Europaparlament und Europarat stehen – jeweils in ihren politischen Zusammenhängen – für die Einigungsbewegung des Kontinents. Geboren aus der Erfahrung der Kriege ist diese Bewegung von Anfang an von den Päpsten positiv begleitet worden, beginnend mit Papst Benedikt XV. während des Ersten Weltkrieges.
Sichtbar wird das natürlich vor allem in den letzten Jahrzehnten und hier besonders während des Pontifikates Papst Johannes Paul II. Sein Einsatz für die Freiheit Osteuropas und die Stabilität und den Frieden auf dem gesamten Kontinent war eines der Zentren seiner Überzeugungen.
1999 – zum 50. Geburtstag des Europarates – richtete Johannes Paul II. eine Botschaft an die Mitglieder. Er betonte damals die Bedeutung dieses Rates als erster Einrichtung, die „der Schaffung einer auf geistigen und moralischen Werten, dem gemeinsamen Erbe der europäischen Völker, gegründeten neuen Einheit unter den Völkern des Kontinents“ diente. Er würdigte in seiner Botschaft die Konvention für Menschenrechte, den Geist der europäischen Demokratie und das „politisches Projekt“ (..) das den europäischen Nationen ermöglichen würde, ein durch unverzichtbare Werte wie Vergebung, Frieden, Gerechtigkeit, Zusammenarbeit, Hoffnung und Brüderlichkeit gefestigtes „gemeinsames Heim“ aufzubauen.“ Diese Werte gelte es wieder zu entdecken, so Johannes Paul II.
Elf Jahr zuvor – die Mauer stand noch – hatte Papst Johannes Paul selber Straßburg besucht, er sprach vor der parlamentarischen Versammlung des Europarats und dem Europaparlament davon, dass der Rat für „Hoffnung der Völker“ arbeite, „um einem Ideal der Freiheit, der Toleranz und der Achtung des Rechts zu dienen“: Ein Europa, geeint, offen und frei.
Beide Male – 1999 wie 1988 – nahm der Papst Bezug auf die Gründung, die Zeit nach dem Krieg und den Wunsch, Feindschaft in Europa zu überwinden. Diese Gründungsidee gelte es wach zu halten, denn ohne lasse sich die europäische Einigung nicht verstehen.
Der Gedanke selber hat tiefe Wurzeln, als erster äußerte sich Papst Benedikt XV. während des Ersten Weltkrieges in diesem Sinn, auch Papst Pius XII. hatte nach dem Zweiten Weltkrieg Europa zur Einheit aufgerufen. Für Papst Johannes XXIII. war die wirtschaftliche Verflechtung einer der Garanten für einen stabilen Frieden, so der Papst in seiner Enzyklika Pacem in Terris.
Anliegen der Päpste
Besonders wichtig war den Päpsten immer die Betonung der Wurzeln, aus denen die europäische Zivilisation und Geschichte lebt. Hier sind besonders die Ansprache Johannes Pauls II. und die immer wiederkehrende Betonung durch Papst Benedikt XVI. bedeutsam. „Die Kirche vertritt die Ansicht, dass der Mensch ein Anrecht auf die erforderliche Freiheit und Sicherheit besitzt, um sein Leben nach den Forderungen seines rechten Gewissens, seiner geistlichen Aufgeschlossenheit für das Absolute und seiner Berufung zu einem brüderlichen Leben zu führen“, so Johannes Paul II. Die Durchdringung der Natur durch den Verstand, die Wertschätzung der Familie, die Betonung der Rechte, das alles sei christliches Erbe.
Ein weiteres wichtiges Thema verbindet sich vor allem mit Papst Franziskus, er hat zuletzt am 28. Oktober dieses Jahres mit deutlichen Worten die Jugendarbeitslosigkeit in Europa beklagt. Hier ginge es um Zukunft, aber auch um menschliche Würde. Ähnliche Töne finden sich aber bereits in der Ansprache Johannes Paul II. 1988, man kann also auch hier von einem die Päpste übergreifenden Anliegen sprechen.
Erbe und Einheit
Papst Benedikt XVI. hat während seines Pontifikates ebenfalls wiederholt zu Europa gesprochen, für ihn war Europa aber weniger eine geographische oder politische Einheit, sondern vielmehr eine kulturelle und historische. Das Wort „Erbe“ fällt dabei immer wieder. Es geht um Werteordnung und die Rolle der Religion in einem zunehmend sich laizistisch verstehenden Prozess, es geht um den Hintergrund des Verlustes des „christlichen Gedächtnisses“, um „pragmatischen Agnostizismus“ und „religiöse Gleichgültigkeit“. 2011 hat Papst Benedikt XVI. das vor dem deutschen Bundestag so formuliert:
„An dieser Stelle [bei der Frag nach der Quelle des Rechts] müsste uns das kulturelle Erbe Europas zu Hilfe kommen. Von der Überzeugung eines Schöpfergottes her ist die Idee der Menschenrechte, die Idee der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, die Erkenntnis der Unantastbarkeit der Menschenwürde in jedem einzelnen Menschen und das Wissen um die Verantwortung der Menschen für ihr Handeln entwickelt worden. Diese Erkenntnisse der Vernunft bilden unser kulturelles Gedächtnis. Es zu ignorieren oder als bloße Vergangenheit zu betrachten, wäre eine Amputation unserer Kultur insgesamt und würde sie ihrer Ganzheit berauben. Die Kultur Europas ist aus der Begegnung von Jerusalem, Athen und Rom – aus der Begegnung zwischen dem Gottesglauben Israels, der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms entstanden. Diese dreifache Begegnung bildet die innere Identität Europas. Sie hat im Bewusstsein der Verantwortung des Menschen vor Gott und in der Anerkenntnis der unantastbaren Würde des Menschen, eines jeden Menschen, Maßstäbe des Rechts gesetzt, die zu verteidigen uns in unserer historischen Stunde aufgegeben ist.“ (rv)