Vergewaltigung als Kriegswaffe – darüber sprechen derzeit in London Fachleute bei einem hochrangig besetzten Gipfel. Großbritanniens Außenminister William Hague hat dazu eingeladen, Papst Franziskus hat eine Botschaft geschickt, und über tausend Vertreter aus 117 Ländern nehmen daran teil, darunter die Hollywood-Schauspielerin Angelina Jolie. Neben den Fachleuten sind auch Überlebende, Zeugen, Ärzte und Soldaten anwesend.
Hunderttausende Frauen von Bosnien über Darfur, Ruanda, Sierra Leone und Kongo haben durch gezielte Massenvergewaltigungen unaussprechliches Leid und Stigmatisierung erlitten, während die Täter meist straffrei bleiben. Im Kongo werden stündlich immer noch 48 Frauen vergewaltigt. Die Kirche kämpft seit dem Aufkommen dieser neuartigen Kriegswaffe an der Seite der Opfer – auch der potentiellen Opfer. Wir haben mit Schwester Victoria Chiharhula gesprochen, einer Missionarin Unserer Lieben Frau von Afrika aus der Demokratischen Republik Kongo. Sie setzt sich im Ost-Kongo seit 15 Jahren für mehrfach vergewaltigte Frauen ein.
„Die Methodik, die Böswilligkeit, mit der diese Gewaltakte verübt werden, zeigen, dass hinter solchen Massenvergewaltigungen heute eine Strategie steckt. Wir haben Opfer gesehen im Alter zwischen eineinhalb und 75 Jahren. Die Männer gehen in ein Dorf rein und vergewaltigen systematisch. Nachdem sie die Frauen vergewaltigt haben, zerstören sie ihre Geschlechtsorgane. Sie schneiden sie auf, mit Säbeln, Messern, Ästen, Gewehren. In den letzten Jahren ist Säure dazugekommen. Sie verätzen damit die Geschlechtsorgane der Frauen. Dahinter steckt der Wille, ein Volk zu eliminieren, denn wenn man Frauen zerstört, zerstört man Leben.“
Im Ost-Kongo sei die Massenvergewaltigung von Frauen durch die Niederlage der Rebellenbewegung „M23″ nur leicht zurückgegangen, sagt Schwester Victoria. Rund 15 weitere Gruppen bewaffneter Kämpfer seien vergewaltigend unterwegs. Manchmal werde eine vertrieben, dann kämen die Männer zurück und ließen sich an den wehrlosen Frauen aus.
„Der Kern des Verbrechens ist die Straflosigkeit! Und wer von Straflosigkeit spricht, spricht von Korruption. Denn diese Verbrecher lässt man nur laufen, weil sie bezahlt haben.“
Das wiederum lässt sich nur durch die Verstrickungen der diversen Rebellengruppen in Geschäfte mit Bodenschätzen erklären.
„Diese Gruppen kontrollieren die Straßen und die Minen. Bei allen Kämpfen in der Region Ostkongo geht es letztlich um die Herrschaft über die Minen. Solange die Gruppen nicht entwaffnet sind, wird die sexuelle Gewalt andauern. Die erste Sache, die zu tun wäre, ist die Straflosigkeit zu bekämpfen, indem man die Regionalregierung zwingt, das Gesetz anzuwenden: Das Gesetz existiert, aber es wird nicht angewandt. Zweitens müssen die Soldaten bezahlt werden. Und drittens muss man auf lokaler Ebene ansetzen, bei Bildungsprogrammen. Auch die Kirche hat hier Verantwortung, sie muss in Seelsorgeoffensiven sicherstellen, dass die Würde jedes Menschen anerkannt wird. Tut man das nicht, riskiert man, dass diese traumatisierten Menschen in zwanzig Jahren selbst zu Folterknechten werden.“ (rv)