Die UN-Menschenrechtserklärung bildete den roten Faden der diesjährigen Papstrede an das diplomatische Corps. Deutschland lobte er zum wiederholten Mal ausdrücklich für die Aufnahme zahlreicher Flüchtlinge aus Krisenländern. Mit 185 Staaten weltweit pflegt der Vatikan diplomatische Beziehungen, darunter seit vergangenem Jahr auch Myanmar, das er im November besucht hatte. Der Papst ging bei seiner Ansprache auf diesen und andere Höhepunkte seiner Tätigkeit im vergangen Jahr ein.
Mario Galgano – Vatikanstadt.
Der Papst begann seine Rede damit, auf das Ziel und den Zweck der vatikanischen Diplomatie hinzuweisen. Bei den Beziehungen zu den Staaten gehe es um „das geistliche und materielle Wohl der menschlichen Person“. Es gehe aber auch um die Förderung des Gemeinwohls, fügte Franziskus an. Die apostolischen Reisen, die er im Laufe des vergangenen Jahres nach Ägypten, Portugal, Kolumbien, Myanmar und Bangladesch unternommen habe, seien „Ausdruck dieses Anliegens“ gewesen.
Fatima als Freudenfest
Die Reise nach Fatima zur Hundertjahrfeier der Erscheinungen der Muttergottes und der Heiligsprechung der Hirtenkinder Jacinta und Francisco Marto sei ein Freudenfest gewesen. Da habe er als Pilger „den Glauben voll Begeisterung und Freude“ erleben können, ließ Franziskus die Reise an das Marienheiligtum Revue passieren. In Ägypten, Myanmar und Bangladesch hingegen ging es beim Treffen mit den örtlichen christlichen Gemeinschaften um den Beitrag der Gläubigen als Minderheit in den jeweiligen Ländern. Franziskus betonte diesbezüglich auch die Treffen mit den Vertretern anderer Religionen. Dies sei bei den Reisen ein Zeugnis dafür, „wie die jeweiligen Besonderheiten nicht ein Hindernis für den Dialog“ sein könnten, „sondern der Lebenssaft, der das gemeinsame Streben nährt, die Wahrheit zu erkennen und die Gerechtigkeit zu üben“. Der Papst erwähnte auch seine Reise nach Kolumbien, bei der er „die Bemühungen und den Mut dieses geliebten Volkes gesegnet habe. Er konnte dort feststellen, dass die Kolumbianer „nach über einem halben Jahrhundert des inneren Konflikts von einer großen Sehnsucht nach Frieden durchdrungen“ seien.
Erinnerung an den Ersten Weltkrieg
Franziskus erinnerte daran, dass sich im Jahr 2018 das Ende des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal jährt. „Aus dem Trümmerhaufen des Weltkriegs“ könne man zwei Mahnungen lesen, so der Papst. Leider hätten dies die Menschen auch direkt nach dem Krieg nicht verstanden, so dass es „nach zwanzig Jahren zu einem neuen Konflikt kam, der noch zerstörerischer als der vorherige sein sollte“.
Die erste Mahnung sei: Siegen bedeutet niemals, „den bezwungenen Gegner zu demütigen“. „Der Friede wird nicht als Machtbestätigung des Siegers über den Besiegten aufgebaut“, erläuterte der Papst. Die zweite Mahnung hingegen laute, dass der Friede gefestigt werde, „wenn sich die Nationen in einem Klima der Gleichheit gegenübertreten können“. Ausgehend von der Enzyklika Pacem in terris von Johannes XXIII. von 1963 fügte Franziskus an, dass die Anerkennung der beiderseitigen Rechte jeweils mit Pflichten verbunden sei. Es gehe darum, die Würde eines jeden Menschen zu achten. Alles andere führe nur zu „Akten der Barbarei“.
70 Jahre Menschenrechtserklärung
Ein weiteres rundes Jubiläum sprach der Papst an. Vor 70 Jahren wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von der UN-Generalversammlung angenommen. Aus Vatikan-Sicht bedeutet diese Erklärung vor allem die Hervorhebung, dass der Mensch „von Gott gewollt und sein Abbild“ sei. „Wenn der Herr Jesus Christus Aussätzige heilte, Blinde sehend machte, mit Zöllnern verkehrte, das Leben der Ehebrecherin verschonte und dazu einlud, den verwundeten Reisenden zu pflegen, hat er damit selbst zu verstehen gegeben, dass jeder Mensch unabhängig von seiner körperlichen, geistigen und gesellschaftlichen Lage Respekt und Beachtung verdient“, so der Papst. Wiederholt hatten Päpste die Erklärung gewürdigt, der Heilige Stuhl hat diese aber niemals ratifiziert.
Kritik an 68er-Unruhen
Alle guten Dinge sind drei: Einen weiteren runden Geburtstag erwähnte der Papst, und zwar die sozialen Unruhen der 68er-Jahre. Da hätte es Überschreitungen bei der „Interpretation einiger Rechte“ geben, die „oft im Widerspruch zueinander stehen“. Das habe sogar zu Spannungen zwischen Nationen geführt, erinnerte er. „Es kann deshalb die auf gewisse Weise paradoxe Gefahr bestehen, dass im Namen der Menschenrechte moderne Formen von ideologischer Kolonisierung der Starken und Reichen zum Schaden der Armen und Schwachen entstehen“, erläuterte der Papst. Es sei ebenfalls falsch, Traditionen einzelner Völker als Vorwand zu benutzen, „um die gebührende Beachtung der von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte formulierten Grundrechte zu unterlassen“.
Hauptkritikpunkt gegenüber der 68er-Revolution ist aus der Perspektive der Kirche aber die Verbreitung und Akzeptierung von Abtreibung. Dazu sagte der Papst: „Ich denke vor allem an die unschuldigen Kinder, die noch vor ihrer Geburt ,weggeworfen´ werden; man will sie zuweilen nicht, nur weil sie krank oder missgebildet sind oder aufgrund des Egoismus der Erwachsenen.“
Dies habe zu einer Wegwerfkultur geführt, von der auch alte Menschen betroffen seien, die oftmals ebenso „weggeworfen“ würden, fügte Franziskus an. Ebenfalls gehörten Opfer des Menschenhandels dazu, insbesondere jene, die auf der Flucht vor Armut und Krieg seien und zum Spielball „von skrupellosen Leuten“ würden. Die Staatengemeinschaft solle das Recht auf die Gesundheit der Person und ihrer Familienangehörigen schützen, sich aktiv für den Frieden einsetzen und eine vollständige Abrüstung fördern. Dies alles stehe in einer engen Wechselbeziehung zur ganzheitlichen Entwicklung der Menschen. Die Suche nach Frieden als Voraussetzung für Entwicklung schließt wiederum mit ein, Ungerechtigkeit zu bekämpfen und gewaltlos die Konfliktgründe auszumerzen, die zu Kriegen führen. Deshalb habe auch der Heilige Stuhl den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet und ratifiziert, erläuterte der Papst.
Korea, Syrien und Flüchtlinge
In seiner Rede an das diplomatische Corps nannte der Papst auch die derzeitigen Hauptkrisenherde beim Namen. Er hoffe, dass auf der koreanischen Halbinsel der Dialog Früchte trage. Auch erinnerte er an die dramatische Situation in Syrien. Es sei der allgemeine Wunsch, „dass nach so viel Zerstörung die Zeit des Wiederaufbaus gekommen ist“, so der Papst. Aber noch mehr als Gebäude sei es in Syrien notwendig, „die Herzen wieder aufzubauen und das Netz des gegenseitigen Vertrauens neu zu knüpfen, das für das Florieren einer jeglichen Gesellschaft eine unverzichtbare Voraussetzung darstellt“. Der Wille zum Dialog sei auch im geschätzten Irak vonnöten. Lobende Worte fand Franziskus für deren Nachbarländer, die die zahlreichen Flüchtlinge aufgenommen haben.
Konflikte im Heiligen Land, Venezuela und Afrika
Franziskus ging auch auf den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ein. Er wiederholte abermals die Haltung des Heiligen Stuhls, den Status quo Jerusalems zu respektieren. Jene Stadt sei für alle drei großen monotheistischen Religionen heilig.
Einen weiteren Konflikt, den der Papst nannte, betraf die innerstaatliche Auseinandersetzung in Venezuela. Er hoffe, dass dort baldmöglichst eine friedliche und respektvolle Lösung gefunden werde. Positive Ergebnisse wünsche er auch für jene afrikanischen Länder, die von Unruhen geprägt sind. Namentlich nannte er den Südsudan, die Demokratische Republik Kongo, Somalia, Niger und die Zentralafrikanische Republik, „wo das Recht auf Leben von einer wahllosen Ausbeutung der Rohstoffe, von Terrorismus und von dem Anwachsen bewaffneter Gruppierungen sowie von andauernden Konflikten bedroht ist“.
Brückenbauen in der Ukraine
Der Papst erwähnte auch den Krieg in der Ostukraine. Es sei dort wichtig, „ein gemeinsames Bemühen um den Wiederaufbau von Brücken“ zu fördern. Auch mehrere Jahre nach Beginn des Konflikts seien „zahlreiche neue Opfer“ zu beklagen und der Bevölkerung „großes Leid“ zugefügt worden. Man dürfe nicht vergessen, dass in den Kriegsgebieten vor allem Familien, Kinder und Alte direkt betroffen seien.
Familie fördern und demographischer Winter
Es folgte das Thema der Familie, die laut Franziskus im Westen „als veraltete Institution“ betrachtet werde. Das Grundelement einer Familie sei, so betonte er in Widerspruch zu zahlreichen gegenteiligen Gesetzesinitiativen die unverrückbare Auffassung der katholischen Kirche, die Ehe zwischen Mann und Frau. Zusätzlich bedürfe es jedoch der Förderung durch den Staat. Ansonsten riskiere man das, was man bereits in vielen Ländern feststelle: das Sinken der Geburtszahlen. Der Papst sprach in diesem Zusammenhang gar von einem „demographischen Winter“.
Familien auf der Flucht
Viele Familie seien auf der Flucht und es sei wichtig, diese aufzunehmen. Er erinnerte an die Begegnung mit einigen Angehörigen des Volkes der Rohingya während seiner Bangladeschreise in Dakka. „Ferner möchte ich Italien besonderen Dank aussprechen, das in den vergangenen Jahren ein offenes und großmütiges Herz gezeigt hat und auch positive Beispiele von Integration aufzeigen konnte“, sagte der Papst in seiner Rede. „Ebenso danke ich weiteren europäischen Staaten für ihren Einsatz, besonders Griechenland und Deutschland“, würdigte der Papst deren Hilfsbereitschaft in der Flüchtlingskrise. Die Ankunft der Flüchtlinge solle Europa dazu anspornen, das eigene kulturelle und religiöse Erbe wiederzuentdecken. Im heutigen internationalen Kontext fehlten weder die Möglichkeiten noch die Mittel, „um jedem Mann und jeder Frau dieser Erde die Lebensbedingungen zu garantieren, die der Würde der menschlichen Person entsprechen“.
Recht auf Religionsfreiheit und Arbeit
Religionsfreiheit und das Recht auf Arbeit waren weitere Themen, die er in seiner Rede an das diplomatische Corps ansprach. Auf der anderen Seite gebe es aber noch die Plage der Kinderarbeit. Diese beeinträchtige „die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder, nimmt ihnen die Freuden der Kindheit und fordert unschuldige Opfer“.
Umweltschutz als Pflicht
Es sei eine „besonders dringende Pflicht“, für die Pflege der Erde zu sorgen. Erdbeben in Mexiko und im Iran oder auch Wirbelstürme in der Karibik und an der US-amerikanischen Küste sowie über die Philippinen hätten viele Menschen das Leben gekostet. „Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es auch eine hauptsächliche Verantwortung des Menschen im Zusammenspiel mit der Natur gibt“, erinnerte der Papst. Er würdigte in diesem Zusammenhang ausdrücklich das Pariser Klimaabkommen und erinnerte an dessen Ziele.
Wie mittelalterliche Kathedrale
Zum Abschluss erläuterte der Papst, dass das Zusammenspiel zwischen den Staaten so vonstattengehen könne, wie es für die „Erbauer der mittelalterlichen Kathedralen in ganz Europa“ war: „Diese gewaltigen Bauten erzählen, wie wichtig die Teilnahme eines jeden an einem Werk ist, das die Grenzen der Zeit überdauert“, so der Papst. Der Baumeister an einer Kathedrale hätte von vornherein gewusst, dass er die Vollendung seines Werkes nicht erleben würde. „Trotzdem hat er kräftig mitgeholfen, denn er verstand sich als Teil eines Projektes, das seinen Kinder zu Gute kommen sollte und die es dann ihrerseits für ihre Kinder verschönern und erweitern würden“, so die abschließende Ermunterung des Papstes. (vatican news)