Franziskus in Florenz: „Keine Machtgelüste in der Kirche“

Papst FranziskusFranziskus träumt von einer Kirche in Italien, die den Menschen nahe steht und nicht auf Machtgewinn fixiert ist. Klare Worte äußerte der Papst bei seinem Besuch in Florenz, der Hauptstadt der Toskana. An die italienischen Bischöfe gewandt, sagte Franziskus, dass sie keine Angst haben sollten, „mit Hilfe des Heiligen Geistes“ die Kirche zu leiten. Sein Besuch in Florenz und die Ansprache in der Kathedrale „Santa Maria del Fiore“ fand anlässlich des fünften Nationalen Kirchentreffens statt, einer Art italienischer Katholikentag also. Mehr als 2.500 Gläubige nahmen daran teil.

Bevor der Papst seine ausführliche Grundsatzrede hielt, sprachen in der berühmten florentinischen Kathedrale der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz und einige Gläubige über den Stand der Dinge der katholischen Kirche in Italien.

Die katholische Kirche müsse nie Angst haben vor den Herausforderungen der Welt, so der Papst in seiner Rede. Ausgehend vom Fresko des Jüngsten Gerichts in der Kathedrale ging der Papst auf die Aufgaben der Kirche ein: Gott habe seinen Sohn nicht als Richter in die Welt geschickt, sondern als Retter, deshalb müsse jeder Gläubige selber ein Diener für die anderen sein und nicht ein Sammler von Machtansprüchen.

Bescheidenheit, Desinteresse und Seligpreisung

Der Papst zählte drei Punkte auf, um den „wahren christlichen Humanismus“ zu umschreiben: Bescheidenheit, Interesselosigkeit und die Seligpreisung. Über die Bescheidenheit sagte der Papst, dass man sich davor hüten solle, „nur an den eigenen Ruhm zu denken“. Dies führe zum zweiten Stichwort: die Interesselosigkeit führe dazu, dass man Gott aus dem eigenen Leben ausschließt. „Vermeiden wir es bitte, uns in Strukturen einzuschließen, die uns eine falsche Sicherheit vermitteln und uns zu unbarmherzigen Richtern werden lassen. Unser Glaube ist revolutionär, weil er vom Heiligen Geist kommt“, so der Papst. Jeder sei aufgerufen, diesem „Impuls“ zu folgen und so zu Menschen zu werden, wie Jesus es im Evangelium vorgelebt und aufgefordert habe. „Ein Christ wird nur dann selig, wenn er in sich die Freude des Evangeliums stellt“, fügte Franziskus an. Schaue man auf die „großen Heiligen“, so sehe man, dass „ihre Seligkeit viel mit Verschmähung und Armut“ zu tun hatte.

Die drei Stichwörter würden auch die Kirche in Italien gut umschreiben, so der Papst. „Die drei Elemente besagen uns, dass wir nicht darauf fixiert sein müssen, Macht anzuhäufen, auch wenn es vielleicht für die Kirche nützlich aussehen könnte. Wenn die Kirche nicht die Haltung Jesu einnimmt, dann wird sie orientierungslos und verliert ihren Sinn. Wenn die Kirche hingegen Jesus folgt, dann wird sie ihre Mission ausüben können. Die Haltung Jesu sagen uns, dass eine auf sich selber orientierte Kirche eine traurige Sache ist.“

Zwei Verführungen

Dies könne auch zu einem Hindernis auf dem Weg der Erneuerung werden, fügte er an. Er wolle deshalb zwei Verführung aufzählen „und nicht 15 wie vor der Kurie“, scherzte der Papst. Einerseits müsse sich die Kirche vor „Starre und Härte“ hüten, die sie zu einer „unbarmherzigen Richterin“ verkommen lässt. Die Kirche brauche nicht nur „Strukturplanungen“ – dies betreffe gerade die Kirchenreform – sondern immer die Erneuerung in Christus. Andererseits – und das ist die zweite Versuchung – gehe es darum, sich vor dem Agnostizismus in Acht zu nehmen, also der Gleichgültigkeit gegenüber Gott. Franziskus nannte hierbei zwei italienische Literaturfiguren, nämlich Don Camillo und Peppone vom Autor Giovannino Guareschi:

„Sie waren so verschieden, aber beide sehr nahe an den Menschen. Nähe und Gebet, das sind die Schlüssel, um das christliche Volk zu fördern, ein Volk, das bescheiden, großzügig und zufrieden ist. Wenn wir als Bischöfe diesen Kontakt zum Glaubensvolk verlieren, dann gehen wir nirgendwo hin.“

Mittagessen mit Armen

Das Mittagessen nahm der Papst in einer Armenküche gemeinsam mit Bedürftigen ein. Am Dienstagnachmittag stand ein Gottesdienst mit etlichen Zehntausend Gläubigen aus der Region im Stadion von Florenz auf dem Programm. Der letzte Besuch eines Papstes in den beiden toskanischen Städten fand 1986 statt. Der eintägige Besuch ist die zehnte inneritalienische Reise des Papstes seit seinem Amtsantritt im März 2013. (rv)

Papst in Florenz: Im Zeichen des Humanismus

S. Maria del FioreAm Dienstag wird Papst Franziskus die Toskana besuchen, zunächst die Industriestadt Prato – dort leben Tausende von chinesischen Familien. Sie arbeiten vor allem in der – seit einiger Zeit schwächelnden – Textilindustrie. Gemessen am Vergleich zur einheimischen Bevölkerung leben in keiner Stadt Europas so viele Chinesen wie in Prato. Danach fährt Franziskus weiter nach Florenz, wo er den berühmten Dom besucht und mit Armen zu Mittag essen wird. Radio Vatikan sprach mit dem Erzbischof der Stadt, Kardinal Giuseppe Betori, über die Erwartungen an den Papst-Besuch.

Franziskus nimmt in Florenz auch wieder die Armen und Ausgeschlossenen der Gesellschaft in den Blick. Er wird in der Basilika „Santissima Annunziata“ Kranke treffen. Zu Mittag isst er mit Armen in der Kantine der Diözesan-Caritas. Der Altar für die Heilige Messe im Gemeinde-Stadion "Artemio Franchi" ist zudem ein Werk von Florentiner Häftlingen. Die Vorfreude ist bei allen groß, weiß der Erzbischof der Stadt, Giuseppe Betori:

„Die Menschen sehen ihn wie einen Vater: alle würden gerne mit ihm sprechen, ihn treffen. Die Menschen sehen ihn wie einen Vater, der ihnen nahe steht, der sich der Schwierigkeiten der heutigen Zeit annimmt, der sie versteht. Die Menschen sehen, dass dieser Papst die Leiden und Probleme der einfachen Leute, der Gläubigen erkannt hat.“

Im Zentrum des Besuchs von Papst Franziskus steht die 5. Nationale Studientagung der italienischen Kirche, die von Montag bis Freitag in Florenz stattfindet. Das Treffen steht unter dem Motto: „In Jesus ein neuer Humanismus“. Die Teilnehmer beraten über die Herausforderungen der heutigen Zeit, in denen die Grundwerte der persönlichen Existenz und der Familie verlorenzugehen scheinen. Es gelte, wie Papst Franziskus es fordert, die Zeichen der Zeit zu erkennen und die Sprache der Liebe zu sprechen, die Jesus den Menschen beigebracht hat. Nur eine Kirche, die nah bei den Menschen und ihrem alltäglichen Leben ist, bereitet den Boden für die Verkündung des Glaubens. Letztendlich geht es bei der Tagung darum, die menschliche Existenz wieder auf ein christliches Vorbild auszurichten, erklärt Erzbischof Betori.

„Das ist die Botschaft, die wir vermitteln wollen: Eine Botschaft der Hoffnung. Eine Botschaft, die konkret ist. Der Konvent will nicht einfach über den Menschen sprechen, sondern alle Erfahrung mit gutem Humanismus zusammentragen, auf dass sie sich in unserer Gesellschaft verwirklichen und einer Entmenschlichung entgegenwirken. Im Zentrum dieses Humanismus steht die Barmherzigkeit, die Aufmerksamkeit für die Armen, wie es uns die Tradition des wahren Florentiner Humanismus vorgibt.“

Florenz sei mit seiner Tradition der ideale Ausgangspunkt für eine Rückbesinnung auf die Werte des Humanismus, so der Erzbischof. Denn hier habe er schließlich einmal seinen Ausgang genommen.

„Natürlich bietet Florenz allen, die hier herkommen, zunächst einmal einen Anblick der Schönheit. Schließlich hat hier der Ausdruck der Schönheit ein sehr hohes Niveau erreicht. Ich wünsche mir, dass der Heilige Vater versteht, dass diese Schönheit nicht einfach nur das Werk eines genialen Künstlers ist, sondern die Frucht einer ganzen Gesellschaft, die über die Jahrhunderte in Harmonie aufgebaut wurde. In seiner Blütezeit fanden in Florenz die Suche nach Wahrheit, nach dem Guten und der Schönheit zu einer Einheit. Ein Beispiel: Als die Florentiner ein Haus für Waisenkinder gründeten, ließen sie nicht den erstbesten Vermesser ran, sondern ließen es vom größten Architekten ihrer Zeit errichten: Filippo Brunelleschi.“

(rv)