Einige Gedanken zur Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz.
Anderthalb DINA4-Seiten umfasst die Erklärung der deutschen Bischöfe zu den Ergebnissen der Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“.
Sie ist ebenso knapp wie kühl und nach eingehender Lektüre hatte ich den Eindruck, mir läge die Pressemitteilung des Kanzleramtes oder irgendeiner Parteizentrale vor, nicht aber eine Erklärung der deutschen Oberhirten.
Der Illusion, die deutschen Bischöfe wollten als Seelsorger sprechen – vor allem in die Seelen der Missbrauchsopfer – sollten wir uns aber gar nicht erst hingeben, denn hier geht es vor allem um die Ansprache der Öffentlichkeit oder besser derjenigen Teile der Öffentlichkeit, die man Meinungsführer nennt.
Von diesen Meinungsführern haben die deutschen Bischöfe seit Kardinal Lehmann sehr viel gelernt, weswegen die Überschrift der Erklärung auch „Good Governance statt Hirtenamt“ lauten könnte. Denn es wimmelt in der Erklärung von Versatzstücken und Wieselwörtern der „guten Regierung“: Man will Aufarbeitungsprozesse angehen, Personalakten standardisieren, ein externes, verbindliches, überdiözesanes Monitoring einrichten und Verfahren fortentwickeln. Das hören wir schon seit Jahren – Prozesse und Verfahren. Bedeutet das vielleicht: Noch eine Kommission, noch ein Arbeitskreis? Zimmert man sich da wieder eine lange Bank, auf die man die ganze Angelegenheit schiebt?
So wie es sicher genügend deutsche Bischöfe gibt, denen es mit der Aufklärung Ernst ist, die nicht mehr damit warten können, in ihrer Diözese aufzuräumen, wird es auch Amtsträger geben, die zu lange weggeschaut und sich damit selbst schuldig gemacht haben. Hoffen sie vielleicht, noch einmal davonzukommen? Noch können sie hoffen, da ja auch von höchster Stelle zu einschlägigen Anschuldigungen geschwiegen wird.
Schließlich lesen wir von noch einem „transparenten Gesprächsprozess“, in dem man unter „Beteiligung von Fachleuten verschiedener Disziplinen“ „Fragen nach der zölibatären Lebensform der Priester und nach verschiedenen Aspekten der katholischen Sexualmoral“ erörtern will.
Nun sollte der Zölibat, wenn man ihn denn ernst nimmt, und die katholische Sexualmoral sexuellen Missbrauch eigentlich verhindern und nicht fördern. Vergegenwärtigen wir uns die Zahlen. 4.4 % der deutschen Kleriker sollen sich des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger schuldig gemacht haben, was aber nur als untere Schätzgröße gilt (S. 5. des Berichts). Gehen wir also getrost von höheren Missbrauchszahlen aus. Selbst dann müssen wir uns fragen: Sollen tatsächlich 5, 10 oder 20 % unter den Priestern gegen alle anderen ausgespielt werden, um lang gehegte Theologenträume wieder und wieder zu diskutieren? Hier muss man sogar hoffen, dass diese Diskussion auf die lange Bank geschoben wird, denn wie die außerkirchliche Erfahrung zeigt, schützt Ehe vor Missbrauch nicht.
Meiner Meinung nach bietet die Erklärung aber auch den Ansatz zu einer Lösung, nämlich dort, wo die Bischöfe den Betroffenen Gerechtigkeit zu teil werden lassen wollen und von einem institutionellen Versagen sprechen. Welche Institution könnte hier gemeint sein, wenn nicht das Bischofsamt selbst! Viel zu lange haben die Bischöfe sich hinter einer anderen Institution, der Bischofskonferenz, versteckt. Sagen wir es ganz klar: Hier geht es nicht um Kollegialität, hier geht es um Jurisdiktion!
Das II. Vatikanum hat es in Lumen Gentium, 27, ganz eindeutig erklärt: „Die Bischöfe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht, die sie indes allein zum Aufbau ihrer Herde in Wahrheit und Heiligkeit gebrauchen (…). Kraft dieser Gewalt haben die Bischöfe das heilige Recht und vor dem Herrn die Pflicht, Gesetze für ihre Untergebenen zu erlassen, Urteile zu fällen und alles, was zur Ordnung des Gottesdienstes und des Apostolats gehört, zu regeln.“
Daraufhin möchte man ausrufen: Bischöfe Deutschlands! Bischöfe in aller Welt! Lasst Euch nicht von Bischofkonferenzen einhegen, sondern nehmt Euren Auftrag wahr. Dort wo sich Vorwürfe gegen Priester und Diakone erhärten, suspendiert sie vom Amt und entfernt sie aus den Gemeinden – ganz gleich, welche sexuelle Präferenz sie haben. Versetzt sie aber nicht in andere Pfarreien, wo sie weiter Straftaten begehen können. Wenn sie vor Gericht überführt werden, entlasst sie aus dem kirchlichen Dienst und stellt sie bitte nicht als Pastoralreferenten wieder ein. Ja, ihr habt eine Fürsorgepflicht auch gegenüber diesen Priestern. Sie brauchen Hilfe. Aber wie „Uncle Ted“ sollten sie ein Leben in Abgeschiedenheit und Buße führen.
Nehmt also einfach Euer Amt wahr, dann werdet ihr Eure Glaubwürdigkeit zurückerlangen – vielleicht zum Ärger derjenigen, die nun Morgenluft für ihre billigen theologischen Allgemeinplätze wittern. Nicht nur die Opfer, sondern auch alle Gläubigen haben das Recht, die authentische Stimme der Bischöfe zu hören, anstatt sich im eiskalten Behördendeutsch des Sekretariats der DBK wiederfinden zu müssen.
Aber vielleicht ist das alles zu viel verlangt, in einer Zeit, in der Bischofskonferenzen die Jurisdiktion des einzelnen Bischofs unterlaufen, ihm gleichzeitig aber Gelegenheit bieten, sich hinter allen anderen Konferenzmitgliedern zu verstecken. Eins steht aber fest: Mit „Good Governance“ der oben zitierten Art wird die Gerechtigkeit den Betroffenen gegenüber auf die lange Bank geschoben. (CNA Deutsch)