Die Vatikanbehörde, die für den Dialog mit den Muslimen zuständig ist, hat sich erstmals zur Errichtung des „Kalifates“ durch die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ geäußert. Mit äußerster Entschiedenheit weist der von Kardinal Jean-Louis Tauran geleitete Päpstliche Rat für den interreligiösen Dialog die Praktiken des „Islamischen Staates“ zurück. Die „religiösen Verantwortlichen, besonders die muslimischen“, werden zu einer „klaren und mutigen Stellungnahme“ zu den Vorgängen im Irak aufgefordert. Das „Kalifat“ ist Ende Juni 2014 ausgerufen worden.
Die Erklärung aus dem Vatikan, die an diesem Dienstag veröffentlich wurde, listet zahlreiche und „unsägliche kriminelle Handlungen“ durch die Dschihadisten des „Islamischen Staates“ auf: Massaker an Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit, die „grauenhafte Praxis der Enthauptung, der Kreuzigung und des Aufhängens von Leichen an öffentlichen Plätzen“, die erzwungene Wahl für Christen und Jesiden, zu konvertieren, eine bestimmte Steuer zu zahlen oder zu flüchten; die Vertreibung „zehntausender Menschen“, darunter Kinder, Alte, Schwangere und Kranke; die Entführung christlicher und jesidischer Frauen und Mädchen „als Kriegsbeute“; die Auferlegung der „barbarischen Praxis“ der Genitalverstümmelung an Frauen; die Zerstörung christlicher und muslimischer Kultorte; die Besetzung und Entweihung von Kirchen und Klöstern; die Zerstörung christlicher und anderer religiöser Symbole; und schließlich die „niederträchtige Gewalt mit dem Ziel, die Menschen zu terrorisieren und sie zu zwingen, sich auszuliefern oder zu flüchten“.
„Kein Grund“, erst recht kein religiöser, könne „eine solche Barbarei rechtfertigen“, heißt es weiter in der ungewöhnlich deutlich formulierten Mitteilung aus dem Vatikan. Christen und Muslime hätten über Jahrhunderte nebeneinander gelebt, „mit Höhen und Tiefen“, aber sie hätten eine Zivilisation geschafften, „auf die sie stolz sind“. Auf dieser Grundlage habe sich nicht zuletzt der christlich-muslimische Dialog in den vergangenen Jahren entwickelt.
Angesichts der dramatischen Lage der Christen, Jesiden und anderen Religionsgemeinschaften im Irak brauche es eine einstimmige Verurteilung der Vorgänge im „Kalifat“, heißt es in der Mitteilung aus dem Vatikan weiter. Religionsvertreter, „besonders muslimische“, Exponenten des interreligiösen Dialogs und „alle Menschen guten Willens“ müssten „einmütig und ohne Zweideutigkeiten“ die Verbrechen der islamistischen Terrorgruppe im Irak verurteilen und ihre Berufung auf religiöse Motive zurückweisen. Auf dem Spiel stehe geradewegs die Glaubwürdigkeit der Religionen, ihrer Anhänger und ihrer Oberhäupter. Der Vatikan verweist auch darauf, dass die Mehrheit der islamischen Institutionen in Religion und Politik die Wiedererrichtung des Kalifats durch die Dschihadisten der Organisation „Islamischer Staat“ ablehne.
Die Religionsvertreter müssten auch ihren Einfluss bei den Regierungen geltend machen, damit die Verbrechen aufhören, die Täter bestraft werden und ein Rechtsstaat in dem Krisengebiet entstehe, damit die Vertriebenen zurückkehren können. Auch einen neuerlichen Appell gegen den Waffenhandel beinhaltet die Erklärung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog: „Die religiösen Führer werden nicht verabsäumen zu unterstreichen, dass die Unterstützung, Finanzierung und Bewaffnung des Terrorismus moralisch verwerflich sind.“ Die Erklärung endet mit dem Appell von Papst Franziskus von Ende Juli: „Der Gott des Friedens erwecke in allen ein echtes Verlangen nach Dialog und Versöhnung. Gewalt besiegt man nie mit Gewalt. Gewalt besiegt man mit dem Frieden!“ (rv)