Zehn Kardinäle haben schon vor der Synode ausführlich Kritik am Startvortrag von Kardinal Walter Kasper über Ehe- und Familienpastoral geäußert, in der Regel in längeren Aufsätzen. Von diesen zehn Kardinälen nehmen sechs an der derzeitigen Generalversammlung der Bischofssynode in Rom teil: Es sind die Kardinäle Müller, Burke, Caffarra, Pell, Ouellet und Scola. Gemeinsam ist ihnen wichtig, dass sie an die Unverrückbarkeit der kirchlichen Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe erinnern. Am Donnerstag hielten die Synodenväter eine – den Berichten nach bewegte – Aussprache über die Ergebnisse ihrer Arbeitsgruppen. Wir fragten den australischen Kurienkardinal George Pell, wie er diese Aussprache bewertete.
„Aus meiner Sicht war das sehr, sehr ermutigend! Es war eine Atmosphäre des offenen Redens, der Wahrheit, der Vielfalt in der Einheit. Und es war sonnenklar, dass die Lehre der Kirche, die Lehre Jesu absolut fundamental und zentral ist. Natürlich bedeutet das: Barmherzigkeit, aber Barmherzigkeit in der Wahrheit! Die Dokumente aus den Arbeitsgruppen sind wirklich katholisch im besten Sinn des Wortes. Es gibt da Diversität – offensichtlich. Aber da ist auch die radikale Treue zum Evangelium und zu Jesus Christus.“
Mit einer klaren Mehrheit bei der entsprechenden Abstimmung haben die Synodenväter dafür gesorgt, dass ihre Berichte aus den Arbeitsgruppen noch am Donnerstag in vollem Wortlaut veröffentlicht wurden. Zuvor hatten Synodenväter, etwa die Kardinäle Müller und Burke, kritisiert, dass die einzelnen Wortmeldungen der Teilnehmer nicht, wie früher üblich, in Zusammenfassungen an die Presse gegeben wurden. Frage an Pell: Ist die Synode transparent genug?
„Ja! Nach der Veröffentlichung dieser Wortmeldungen der einzelnen Arbeitsgruppen ist die Lage viel, viel klarer! Ich bin mir sicher, dass das auch in der Schlussbotschaft so sein wird.“
Die Schlussbotschaft der Synode wird am Samstag veröffentlicht – anders als das Schlussdokument, dessen Übersetzung ein paar Tage brauchen wird.
Teilnehmer wie Beobachter der Synode staunen immer wieder, wie vielfältig die Blickwinkel auf vermeintlich gut bekannte Probleme im Ehe- und Familienbereich sein können. Beispiel: die wiederverheirateten Geschiedenen. Vor der Synode hatte es immer wieder geheißen, das sei vor allem ein westliches Spezialproblem. In der Aula aber stellte es sich als eines der brennendsten Probleme überhaupt heraus, und zwar bei weitem nicht nur für Westeuropa. Ioan Robu ist katholischer Erzbischof der Hauptstadt Rumäniens, Bukarest. Er sagte in einem Radio-Vatikan-Gespräch:
„Ich habe in meiner Wortmeldung über unsere Beziehungen zu orthodoxen Familien gesprochen; in der Regel haben sie keinerlei religiöse Ausbildung in der orthodoxen Kirche bekommen, aber bei uns einen Weg des Glaubens begonnen. Sie kommen jeden Sonntag in die katholische Messe, aber weil wir ihre Familiensituation nicht als regulär einstufen, gehen sie einmal im Jahr in die orthodoxe Kirche, um zu beichten und die hl. Kommunion zu empfangen. Meine Frage war, ob wir das nicht für diese Familien anstelle der orthodoxen Kirche anbieten können, so dass wir ihnen einmal im Jahr die Beichte abnehmen und die Kommunion geben können. Einige dieser Familien bitten uns immer und immer wieder, doch bei uns beichten zu können.“
Und warum ist die Situation dieser Familien „nicht regulär“? Nicht etwa, weil sie Orthodoxe sind. Erzbischof Robu erklärt:
„Das sind Familien, bei denen – wie das die Norm in der orthodoxen Kirche ist – die Ehepartner schon das zweite oder sogar dritte Mal verheiratet sind. Für uns ist das etwas, das wir nicht als normal einstufen können, wir stufen sie als irregulär ein; aber weil sie immer in unsere Kirchen kommen und gerne voll in die Gemeinschaft der katholischen Kirche aufgenommen würden, ist das für uns ein Problem. Wir suchen neue Wege für diese Familien, die letztlich auch ihre Schönheit, ihren Wert haben.“ (rv)