Papst-Sprecher: „Klarer Kurs auch bei Wellengang“

 

Der Pressesprecher von Papst Benedikt, Federico Lombardi, nimmt an diesem Samstag ausführlich Stellung zu den Missbrauchsskandalen in Deutschland. Lombardi nimmt dabei Papst Benedikt XVI. vor Verdächtigungen im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in der deutschen Kirche in Schutz. In den vergangenen Tagen hätten einige „mit einer gewissen Verbissenheit" Anhaltspunkte gesucht, um den Papst persönlich in Missbrauchsfälle zu verwickeln. „Für jeden objektiven Beobachter ist klar, dass diese Bemühungen gescheitert sind", erklärte Lombardi in einem Beitrag für Radio Vatikan am Samstag.
Der Sprecher verwies auf die Stellungnahme des Erzbistums München von Freitag zu einem pädophilen Priester aus Essen. Der Geistliche war Anfang 1980 unter dem Münchener Erzbischof Joseph Ratzinger in den Diözesanklerus aufgenommen und später durch eine Verfügung des damaligen Generalvikars Gerhard Gruber in der Seelsorge eingesetzt worden. Nach 1982, dem Jahr des Wechsels Ratzingers nach Rom, wurde der Geistliche erneut sexuell straffällig.
Lombardi betonte dazu, aus der Erklärung des Erzbistums gehe hervor, dass Ratzinger absolut nichts mit den betreffenden Personalentscheidungen zu tun habe, „in deren Folge es später zu den Missbräuchen kommen konnte". „Trotz des Sturms" sehe die Kirche gut den Weg, den sie gehen müsse, so Lombardi. Sie stehe „unter der sicheren und konsequenten Führung des Heiligen Vaters".
Wir dokumentieren auf unserer Homepage die Note des Jesuitenpaters, der den Vatikanischen Pressesaal und Radio Vatikan leitet, in voller Länge.
„Klarer Kurs auch bei hohem Wellengang"
An diesem Wochenende, an dem sich die Aufmerksamkeit eines Großteils der europäischen Presse auf die Frage des sexuellen Mißbrauchs richtet, welcher von Personen und in Einrichtungen der katholischen Kirche verübt wurde, seien mir drei Bemerkungen erlaubt.
Vor allem hat sich gezeigt, dass die Linie der Deutschen Bischofskonferenz der richtige Weg ist, um das Problem in seinen verschiedenen Aspekten anzugehen. Die Erklärungen des Präsidenten der Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, nach seiner Begegnung mit dem Heiligen Vater greifen die Linie auf, die bei der jüngsten Vollversammlung der Bischofskonferenz festgelegt wurde, und betont die für die Umsetzung wesentlichen Punkte: die Wahrheit anerkennen und den Opfern helfen, die Prävention verstärken und konstruktiv mit den Behörden – auch mit den staatlichen Justizbehörden – zusammenarbeiten für das Wohl der Gesellschaft. Erzbischof Zollitsch hat auch ohne Wenn und Aber die Meinung der Experten betont, wonach die Frage des Zölibats in keiner Weise mit der der Pädophilie vermengt werden darf. Der Heilige Vater hat die deutschen Bischöfe in ihrer Linie bestärkt, die – obwohl sie natürlich Eigenheiten mit Blick auf ihr Land aufweist – doch als ein sehr nützliches und inspirierendes Modell für andere Bischofskonferenzen angesehen werden kann, wenn diese sich mit vergleichbaren Problemen konfrontiert sehen.
Zweitens zeigt das wichtige und ausführliche Interview des „Anwalts der Gerechtigkeit" der Glaubenskongregation, Mons. Charles Scicluna, en détail die Bedeutung der spezifischen kanonischen Normen auf, die von der Kirche in den letzten Jahren festgelegt wurden, um die äußerst schwerwiegenden Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch Kirchenleute zu beurteilen. Es wird vollkommen deutlich, dass diese Normen in keiner Weise ein Vertuschen solcher Vergehen beabsichtigt oder gefördert haben, sondern dass sie ganz im Gegenteil eine intensive Aktivität ausgelöst haben, um diese Vergehen im Rahmen des Kirchenrechts anzugehen, zu beurteilen und zu bestrafen. Man darf daran erinnern, dass all das durchgesetzt und auf den Weg gebracht wurde, als Kardinal Ratzinger Präfekt der Kongregation war. Seine Linie war immer schon die der Härte und Kohärenz im Umgang auch mit den schwierigsten Situationen.
Drittens hat das Erzbistum München mit einem ausführlichen und detaillierten Statement auf die Fragen geantwortet, die der Fall eines Priesters aufwarf, welcher zur Zeit, als Kard. Ratzinger Erzbischof der Stadt war, von Essen kommend nach München umzog – ein Priester, der sich später des Missbrauchs schuldig machte. Das Statement arbeitet heraus, dass der Erzbischof nichts zu tun hatte mit den Entscheidungen, nach denen es später dann zu den Missbräuchen kommen konnte. Vielmehr wird deutlich, dass es in den letzten Tagen einige gab, die mit einer gewissen Verbissenheit in Regensburg und München nach Elementen gesucht haben, um den Heiligen Vater persönlich in die Missbrauchs-Fragen mit hineinzuziehen. Für jeden objektiven Beobachter ist klar, dass diese Versuche gescheitert sind.
Trotz des Sturms hat die Kirche deutlich den Weg, den sie gehen soll, vor Augen – unter der sicheren und strengen Führung des Heiligen Vaters. Wie wir schon einmal gesagt haben: Hoffen wir, dass diese Turbulenz letztendlich eine Hilfe für die Gesellschaft insgesamt sein kann, um im Schutz und der Ausbildung von Kindern und Jugendlichen immer besser zu werden." (rv)

D: Aufarbeitung von Missbrauch erreicht Regensburger Domspatzen

 Die Aufarbeitung früherer Missbrauchsfälle hat nun auch die Regensburger Domspatzen erreicht. Derzeit gebe es Erkenntnisse, dass es in den 50-er Jahren bei dem berühmten Knabenchor zu sexuellen Übergriffen gekommen sei. Ein Täter sei damals juristisch belangt worden. Außerdem habe sich ein weiteres mutmaßliches Opfer gemeldet. Dessen Vorwürfe zu den 60-er Jahren würden derzeit untersucht.

 Hier die Erklärung des Bistums Regensburg in vollem Wortlaut.

Recherchen und Meldungen über Missbrauchsfälle und pädagogische Übergriffe im Bistum Regensburg in den Jahren 1958 bis 1973
In den letzten Wochen meldeten sich vermehrt Menschen, die uns Vorkommnisse, Übergriffe und auch Missbrauch berichteten. Wir führen diese Zunahme zurück auf die entsprechenden Presseberichte, unter anderem über die Diözesanbeauftragte für sexuellen Missbrauch. Da die Fälle bis zu einem halben Jahrhundert zurückliegen, bedeuten diese Anfragen für das Bistum: Gespräch, Zuhören, Recherche, Aktenstudium und Befragungen. Wir haben im Bistum entschieden, die Recherchen nicht häppchenweise vorzunehmen – wir wollen systematisch die Frage beantworten:
Welche Missbrauchsvorkommnisse gab es in Einrichtungen der Diözese Regensburg, wer waren die ´Täter und wer waren die Geschädigten?

Dabei verfolgen wir drei Ziele:

1. Gerechtigkeit und Hilfe für die Opfer
2. Strafrechtliche und kirchenrechtliche Verfolgung der Täter
3. Verhindern zukünftiger Übergriffe

Wir bitten alle Geschädigten sich an unsere Diözesanbeauftragte für sexuellen Missbrauch zu wenden. Wir möchten ermutigen, Leid beim Namen zu nennen, zu bearbeiten und auf diese Weise Schmerzen zu lindern und aufzulösen.
Wir können keine Aussagen treffen zu Ordensleuten, die nicht auf der Grundlage von Gestellungsverträgen mit der Diözese („Dienstverhältnis" mit der Diözese) tätig waren.
Wie Sie bereits aus unserer Einladung entnommen haben, liegt der Schwerpunkt unseres heutigen Berichts in den sechziger und Anfang der siebziger Jahre. Wir beschränken uns auf diesen Zeitraum, weil sich die Anrufe, die uns derzeit erreichen, auf dieses Zeitfenster beziehen.
Zum jetzigen Zeitpunkt der Recherche sind uns folgende Vorkommnisse bekannt geworden:
Verurteilter Geistlicher Friedrich Z. (Missbrauch)
geb. 1918, wurde 1949 ordiniert. Nach seiner Kaplanszeit in Deggendorf war er seit 01.09.1953 als Religionslehrer und Präfekt am Musikgymnasium Regensburg eingesetzt.
Am 06. Mai 1958, also fünf Jahre später, wurde er aus dem Dienst entfernt. Wie die "Regensburger Woche" damals berichtete, wurde Friedrich Z. ("Stellvertreter des Institutsleiters") "mit zweien seiner Schützlinge bei unsittlichen Handlungen ertappt" und wurde daraufhin vom Institutsleiter Theobald Schrems wegen dieser Vergehen an zwei Buben aus dem Haus entfernt. Nach Aussagen befragter Mitbrüder sei er dafür zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Von Oktober 1961 bis Juni 1982 war er Hausgeistlicher bei einem Schwesternkonvent mit Mädchenschule in der Diözese Chur / Schweiz. Nach dem die Schwestern die Niederlassung und die Schule im Juni 1982 auflösten, ist er in den Ruhestand nach Mitterteich (Geburtsort) gezogen, wo er am 24. Juni 1984 verstarb.
Bisher wissen wir nicht, wen Friedrich Z. missbraucht hat, auch nicht, welcher Art die Tat war und ob es nach der Verurteilung noch weitere Opfer gegeben hat.
Geschädigte (Missbrauch)
Zu den Einrichtungen der Regensburger Domspatzen hat sich bisher bei Fr. Dr. Böhm, der Diözesanbeauftragten für sexuellen Missbrauch, ein Geschädigter gemeldet. Wir rechnen aber mit einer Kontaktnahme eines weiteren Geschädigten mit Fr. Dr. Böhm, da er dies einer Mittelsperson angekündigt hat. Es geht – so weit wir wissen – um Vorwürfe Anfang der sechziger Jahre.
Verurteilter Geistlicher Georg Z. (Missbrauch)
1916 geboren, 1949 in Regensburg ordiniert. 1949 Kaplan in Neunburg vorm Wald, von 1950 – 1959 war er am Studienseminar in Straubing tätig, zunächst als Präfekt, später als Musikpräfekt.
Vom 01.01. – 31.08.1959 wirkte er als "Direktor der Internate der Dompräbende und des Domgymnasiums", so der damalige Titel des Internatsleiters der Domspatzen. Am 01.09.1959 wurde er zum Musikstudium beurlaubt und war vom 01.06.1964 – 30.05.1969 als Diözesanmusikdirektor in der Diözese tätig. Von Sept. 1972 bis 1973 war er als Musikpräfekt im Studienseminar in Weiden. Auf Betreiben der Seminarleitung wurde er am 01.11.1973 57-jährig in den Ruhestand versetzt, den er in Eslarn verbrachte und wo er am 17.01.1984 verstarb.
Die Angaben zu seiner Tat variieren je nach Quelle. Nach unseren Recherchen vermuten wir eine Übergriffshandlung vor dem 30.05.1969, die Mitte 1971 strafrechtlich mit 11 Monaten Haft belangt wurde. Bisher wissen wir nicht, wer durch Georg Z. missbraucht wurde, vielleicht auch nach seiner Freilassung. Wir suchen auch noch Näheres zur Tat und zur Verurteilung.
Geschädigter Michael (Name geändert) (Pädagogischer Übergriff u. Missbrauch)
Die Person war Schüler der Vorschule Etterzhausen und gibt an, Anfang der 60er Jahre durch übermäßige Prügel und Demütigungen misshandelt und durch Berührungen im Genitalbereich missbraucht worden zu sein.
Der Beschuldigte, ein junger Erzieher, konnte noch nicht identifiziert werden, weder mit Hilfe von Namenslisten noch durch die Vorlage von Fotos. Der Person wurde Hilfe angeboten und es wird weitere Gespräche dazu geben. Weitere Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gibt es bisher nicht zu diesem Internat.
Wir gehen im Moment Hinweisen auf körperliche Misshandlungen nach, die unter dem damaligen Direktor der Stiftung Etterzhausen, Johann M., passiert sein sollen.
Geschädigter Bernhard M. (Name geändert) (Pädagogischer Übergriff)
Ein Geschädigter erhob Vorwürfe der Misshandlung, vor allem durch Prügelstrafen, gegen den damaligen Direktor des Studienseminars in Weiden und weitere Mitarbeiter des Studienseminars. Es geht dabei um die Zeit Anfang der sechziger Jahre. Frau Dr. Böhm ist im Gespräch mit diesem Mann. Der damalige Direktor ist bereits verstorben, bezüglich der anderen Beschuldigten stehen wir in der Recherche noch am Anfang.
Maßgaben zu Fällen sexuellen Missbrauchs und pädagogischen Übergriffs im Bistum Regensburg
Grundsätzlich sind die benannten Fälle im Bistum und in der Öffentlichkeit bekannt geworden. Allerdings fehlen uns Einzelheiten zu den Vorgängen, weil wir die Urteile nicht haben. Um Opfern zu helfen und um systematische Aufklärung zu ermöglichen, setzt das Bistum Regensburg einen Rechtsanwalt ein. Er hat den Auftrag, Vorfälle der Vergangenheit zu durchleuchten, mögliche Opfer und Täter zu identifizieren und straf- bzw. kirchenrechtliche Maßregeln zu empfehlen. Er wird einen ersten Zwischenbericht in etwa 14 Tagen der Öffentlichkeit vorstellen. Wir können zurzeit noch nicht die Namen des Rechtsanwalts nennen, da die endgültige Beauftragung erst in den nächsten Tagen stattfindet.
Zusätzlich erweiterte die Diözese bereits im Jahr 2008 das Personalvolumen des Arbeitsstabs der Beauftragten für sexuellen Missbrauch. Seitdem unterstützt ein 5-köpfiges Team die Beauftragte. Zum Team gehören eine weitere Psychologin, ein ehemaliger Richter, ein Kirchenrechtler und zwei Mitarbeiter des Ordinariats. Der Arbeitsstab setzt das Anliegen der Diözese um, den Geschädigten Gehör zu geben, evtl. Therapie anzubieten und Licht ins Dunkel der Tat zu bringen. So wollen wir helfen, dass die Geschädigten ihre verletzte Würde wiederfinden, indem Gerechtigkeit hergestellt wird.
Melden sich Geschädigte, nimmt Frau Dr. Böhm oder die andere Psychologin aus dem Arbeitsstab Kontakt auf, bietet psychologische Hilfe an und versucht die Vorgänge zu erhellen. Meist sind mehrere Gespräche nötig, bis die Geschädigten Vertrauen gefasst haben und sich öffnen können.
Der Arbeitsstab informiert die Diözese über mögliche Täter. Verhärten sich Vorwürfe zu einem Verdacht, fordert die Diözese den Täter zur Selbstanzeige auf. Lehnt die Täterin oder der Täter die Aufforderung ab, informiert die Diözese die Staatsanwaltschaft. Soweit der Täter Kirchenrecht verletzte, entscheidet die Diözese welche kirchenrechtlichen Maßregeln zu treffen sind.
Sexueller Missbrauch widerspricht dem Anspruch und Auftrag der Kirche. Wie wir mit Tätern nach verbüßter Strafe verfahren, entscheidet das Bistum nach Maßgabe der gerichtlichen, therapeutischen und kirchenrechtlichen Vorgaben. Menschen mit pädophilen Fixierungen können nicht mehr im Dienst der Kirche beschäftigt werden. So wurde der Täter von Riekofen aus dem Klerikerstand entlassen. (Bistum Regensburg)