacht habe. Franziskus traf sich zudem mehrfach mit Opfern des Missbrauchs und schrieb einen Brief an alle Gläubigen in Chile; gleichzeitig erschütterte unterdessen ein neuer Fall die Kirche und Menschen vor Ort.

Elise Harris trug zur Berichterstattung bei. (CNA Deutsch)