Mit engagierten Katholiken hat sich der Papst am Sonntag Abend in Freiburg getroffen. Im modernen Konzerthaus der Stadt dankte er ihnen für ihren Einsatz – und fand wieder einmal durchaus deutliche Worte zur Lage der Kirche in Deutschland: Die religiöse Praxis gehe zurück, viele Katholiken gingen auf Abstand zum kirchlichen Leben.
„Es kommt die Frage auf: Muss die Kirche sich nicht ändern? Muss sie sich nicht in ihren Ämtern und Strukturen der Gegenwart anpassen, um die suchenden und zweifelnden Menschen von heute zu erreichen?"
Dazu fiel dem Papst eine Anekdote ein: Mutter Teresa wurde einmal gefragt, was sich ihrer Meinung nach als erstes in der Kirche ändern müsse. Ihre Antwort sei gewesen: „Sie und ich." Das bedeute:
„Kirche sind nicht nur die anderen, nicht nur die Hierarchie, der Papst und die Bischöfe; Kirche sind wir alle, wir, die Getauften."
Und dennoch stimme es gleichzeitig, dass in der Kirche „Änderungsbedarf" herrsche: Benedikt sprach von „stetiger Änderung". Aber wie solle dies nun „konkret aussehen"?
„Geht es hier um eine Erneuerung, wie sie etwa ein Hausbesitzer durch die Renovierung oder den neuen Anstrich seines Anwesens durchführt? Oder geht es hier um eine Korrektur, um wieder auf Kurs zu kommen sowie schneller und geradliniger einen Weg zurückzulegen?"
Beides spiele natürlich „eine Rolle" – doch „das grundlegende Motiv der Änderung" in der Kirche müsse, so Benedikt wörtlich, „die apostolische Sendung der Jünger und der Kirche selbst" sein. Dieser ihrer Sendung müsse sich die Kirche „immer neu vergewissern".
„Um ihre Sendung zu verwirklichen, wird sie immer wieder auf Distanz zu ihrer Umgebung gehen, sie hat sich gewissermaßen zu „ent-weltlichen"."
Die „Sendung der Kirche" komme vom Wesen Gottes her, von der sich verströmenden Liebe des Dreifaltigen. Darum gelte für die Kirche:
„Sie hat nichts Eigenständiges gegenüber dem, der sie gestiftet hat. Sie findet ihren Sinn ausschließlich darin, Werkzeug der Erlösung zu sein, die Welt mit dem Wort Gottes zu durchdringen und die Welt in die Einheit der Liebe mit Gott zu verwandeln."
Das müsse die Hauptaufgabe der Kirche in der Welt sein: Sie solle sich insofern auf die Welt einlassen, als sie dadurch „die Hinwendung des Erlösers zu den Menschen" fortsetzt und sichtbar macht.
„In der geschichtlichen Ausformung der Kirche zeigt sich jedoch auch eine gegenläufige Tendenz, daß nämlich die Kirche sich in dieser Welt einrichtet, selbstgenügsam wird und sich den Maßstäben der Welt angleicht. Sie gibt Organisation und Institutionalisierung größeres Gewicht als ihrer Berufung zur Offenheit."
Das dürfe nicht sein, befand der Papst aus Deutschland: Stattdessen müsse die Kirche „immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von der Weltlichkeit der Welt zu lösen". Die Säkularisierung trage in gewisser Hinsicht zur „Läuterung und inneren Reform" der Kirche bei.
„Die Säkularisierungen – sei es die Enteignung von Kirchengütern, sei es die Streichung von Privilegien oder ähnliches – bedeuteten nämlich jedesmal eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche, die sich ja dabei gleichsam ihres weltlichen Reichtums entblößte und wieder ganz ihre weltliche Armut annahm."
In einer „entweltlichten Kirche" trete ihr „missionarisches Zeugnis" wieder „klarer zutage", so Benedikt XVI. Eine „von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche" könne sich besser auf christliche Weise der Welt zuwenden, also „wirklich weltoffen sein".
„Sie öffnet sich der Welt, nicht um die Menschen für eine Institution mit eigenen Machtansprüchen zu gewinnen, sondern um sie zu sich selbst zu führen, indem sie zu dem führt, von dem jeder Mensch mit Augustinus sagen kann: Er ist mir innerlicher als ich mir selbst (vgl. Conf. 3, 6, 11)."
Er wolle hier keineswegs „eine neue Taktik finden, um der Kirche wieder Geltung zu verschaffen", meinte der Papst. Vielmehr gelte es, „jede bloße Taktik abzulegen und nach der totalen Redlichkeit zu suchen", die „ganz im Heute den Glauben vollzieht" und alles ablegt, „was nur scheinbar Glaube, in Wahrheit aber Konvention und Gewohnheiten sind".
„Sagen wir es noch einmal anders: Der christliche Glaube ist für den Menschen allezeit, nicht erst in unserer Zeit, ein Skandal. Dass der ewige Gott sich um uns Menschen kümmern, uns kennen soll, daß der Unfaßbare zu einer bestimmten Zeit faßbar geworden sein soll, daß der Unsterbliche am Kreuz gelitten haben und gestorben sein soll, daß uns Sterblichen Auferweckung und Ewiges Leben verheißen ist – das zu glauben ist nun einmal für uns Menschen eine Zumutung."
Dieser Skandal sei „unaufhebbar", „wenn man nicht das Christentum selbst aufheben will". Leider sei er „gerade in jüngster Zeit überdeckt worden von den anderen schmerzlichen Skandalen der Verkünder des Glaubens" – eine deutliche Anspielung auf die Missbrauchs-Skandale.
„Gefährlich wird es, wenn diese Skandale an die Stelle des primären skandalon des Kreuzes treten und ihn dadurch unzugänglich machen, also den eigentlichen christlichen Anspruch hinter der Unbotmäßigkeit seiner Boten verdecken. Um so mehr ist es wieder an der Zeit, die Weltlichkeit der Kirche beherzt abzulegen!"
Das sei kein Ruf nach dem Rückzug aus der Welt: Eine vom Weltlichen entlastete Kirche könne gerade im sozial-karitativen Bereich den Menschen „die besondere Lebenskraft des christlichen Glaubens vermitteln".
„Allerdings haben sich auch die karitativen Werke der Kirche immer neu dem Anspruch einer angemessenen Entweltlichung zu stellen, sollen ihr nicht angesichts der zunehmenden Entkirchlichung ihre Wurzeln vertrocknen." (rv)