Warum ein Dialog mit den chinesischen Behördenvertretern? Die Katholiken in China sind dem Glauben treu geblieben – trotz des großen Leids, das sie durch ein religionsfeindliches Regime erdulden mussten. Was kann ein solcher Dialog bewirken?
Sergio Centofanti und P. Bernd Hagenkord, SJ – Vatikanstadt
Der Dialog ist wesentlicher Bestandteil des Lebens der Kirche. Er nimmt einen wichtigen Stellenwert in ihrem Handeln ein, sowohl intern als auch, was ihre Beziehungen zur Außenwelt betrifft. Einen Dialog führen bedeutet, mit der Gesellschaft, den Religionen, den Kulturen in Kontakt zu treten.
Nicht umsonst hat schon das Zweite Vatikanische Konzil den Dialog als Stil pastoralen Wirkens empfohlen, und das nicht nur unter Mitgliedern der Kirche, sondern auch mit Nicht-Christen, zivilen Behördenvertretern und Menschen guten Willens. So heißt es in der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes ja auch: „[…] Alle Menschen, Glaubende und Nichtglaubende, müssen zum richtigen Aufbau dieser Welt, in der sie gemeinsam leben, zusammenarbeiten. Das kann gewiss nicht geschehen ohne einen aufrichtigen und klugen Dialog“ (Nr. 21).
Weitblickende Worte für den Dialog fand auch Papst Paul VI. in seiner Enzyklika Ecclesiam Suam: „Die Kirche muss zu einem Dialog mit der Welt kommen, in der sie nun einmal lebt. Die Kirche macht sich selbst zum Wort, zur Botschaft, zum Dialog (Nr. 67); die katholische Kirche „muss zum Dialog mit allen Menschen guten Willens bereit sein, außer- und innerhalb ihres eigenen Umfeldes“ (Nr. 97).
Der Dialog zwischen Personen, Institutionen und menschlichen Gemeinschaften ermöglicht ein gegenseitiges Kennenlernen, aus dem auch Freundschaft werden kann. Unbedingte Voraussetzung des Dialogs ist Vertrauen. Und dieses gegenseitige Vertrauen ist das Ergebnis vieler kleiner Schritte, Gesten und Begegnungen, die bei zahlreichen Gelegenheiten möglich geworden sind – oft ohne allzu große Hoffnungen und stets mit der allergrößten Diskretion. „Es gibt immer Türen, die nicht verschlossen sind”, wie der Heilige Vater sagte (Pressekonferenz auf dem Rückflug von Fatima, 3. Mai 2017).
Dialog durch kleine Schritte der Annäherung
Das Klima, das den Dialog zwischen dem Heiligen Stuhl und China heute bestimmt, ist auch den kleinen Schritten zu verdanken, die die letzten Päpste gemacht haben: ein jeder von ihnen hat einen Weg geebnet, einen Stein in den neuen Bau eingefügt, Gedanken und Werke der Hoffnung entstehen lassen. Denken wir nur an das umsichtige Vorgehen von Paul VI. oder an die klaren Anweisungen, die Benedikt XVI. und der hl. Johannes Paul II. zum proaktiven Dialog mit den chinesischen Behördenvertretern gegeben haben. Nicht zu vergessen Papst Franziskus, der mit seiner Persönlichkeit, seinen Gesten und seinem Lehramt entscheidend zur Beschleunigung des Prozesses der Annäherung der Völker beigetragen hat, das chinesische Volk eingeschlossen.
Dass die Kirche auf den Dialog setzt, ist natürlich kein Selbstzweck, hat nichts mit bedingungsloser Kompromissbereitschaft oder der Verzichtshaltung jener zu tun, die bereit sind, für einen leichten politischen oder diplomatischen Erfolg ihre Prinzipien zu verraten und dabei den Leidensweg vergessen, den die katholische Gemeinschaft gegangen ist. Für die Kirche muss der Dialog stets von der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit beseelt sein und das ganzheitliche Wohl der Person im Blick haben, im Respekt der Grundrechte.
Sendung der Kirche – auch in China – ist es aber nicht, die Struktur und Verwaltung des Staates zu verändern, oder sich gegen die weltliche Macht zu stellen, die im politischen Leben zum Ausdruck kommt. Würde die Kirche ihre Sendung nämlich nur als einen politischen Kampf verstehen, würde sie ihre wahre Natur verraten, zu einem x-beliebigen politischen Akteur unter vielen werden. Und das würde bedeuten, dass sie ihre transzendente Berufung einbüßt und ihr Handeln auf einen rein weltlichen Horizont reduziert.
Ein wahrer und ehrlicher Dialog versetzt die Gesellschaft dagegen in die Lage, von innen heraus zu agieren, sowohl was den Schutz der rechtmäßigen Erwartungen der Katholiken angeht als auch die Förderung des Gemeinwohls aller. Wenn sich die Kirche in diesem Zusammenhang also kritisch äußert, will sie nicht polemisieren oder unkonstruktive Verurteilungen aussprechen, sondern konstruktiv für eine gerechtere Gesellschaft eintreten. Und so wird auch Kritik zu einer konkreten Übung pastoraler Nächstenliebe, weil sie den verzweifelten Ruf der Schwachen hört, die oft nicht die Kraft oder die Autorität haben, sich selbst Gehör zu verschaffen.
Der Heilige Stuhl ist der Meinung, dass ein offener und respektvoller Dialog, der zweifellos mühsam ist und Risiken birgt, auch in China ein Klima schaffen wird, das eine auf Vertrauen basierende Aussprache ermöglicht, dem gegenseitigen Kennenlernen zuträglich ist und hilft, die großen Missverständnisse der früheren und neueren Zeit allmählich auszuräumen.
Signale der Öffnung
Es gibt Signale, die schon heute darauf hinweisen, dass China der „soft power”, die der Heilige Stuhl auf internationaler Ebene ausübt, immer mehr Beachtung schenkt. Die Geschichte in China geht voran, und das macht es erforderlich, dass die kirchlichen Verantwortungsträger ein umsichtiges Unterscheidungsvermögen walten lassen. Gerade deshalb ist der Weg des Dialogs, den der Heilige Stuhl in Sachen Beziehungen mit den chinesischen Behördenvertretern schon vor einem Vierteljahrhundert eingeschlagen hat, heute zu einer wahren pastoralen Pflicht geworden – für alle, die bereit sind, die Zeichen der Zeit zu sehen und anzuerkennen, dass Gott in der Geschichte gegenwärtig ist, sie mit seiner Vorsehung leitet und auch konkret für die Zukunft der chinesischen Katholiken wirkt (Vatican News)